Kitabı oku: «Pucki», sayfa 4

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4. Kapitel: Es schießt

Mit unzufriedenen Blicken betrachtete Hedi Sandler das winzige Kindchen, das im Wagen lag. Die Eltern hatten ihr gesagt, es wäre das neue Schwesterchen, das ins Forsthaus gekommen sei. – Anfangs freute sich Hedi über diese Kunde und bestaunte das kleine schlafende Püppchen, als aber beim Erwachen lautes Schreien ertönte, schüttelte sie missbilligend den Kopf.

Das ging nun schon mehrere Tage so. Die Mutti, die ein ganzes Weilchen im Bett gelegen hatte, lief wieder umher, und Hedi fand, dass sie sich viel mehr um den kleinen Schreihals kümmerte als um sie. Jedes Mal, wenn das Schwesterchen zu brüllen begann, kam die Mutti herbei, nahm es aus dem Wagen und trug es davon. So beschloss Hedi, auch nicht immer still dazusitzen, sondern die Mutti durch Schreien herbeizulocken.

An einem Vormittag, als das Schwesterchen wieder einmal kräftig geschrien hatte und jetzt schlafend im Wagen lag, fing Hedi an, ganz plötzlich laut zu brüllen. Die in der Küche beschäftigte Mutter eilte herbei. Da lachte das kleine Mädchen aus vollem Halse und sagte schelmisch:

»Jetzt mache ich es immer genau so wie das kleine Schwesterchen. – Kommst du auch immer zu mir, wenn ich brülle?«

»Warum schreist du so sehr?«

»Ich wollte nur sehen, ob du auch kommst, weil du immer kommst, wenn das kleine Schwesterchen schreit. Hedi will auch, dass die Mutti oft zu ihr kommt.«

»Schäme dich, Hedi, die Mutti von der Arbeit fortzuholen. – Du bist viel zu groß, um solch Geschrei anzustimmen, wenn dir nichts fehlt.«

Seit dieser Bemerkung der Mutter wurde Hedi noch nachdenklicher. Man musste also ein ganz kleines Ding sein, dann durfte man schreien. Die Dora von Tante Niepel schrie auch immer. – Nicht mal spielen durfte sie mit der kleinen Schwester. Das war kein Mädchen, das war auch keine Puppe, nicht mal ein Teddybär.

»Vati«, schmeichelte das Kind eines Nachmittags, als Förster Sandler von einem Rundgang durch den Wald heimkam, »nimm das Kind wieder mit in den Wald, wir möchten unter uns sein; wir können das Kind nicht brauchen.«

»Aber Hedi – du musst dich doch über das Schwesterchen freuen.«

»Ach, nein, Hedi freut sich gar nicht. – Nimm es nur wieder mit! – Warum ist es denn grade zu uns gekommen?«

»Nun, unsere Hedi war fortgelaufen, ist eine ganze Nacht weggewesen, da haben wir uns eben ein anderes kleines Mädchen geholt.«

Die Kleine überlegte. Es stimmte, was der Vater sagte. Damals, als sie von dem schwarzen Manne mitgenommen wurde und schreckliche Angst im Auto ausgestanden hatte, hatten die Eltern sorgenvoll nach ihr gesucht. Sehr bald darauf war dann das kleine Ding dagewesen, das im Wagen lag und schrie.

»Hätt' ich gewusst, Vati, dass so ein unartiges Ding zu uns kommt, wäre ich nicht in die Kiste beim Auto gestiegen. – Ach, Vati, ich bin eben ein Pucki, und wenn ein Pucki was anfängt, geht es immer schlimm aus. Jetzt haben wir den kleinen Schreihals auf dem Halse. – Du, Vati, wollen wir nicht der Mutti ganz heimlich 'ne Freude machen und das kleine Schwesterchen 'rausschmeißen? Sie wird sich sehr freuen, wenn sie nicht immerzu laufen muss, wenn es schreit.«

»Du musst dein kleines Schwesterchen sehr lieb haben, Hedi. Das hat uns der liebe Gott aus dem Himmel geschickt.«

»Vielleicht wollte er es nicht mehr haben, weil es so viel schreit. – Wir wollen ihm doch sagen, er soll es wieder in den Himmel holen.«

»Schäme dich, Hedi! Das Schwesterchen wird größer, dann läuft es und spielt mit dir im Garten und im Walde.«

»Aber morgen kann es noch nicht mit mir spielen?«

»Dummerchen, so schnell geht es nicht.«

Von nun an beobachtete Pucki die Kleine noch aufmerksamer. Wenn sie am Wagen stand, so sprach sie oftmals auf das schlafende Baby ein.

»Dummer Schreihals – nun wachs aber endlich! Ich will doch mit dir spielen!«

Sie konnte sich mit dem Baby nicht anfreunden und ging auch nach wie vor lieber nach dem Niepelschen Gut, um die Drillinge zu besuchen, als dass sie neben der Mutter herlief, die das Baby oftmals im Kinderwagen im Wald spazieren fuhr. Freilich, bei Niepels war auch manches anders geworden. An jedem Morgen fuhr der Kastenwagen mit den Milchkannen Walter und Fritz zur Schule nach Rahnsburg. Hedi stand oft vor der Tür des Forsthauses, wenn der Wagen vorüberkam und winkte den Knaben zu. Wenn das Gefährt dann gegen Mittag zurückkam, wurde meist angehalten; es begann ein lebhaftes Fragen und Antworten. Walter fand es schrecklich in der Schule, Fritz dagegen behauptete, es sei furchtbar ulkig und man könnte dort allerlei Späße machen. Paul lag nun nicht mehr zu Bett, er durfte jedoch noch nicht weit gehen, um das gebrochene Bein, das langsam zu heilen anfing, nicht anzustrengen. Er sehnte die Stunde herbei, in der er wieder frei herumspringen durfte, und hatte Hedi hoch und heilig versprochen, niemals wieder den Knecht zu ärgern, denn er wisse nun, was ein Hinkeldei sei.

An einem Vormittag, als Hedi wieder einmal mit der geliebten Puppe im Garten des Forsthauses saß, unweit des Kinderwagens, kam ein Auto. Neugierig blickte das kleine Mädchen dem Wagen entgegen, ließ aber im nächsten Augenblick erschreckt die Puppe fallen, denn es erkannte in dem Fahrer jenen schrecklichen Mann mit dem schwarzen Bart. Das war auch derselbe graue Wagen mit der Kiste hintendran, in der sie die entsetzliche Fahrt zurückgelegt hatte.

Der schwarzbärtige Mann war für Hedi noch immer ein Schrecken. Obwohl er freundliche Worte mit ihr gewechselt hatte, glaubte sie doch nicht recht an seine Ehrlichkeit. Zu deutlich standen die entsetzlichen Stunden, die sie im Wagen und später in der Garage verlebt hatte, noch in ihrer Erinnerung.

»He, holla, kleines Mädchen!«

Hedi blieb stehen und sah misstrauisch auf den schwarzen Mann, der aus dem Auto stieg und durch den Garten geschritten kam.

»Kennst du mich noch?«

Hedi nickte.

»Du brauchst mich nicht gar so ängstlich anzusehen, kleines Mädchen, ich tue dir nichts; im Gegenteil, ich habe dir was Schönes mitgebracht.«

Noch immer stand das Kind regungslos in der Haustür, um jeden Augenblick zur Mutter zu laufen, falls der schwarze Mann Miene machen sollte, sie erneut in den Kasten zu stecken.

»Schau mal, da ist ja noch ein kleines Kindchen. Ist das dein Brüderchen oder dein Schwesterchen?«

»Ja.«

»Da freust du dich wohl sehr?«

Hedi schüttelte den Kopf, »Mutti hat es geholt, als ich nicht nach Hause kam. – Willst du es mitnehmen?«

»Nein, nein, ich will dir nur etwas bringen. Warte noch einen Augenblick. Für dich und deinen kleinen Freund habe ich ein paar Luftballons.«

Luftballons? Darunter konnte sich Pucki nichts vorstellen. Von Luftballons hatte die Kleine noch nichts gehört. Langsam und vorsichtig folgte sie dem Getreidehändler Henschel, der aus dem Wagen sechs bunte Gasballons hervorholte. Jeder Ballon war an einem langen Faden befestigt und schwankte lustig in der Luft hin und her.

Hedis Augen leuchteten auf. Die blauen, roten, grünen und gelben Ballons gefielen ihr sehr. Sie streckte beide Hände danach aus.

»Kann ich sie kriegen?«

»Ja, für deinen Freund habe ich noch andere im Wagen.«

Er reichte dem kleinen Mädchen fünf Ballons und behielt einen blauen zurück.

»Du musst sie gut festhalten. Wenn sie fortfliegen, kommen sie nicht wieder. Dann gehen sie bis in die Wolken.«

Hedi hörte kaum auf die Worte. Sie riß an den Bindfaden hin und her und jauchzte vor Freude laut auf, als die Ballons immer wieder zur Höhe strebten. Sie lief im Garten mit den Luftballons immer auf und ab.

»Nun pass mal auf, kleines Mädchen, wie hoch solch ein Ballon fliegt, wenn ich ihn loslasse.«


Nach diesen Worten riss Henschel die Schnur entzwei, an der der Ballon schaukelte. Kerzengerade stieg er in die Luft.

Hedi ließ kein Auge davon ab. Von Zeit zu Zeit stieß sie einen Freudenschrei aus, weil der Ballon immer höher schwebte.

»Können wir ihn nicht endlich zurückrufen?«

»Nein, das geht nicht – der ist nun weg, der fährt in die Wolken.«

»Zu den Englein?«

»Ja – er sagt den Englein guten Tag.«

»Und den Sternen auch?«

»Jawohl.«

»Oh – ich möchte auch mal so hoch fliegen und die Sterne anfassen und den Englein guten Tag sagen.«

»Wie der kleine Pitt.«

»Wer ist der kleine Pitt?«

Der Getreidehändler lachte. Dieses niedliche blonde Mädchen machte ihm Spaß. Warum sollte er ihm nicht ein Märchen erzählen.

»Ist der kleine Pitt zu den Englein geflogen?«

»Ja, der kleine Pitt war ein ganz kleiner Junge, genau so klein wie du. Man hatte ihm viele solcher Luftballons geschenkt, da hat er sich einen an den Arm, einen ans Bein, einen um den Hals gebunden und dann hat er die anderen auf die Erde gelegt, hat sich daraufgesetzt und husch – ist er losgeflogen. Die Ballons haben ihn immer höher getragen, bis in die Wolken.«

»Ist er denn nicht 'runtergefallen?«

»O nein, der kleine Pitt saß ganz ruhig auf den Ballons. Dann ist er in die Wolken gekommen, hat den Sternen und dem Mond guten Tag gesagt – –«

»Hat der Mond ein gutes oder ein böses Gesicht gemacht?«

»Ein gutes Gesicht. Er sagte zum kleinen Pitt: Nun bleib mal ein bisschen bei mir, ich werde dir die Mondwiese zeigen. Auf der Wiese weiden viele Kühe und Schafe.«

»War auf der Wiese grünes Gras?«

»Jawohl, wunderschönes grünes und blaues Gras. Ganz so blau wie der Himmel.«

»Blaues Gras hat Onkel Niepel aber nicht.«

»Beim Mondmännchen ist das anders, das Mondmännchen hat ganz große Kühe, viel größer als die bei Onkel Niepel. Das sind die Mondkühe. Dann hat das Mondmännchen die Kühe gemolken, und der kleine Pitt hat viel gute Milch bekommen.«

»Er hat wohl mächtigen Hunger gehabt, weil er so lange in die Luft hineingefahren ist?«

»Dem kleinen Pitt hat es bei dem Mondmännchen sehr gut gefallen. An jedem Morgen ist er hinaus auf die Mondwiese gelaufen und hat die Kuh gemolken und frische Milch getrunken.«

»Da wird ihn seine Mutti aber sehr gesucht haben. Sie wird sich inzwischen wohl auch ein kleines Schwesterchen angeschafft haben.«

»Das hat sie gewiss getan. Darum kümmerte sich der kleine Pitt aber nicht. Er sprang lustig auf der Mondwiese zwischen den Kühen umher und hat schöne Blumen gepflückt. Und eines Tages hat das Mondmännchen zu ihm gesagt, er solle die Milch der Kühe in einen Eimer melken, damit die gute Milch nicht auf der Wiese umherläuft. Doch der Pitt hörte nicht, im Gegenteil, er hat aus Übermut die Kühe gemolken und die Milch auf die Wiese fließen lassen. Da ist die schöne blaue Wiese langsam weiß geworden. Darüber wurde das Mondmännchen sehr böse und hat den Pitt wieder auf die Erde geschickt.«

»Ist dann die Wiese wieder blau geworden?«

»Nein, die Wiese ist heute noch weiß. Das kannst du an jedem Abend, wenn die Sterne recht schön scheinen, deutlich sehen. Lass dir mal von deinem Vater die Milchstraße am Himmel zeigen.«

Hedi machte kreisrunde Augen. »Trippt denn die Milch nicht 'runter?«

»Nein, die bleibt hübsch oben auf der Mondwiese, damit alle Menschen sehen, wie unartig der kleine Pitt war. – So, mein kleines Mädchen, nun muss ich aber wieder weiterfahren. Pass gut auf die Ballons auf, lass sie nicht fortfliegen. – Schau mal, der blaue, der uns davonflog, ist nur noch ein ganz kleines Pünktchen.«

Der Getreidehändler war davongefahren. Hedi stürmte mit den fünf bunten Ballons durch den Garten. Das neue Spielzeug machte ihr größten Spaß. Es war doch gar zu lustig, die bunten Bälle anzuschauen. Vor dem Kinderwagen blieb Hedi nachdenklich stehen. Der Vater hatte gesagt, das Kind sei aus dem Himmel gekommen. Ob sie es nicht wieder in den Himmel zurückschickte? Ob sie ihm die bunten Bälle an Hände und Füße binden sollte, wie es der kleine Pitt getan hatte? Milch bekam es genügend von den Mondkühen. Aber die Ballons waren viel zu schön, um sie für das kleine Ding herzugeben. – Wäre es nicht richtiger, sie führe auch mal zu den Mondkühen hinauf und besuchte die Sterne?

Hedi hatte den Garten verlassen und lief auf der Straße fröhlich auf und ab. Sie hatte alle fünf Ballons in den Händen, keiner durfte ihr entwischen. Sie lief auch ein Stückchen in den Wald hinein, doch die Ballons streiften an die Bäume und blieben daran hängen. So kehrte sie wieder um. Sie hätte gar zu gern den Vati besucht, der hinten bei dem Holzschlag war, und ihm die bunten Blasen gezeigt.

Das Kind blinzelte zum Himmel empor. Der kleine Pitt hatte sich auf einige der Ballons gesetzt, hatte einen am Bein, einen anderen am Arm festgebunden und war dann in die Wolken geflogen. Ob sie nicht auch ein kleines Stückchen in die Luft fliegen konnte? Nur bis auf die hohe Tanne, auf der an jedem Morgen die Amsel saß und so schön sang.

Das Verlangen wurde immer größer. Mit den kleinen Fingerchen band Hedi einen der Ballons an den Arm, den zweiten ans Bein, dann knotete sie die drei anderen fest zusammen, schlang den Bindfaden um einiges Blaubeerkraut, das sich am Rande des Waldes vorfand, und setzte sich vorsichtig auf die drei Ballons nieder.

Mit lautem Knall platzten sie auseinander. Schreckensbleich sprang die Kleine auf und rannte tiefer in den Wald hinein, um beim Vater Schutz zu suchen.

»Es schießt – es schießt!«

Woher der Knall gekommen war, wusste sie nicht. Sie sah nur den Mann mit dem schwarzen Barte im Geiste vor sich und glaubte nichts anderes, als dass er ihr etwas antun wollte.

»Es schießt – es schießt!« schrie sie laut und verängstigt, während ihr die Tränen aus den Augen flossen.

Immer tiefer rannte das Kind in den Wald hinein und achtete nicht darauf, dass es noch einen Ballon am Bein und einen zweiten am Arm festgebunden hatte. Es musste den Vater finden, nur er konnte ihm helfen. Der Vater würde seine liebe Tochter beschirmen.

»Vati – Vati – es schießt!«

Hedi, die den Weg zum Holzschlag genau kannte, war heute viel zu verängstigt. Sie bog vorzeitig in einen anderen Weg ein, rannte mit klopfendem Herzen weiter und immer weiter. Der Weg wurde enger, und als das Kind endlich stehen blieb, erkannte es, dass es falsch gegangen war und drückte sich verstört an den Stamm einer Tanne.

»Puff!« Der Ballon, der am Bein befestigt war, knallte auseinander.

»Vati – es schießt – es schießt – Der schwarze Mann schießt! Vati! – Vati!«

Unter lautem Schluchzen rief Hedi nach dem Vater, der jedoch viel zu weit entfernt war, um sein Töchterchen zu hören.

»Vati – Vati!« Sie hastete weiter, lief mitten durch die Bäume, von Zeit zu Zeit angstvoll stehenbleibend, nach rechts und links horchend, ob denn der Vati noch immer nicht antworte.

Da leuchtete ein breiter Weg durch die Baumstämme. Das musste der Weg sein, der nach dem Holzschlag führte. Das Kind zwängte sich zwischen Gestrüpp hindurch, kollerte in einen gezogenen Graben, und schon platzte der letzte Ballon.

»Er schießt immer noch! – Vati – Vati – er schießt!«

Ein entsetzter Aufschrei antwortete. Doch dieser Ruf dünkte der Kleinen eine Erlösung. Sie fühlte sich nicht mehr allein, irgend jemand war in ihrer Nähe, der ihr helfen konnte. Hedi kletterte rasch aus dem Graben und stand bald auf dem breiten Waldwege. Sie sah eine ältliche Dame, die ängstlich nach rechts und links blickte.

»Es schießt – es schießt!« Mit diesen Worten stürmte Hedi auf die fremde Frau zu, wies mit dem Fingerchen zurück in das Dickicht, durch das sie gekommen war, und wiederholte bebend: »Hast du gehört – er schießt.«

Die Angeredete begann zu jammern. »Wer schießt nach dir, mein Kind?«

»Der böse, schwarze Mann.«

»Mein Himmel – was ist das für ein Mann? Will er dir etwas tun?«

»Ja – er schießt – –«

Die einsame Spaziergängerin bekam Angst. Fräulein Meise war ohnehin eine ängstliche Natur, die sich nur selten in den Wald wagte. Heute hatte sie das Bedürfnis gehabt, von Rahnsburg aus einen längeren Spaziergang zu machen. Sie war vor wenigen Minuten umgekehrt, um wieder heim zu gehen, weil ihr der stille Wald gar zu unheimlich dünkte. Ganz plötzlich war ein Schuss an ihr Ohr gedrungen, dann erschien das weinende Kind, das anscheinend von einem Manne verfolgt wurde.

»Ist es ein Wilddieb? Hast du ihn gesehen? Kind, komm rasch!«

»Ich will zum Vati.«

»Hilfe – Hilfe!« rief nun auch Fräulein Meise laut und ängstlich. »Räuber – Wilddiebe – zu Hilfe!«

Die Angst des alten Fräuleins steckte auch das kleine Mädchen an. Hedi fürchtete sich sonst nicht im Walde, doch das Schießen am heutigen Tage war ihr unheimlich. Dem schwarzen Manne traute sie überhaupt nicht. Er hatte ihr die bunten Blasen nur geschenkt, um sie totzuschießen.

»Komm schnell, mein Kind!« Fräulein Meise fasste Hedi an der Hand, dann ging es im Laufschritt den Waldweg zurück. Hedi vermochte kaum so rasch zu rennen wie Fräulein Meise. Jedes Mal, wenn ein Vogel aufflog oder ein anderes Geräusch zu vernehmen war, schrie Fräulein Meise entsetzt auf.

»Ein Räuber – ein Wilddieb – –«

Der Weg führte direkt auf das Forsthaus zu. Man sah das schmucke Haus schon von weitem. Fräulein Meise schlug erleichtert die Hände zusammen.

»Gottlob, wir sind gerettet – dort ist das Forsthaus! Es muss sofort eine Streife angestellt werden, damit man den Wilddieb findet.«

Hedi riss sich von der Hand ihrer Beschützerin los, stürmte ins Haus und schrie:

»Mutti – Mutti – – es schießt!«

Frau Sandler erschrak über ihr erregtes Töchterchen. Das Gesicht war von Tränen beschmutzt, das Kleidchen unsauber und zerrissen.

»Pucki, wie siehst du aus!«

»Es hat geschossen, Mutti! – Der schwarze Mann ist hinterhergekommen und hat geschossen. – Es war schlimm!«

»Frau Förster – Frau Förster – Sie müssen uns beistehen. Im Walde geht Gesindel um. Man verfolgte uns – hat nach uns geschossen!«

Fräulein Meise stand in der Küchentür, noch bebte sie an allen Gliedern.

»Im Walde hat man Sie verfolgt?« Auch Frau Sandler wurde unruhig. In diesem Wald war noch niemals etwas geschehen, und heute sollte ein Wilddieb sein Unwesen treiben, sogar nach ihrem Kinde geschossen haben?

»Mein Mann muss den Schuss gehört haben – vielleicht ist es ein stürzender Baum gewesen. Holzfäller sind bei der Arbeit. So sprich doch, Hedi, du bist sonst kein Angsthase?«

»Ich muss mich setzen«, stöhnte Fräulein Meise, »ich kann mich kaum noch auf den Füßen halten.«

Frau Sandler führte die erregte Dame ins Wohnzimmer. Fräulein Meise ließ sich in der Sofaecke nieder und stöhnte leise.

»Komm hinaus in die Küche, mein Kind«, sagte die Mutter leise, »und nun erzähle mir, was es für ein Mann gewesen ist.«

Mit überstürzten Worten berichtete die Kleine von dem schwarzen Mann, der mit dem Auto angekommen wäre und ihr die schönen, bunten Bälle gebracht hätte. Erst nach längerem Fragen wurde es Frau Sandler klar, dass es sich hier um Gasballons handelte, die natürlich bei Stoß und Druck zerplatzen mussten. Doch das wusste die kleine Hedi noch nicht. Sie hielt das Platzen der Gasballons für Schüsse, die irgend jemand abgefeuert hatte. Frau Sandler konnte nur mit Mühe ein Lachen unterdrücken, als sie die Bindfaden erblickte, die sich noch immer am Arm und am Bein ihres Töchterchens befanden.

Sie versuchte, dem Kinde die Sache zu erklären. Doch Hedi war noch viel zu verängstigt, um den Worten der Mutter zu glauben. Sie meinte nach wie vor, dass der Mann mit dem schwarzen Bart geschossen hätte.

»Mutti«, sagte sie plötzlich in neuem Entsetzen, »wird's nu beim Fritz auch schießen?«

»Du brauchst dich nicht zu ängstigen. Wenn ich wieder nach der Stadt komme, will ich dir solch einen Ballon mitbringen, damit du erkennst, dass dir Herr Henschel wirklich nur eine Freude bereiten wollte. Du bist eben unser kleines Dummerchen. Aber im Walde brauchtest du dich nicht zu ängstigen, du kennst doch den lieben Wald.«

Als Hedi drei Tage später einen schönen, blauen Gasballon bekam, lehnte sie diese Gabe ab und schenkte ihn an Minna weiter.

»Ich schenke dir den Ballon, und du lässt mich in den Klotzpantinen mal spazierengehen.«

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