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Kitabı oku: «Deportiert auf Lebenszeit», sayfa 33

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»So verliebten wir uns in einander,« sagte er und trank sein Glas wohlgefällig aus.

»Eure günstige Gelegenheit!« sagte ich. Er nickte. Ich glaube, er ist nicht überlastet mit Verstand.

Ich will sehen, ob ich diesen lieblichen Ort und seine Bewohner ein wenig genauer beschreiben kann.

Ein langes, weißes Haus, umgeben von blühenden Gärten. Große Fenster, die sich auf einen Rasenplatz öffnen. Die ewig herrliche, ewig wechselnde See zu Füßen. Es ist Abend. Ich spreche mit Mrs. Frere von socialen Reformen, von Gemäldegalerien, von Sonnenuntergang und von neuen Büchern. Da höre ich Wagenrollen aus dem Kies. Es ist Kapitain, der von seinem Gefängnisbesuche zurückkommt. Wir hören ihn schnell die Treppe heraufkommen, aber wir reden ruhig weiter.

(Ich glaube, es muß doch eine Zeit gegeben haben, wo die Dame ihm entgegen lief.) Er tritt ein, küßt seine Frau ziemlich kühl und stört augenblicklich unsern Gedankengang.

»Es ist heute heiß gewesen. Was, noch kein Brief aus dem Hauptquartier, Mr. North! – Ich sah Mrs. Golightly in der Stadt, Sylvia und sie fragte nach Dir. Es soll ein Ball sein beim Gouverneur. Wir müssen hingehen, Sylvia.«

Dann geht er hinaus und wir hören ihn von fern fluchen, weil das Wasser nicht heiß genug gewesen ist oder sein Diener, – ein Sträfling, seine Hosen nicht genug gebürstet hat. Wir nehmen unser Geplauder wieder auf, aber er kommt hungrig, gewaschen und gebürstet zurück.

»Mittag! – Ich bin bereit. North, geben Sie Mrs. Frere den Arm.« – Dann heißt es wohl: »North, etwas Sherry? – Sylvia, die Suppe ist wieder ganz schlecht. Bist Du heute ausgegangen? Nein?« – Seine Brauen ziehen sich etwas zusammen und ich weiß, daß er bei sich sagt: »Gewiß irgend einen dummen Roman gelesen.«

Aber er lächelt und erzählt auf die angenehmste Weise, daß die Polizei den Kakadu-Bill gefangen hat, den bekannten Buschräuber.

Nach dem Essen plaudern er und ich zusammen, – von Hunden und Pferden, Wetthähnen, Deportierten und Unfällen zu Wasser und zu Lande. Ich denke an alte Streiche aus der Universität und suche mit ihm Schritt zu halten, indem ich von athletischen Thaten erzähle. – Was für Heuchler sind wir! – Denn die ganze Zeit über sehne ich mich danach, in’s Wohnzimmer zu gehen und meine Kritik über den neuen Dichter Tennyson mit Mrs. Frere weiter durchzugehen.

Frere liest Tennyson nicht, auch sonst weiter nichts.

Im Besuchszimmer plaudern Mrs. Frere und ich bis zum Abendessen. (Er ißt Abendbrod.) Sie ist eine reizende Gesellschafterin und wenn ich gut spreche, – ich kann gut sprechen, – dann, – o Himmel, – leuchtet ein Interesse in ihrem Gesicht, das ich sonst selten sehe. Ich fühle mich erfrischt und beruhigt durch die Gesellschaft. Die ruhige Feinheit des Hauses gleicht dem Schatten eines hohen Felsen auf glühender Ebene.

Mrs. Frere scheint etwa fünfundzwanzig Jahre alt zu sein. Sie ist etwas unter Mittelgröße und hat eine zarte, mädchenhafte Gestalt. Das Mädchenhafte in ihrer Erscheinung wird dadurch vermehrt, daß sie blondes Haar und blaue Augen hat. Wenn man mit ihr spricht, so sieht man, daß das Gesicht die natürliche Rundung verloren hat, welche es wohl früher besessen. Sie hat ein Kind gehabt, das bei der Geburt gestorben ist. Ihre Wangen sind durchsichtig, ihre Augen blicken traurig und verrathen seelischen und körperlichen Kummer und Schmerz. Diese Magerkeit läßt die Augen größer erscheinen und die Stirn als sie in Wirklichkeit sind. Ihre Hände sind weiß und ängstlich hager. Sie müssen früher rund und hübsch gewesen sein. Ihre Lippen sind roth von fortwährendem Fieber.

Es scheint, als habe Kapitain Frere alle Lebenskraft seiner Frau an sich gerissen.

Wer erzählt doch die Geschichte von Lucius Claudius Hermippus, der sehr alt wurde, weil er sich fortwährend von jungen Mädchen anhauchen ließ?

Ich glaube – Burton, – denn der führt Alles an.

In dem Verhältniß, als sie Kraft und Jugend verloren, hat er an Stärke und Frische gewonnen. Obgleich er wenigstens vierzig Jahre alt ist, sieht er nur ans wie dreißig. Sein Gesicht ist roth, seine Augen klar, seine Stimme fest und durchdringend. Er muß ein Mann von bedeutender Stärke sein und auch ein Mann von mehr als gewöhnlichem physischem Muth und Tierischen Gelüsten. Kein Nerv in seinem Körper, der nicht die Stärke eines Klavierdrathes haben mag. Aeußerlich ist er groß, breit und stark mit röthlichem Bart und Haar, leicht mit Grau untermischt. Seine Manier ist laut, roh und anmaßend; – seine Unterhaltung beschränkt sich auf Hunde, Pferde, Hähne und Gefangene. – Was für ein merkwürdiges Paar!

30. März. Ein Brief von Van Diemens Land. »Es ist ein Zank in der Küchenstube,« sagte de la Vere in seiner gewöhnlichen Art. Der General-Controlleur der Gefängnisanstalten hat einen Mr. Pounce bestimmt, um nach Norfolk Island zu gehen und einen Bericht darüber zu machen. Ich soll mit ihm gehen und zu dem Ende meine Instruktionen vom General-Controlleur bekommen.

Ich habe Frere das gesagt und er hat an Pounce geschrieben, er möge auf dem Wege dahin bei ihm einsprechen. Seit der Zeit gaben wir nur von Gefangenen-Disciplin sprechen hören. Frere ist groß darin und ermüdet mich vollständig mit seinen Erklärungen von Streichen und Bosheiten der Sträflinge.

Er ist berühmt wegen seiner Kenntnis in diesen Dingen. Abscheuliche Weisheit! Seine Diener hassen ihn und doch gehorchen sie ihm ohne Murren.

Ich habe bemerkt, daß professionelle Verbrecher – wie alle wilden Tiere – vor dem Manne kriechen, der sie ein Mal bezwungen hat. Ich würde mich nicht wundern, wenn die Regierung von Van Diemens Land Frere als ihren Disziplinars-Beamten wählte. Ich hoffe, sie werden es nicht thun.

4. April. Nichts heute, das werth wäre, eingetragen zu werden. Essen, Trinken, Schlafen. Trotz meiner siebenundvierzig Jahre fühle ich mich beinahe wie der James North, welcher im Fechten die goldne Medaille gewann. Was für ein Getränk ist doch Wasser! Die fous Bandusiae splendidior vitro war besser, als alles Andre, Meister Horaz. Ich zweifle, ob Euer berühmtes Getränk, das zur Zeit, da Manlius Consul war, auf Flaschen gefüllt wurde, sich damit vergleichen konnte.

Aber zu den bemerkenswerthen Thatsachen! Ich habe heute Abend zwei Dinge ausfindig gemacht, die mich überraschen. Eins ist, daß der Deportierte, welcher Mrs. Frere’s eben bedrohte, kein Andrer ist, als der unglückliche Mann, der meiner unheilvollen Schwäche wegen in Port Arthur gepeitscht wurde und dessen Gesicht mir immer wieder vor Augen kommt, um mir Vorwürfe zu machen. Die andre Thatsache ist, daß Mrs. Carr eine alte Bekannte von Frere ist. Das Letztere erfuhr ich auf sehr sonderbare Weise. Wir saßen zusammen, nachdem Mrs. Frere uns verlassen hatte, und sprachen von klugen Frauen. Ich setzte meine Theorie auseinander, daß scharfer Verstand häufig die weibliche Natur in den Frauen zerstöre.

Streben beim Manne muß Willensthätigkeit bei der Frau sein; Vernunft, Eingebung; Verehrung, Frömmigkeit; Leidenschaft, Liebe. Die Frau soll eine niedrigere Taste anschlagen, aber einen stärkeren Ton geben. Der Mann hat Verstandeskraft, die Frau schnelles und richtiges Gefühl. Die Frau, welche männlichen Verstand besitzt, ist abnorm. Er verstand mich nur halb, das konnte ich bemerken, aber er stimmte mir im Ganzen bei.

»Ich kannte nur eine Frau, welche wirklich starken Geistes war, wie man es nennt,« sagte er »und sie war eine ganz schlechte Person.«

»Daraus folgt nicht, daß sie wirklich schlecht war,« sagte ich.

»Ja, aber diese war es, von Grund auf. Aber scharf wie eine Nadel, Sir und starr wie ein Felsen. Ein schönes Weib.«

Ich sah an dem Ausdruck des Mannes, daß er schlechte Erinnerungen beherbergte und trieb ihn, weiter zu sprechen. »Sie wohnt im Innern irgendwo,« sagte er. »Sie heirathete einen ihr zugewiesenen Diener, sagte man mir, Namens Carr. Ich habe sie seit Jahren nicht gesehen und weiß nicht, wie sie jetzt aussieht, aber damals war sie grade so, wie Sie sie beschrieben. (Ich hatte sie gar nicht beschrieben.) Sie kam mit mir in demselben Schiff her als Mädchen von der Mutter meiner Frau.«

Ich hatte es schon auf meiner Zungenspitze zu sagen, daß ich sie kannte, aber ich weiß nicht, was mich bewog, zu schweigen. Es gibt Seiten in der Lebensgeschichte solcher Männer wie Frere ist, welche es nicht vertragen, vorgetragen zu werden. Wahrscheinlich war es so mit dieser Angelegenheit, denn er brach die Unterhaltung darüber schnell ab, als seine Frau hereinkam. Ist es möglich, daß diese zwei Geschöpfe, der bekannte Sträflingskenner und die Frau des Straflingsdieners, einander früher mehr als Freunde gewesen waren? Sehr möglich. Er ist der Mann dazu, solche Liebschaften gehabt zu haben. (Eine schöne Art, meinen Wirth schlecht zu machen.) Und die volle, dunkeläugige Person ist grade das Geschöpf, das ihn umspinnen könnte. Vielleicht ist irgend eine Angelegenheit dieser Art die Ursache von Mrs. Frere’s traurigen Blicken. – Warum gebe ich mich mit Gedanken über solche Sachen ab? Ich scheine mir selbst Gewalt anthun zu wollen und sie zu beleidigen durch solchen Argwohn. Wenn ich jetzt ein Büßer wäre, würde ich ein härenes Gewand anlegen und mich geißeln. »Denn solch Wesen treibt man nur aus durch Gebet und Fasten.«

7. April. Mrs. Pounce ist angekommen, voll von Wichtigkeit über seine Mission. Er geht einher mit der Miene eines Staatsministers, wenn ein Hosenbands-Orden frei ist, – hoffend, staunend, zweifelnd, aber selbst in diesem Zweifel seine Würde nicht vergessend. Ich bin so geneigt, ihn zu verspotten, wie ein leichtsinniges Schulmädchen, aber doch fühle ich, wie wichtig die Aufgabe ist, die er vor sich hat. Man erleichtert sein Gehirn, wenn man tüchtig arbeiten läßt. Ich erinnere mich, daß ein Gefangener in Hobart Town, zwei Mal verurtheilt und zwei Mal zurückgestellt, sprang und jubelte, als er sein Todesurtheil endlich aussprechen hörte. Er sagte mir, wenn er nicht geschrien hätte, wäre er wahnsinnig geworden.

10. April. Wir hatten gestern Abend ein Staatsdiner. Die Unterhaltung drehte sich uni nichts als um Sträflinge. Ich sah niemals Mrs. Frere so zu ihrem Nachtheil. Schweigend, zerstreut und traurig. Sie sagte mir nach Tische, daß sie das Wort »Deportierter« selbst verabscheue. Es knüpften sich für sie so schreckliche Erinnerungen daran.

»Ich habe mein ganzes Leben lang unter ihnen gelebt,« sagte sie, »aber das macht es nicht besser. Ich habe zuweilen schreckliche Vorstellungen, Mr. North, die mir wie halbe Erinnerungen vorkommen. Ich fürchte mich, wieder mit Gefangenen in Berührung zu kommen. Ich bin sicher, daß mir noch Böses von ihnen geschieht.« Ich lachte natürlich, aber es half nichts. Sie bleibt bei ihrer Meinung und sieht mich mit Augen an, die ein geheimes Entsetzen in sich haben. Dieses ungeborene Grauen in den Augen ist störend.

»Sie sind nervös,« sagte ich. »Sie müssen Ruhe haben.«

»Ich in nervös,« erwiderte sie mit einer Offenheit in Stimme und Manier, die ich früher schon in ihr bemerkte, »und ich habe üble Vorahnungen.«

Wir saßen eine Weile schweigend da, dann richtete sie plötzlich ihre ruhigen Augen auf mich und sagte: »Mr. North, welches Todes werde ich sterben?«

Die Frage war ein Echo meiner eignen Gedanken, – ich habe so einige thörichte Ideen von Physiognomie – und ich fuhr zusammen. Welches Todes? Ja, welches Todes wird Einer sterben mit weit offenen Augen, halb offenen Lippen und Brauen, die gesenkt sind, als wollten sie den schnell fliehenden Muth fest halten? Keines friedlichen Todes, – sicher nicht. Ich nahm meinen schwarzen Rock zu Hilfe.

»Meine liebe Mrs. Frere. Sie müssen an solche Dinge nicht denken. Sie wissen: Tod ist Schlaf. Warum einen Traum vorher träumen?« Sie seufzte, langsam wie aus augenblicklicher Betäubung erwachend. Sich vor ausbrechenden Thränen zusammen fassend, änderte sie die Unterhaltung und suchte einen Vorwand, um zum Piano zu gehen und einen Walzer zu spielen. Diese unnatürliche Lustigkeit endete in einem hysterischen Anfall. Ich hörte, wie ihr Mann hernach sal volatile anempfahl. Er ist solche Art Mann, die selbst der pythischen Priesterin sal volatile empfehlen würde, wenn sie ihn um Rath fragte.

26. April. Alles ist abgemacht und wir reisen morgen früh ab. Mr. Pounce ist in einer Stellung peinlicher Würde. Er fürchtet sich vor jeder Bewegung, denn die Bewegung könnte seiner Würde schaden und sein offizielles Eis aufthauen. Da er ausfindig gemacht hat, daß ich der Kaplan bin, so enthält er sich jeder Vertraulichkeit. Meine Eigenliebe ist verwundet, aber meine Geduld nicht mehr so hart auf die Probe gestellt.

Frage: Würde die Majorität der Leute nicht lieber von Hochgestellten gekränkt werden, als gar nicht beachtet?

James North seinerseits antwortet nicht darauf.

Ich habe meinen Freunden Lebewohl gesagt und bin traurig, wenn ich auf alle die angenehmen Stunden zurückblicke. Es ist nicht wahrscheinlich, daß noch viele solche angenehme Stunden verleben werde. Ich fühle mich wie ein Vagabund, dem gestattet war, am Feuer zu sitzen und der nun wieder in die nasse, windige Straße hinaus muß und sie kälter, als vorher findet. Wie waren die Verse, die ich in ihr Album schrieb?

 
»Wie ein armer Verlassener, der in berauschendem Wein
Seinen Kummer ertränkt und stolpernd jetzt durch die Straßen,
Die so kalt und naß sind, ein Licht erblickt durch den Regen,
Von dem häuslichen Herd ihm leuchtend, durch helle Scheiben
ihm winkend.
 
 
Er hält einen Augenblick an, vor dem röthlichen Fenster
Und blickt auf den freundlichen Kreis, vereint in Liebe und Pflicht.
Dann wendet er um in die Nacht, hinein in Regen und Sturm
Durch die Trübniß und Pein, nicht zu stören das Glück.«
 

Ja, das waren die Zeilen! Mit mehr Wahrheit darin, als sie denkt. Aber wie kommt es mir zu, sentimental zu sein? Mein Gefährte denkt: »Was für ein winselnder Narr ist dieser North?« So, das ist vorbei. Nun nach Norfolk und seinem Fegefeuer!

Zweites Capitel.
Der verlorene Erbe

Der verlorene Sohn von Sir Richard Devine war nach England zurückgekehrt und nahm seinen Namen und sein Vermögen in Anspruch. Das heißt, John Rex hatte seinen Plan ausgeführt, wodurch er die Rechte seines alten Gefängnis-Kameraden sich angemaßt hatte. Wenn er seine Cigarre in seiner Junggesellenwohnung rauchte, oder in seiner Wetten-Rechnung inne hielt, staunte John Rex oft selbst, mit welcher wunderbaren Leichtigkeit er einen so ungeheuren und scheinbar so schweren Betrug ausgeübt hatte. Als er in Sydney mit dem Schiff landete, das Sara Purfoy ausgeschickt hatte, fand er sich in eine Sklaverei verstrickt, die ihn nicht geringer drückte als diejenige, welcher er so eben entgangen, – die Sklaverei gezwungenen Zusammenlebens mit einem ungeliebten Weibe. Der sehr gelegene Tod eines ihrer Diener hatte Sara Purfoy die Gelegenheit gegeben, den Entflohenen in dessen Zimmer unterzubringen. In der höchst merkwürdigen Gesellschaft, welche nothwendiger Weise damals in Neu-Süd–Wales herrschte, war es nicht ungewöhnlich, daß Sträflingsdiener unter den freien Ansiedlern sich verheirathen und als man hörte, daß Mrs. Purfoy, die Wittwe eines Kapitains von einem Wallfischfahrer, sich mit Carr, ihrem Hofmeier, der wegen Fälschungen Deportiert worden und nur noch zwei Jahre hatte, verheirathete, wunderte sich Niemand darüber. Wenn John Carr dann frei würde und als Besitzer eines schönen Weibes und eines Vermögens dastünde, dann würde es Viele rings umher gegeben haben, die sein Leben in Australien zu einem sehr angenehmen gemacht hätten.

Aber John Rex wollte nicht länger bleiben, als notwendig war und suchte unablässig nach Mitteln zur Flucht aus diesem zweiten Gefängnis. Lange Zeit war sein Suchen erfolglos. So sehr sie den Schuft auch liebte, so machte sich Sara Purfoy doch kein Gewissen daraus, ihm zu sagen, daß sie ihn gekauft habe und ihn als ihr Eigenthum ansähe. Er wußte, daß, wenn er eine Anstrengung machte, aus seinen Ehefesseln loszukommen, die Frau, die so viel gewagt hatte, ihn zu retten, nicht zögern würde, ihn den Behörden auszuliefern und auszusagen, wie der gelegene Tod des fieberbefallenen John Carr sie in den Stand gesetzt hatte, Namen und Arbeit dem entflohenen John Rex zu überweisen.

Er hatte sich eingebildet, daß die Thatsache, daß sie seine Frau war, sie verhindern würde, gegen ihn auszusagen, und daß er ihr aus diese Weise trotzen könne. Aber sie erinnerte ihn, daß ein Wort an Blunt ganz genügend wäre.

»Ich weiß, Du machst Dir nichts mehr aus mir, John,« sagte sie mit grimmer Freundlichkeit; »aber Dein Leben ist in meinen Händen und wenn Du mich verläßt, so bringe ich Dich an den Galgen.«

Vergebens ras’te er und empörte sich in seiner geheimen Angst, von ihr loszukommen. Er war mit Händen und Füßen gebunden. Sie hatte sein Geld und ihre Schlauheit hatte es mehr als verdoppelt. Sie war allmächtig und er mußte warten, bis ihr Tod oder irgend ein glücklicher Zufall ihn von ihr befreite und ihn frei machte, uni dann den Plan, der er in sich hatte reifen lassen, auszuführen. »Ein Mal befreit von ihr,« dachte er bei sich, als er einsam über seine Station ritt, die ihm dem Namen nach gehörte, – »und das Uebrige ist leicht. Ich werde nach England mit einer glaubwürdigen Geschichte von Schiffbruch zurückkehren und werde unzweifelhaft mit offenen Armen von der theuren Mutter empfangen werden, die so lange von mir getrennt gewesen ist. Richard Devine soll wieder zu dem Seinigen kommen.«

Sie loszuwerden war nicht leicht. Zwei Mal versuchte er ihren Krallen zu entfliehen und zwei Mal wurde er zurückgebracht. »Ich habe Dich gekauft, John,« hatte sie ihm lachend gesagt »und Du sollst nicht fort von mir. Gewiß kannst Du zufrieden sein mit diesem Comfort. Du warst früher mit weniger zufrieden. Ich bin doch nicht so häßlich und abschreckend?«

»Ich habe Heimweh,« erwiderte John Carr. »Laß uns nach England gehen, Sara.«

Sie schlug mit ihren starken, weißen Fingern auf den Tisch.

»Nach England gehen? Nein, nein. Das würdest Du gern sehen? Dort würdest Du der Herr sein. Du würdest mein Geld nehmen und mich Hungers sterben lassen. Ich kenne Dich, Jack. Wir bleiben hier, mein Lieber. Hier, wo ich Dich dem ersten Constabler übergeben kann, wenn Du nicht gut zu mir bist.«

»Teufel.«

»O, das ist mir gleich, was Du sagst. Schimpfe die ganze Nacht auf mich, Jack. Schlage mich, wenn Du willst, aber verlaß mich nicht, oder es wird Dir schlecht gehen.«

»Du bist ein merkwürdiges Weib,« ruft er in plötzlich ausbrechender Bewunderung.

»Solchen Schurken zu lieben? Das weiß ich nicht. Ich liebe Dich, weil Du ein Schurke bist. Ein besserer Mann als Du, wäre mir langweilig.«

»Ich wünschte, beim Himmel, ich hätte nie Port Arthur verlassen. Besser dort, als dies Hundeleben!«

»So geh zurück. Du hast nur ein Wort zu sagen.«

So stritten sie sich und kämpften mit einander, – sie, stolz auf die Macht über den Mann, der so lange über sie triumphiert hatte und er, sich mit der Hoffnung tröstend, daß der Tag nicht fern sei, der ihm Glück und Freiheit bringen sollte. Eines Tages kam die Gelegenheit. Seine Frau war krank und der undankbare Schuft stahl fünfhundert Pfund und zwei Pferde, erreichte Sydney und nahm seine Überfahrt auf einem Schiff, das nach Rio ging.

Einmal von seinen Fesseln erlöst, spielte er um den großen Lebenseinsatz mit der äußersten Vorsicht. Er ging nach dem Continent und lebte Wochen lang in den Städten, wo Richard Devine möglicher Weise gelebt hatte, sich mit den Straßen vertraut machend, alte Einwohner aussuchend, – genug alle die losen Maschen des Netzes in seiner Hand vereinigend, das er nun zuziehen wollte. Solche lose Maschen waren nicht zahlreich; der verlorene Sohn war zu arm gewesen, zu unbedeutend, um bedeutende Erinnerungen zurückzulassen. Aber Rex wußte zu gut, durch welche Zufälle mitunter der Betrug entdeckt wird.

Irgend ein alter Kamerad oder Gefährte des verlorenen Erben könnte ja plötzlich erscheinen und genaue Fragen nach Kleinigkeiten thun, die das leichte Gewebe gleich in Stücke reißen würde, so schnell wie Saladin mit seinem Schwert die fliegende Seide zerschnitt. Er mußte auch die geringsten Umstände kennen. Mit ausgesuchter Geschicklichkeit, Stück für Stück baute er die Geschichte auf, welche die arme Mutter täuschen und ihn zum Besitzer eines der größten Privatvermögen Englands machen sollte.

Dies war die Geschichte, die er erfand. Er war aus dem brennenden Hydaspes von einem Schiffe gerettet worden, das nach Rio ging. Nichts wissend von dem Tode Sir Richards und aufgestachelt von dem Stolze, der wie man wußte, ein hervorstechender Zug seines Charakters war, hatte er sich entschlossen, nicht eher zurückzukehren, als bis er sich ein Vermögen erworben, das wenigstens ebenso groß war wie das, was ihm in Aussicht stand. Im spanischen Amerika hatte er vergeblich versucht, solchen Reichthum zu gewinnen. Als vaquero, Reisender, Spekulator, Schiffer hatte er sich vierzehn Jahre lang gemüht und er hatte keinen Erfolg gehabt. Erschöpft und bereuend, war er nach Hause zurückgekehrt, um seine müden Glieder aus einem Fleckchen heimischer Erde auszuruhen.

Die Erzählung war wahrscheinlich genug und er war dafür reichlich gewaffnet. Es war nicht zu fürchten, daß der Schiffer, welcher den gekaperten Osprey genommen, daß der, welcher in Chili gelebt, welcher Vieh auf den Carrum-Ebenen ausgezeichnet, in der Wissenschaft der Schiffsführung, des Reitens oder in Kenntnis der spanischen Sitten unwissend sein sollte. Ueberdies hatte er sich ein Verfahren vorgezeichnet, das auf seiner Kenntnis der menschlichen Natur beruhte.

Das Testament, nach welchem Richard Devine erben sollte, war datiert vom Jahre 1807 und war augenscheinlich verfaßt, als der Verfasser sich in der ersten Freude seiner Vaterwürde befand. Nach seinen Bestimmungen sollte Lady Devine ein lebenslängliches Einkommen von 3000 Pfund Sterling jährlich haben, aus ihres Mannes Eigenthum, das in die Hände von zwei Testamentsvollstreckern gelegt wurde, bis der älteste Sohn entweder starb, oder ein Alter von fünfundzwanzig Jahren erreicht hatte. Wenn Eins von diesen Ereignissen eintrat, sollte das Eigenthum umgesetzt werden und Lady Ellinor eine Summe von 100,000 Pfund empfangen, in Consols angelegt. Nach Sir Richards kluger Berechnung würde dies ihre Rente vollkommen decken. Der Rest des Vermögens sollte an den lebenden Sohn übergehen, oder wenn er gestorben, an seine Kinder oder nächsten Verwandten. Die Vollstrecker waren Lady Ellinors Vater, Oberst Wotton Wade und Mr. Silas Quaid von der Firma Purkiß und Quaid, Thavies Inn, Sir Richards Advokaten.

Als Oberst Wade im Sterben lag, ernannte er mit Quaids Einwilligung seinen eignen Sohn Mr. Francis Wade um zweiten Vollstrecker. Als der alte Junggeselle Quaid starb, verweigerte die Firma Quaid und Purkiß, deren Repräsentant jetzt ein feiner Londoner Neffe war, die fernere Verantwortlichkeit und mit der Einwilligung Lady Ellinors blieb ihr Bruder Mr. Francis Wade alleiniger Vollstrecker. Sir Richards Schwester und ihr Gatte Anthony Frere von Bristol waren schon lange todt und wie wir wissen, war ihr Sohn Maurice Frere endlich zufriedengestellt mit seinem Loose und hatte jeden Gedanken daran aufgegeben, sich noch mit seines Onkels Angelegenheiten zu beschäftigen. John Ren hatte also, in der Person des zurückgekehrten Richard Devine, nur zwei Menschen zufriedenzustellen, seinen vermeintlichen Onkel Mr. Francis Wade und seine vermeintliche Mutter Lady Ellinor Devine.

Dies war ihm die leichteste Aufgabe von Allen. Francis Wade war ein Invalide, verabscheute alles Geschäftliche und hatte nur einen Ehrgeiz, für einen Mann von Geschmack zu gelten. Als Besitzer eines kleinen unabhängigen Einkommens, hatte er immer in North End gewohnt seit seines Vaters Tode und hatte aus dem Platz ein Strawbury Hill in Miniatur gemacht. Als er seiner Schwester dringenden Bitten nachgab und die alleinige Verantwortlichkeit für das Vermögen übernahm, legte er alles baare Vermögen zu drei Prozent an und ließ die Zinsen anwachsen.

Lady Ellinor, welche niemals den schrecklichen Schlag überwinden konnte, den sie bei ihres Gatten plötzlichem Tode erhalten, klammerte sich an die Hoffnung, daß ihr Sohn noch lebe und sah sich nur als Verwalterin seiner Interessen an, jeden Augenblick bereit, die Herrschaft ihm zu überlassen, sollte er zurückkehren.

Das zurückgezogene Paar lebte so zusammen und verbrauchte in Mildthätigkeit und in bric à brac den vierten Theil ihres gemeinsamen Einkommens. Von Beiden wurde die Rückkehr des Wandrers mit wirklichem Entzücken begrüßt. Für Lady Ellinor bedeutete es die Verwirklichung einer lebenslangen Hoffnung, die ein Theil ihres Wesens geworden war. Für Francis Wade bedeutete es die Erlösung von einer Verantwortlichkeit, welche seine Einfalt stets verwünscht hatte, nämlich die, sich um andrer Leute Geld zu kümmern.

»Ich denke nicht daran mich, in die Einrichtung zu mischen, die Sie gemacht haben, lieber Onkel,« sagte John Rex am ersten Abend nach seinem Empfange. »Es würde sehr undankbar von mir sein, das zu thun. Meine Bedürfnisse sind gering und können leicht befriedigt werden. Ich werde ihre Geschäftsleute eines Tages sprechen und Alles mit ihnen abmachen.

»Geh gleich hin, Richard, – so bald wie möglich. Ich bin kein Geschäftsmann, aber es wird Alles in Ordnung sein.«

Doch verschob Richard den Besuch von Tage zu Tage. Er wünschte so wenig wie möglich mit Männern des Gesetzes zu thun zu haben. Er hatte sich schon seine handlungsweise zurechtgelegt. Er ließ sich von seiner Mutter Geld für seine unmittelbaren Bedürfnisse geben und wenn die Mutter starb, wollte er seine Rechte geltend machen.

»Mein rauhes Leben hat mich ganz scheu gemacht. Ich passe nicht in die Gesellschaft. Mache kein Wesens von meiner Rückkehr. gib mir einen Winkel, wo ich meine Pfeife rauchen kann und ich bin glücklich.«

Lady Devine mit zärtlichem Mitleid, das sich John Rex nicht recht erklären konnte, willigte ein und »Mr. Richard« wurde bald als ein Märtyrer des Schicksals angesehen, als ein Mann, der seine eignen Unvollkommenheiten kannte und mit denen man dem zu Folge leicht abrechnete. So hatte der verlorene Sohn seine eigenes Zimmer, seine eigne Dienerschaft seine eigne Rechnung bei der Bank und trank und rauchte und lebte lustig.

Fünf oder sechs Monate lang lebte er wie im Paradiese. Dann fing er an, dieses Lebens überdrüssig zu werden. Die Last der Heuchelei ist sehr schwer zu tragen, und Rex war genöthigt, sie fortwährend zu tragen. Seine Mutter nahm seine ganze Zeit in Anspruch. Sie hing an seinem Munde; sie ließ sich fünfzig Mal die Geschichte seiner Wanderungen erzählen. Sie wurde nie müde, ihn zu küssen, über ihn zu weinen, ihm zu danken für das Opfer, das er ihr gebracht.

»Wir versprachen einander, Richard, nie wieder davon zu sprechen,« sagte die arme Dame eines Tages, »aber wenn meine lebenslängliche Liebe das Unrecht gut machen kann, das ich Dir angethan habe – —«

»Still, liebste Mutter,« sagte John Rex, welcher nicht im Geringsten verstand, wovon die Rede war, »laß uns nichts mehr darüber sagen!«

Lady Ellinor weinte still und ging dann fort, den Mann, der ihr Sohn zu sein vorgab, in großer Bestürzung zurücklassend. Er war wirklich in Sorge. Augenscheinlich bestand ein Geheimniß zwischen Lady Devine und ihrem Sohne, das er nicht errathen konnte. Die Mutter kam nicht wieder darauf zurück und neuen Muth mit der Zeit gewinnend, wurde Rex kühn genug, alle Angst zu vergessen.

In den ersten Stadien seines Betruges war er schüchtern und vorsichtig gewesen. Dann kam der beruhigende Einfluß des Comforts, der Achtung und der Sicherheit und verfeinerte seine Sitten sogar etwas. Er fühlte, wie er gefühlt hatte, als Mr. Lionel Crofton noch am Leben war. Das Gefühl, von einer liebenden Frau gepflegt, Abends und Morgens als ihr »Sohn« geküßt zu werden, von den Landleuten geachtet, von achtbaren Leuten beneidet zu werden, war neu und sehr angenehm.

Sie waren so gut zu ihm, daß er zu Zeiten halb geneigt war, Alles zu bekennen und seine Sache in die Hände der Leute zu geben, die er beleidigt hatte. Doch, dachte er, solch Handeln würde toll sein. Es würde für Niemand etwas Gutes dabei herauskommen, nur Elend für ihn selbst. Der wahre Richard Devine war völlig verloren und begraben unter der Strafliste der Deportierten. Ueber ihm schlugen schon seit langer Zeit die Wogen der unzähligen Bestrafungen zusammen. John Rex schmeichelte sich damit, daß er den Namen eines Mannes sich angemaßt, der wirklich nicht mehr zu den Lebenden gehörte und daß, wenn er nicht von den Todten auferstande, Richard Devine niemals kommen würde um ihn anzuklagen. So sich selbst schmeichelnd, wurde er allmählich kühner und langsam kam seine wahre Natur wieder zum Vorschein. Er war heftig gegen die Diener, grausam gegen die Hunde und Pferde, oft roh und unanständig in seiner Rede und gänzlich rücksichtslos gegen die Gefühle Andrer. Wie fast alle Frauen, beherrscht von ihrem Gefühl, hatte Lady Devine denjenigen, den sie für ihren tief gekränkten Sohn hielt, mit Liebe überschüttet. Aber seine selbstsüchtige Art, seine Rohheit und Nachlässigkeit beleidigten sie bald auf’s Empfindlichste. Eine Zeit lang kämpfte die arme Frau dagegen und bemühte sich, ihre Gefühle der Abneigung zu überwinden und sagte sich, es sei so verbrecherisch, dieser Verabscheuung ihres unglücklichen Sohnes nachzugeben; – aber – endlich unterlag sie doch.

Im ersten Jahr betrug sich Mr. Richard mit genügendem Anstande, aber als sein Bekanntenkreis sich vergrößerte und sein Vertrauen in sich wuchs, vergaß er nach und nach die Rolle, die er zu spielen hatte. Eines Tages ging Mr. Richard aus, um den Tag mit einem Jagdfreunde zuzubringen, der nur zu stolz war, einen so außerordentlichen Mann an seinem Tische zu haben. Richard trank viel mehr, als ihm gut war und am in einem Zustande ekelhafter Trunkenheit nach Hause. Ich sage ekelhaft, denn manche Leute haben die Kunst, auf humoristische Art betrunken zu werden, so daß die halbe Rohheit der Sache verschwindet. Ein Mann von wahrhaft edlen Gesinnungen, dessen Gehirn nicht geschwächt ist, durch Nachsicht mit seinen Fehlern, zeigt sich nie zu seinem größeren Vortheil, als wenn er beim Glase Wein sitzt. Wenn John Rex trank, so wurde er – er selbst – das heißt roh und grausam.

Francis Wade war nicht zu Hause und Lady Devine hatte sich in ihr Schlafzimmer zurückgezogen, als ein Wagen »Mr. Richard« an der Thür absetzte. Der tugendhafte Haushofmeister, welcher die Thür öffnete, bekam einen Stoß gegen die Brust und wurde angebrüllt: »Branntwein her!« Der Reitknecht wurde verdammt und sollte sich wegscheeren. Mr. Richard taumelte in’s Eßzimmer das in der halben Erleuchtung sich befand, welche die Dienerschaft für nöthig hält, wenn man auf den Herrn wartet. Er schrie: »Mehr Licht!« Die Lichter wurden gebracht und Mr. Richard vergnügte sich damit, das schmelzende Wachs auf den Teppich laufen zu lassen. »Hört, – es muß hell werden! Beleuchtung her!« schrie er und kletterte mit seinen schmutzigen Stiefeln auf die kostbaren Stühle, zerkratzte den glänzend polierten Tisch, versuchte die Wachslichter in den silbernen Leuchtern zu befestigen, mit denen der seine antiquarische Geschmack von Mr. Francis Wade das Zimmer geschmückt hatte.

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10 aralık 2019
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