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Kitabı oku: «Deportiert auf Lebenszeit», sayfa 11

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Der Stamm ging ganz über ihm fort, ihn tief in das Wasser hinab drückend, aber seine Hand, an dem Holz entlang fahrend, griff in das Ende Tau, das noch an dem Stamme befestigt hing und er hielt sich mit Todesangst daran fest. Im nächsten Augenblick war sein Kopf wieder über dem Wasser und es gelang ihm, mit ungeheurer Anstrengung sich auf den Stamm zu schwingen. Einen Moment sah er in der Entfernung die hellen Fenster der Stern Kajüte in dem Schiff das vor Anker lag, dann verschwand der Grummet Felsen zu seiner Linken und erschöpft und athemlos schloß er die Augen. Der treibende Stamm führte ihn schnell und still in die tiefe Finsterniß hinaus.

* * *

Bei Tagesanbruch am nächsten Morgen, als Troke an dem Felsen des Gefangenen landete, fand er denselben verlassen. Die Mütze des Gefangenen lag am Strande der Klippe, aber der Gefangene selbst war verschwunden. Nach der Ladybird zurück rudernd, dachte der kluge Troke darüber nach, wie er dem Kapitain Vickers diese Nachricht überbringen sollte. Er erwähnte des sonderbaren Schrei’s, den er am Abend vorher gehört und sagte:

»Ich glaube, Sir, daß er sich durch Schwimmen hat retten wollen, aber er muß untergegangen sein, denn er hätte nicht fünf Ellen weit mit den Eisen schwimmen können.«

Vickers der sehr beschäftigt war, um auszulaufen, nahm diese anscheinend sehr natürliche Erklärung der Sache ohne Weiteres an. Der Gefangene hatte den Tod, entweder durch einen Unfall oder durch eigene Schuld gefunden. Es war entweder Selbstmord oder Fluchtversuch und das frühere Betragen des Rufus Dawes rechtfertigte die letztere Vermuthung durchaus. In jedem Falle war er todt. Wie Troke ganz richtig meinte, konnte Niemand mit den Ketten belastet, durch die Bai schwimmen und als die Ladybird eine Stunde später am Grummet Felsen vorüber kam, glaubten Alle an Bord, daß der Körper eines letzten Bewohners tief unter den Wellen läge, die seinen Fuß bespülten.

Siebentes Kapitel.
Das letzte von Macquarie Harbour

Rufus Dawes wurde von denen, die auf der Ladybird ausgingen, für todt gehalten; sein wunderbares Entkommen war denen die noch auf Sara-Island zurückgeblieben waren, ebenso unbekannt geblieben. Wenn Maurice Frere überhaupt au den Gefangenen auf dem Felsen dachte, so glaubte er, ihn längst mit der Ladybird auf dem Wege nach Hobart-Town. Die achtzehn Personen an Bord des Osprey wußten nichts davon, daß das abgesandte Boot ohne den Gefangenen zurückgekehrt sei. Auch hatten Alle keine Zeit, über dergleichen nachzudenken. Mr. Frere, dem es sehr darum zu thun war, seine Geschicklichkeit und seine Thatkraft zu zeigen, hielt seine zehn Leute so streng an der Arbeit, daß eine Woche schon nach dem Abgange der Ladybird der Osprey bereit war, in See zu stechen. Mrs. Vickers und ihr Kind hatten fast mit Bedauern die Zerstörung der alten Heimath mit angesehen. Sie hatten sich in der kleinen Kajüte der Brigg eingerichtet und am Abend des elften Januar theilte Mr. Bates, der Lootse, welcher als Kapitain handelte, der Mannschaft mit, daß Leutnant Frere Befehl gegeben, den nächsten Morgen den Anker zu lichten.

Bei Tagesanbruch wurden die Anker gelichtet und mit einer leichten Brise von Südwesten ging sie hinaus und ankerte um drei Uhr Nachmittags sicher außerhalb des Höllenthors. Unglücklicher Weise schlug der Wind nach Nordwesten um, so daß aus der Rhede die See sehr hoch stand. Der vorsichtige Mr. Bates, in Rücksicht auf Mrs. Vickers und das Kind ging zehn Meilen in die Wellington Bai zurück und ankerte dort um sieben Uhr Abends. Die Flut war sehr bedeutend und das Schiff rollte stark. Mrs. Vickers blieb in der Kajüte und schickte Sylvia zu Frere, um denselben zu unterhalten. Sylvia ging, aber unterhielt ihn nicht. Sylvia hatte eine ganz besondere Antipathie gegen Frere gefaßt, wie Kinder sie so oft ohne Grund hegen und seit jener Entschuldigung war sie kaum mehr höflich gegen ihn. Vergebens verwöhnte er sie und schmeichelte ihr; er konnte sie nicht dazu bringen, ihn gern zu haben. »Ich kann Sie nicht leiden, Herr,« sagte sie in ihrer steifen Art, »aber das kann Ihnen ja ganz gleich sein. Sie beschäftigen sich mit Ihren Gefangenen und ich amüsiere mich ohne Sie.«

»Ganz recht« sagte Frere, »ich will mich nicht aufdrängen.« Aber er fühlte sich doch etwas beleidigt. An diesem Abend war nun die junge Dame etwas herablassender. Ihr Vater war fort und ihre Mutter krank, so fühlte sie sich etwas einsam und folgte ihrer Mutter Gebot und ging zu Frere. Er ging rauchend auf dem Deck spazieren,

»Mr. Frere, Mama schickt mich, damit ich mit Ihnen sprechen soll.«

»So? Nun denn sangen Sie an.«

»O nein, es ist des Herren Aufgabe, zu unterhalten. Thun Sie das.«

»Dann kommen Sie und setzen sich zu mir,« sagte Frere, der in guter Laune war, weil er Alles in Ordnung hatte. »Wovon wollen wir sprechen?«

»Sie dummer Mensch! Als ob ich das wüßte. Sie müssen sprechen. Erzählen Sie mir ein Mährchen.«

»Jack und die Bohnenstange,« sagte Frere.

»Jack und seine Großmutter! Unsinn! Erfinden Sie eine Geschichte aus Ihrem Kopf.«

Frere gähnte.

»Das kann ich nicht,« sagte er. »Das that ich nie in meinem Leben.«

»Dann können Sie ja anfangen. Sonst gehe ich fort.« – Frere rieb sich die Stirn. »Gut, haben Sie Robinson Crusoe gelesen?« – Als ob dies ein ganz neuer Gedanke wäre.«

»Natürlich habe ich es gelesen,« sagte Sylvia ärgerlich. »Gelesen? Jeder Mensch hat Robinson Crusoe gelesen.«

»So haben Sie? Daß wußte ich nicht, Nun lassen Sie uns sehen.« Und stark an seiner Pfeife ziehend, versenkte er sich in literarische Erinnerungen. Sylvia saß maulend neben ihm und wartete auf den guten Gedanken, der niemals kam. »Was für ein dummer, dummer Mensch Sie sind! Ich werde froh sein, wenn ich wieder bei Papa bin. Er weiß so viele Geschichten, beinahe so viele wie der alte Danny.«

»Also Danny weiß welche?« »Danny!« Das sagte sie mit solchem Erstaunen, als wenn man sagen würde »Walter Scott?« »Natürlich weiß er Geschichten. Ich glaube wirklich,« und damit sah sie ihn mit sehr überlegener Miene an, »Sie haben niemals von der Geschichte der irischen Banshee gehört?«

»Nein niemals.«

»Auch nicht von dem weißen Pferde von Peppers?«

»Nein.«

»Auch nicht von dem Wechselbalg?«

»Nein.«

Sylvia stand von dem Kajütenfenster auf, worauf sie gesessen und blickte das rauchende Geschöpf neben sich mit tiefer Verachtung an. »Mr. Frere, Sie sind wirklich furchtbar unwissend. Verzeihen Sie, wenn ich Ihre Gefühle verletze, aber für Ihr Alter sind Sie wirklich entsetzlich unwissend.«

Maurice Frere wurde etwas ärgerlich-: »Sie sind sehr impertinent, Sylvia.«

»Miß Vickers ist mein Name, Leutnant Frere. Ich werde jetzt mit Mr. Bates sprechen.«

Diese Drohung machte sie sogleich wahr und Mr. Bates, der das gefährliche Amt eines Lootsen lange Zeit verwaltet hatte, erzählte ihr von Tauchern, von Korallenriffen und, von etwas apokryphen Abenteuern in dem chinesischen Meere.

Frere rauchte weiter, halb ärgerlich auf die kleine Fee, die ihn hartnäckig angriff. Er gestand sich, daß dies kleine, elfenhafte Geschöpf einen Zauber auf ihn ausübte, den er sich kaum zu erklären wußte. Indeß sah er sie an diesem Abend ] nicht wieder und beim Frühstück am nächsten Morgen empfing sie ihn mit einigem Hochmuth.

»Wann werden wir fertig sein zum Absegeln? – Mr. Frere, bitte um etwas Marmelade.«

»Ich weiß nicht, Fräulein,« sagte Bates. »Es weht noch? sehr stark draußen. Ich und Mr. Frere haben heute Morgen ausgeschaut und finden es noch nicht sicher.«

»Nun,« sagte Sylvia, »ich hoffe, wir werden nicht scheitern und dann gezwungen sein, Meilen weit zu schwimmen, um unser Leben zu retten.«

»Ha, ha,« lachte Frere, »haben Sie nur keine Angst, ich will für Sie sorgen.«

»Können Sie schwimmen, Mr. Bates,« fragte Sylvia.

»Ja, Miß, ich kann schwimmen.«

»Gut, dann können Sie mich nehmen. Mr. Frere kann für Mama sorgen. Wir wollen auf einer wüsten Insel leben, Mr. Bates und Kokosnüsse und Brodbäume pflanzen und, – ach was für abscheuliche, harte Zwiebäcke! – Ich will Robinson Crusoe sein und Sie sollen mein Mann Freitag sein. Ich möchte wohl auf einer wüsten Insel leben, wenn nur keine Wilde da wären und es immer genug zu essen gäbe.«

»Dann wäre es ganz gut, meine Liebe, aber solche Inseln findet man so leicht nicht.«

»Dann,« sagte Sylvia, mit sehr entschiedenem Ton, »wollen wir lieber nicht scheitern.«

»Ich hoffe, es wird nicht geschehen.«

»Stecken Sie einen Zwieback in Ihre Tasche, Sylvia, im Falle eines Unfalles,« meinte Frere, grinsend.

»O, Sie kennen schon meine Ansicht über Sie, mein Herr. Sprechen Sie nicht, ich brauche Ihre Meinung nicht.«

»So, das ist recht.«

»Mr. Frere,« sagte Sylvia und stand ernsthaft vor der Thür still, die zu ihrer Mutter Kajüte führte.

»Wenn ich Richard der Dritte wäre, wissen Sie, was ich dann mit Ihnen thun würde?«

»Nein,« sagte Frere, behaglich weiter essend, »was würden Sie thun?«

»Nun, ich würde Sie an der Thür der Kathedrale stehen lassen, im weißen Betttuch mit einer brennenden Kerze in der stand, bis Sie Ihre abscheuliche Art ablegten, – Sie – Mann!«

Das Bild von Frere, im weißen Betttuch mit einer brennenden Kerze in der Hand an der Thür der Pauls Kathedrale stehend war zu viel für Mr. Bates’ Ernst und er brach in ein schallendes Gelächter aus.

»Sie ist ein merkwürdiges Kind, nicht wahr, Sir? Sehr merkwürdig, aber doch sehr gutherzig.«

»Wann werden wir im Stande sein, zu segeln, Mr. Bates,« fragte Frere, dessen Würde sich durch die Lustigkeit des Lootsen verletzt fühlte.

Bates merkte den veränderten Ton und paßte sich schnell der Stimmung des Offiziers an.

»Ich hoffe, noch heute Abend, Sir,« sagte er. »Wenn die Fluth zurück geht, will ich es versuchen, aber jetzt können wir unmöglich segeln.«

»Die Leute wollten gern an Land gehen, um ihre Sachen zu waschen, sagte Frere. »Wenn wir noch bis Abend bleiben, können Sie die Leute nach Tische gehen lassen.«

»Ganz recht, Herr,« sagte Bates.

Der Nachmittag verlief günstig. Die zehn Gefangenen gingen an Land und wuschen ihre Sachen. Ihre Namen waren James Barker, James Lesley, John Lyon, Benjamin Riley, William Cheshire, Henry Shires, William Russen, James Porter, John Fair und John Rex.

Dieser letztere Schuft war noch ganz spät an Bord gekommen. Er hatte sich in der letzten Zeit etwas besser betragen und hatte sich während der Arbeit, die der Abreise der Ladybird voranging außerordentlich nützlich gezeigt. Sein Verstand und der Einfluß, den er auf seine Gefährten hatte, machten ihn zu einer ziemlich wichtigen Persönlichkeit und Vickers hatte ihm einige Vorrechte eingeräumt, die ihm früher versagt waren.

Mr. Frere, der das Einschiffen der Vorräthe überwachte, machte sich den guten Willen zu nutze, den Rex bei der Arbeit zeigte. Frere hörte nicht auf, ihn anzufeuern oder ihn zu tadeln. Er nannte ihn faul, mürrisch und unverschämt. Fortwährend hieß es: »Rex, hierher! Thut dies; thut das!« Die Gefangenen sagten sich, daß Mr. Frere augenscheinlich etwas gegen Rex habe. Am Tage vor der Abfahrt der Ladybird hatte Rex in der freudigen Hoffnung auf die baldige Abreise sich erlaubt, auf eine der bitteren Bemerkungen zu antworten und Mr. Frere hatte sich bei Vickers beklagt. »Der Kerl will gern fort,« sagte er. »Lassen Sie ihn zurückbleiben, bis der Osprey abgeht. Das wird eine Lehre für ihn sein.«

Vickers willigte ein und John Rex wurde benachrichtigt, daß er nicht mit er ersten Abtheilung segeln würde. Seine Kameraden schworen, daß dies die reine Tyrannei sei, aber Rex selbst sagte nichts. Er verdoppelte seinen Fleiß und trotzdem er das Gegentheil wünschte, konnte Frere nichts an ihm zu tadeln finden. Er schrieb sich das Verdienst zu, den Deportierten etwas gezähmt zu haben und führte Rex, der schweigend gehorchte als Beispiel an, wie vorzüglich sein System der Strenge wirke. Die Deportierten aber, welche John Rex besser kannten, sahen in diesem Schweigen nur eine Drohung.

Er kehrte 13. Abends mit den Uebrigen in anscheinend fröhlicher Stimmung zurück.

Mr. Frere, welcher das Boot, in dem die Gefangenen zurückkamen, nahm, um noch vor Tisch einige Fische zu angeln, sah, wie er mit den Andern lachte und beglückwünschte sich wiederum selbst zu seinem Erfolge.

Die Zeit verging. Die Dunkelheit kam und Mr. Bates, der aus dem Deck spazierte, fing an, nach dem Boot auszuschauen da er die Absicht hatte, den Anker zu lichten und auszugehen.

Alles war in Sicherheit. Mrs. Vickers und das Kind waren unten, die beiden zurückgebliebenen Soldaten (zwei waren mit Frere gegangen) waren auf Deck und die Gefangenen sangen auf dem Vorderkastell. Der Wind war gut und die See war ruhiger. In weniger als einer Stunde mußte der Osprey sicher draußen sein.

Achtes Capitel.
Die Macht der Wildniß

Der Stamm, welcher ans so merkwürdige Weise zur Rettung von Rufus Dawes gedient hatte, schwamm mit dem Strom aus der Bai hinaus. Einige Zeit lang war die Last, die er trug, ganz ohne Bewußtsein. Erschöpft von dem verzweifelten Kampf um das Leben, lag der Deportierte auf dem rauhen Rücken seines gottgesandten Floßes ohne Bewegung, ja fast ohne zu athmen. Endlich weckte ihn ein heftiger Stoß und gab ihm seine Besinnung wieder und er bemerkte, daß der Stamm auf einer sandigen Landzunge gestrandet, deren Fortsetzung völlig in Dunkelheit gehüllt war. Sich mühsam aus seiner unbehaglichen Stellung erhebend, stellte er sich auf seine Füße und den Strand ein wenig hinauf kriechend, warf er sich in den Sand und schlief ein.

Als der Morgen dämmerte, übersah er seine Lage. Der Stamm war an Philips Island vorüber schwimmend an der Südküste von Coals Head gelandet und einige hundert Ellen von ihm entfernt, lagen die zerstörten Schuppen der Kohlenarbeiter. Eine Weile lag er ganz still und wärmte sich in den Strahlen der aufgehenden Sonne. Er konnte kaum seine geschlagenen und gequetschten Glieder bewegen. Das Gefühl der Ruhe war so wundervoll, daß es alle andern Bedenken verscheuchte und er dachte gar nicht daran, über den Grund zu grübeln, weshalb wohl die Hütten in seiner Nähe verlassen waren. Wenn Niemand da war, so war es auch gut. Wenn die Leute nicht fort waren, so würden sie ihn wohl nach wenigen Augenblicken entdecken und ihn auf sein Insel-Gefängnis zurückbringen. In seiner Erschöpfung und in seinem Elend nahm er sein Schicksal auf sich, wie es kommen mochte und schlief wieder ein.

Als er seinen brennenden Kopf niederlegte, berichtete Troke gerade an Vickers über seinen Tod und während er noch schlief, ging die Ladybird aus und kam so nahe an ihm vorüber, daß Jeder an Bord mit einem guten Glas seine schlafende Gestalt auf dem Sande hätte sehen können.

Als er erwachte, war Mittag vorüber und die Sonne sandte ihre vollen Strahlen auf ihn herab. Seine Kleider waren überall trocken, nur nicht auf der Seite, auf der er lag und er erhob sich, erfrischt durch den langen Schlaf. Bis jetzt begriff er noch nicht seine wahre Lage. Er war freilich entkommen, aber wie lange konnte das dauern. Er kannte die Geschichte jeder Flucht und wußte, daß ein Mann, der allein an diese Küste verschlagen war, nichts vor sich hatte, als wieder eingefangen zu werden oder den Hungertod. Zur Sonne aufblickend, wunderte er sich, daß er so lange frei geblieben. Darm fiel sein Auge auf die Kohlenschuppen und er bemerkte daß sie verlassen waren. Dies setzte ihn in großes Erstaunen und er zitterte vor unbestimmter Furcht. Er trat hinein und sah sich um, immer erwartend, daß irgend ein aufpassender Constabler oder ein bewaffneter Soldat sich sehen lassen würde. Plötzlich fiel sein Auge auf die Brode, welche die Deportierten am Abend vorher in die Ecke geworfen hatten. In diesem Augenblick war eine solche Entdeckung für ihn eine wahre Himmelsoffenbarung. Er würde sich nicht gewundert haben, wenn sie wieder verschwunden wären. Hätte er in einem anderen Zeitalter gelebt, so würde er sich nach den Engeln umgesehen haben, die sie gebracht.

Nach und nach, da er von diesem Wunder-Vorrath gegessen hatte, fing der Aermste mit seinem Gefangenen-Instinkt an zu begreifen, was sich zugetragen hatte. Die Kohlenarbeit war verlassen; wahrscheinlich hatte der neue Kommandant andere Arbeit in Aussicht für seine Lastthiere und ein Flüchtling war wenigstens einige Stunden lang hier sicher. Aber er durfte nicht hier bleiben. Für ihn gab es keine Rast. Wenn er entkommen wollte, mußte er seine Reise sobald wie möglich antreten. Als er das Fleisch und Brod betrachtete, fiel plötzlich ein Hoffnungsstrahl in seine Seele. Hier war Vorrath für seine Bedürfnisse. Die Nahrungsmittel vor ihm bestanden in den Rationen für sechs Mann. War es nicht möglich, die Wüste zu durchwandern mit diesen Lebensmitteln? Der Gedanke daran ließ sein Herz schneller schlagen. Es war wirklich möglich. Er mußte seine Hilfsquellen schonen; – viel gehen und wenig essen, die Nahrung eines Tages auf drei Tage vertheilen. Hier waren die Rationen von sechs Mann für einen Tag, – also für einen Mann ans sechs Tage. Wenn er an einem Drittel genug hatte, konnte er achtzehn Tage leben. Achtzehn Tage-! Das konnte man nicht in achtzehn Tagen thun? Er konnte dreißig Meilen täglich, – ja vierzig Meilen machen, – das würde sechshundert Meilen und mehr ausmachen. Doch – halt, – er darf nicht zu sanguinisch sein; der Weg ist schwer zu finden, der Busch oft undurchdringlich. Er mußte gewiß Umwege machen, wieder zurückgehen, kostbare Zeit verlieren. Er wollte mäßig sein und sagen – zwanzig Meilen täglich. Zwanzig Meilen täglich waren leicht zu machen. Er nahm einen Stock auf und machte die Rechnung im Sande. Achtzehn Tage und zwanzig Meilen täglich machte dreihundertundsechzig Meilen! Das war mehr als genug, um ihn zur Freiheit zu führen. Es konnte geschehen. Mit Klugheit konnte es ausgeführt werden. Doch mußte er enthaltsam und sorgfältig sein. Enthaltsam! Er hatte schon zu viel gegessen. Schnell nahm er ein Stück Fleisch, das er eben in den Mund gesteckt hatte, wieder heraus und legte es zu dem Andern – eine Handlung, die sonst wohl ekelhaft gewesen wäre, war bei diesem Unglücklichen nur rührend.

Nun er zu diesem Entschluß gekommen, war das Erste, daß er sich seiner Eisen entledigte. Dies war leichter geschehen, als er erwartet hatte. Er fand in dem Schuppen eine Eisenstange und mit dieser und einem Steine schlug er die Ringe ab. Die Ringe waren zu stark, um oval gehämmert zu werden, sonst wäre er sie längst los gewesen. Er packte das Brod und Fleisch zusammen, steckte die Stange in seinen Gürtel, – er konnte sie vielleicht noch als Vertheidigungswaffe brauchen und machte sich aus die Reise.

Seine Absicht war, um die Ansiedlung herum nach der Küste zu kommen und dann von dort die bewohnten Gegenden zu erreichen, um dort unter dem Vorgeben, ein Schiffbrüchiger zu sein, Hilfe zu finden. Was er wirklich beginnen wollte, wenn er erst einmal unter freien Leuten sich befand, darüber dachte er noch nicht nach. Zu der Zeit schien es ihm, würden alle Schwierigkeiten, die jetzt kaum begonnen, ihr Ende erreicht haben. Wenn er nur erst die Wüste hinter sich hatte, dann würde er gewiß ganz leicht mit Glück oder Geschicklichkeit allen Verdacht und Entdeckung zu Schanden machen. Die Gefahr der augenblicklichen Entdeckung war so dringend, daß jede andere Furcht vor dieser in Nichts versank. Vor Tagesanbruch hatte er am nächsten Morgen schon zehn Meilen gemacht und stets seine Lebensmittel schonend, hatte er, als die Nacht des vierten Tages anbrach, an demselben schon vierzig Meilen gemacht. Wund an den Füßen und übermüde lag er in einem Dickicht des dornigen Melaleuca, und fühlte, daß er jetzt sicher vor allen Verfolgungen war. Am nächsten Morgen marschierte er langsamer. Der Busch war unheilvoll. Dichtes Gesträuch und wilde Dornen versperrten ihm den Pfad; kahle, steinige Berge stiegen vor ihm auf. Er verlor sich in Schluchten, steckte fest in dem Dickicht, konnte sich nicht herausfinden aus den Morästen. Die See, welche ihm bisher so salzig, blitzend und hungrig auf Beute zu seiner Rechten geleuchtet hatte, lag jetzt zu seiner Linken. Er hatte die Richtung verloren und mußte wieder umkehren.

Zwei Tage dauerte dieses Umherirren und am dritten Tage traf er auf eine mächtige Klippe, welche mit ihrer stumpfen Spitze aus dem dichten Busch hervorragte. Er mußte sie übersteigen oder ihren Fuß umgehen. Eine Art von natürlichem Weg lief um den Fuß des Felsens. Hier und da waren Zweige abgebrochen und es schien ihm, als ob sein Fuß nicht der Erste, der diesen Platz betreten.

Der arme Schelm, fast erliegend unter seiner Bürde, die allerdings täglich leichter wurde, schwankte vorwärts, bis der Pfad sich auf einem etwas freieren Platze verlor. Hier lag etwas, das die Luft bewegte. Rufus Dawes schritt vor, und stolperte fast über einen Leichnam. In der fürchterlichen Stille dieses einsamen Ortes war es ihm plötzlich, als ob eine Stimme ihn riefe. Alle die entsetzlichen, phantastischen Mordgeschichten, die er gehört oder gelesen, standen jetzt sichtbar in der Form dieses scheußlichen Leichnams vor ihm. Er war in die gelbe Jacke der Deportierten gekleidet und lag zusammengeballt auf dem Boden, als ob er niedergeschlagen wäre. Sich darüberbeugend, wie durch einen unwiderstehlichen Instinkt gezogen, sah er daß der Körper verstümmelt war. Ein Arm fehlte und der Schädel war augenscheinlich mit einem stumpfen Instrument eingeschlagen. Der erste Gedanke, daß dieser Haufen Lumpen und Knochen: ein stummer Zeuge gegen sein eigenes, thörichtes Fluchtunternehmen sei, gab plötzlich einem zweiten, viel schrecklicheren Argwohne Raum. Er erkannte die Nummer, welche auf den groben Kleidern gedruckt war, als diejenige, des jüngeren Gefährten, mit dem Gabbett entflohen war. Er stand an, einer Stelle, wo ein Mord begangen war – ein Mord und was weiter? – Er dankte Gott, daß seine Lebensmittel noch nicht erschöpft waren! Er wandte sich und floh, ängstlich von Zeit zu Zeit zurückblickend. Er konnte in dem Schatten dieses schrecklichen Berges nicht Athem holen.

Durch Gebüsch und Dornen sich durchwindend, zerrissen, blutend und fast verzweifelt vor Entsetzen, erreichte er einen Einschnitt in der Bergkette und sah sich jetzt um.

Ueber ihm stiegen die Eisenberge auf, – unter ihm lag der Busch. Der weiße Gipfel von Frenchman’s Kap lag zu seiner Rechten; zu seiner Linken schien ein langer Bergzug weiteres Vordringen unmöglich zu machen. Im Osten glänzte es wie von Wasser. Riesenhafte Fichten hoben ihre anmuthigen Häupter gegen den durchsichtigen Abendhimmel und unter ihnen breitete sich ohne Unterbrechung das dichte Gebüsch aus, durch das er so mühsam gedrungen war. Es schien, als ob er von seinem Standtpunkte aus auf eine feste Masse springen könnte, so dicht standen die Bäume. Er hob seine Augen und gerade vor ihm, wie ein langer, gebogener Säbel lag der schmale, tiefst stahlblaue Hafen, von wo er entflohen war. Ein dunkler leck bewegte sich auf dem Wasser. Es war der Osprey, der hinausging. Es schien ihm, als könne er einen Stein an das Deck werfen. Er stieß einen leisen Schrei der Wuth aus. Während der letzten drei Tage im Busch hatte er sich rückwärts gewandt und war so im Kreise herumgewandert, daß er wieder aus seinen Ausgangspunkt zurückgekommen war. Mehr als seine halbe Zeit war vergangen und er war erst dreißig Meilen entfernt. Der Tod schien nur auf ihn zu warten, um ihn in dieser schrecklichen Wildniß zu überfallen. Wie eine Katze der Maus gestattet, eine Weile aus ihren Fängen zu schlüpfen, so hatte ihm das Schicksal erlaubt, sich eine kurze Frist mit süßer Hoffnungen zu schmeicheln. Jetzt war ein Entfliehen hoffnungslos. Er konnte niemals entkommen. Und wie der unglückliche Mann nach dem Himmel blickte, sah er, wie soeben die Sonne sank und einen letzten blutrothen Strahl auf die Stelle, die er soeben geflohen, sandte. Es war, als ob ein blutiger Finger auf den todten Körper zeige. Ein Schauder ergriff Rufus und er wandte sich ab und versenkte sich von Neuem in die Tiefe der Wälder.

Vier Tage lang wanderte er ziellos durch den Busch. Er hatte alle Hoffnung aufgegeben, die Reise durch das Innere hin machen und doch konnte er sich nicht entschließen, in die Nähe der Ansiedlung zurückzukehren, ehe nicht sein geringer Vorrath von Lebensmitteln aufgezehrt war. Unfähig, dem Hunger zu widerstehen, hatte er seine täglichen Portionen vergrößert und obgleich das Salzfleisch, der Hitze und dem Regen ausgesetzt, anfing schlecht zu werden, so durfte er es nur anblicken, um von dem unwiderstehlichen Wunsch erfüllt zu werden, davon zu essen. Die schlechten Stücke Fleisch und das harte Roggenbrod waren für ihn so kostbare Bissen, wie sie nur die Tafel eines Kaisers aufwies. Ein oder zwei Mal pflückte er die seinen Spitzen des Theebaumes und des Pfefferminzstrauches und aß sie. Sie hatten einen sehr aromatischen Geschmack und stillten für kurze Zeit den quälenden Hunger. Aber sie veranlaßten auch einen verzehrenden Durst, den er an den eisigen Bergquellen stillte. Wenn er diese Bäche nicht häufig gefunden hätte, würde er wahrscheinlich in wenigen Tagen gestorben ein. Endlich am zwölften Tage nach seiner Abreise von Coal Head, fand er sich am Fuß des Mount Direction, oberhalb der Halbinsel, welche die Westseite des Hafens bildet. Seine schreckliche Wanderung war völlig im Kreise um die Ansiedlung herumgegangen und in der nächsten Nacht gelangte er bis an die Küste von Birches Inlet, dem Landungsplatz an der Sara Insel gerade gegenüber. Seine Lebensmittel waren seit zwei Tagen zu Ende gekommen und er hatte rasenden Hunger. Er dachte nicht weiter an Selbstmord. Sein einziger Gedanke war jetzt nur der, Nahrung zu bekommen. Er wollte das thun, was Viele vor ihm schon gethan hatten, er wollte sich ausliefern und gepeitscht aber gespeist werden. Als er den Landungsplatz erreichte, fand er jedoch das Wachthaus leer. Er sah hinüber nach dem Gefängnis und sah, daß Alles leer war. Die Niederlassung war verlassen!

Der Schreck über diese Entdeckung raubte ihm fast die Besinnung. Tage lang, die ihm wie Jahrhunderte vorgekommen waren, hatte er diesen elenden Körper nur erhalten und fortgeschleppt mit dem festen Entschluß, die Niederlassung zu erreichen, und nun er sie erreicht hatte, nach einer Reihe voll unvergeßlicher Schrecken, fand er sie verlassen. Er schlug sich, um zu wissen ob er träume. Er wollte seinen Augen nicht trauen. Er schrie, rief, brüllte und ließ seine zerrissenen Kleider in der Luft wehen als Zeichen. Ganz erschöpft von diesem Paroxysmus sagte er sich, die Sonne habe sein Gehirn verwirrt und bald werde er die wohlbekannten Boote herankommen sehen, um ihn hinüber zu holen. Dann, als kein Boot kam, meinte er, er täusche sich in dem Platz; dies sei gewiß eine andere, ähnliche Insel und in der nächsten Sekunde schon werde er den Unterschied bemerken. Aber die unerbittlichen Felsen, die ihm sechs lange Jahre so entsetzlich vertraut gewesen, gaben ihm ihre stumme Antwort und die See, zu seinen Füßen schwellend schien ihn mit ihren hungrigen Wellen zu verspotten. Doch war das Verlassensein der Niederlassung ihm so völlig unerklärlich, daß er sich gar nicht darin finden konnte. Er hatte das Gefühl des Wanderers in den verzauberten Bergen, der am Morgen nah seinen Gefährten sucht und sie versteinert findet. Endlich dämmerte die schreckliche Wahrheit in ihm. Er ging ein paar Schritte rückwärts und dann stürzte er mit einem Aufschrei der Verzweiflung nach dem Ufer hin. Gerade als er im Begriff war, sich zum zweiten Mal in das Wasser zu stürzen, erblickten seine Augen, als sie noch einmal die Runde um die Bai machten, etwas sehr Merkwürdiges auf der linken Spitze der Seebucht. Ein dünner blauer Streifen stieg hinter dem westlichen Arm der Bucht gen Himmel. Es war Rauch von einem Feuer.

Der sterbende Unglückliche schöpfte neue Hoffnung. Es war ihm, als gebe Gott selbst ein Zeichen vom Himmel gesandt. Die schwache Rauchsäule war für ihn eben so herrlich als die Rauchsäule, welche die Israeliten führte. Es waren noch menschliche Wesen in seiner Nähe! Und sein Gesicht von der See abwendend, schwankte er mit Aufbietung seiner letzten Kräfte dem gesegneten Zeichen ihrer Gegenwart zu!

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Litres'teki yayın tarihi:
10 aralık 2019
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