Kitabı oku: «Deutsche Massenauswanderung in den vergangenen drei Jahrhunderten und Rückwirkungen auf die Außenbeziehungen Deutschlands», sayfa 2
2.Erste kontinentale Auswanderungswellen nach Südosteuropa und in den peripheren Großstaat Russland im 18. und 19. Jahrhundert
In der Literatur wird weitgehend Bezug genommen auf die (Massen-) Auswanderung nach Nordamerika, die jedoch nur einen Teil der deutschen Auswanderungsgeschichte vom 18. bis 20. Jahrhundert bildete. Im 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts war eine erhebliche deutsche Auswanderung nach Südost- und Osteuropa zu verzeichnen.
Die kontinentale und überseeische Auswanderung im 18. und 19. Jahrhundert hatte eine nicht unerhebliche Ursache in der markanten Bevölkerungsentwicklung Deutschlands. In den zwei Jahrhunderten nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges wuchs die Bevölkerung in Deutschland stark an. Die großen Bevölkerungsverluste des Dreißigjährigen Krieges waren nach rund zwei Generationen, um das Jahr 1700, in etwa wieder ausgeglichen. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts kam es zu einem erheblichen Bevölkerungsanstieg um die Hälfte des Ausgangswertes. Schätzungen legen für das Territorium des späteren Deutschen Reiches die Zunahme von 15 auf 23 Millionen Personen zwischen 1700 und 1800 fest. Ein vergleichbarer Zuwachs, allerdings jeweils in nur einem halben Jahrhundert, erfolgte im Zeitraum 1800 bis 1850 (35 Mio.) sowie im Zeitraum von 1850 bis 1900 (56 Mio.). Die Bevölkerung des Deutschen Bundes nahm zwischen 1816 und 1864, bei unverändertem Besitzstand, um 54 Prozent zu (von 29,8 auf 45,9 Mio. Personen). Allerdings war das Wachstum in den einzelnen Staaten und Regionen unterschiedlich stark. Der Bevölkerungszuwachs Preußens betrug in diesem Zeitraum 86 Prozent (Anstieg von 10,4 auf 19,3 Mio. Personen). Auf der anderen Seite standen die drei süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg und Baden, die insgesamt nur einen relativ geringen Anstieg von 33 Prozent zu verzeichnen hatten. Sachsen wies mit 92 Prozent das stärkste Bevölkerungswachstum unter allen Staaten des Deutschen Bundes auf, aber auch die außerhalb des Bundes stehenden preußischen Provinzen Ost- und Westpreußen sowie Posen zeichneten sich durch ein Bevölkerungswachstum von 95 Prozent aus. Insgesamt stieg die Bevölkerung auf dem späteren Reichsgebiet zwischen 1816 und 1864 um 61 Prozent.
Nach dem somit primär durch signifikante Bevölkerungsvermehrung geprägten Jahrhundert vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, war das Migrationsgeschehen in der Folge immer stärker durch kontinentale und überseeische Auswanderung gekennzeichnet.
Eine Auswanderungsrichtung ging in die östlichen Provinzen Preußens, die Donauländer der österreichischen Monarchie sowie nach Polen und Russland. Dies hing mit der staatlichen Bevölkerungspolitik zusammen, die im Zeitalter des Absolutismus in fast allen europäischen Staaten praktiziert wurde. Um den nationalen Wohlstand im jeweiligen Land zu heben, versuchte man, viele und strebsame Einwanderer anzuziehen. Diese wurden zur Kolonisation brachliegender Gebiete und zur Förderung des Gewerbesektors angesiedelt. Preußen unter Friedrich Wilhelm I. und Friedrich den Großen sowie Österreich unter Karl VI. und Maria Theresia hatten auf diese Weise viele Tausende Einwanderer aus Süd- und Westdeutschland dazu bewegen können, in ihre Randgebiete im Osten und Südosten des alten Deutschen Reiches zu ziehen. Die preußische Kolonisation im 18. Jahrhundert wurde auf etwa 200.000 städtische und 100.000 ländliche Siedler, die österreichische auf etwa zwei Drittel dieser Anzahl geschätzt.
Der Beginn der Südostkolonisation fiel in den Zeitraum 1716-1726, die Zeit nach der Vertreibung der Türken in Südungarn. Eine intensive Kolonisationsperiode bildeten die Friedensjahre vor dem Siebenjährigen Krieg, wobei der Höhepunkt der Auswanderung aus dem Süden und Westen Europas im Zeitraum 1763-1772 lag. In diesem wurden etwa 70.000 Personen in Ungarn, dem Banat und der Batschka angesiedelt.
Die Auswanderungsedikte des deutschen Kaisers des Heiligen Römischen Reichs Joseph II. von 1768 waren explizit gegen die Auswanderung nach fremden, mit dem Deutschen Reich in keiner Verbindung stehenden Ländern gerichtet. Den Anlass dazu bot nicht nur die Amerikaauswanderung, sondern vielmehr die Anwerbung deutscher Auswanderer für europäische Länder. Den Höhepunkt bildete die Wolgakolonisation Katharinas II., der früheren deutschen Prinzessin aus Anhalt-Zerbst, die 1766/67 ca. 8.000 deutsche Familien (etwa 29.000 Personen) aus dem Deutschen Reich anziehen konnte. Nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges (1763) hatte die Zarin Katharina II. die Initiative zu einer groß angelegten Siedlungspolitik ergriffen. Gefördert werden sollte die Umsiedlung von Staatsbauern (der Staat behielt Eigentum am Land; die Kolonisten waren an die Gemeinde und den Boden gebunden) in bisher bevölkerungsarme und neu erworbene Gebiete. Ebenso wie Großbritannien, die Niederlande und Preußen wirtschaftlichen Nutzen aus der Aufnahme der aus Frankreich vertriebenen Hugenotten gezogen hatten, sollte nun in ähnlicher Form auch Russland die Gelegenheit ergreifen, Ausländer aus wirtschaftlich-technisch fortgeschrittenen Staaten ins Land zu bringen.
Fast ein Jahrhundert lang strömten deutsche Menschen in das große russische Reich ein und ließen sich in mehr oder weniger geschlossenen Siedlungsgebieten an der Wolga, bei Petersburg, im Schwarzmeergebiet und im Südkaukasus nieder. Grundlegend und von besonderer Wirkung auf die gesamte Förderung der Einwanderung im genannten Zeitraum war das Manifest der Zarin Katharina II. vom 22. Juli 1763. Allerdings erfolgten auch später noch Massenauswanderungen nach Russland, insbesondere 1804 und 1816/17 aus Schwaben nach Südrussland.
Die planmäßige und von der Regierung gelenkte – schon zuvor gab es (in geringer Zahl) deutsche Einwanderer in Russland – Ansiedlung des unteren Wolgagebiets hatte indes erst unter Zarin Katharina II. begonnen. Nachdem das erste Manifest der Zarin vom 4. Dezember 1762, das zur Einwanderung nach Russland aufforderte, zunächst ohne Echo geblieben war (zu diesem Zeitpunkt fand in Deutschland der Siebenjährige Krieg von 1756 bis 1763 statt), erließ Zarin Katharina dann am 22. Juli 1763 das zweite ausführliche Manifest, das ein großes und positives Echo fand. Am 19. März 1764 folgten neue Bestimmungen über das Grundbesitzrecht, in denen auch die zu besiedelnden Ländereien bezeichnet und die jedem Bauern zuzuteilende Landmenge angegeben wurden. Zu den wichtigsten zählten:
1.Freie Religionsausübung,
2.Steuerbefreiung auf 10-30 Jahre,
3.Gewährung zinsloser Darlehen für Hausbau und alle Anschaffungen (Vieh, Arbeitsgeräte etc.),
4.Befreiung vom Militärdienst „auf ewige Zeit“,
5.Eigene Gemeindeund Schulverwaltung,
6.Gewährung der inneren Jurisdiktion für die Kolonien,
7.Unentgeltliche Zuweisung von 30-80 Desjatinen (früheres russisches Flächenmaß, eine Desjatine ca. 1,09 ha) Land von der Krone an jede Familie,
8.10 Jahre Zollfreiheit auf Waren, die zuvor noch nicht in Russland produziert wurden.
Bis zum Jahre 1774 folgten etwa 30.600 Personen der Einladung Katharinas II., vier Fünftel von ihnen in den Jahren 1763-1766. Ein großer Teil der deutschen Siedler kam aus Hessen, wo ihre Siedlungsgrundstücke klein, die Abgabelasten jedoch verhältnismäßig hoch waren. Die große Mehrheit der Siedler (ca. 26.500) wurde nach Saratow transportiert, wo allerdings nur 23.216 Personen ankamen. Die bei Ankunft fehlenden Siedler waren entweder verstorben oder geflohen. Aufgrund zahlreicher Schwierigkeiten vor Ort (fehlendes Baumaterial, Saatgut, Arbeitsgeräte und Vieh sowie eine prekäre Sicherheitslage durch gefährliche Nomadenstämme), erlitten zahlreiche Neusiedler große Not. In den ersten zehn Jahren verloren die Siedler durch Krankheit, Flucht und Gefangenschaft 7.387 Personen. Unter Katharina II. wurden die Türken vor allem aus den Gebieten des Schwarzen Meeres verdrängt, wo vielfach neue Kolonien mit deutschen Siedlern angelegt wurden. Zar Alexander I. (1801 bis 1825) setzte das Kolonisationsprojekt der Zarin Katharina II. in Südrussland fort. Unter ihm begann die Besiedlung Südrusslands von Bessarabien bis zum Südkaukasus.
Die deutsche Auswanderung hatte somit schon im 18. Jahrhundert einen durchaus erheblichen Umfang angenommen, vor allem wenn man sie mit der deutschen Bevölkerungszahl jener Zeit vergleicht.1
Neben religiösen und politischen Gründen für die Auswanderung spielten zweifellos auch die Flucht vor kriegerischen Zuständen und ihren gravierenden Folgen eine Rolle. Im 18. Jahrhundert gab es in relativ kurzen Zeitabständen zahlreiche Kriege, die Europa und die deutschen Länder schwer erschütterten. So erfolgte in dieser Epoche die Verwüstung der Pfalz durch die Raubkriege Ludwigs XIV.; schwerwiegende Konsequenzen für die Zivilbevölkerung hatte der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1714), später auch der Polnische (1733-1738) und Österreichische Erbfolgekrieg (1740-1748) und schließlich in den 1760er Jahren der Siebenjährige Krieg.
So brachen nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges die „Schwabenzüge“ 1763-1770 und 1782-1788, insgesamt rund 70.000 deutschsprachige Bauern und Handwerker aus Franken, Baden, Württemberg, Vorderösterreich, Luxemburg und Lothringen in den südosteuropäischen Donauraum mit den Siedlungsschwerpunkten Batschka, Banat („Donauschwaben“) und Siebenbürgen, auf. Nahezu zeitgleich erfolgten Siedlungswanderungen in die vom Zarenreich kurz zuvor eroberten Gebiete der unteren Wolga und „Neurussland“ nördlich des Schwarzen Meeres. Ebenso wie im Fall der „Schwabenzüge“ waren es auch an der Wolga und in „Neurussland“ Privilegien und Vergünstigungen, die wesentliche Anreize der staatlichen Zuwanderungspolitik zur Erschließung und Sicherstellung des Siedlungslandes bildeten. Von besonderem Interesse für die landesherrlichen Regierungen standen indes weniger konfessionelle Aspekte der Zuwanderer im Vordergrund, sondern vor allem die Heranziehung mitteleuropäischer Siedler, die mit höher entwickelten landwirtschaftlichen und handwerklichen Fertigkeiten vertraut waren. Insgesamt wird die Zahl der Auswanderer aus dem deutschsprachigen Raum nach Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa von den 1680er Jahren bis 1800 auf rund 740.000 Personen geschätzt.
Die überseeische Auswanderung nach Nordamerika blieb demgegenüber in diesem Zeitraum mit rund 170.000 Menschen deutlich zurück. Die Herkunftsräume der Überseeauswanderer stimmten allerdings in etwa mit denen des kontinentalen Ostund Südoststroms überein. Hierbei standen Baden, Württemberg, Pfalz, Elsass und Lothringen an vorderster Stelle. Von diesen Gebieten zweigten also die Auswandererbewegungen nach Osten und Westen ab.
Überdies führte der risikoreiche Soldatendienst und die Unstetigkeit sowie Unsicherheit des Lebens in Krisen- und Kriegszeiten dazu, den Weggang vieler Personen in die vermeintlich sichere Ferne auszulösen. Neben den durch Kriege verursachten Notlagen trugen ferner Missernten sowie Zeiten, in denen sich wichtige wirtschaftliche Güter und Lebensmittel verteuerten, harte Winter und andere Naturkatastrophen dazu bei, die sozial-ökonomische Lage zu verschlechtern und den Auswanderungsdrang zu verstärken. Auch der Druck durch Steuern seitens prunkliebender und auf Geltung bedachter Landesherrn, sowie weitere Abgaben und Fronden, belasteten in hohem Maße den einfachen Untertanen.
Vor allem aber machte die Zerstückelung des Grund und Bodens es vielen unmöglich, ihren Lebensunterhalt in der Heimat in ausreichender Form zu bestreiten oder gar ein wirtschaftliches Fortkommen zu erreichen und später auch eigenes Land zu erwerben. Durch die bestehende Agrarverfassung und Erbteilung (Realteilung als vorherrschendes Erbschaftssystem) in großen Teilen Südwestdeutschlands waren die bäuerlichen Betriebe oft so klein geworden, dass sie selbst in wirtschaftlich besseren Zeiten kaum zum Lebensunterhalt der Familien genügten. Die Bevölkerung lebte vielfach allein von Kartoffeln und war so in schlechten Erntejahren gezwungen, entweder zu verhungern oder auszuwandern. Nicht besser sah es in den Weinanbaugebieten am Neckar und in der Pfalz aus. In diesen klein parzellierten Wirtschaftsräumen nahm die Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung ersichtlich zu. Wenn in einer solchen ohnehin angespannten Situation auch noch bekannt wurde, dass es in fernen Ländern Boden in großem Umfang gab, dass man diesen sogar geschenkt erhalten oder unter leicht erfüllbaren Bedingungen oder mit geringen Finanzmitteln erwerben konnte, hatten die Werber der Auswanderungsunternehmen jener Zeit leichtes Spiel.2
3.Frühe deutsche Massenauswanderung in den peripheren westlichen Großstaat USA
Die Anreisen der Auswanderer zu den europäischen Auswandererhäfen waren oft langwierig und wegen der vielen Zollerhebungen auch recht teuer. Überdies stellten die Seereisen Richtung Amerika häufig mehr gefahrvolles Abenteuer als Vergnügen dar.
Viele besaßen nicht die finanziellen Mittel für die Seereise; so kam es im 18. Jahrhundert oft vor, dass an Arbeitskräften interessierte Bewohner des Ziellandes oder auch Reeder (diese vermittelten die Auswanderer im Ankunftshafen an in Frage kommende Betriebe) anboten, den Auswanderungswilligen die Kosten der Überfahrt zu bezahlen. Jene mussten sich im Gegenzug aber dazu verpflichten, im Zielland solange in fremde Dienste des Finanziers oder Dienste anderer Organisationen einzutreten, bis die Reisekosten beglichen waren. Diese Auswanderer wurden Redemptionisten (Loskäufer) genannt, weil sie sich durch ihre Arbeit erst von der eingegangenen Verpflichtung loskaufen mussten. Die Länge der Dienstzeit richtete sich nach der Höhe der eingegangenen Schuld und der Arbeitskraft des Schuldners. Ein guter kräftiger Arbeiter sollte etwa drei bis vier Jahre Dienst leisten, wobei indes auch Umstände eintreten konnten, bei denen sich die Dienstzeit auf sechs bis sieben Jahre verlängerte. Das „Redemptionisten“-System war im Grunde nichts anderes als eine Form der alten Schuldsklaverei. Da die Kosten der Überfahrt in diesem Zeitraum recht teuer waren, mussten sehr viele Auswanderer von diesem Verfahren Gebrauch machen. Es wird angenommen, dass zwischen 50 und 70 Prozent der deutschen Einwanderer in die USA im 17. und 18. Jahrhundert auf diese Weise die Überfahrt finanzierte. Oft kam es vor, dass so ganze Familien getrennt wurden, wenn Mann, Frau und Kinder zwecks Abarbeitung des Kredits an unterschiedliche Dienstherren weggegeben bzw. „verkauft“ wurden.
Vor der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahr 1776 war das Land nur ein Nebenschauplatz der deutschen Auswanderung. Etwa 65.000-75.000, vielleicht bis zu 100.000 Deutsche -vor allem aus Baden, Württemberg und der Pfalz, aber auch aus Elsass-Lothringen und der deutschsprachigen Schweiz -wanderten im 17. und 18. Jahrhundert dorthin aus. Doch der Weg „nach Amerika“ war in dieser Epoche lang und beschwerlich, insbesondere die sechs bis acht Wochen dauernde Atlantiküberquerung bedeutete eine besonders harte physische und psychische Strapaze. Auswanderer wurden in den für Frachtzwecke gebauten Segelschiffen unter primitiven Verhältnissen in einem provisorisch zwischen Oberdeck und Laderaum eingefügten Zwischendeck transportiert. Während der langen Seefahrt waren die Auswanderer meist geschwächt durch Seekrankheit, unzureichende Ernährung sowie Mangel an Frischluft und Bewegung. Aufgrund schlechter hygienischer Verhältnisse waren sie zudem anfällig für Krankheiten, die sich an Bord rasch seuchenartig ausbreiten konnten. Viele Auswanderer, häufig mehr als die Hälfte aller Passagiere, sollten deshalb ihr Zielland nie erreichen.1
Deutsche Massenauswanderungen, die nach Ursachen, Zusammensetzung und Siedlungsmustern als Vorläufer der Massenbewegung des 19. Jahrhunderts angesehen werden können, fanden erstmals im 18. Jahrhundert statt, vor allem in den Jahren 1709, 1749-1752, 1757, 1759 und 1782. Hierbei war es vor allem das Zusammenwirken verschiedener rechtlicher sowie wirtschaftlich-sozialer Faktoren, die insbesondere in Süddeutschland zu Überbevölkerung geführt hatten. Aufgrund von Hungerkrisen nach Ernteausfällen hatte dies zur Folge, dass Tausende sich entschlossen, wegzuziehen. Dies galt vornehmlich für die Pfalz, in der sich die Notlage der Bevölkerung durch die wiederholten Kriegszüge Ludwigs XIV. mit ihren erheblichen Verwüstungen noch verschärft hatte. Bereits um 1775 lebten rund 225.000 Deutsche in den britischen Kolonien Nordamerikas (etwa 8,6 Prozent der Bevölkerung).
Ein im britisch-deutsch-US-amerikanischen Verhältnis bedeutsames Ereignis war die „Vermietung“ deutscher Soldaten an den britischen König Georg III. Dies war nicht nur von großer militärischer Tragweite, sondern wird hier insbesondere unter dem Aspekt der Auswanderungsthematik kurz dargelegt.
Um 1775 waren rund 15.000 britische Soldaten in den nordamerikanischen Kolonien stationiert. Zur Unterdrückung des Aufstands in der Kolonie, der letztlich zum Freiheitskrieg führte, forderte die militärische Führung eine Verstärkung um mindestens 40.000 Mann. König Georg III. ließ deshalb in anderen Staaten Söldner anwerben. In der Kriegsführung der damaligen Zeit war das (internationale) Söldnerwesen eine keineswegs ungewöhnliche Erscheinung. Auch Offiziere sahen im Wechsel von Heeresdiensten in fremden Ländern nichts Ehrenrühriges; das Kriegshandwerk war schließlich Grundlage ihres Erwerbs. Der Soldatenhandel, das „Vermieten“ von Truppen der Herrscher deutscher Länder an ausländische Souveräne, war im 17. und 18. Jahrhundert vielmehr stark verbreitet und gehörte zu deren lukrativen Einnahmequellen.
Der britische König Georg III. hatte sich auch an die Regenten von deutschen Klein- und Kleinststaaten gewandt. Schließlich konnte er eine Armee von nahezu 30.000 Soldaten aus diesen Ländern anwerben (Braunschweig, Hessen-Kassel, Hessen-Hanau und Hessen-Darmstadt, Ansbach-Bayreuth und Anhalt-Zerbst sowie Waldeck), wobei die Soldatenkontingente der Landgrafen von Hessen-Kassel (alleine 12.000 bei einer Bevölkerung von nur 300.000 Menschen), aus Hessen-Hanau und Hessen-Darmstadt zusammen nahezu 17.000 Soldaten ausmachten. Das deutsche Kontingent stellte über die Hälfte des für die Briten kämpfenden Söldnerheeres. Die deutschen Soldaten wurden in Nordamerika daher als „Hessians“ -Hessen -bekannt. Das Söldnerheer umfasste drei Gruppen von Soldaten: vermietete Berufssoldaten aus den stehenden Heeren, angeworbene Freiwillige und, da bei der geringen Bevölkerungszahl der Staaten die zugesagten Kontingente so nicht erfüllt werden konnten, gepresste (gezwungene) Soldaten.
Bereits im August 1775 landeten britische Verbände mit den ersten deutschen Hilfstruppen in Long Island, New York. Auf den Verlauf der im Weiteren einsetzenden Kämpfe kann in diesem Kontext nicht eingegangen werden. Für die Entwicklung der deutschen Überseeauswanderung waren die Eindrücke und Erfahrungen, die die deutschen Soldaten von Land und Bevölkerung gewannen, von großer Bedeutung. Gefangen genommene deutsche Soldaten wurden bevorzugt in die deutschen Gebiete Pennsylvanias verbracht, wo sie vor allem auf den Bauernhöfen oder als Handwerksgehilfen bei deutschen Einwanderern arbeiteten. So erfuhren die Söldner unmittelbar den deutlichen Kontrast zwischen den Lebensbedingungen in ihrer Heimat und der Lage ihrer ausgewanderten Landsleute. Durch das Einschmuggeln deutschsprachiger Flugschriften in das britische Heer wurde überdies zum Überlaufen der deutschen Söldner aufgerufen. Eine Proklamation des US-amerikanischen Kongresses sicherte am 29. April 1778 jedem Überläufer Landbesitz als Prämie zu. Zudem sollten Deserteure nicht dazu verpflichtet werden können, auf Seiten der US-Amerikaner am Krieg teilzunehmen.
Der Anreiz dieser in Aussicht gestellten Maßnahmen war groß und hinterließ einen nachhaltigen Eindruck. Am Ende des Unabhängigkeitskrieges 1783 kehrten etwa 17.300 deutsche Soldaten in ihre Heimat zurück. Etwa 1.200 Soldaten waren in den Kämpfen gefallen, etwa 6.300 an Verwundungen oder Krankheiten gestorben. Insgesamt jedoch entschieden sich etwa 5.000 deutsche Deserteure und Gefangene für einen Verbleib in Nordamerika. Einige dieser vom vermieteten Söldner zum Siedler gewordenen Deutschen ließen ihre Familie nachziehen; auch von den Rückkehrern hatten viele den Entschluss gefasst, zusammen mit Verwandten oder Freunden endgültig in die nunmehr unabhängigen Vereinigten Staaten von Amerika auszuwandern. Die Berichte der zurückkehrenden Soldaten bestätigten und verstärkten das positive Nordamerikabild der Menschen in Deutschland; sie trugen damit zum Anstieg der Auswanderung zur Massenbewegung im 19. Jahrhundert bei.
Für Deutschland bedeutete die Massenauswanderung im 18. Jahrhundert den Verlust von mehr als einer Viertelmillion überwiegend produktiver Menschen. Dies war nicht zuletzt durch die schwierigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zustände in den deutschen Ländern verursacht worden. Das galt für diejenigen, die nach Nordamerika gegangen waren, aber auch für die deutschen Siedler im Donauraum.
Trotz vieler aufgezeigter Schwierigkeiten und besonderer Verläufe sollte sich die deutsche Nordamerikaauswanderung des 18. Jahrhunderts fortsetzen und die Grundlage zum starken deutschen Element in den Vereinigten Staaten von Amerika bilden. Nach Auffassung zeitgenössischer Beobachter haben diese Migrationsströme erheblich zu dem bemerkenswerten Aufstieg der neuen Weltmacht USA Ende des 19. Jahrhunderts beigetragen.2