Kitabı oku: «Deportiert auf Lebenszeit», sayfa 34
»Sie werden den Tisch zerbrechen, Herr,« sagte der Diener.
»Verdammter Tisch,« schrie Rex. »Kauft einen andern Tisch. Was geht Euch der Tisch an!«
»O gewiß, Sir,« erwiderte der Mann.
»Gewiß, gewiß, – warum gewiß? Was wißt Ihr davon?«
»Gewiß nichts, Sir,« sagte der Mann.
»Wenn ich nur meine Reit – Reit – Peitsche hätte, ich wollte Euch – — Wo ist Branntwein?«
»Hier, Mr. Richard.«
»Da trinkt! Guter Branntwein. Laßt die Mädchen kommen, – sie sollen tanzen! Tanzt Ihr, Tomkins?«
»Nein Mr. Richard.«
»Dann sollt Ihr tanzen. Tomkins. Ihr sollt eines Tages auf nichts tanzen! Tomkins! Hallo! Mariel Susanne! Jane! William! Hallo!«
Und er fing an, zu brüllen und zu fluchen.
»Ist es nicht Zeit zu Bett zu gehen, Mr. Richard?«« fragte einer der Diener.
»Nein,« brüllte der Ex-Sträfling mit Nachdruck. »Ich gehe nicht zu Bett! Ich bin viel zu lange bei Tageslicht zu Bett gegangen. Wir wollen Illumination haben. Ich bin der Herr hier! Der Herr von Allem. Richard Devine ist mein Name. Nicht wahr, Tomkins, Du Schurke!«
»O ja, ja, Mr. Richard.«
»Natürlich ist’s mein Name und daß Ihr’s wißt! Ich bin kein Gemalter, – keine Porzellanpuppe! Ein Gentleman! Hab’ die Welt gesehen! Es gibt nicht viel, das ich nicht kenne. Wartet nur, bis die Alte todt ist, Tomkins, dann sollt Ihr sehen!«
Immer neue Flüche und Schwüre, was der Trunkenbold thun würde, wenn er erst im Besitz wäre.
»Bringt mehr Branntwein herbei!« Krack! Fliegt die Flasche in den Kamin.,Licht nach dem Saal! Wir wollen tanzen! Ich bin betrunken, – wer sagt das? – Wenn Ihr erlebt hättet, was ich erlebt habe, würdet Ihr froh sein, wenn Ihr betrunken wäret. Ich sehe wie ein Narr aus,« – dies sagt er zu seinem Bilde im Spiegel. »Aber ich bins nicht, oder ich wäre nicht hier! – Verdammt, Du grinsender Narr!«
Krack, – geht seine Faust in den Spiegel! »Grinst mich nicht an! Spielt auf! Wo ist die Alte! Holt sie, wie wollen tanzen!«
»Lady Devine ist im Bett, Mr. Richard,« schreit Tomkins! entsetzt, und versucht, sich ihm in den Weg zu stellen.
,Dann soll sie aufstehen!« schreit John Rex und stürzt nach der Thür.
Tomkins, der ihn zurückhalten will, wird sogleich in ein Schränkchen mit seltenem Porzellan geworfen und die Bestie versucht die Treppen hinauf zu dringen. Die andern Diener ergreifen ihn. Er flucht und kämpft wie ein Teufel. Die Thüren werden geworfen, Lichter blitzen, die Mädchen laufen zusammen, entsetzt und fragen, ob Feuer sei und wollen aus dem Hause. Das ganze Haus ist in Aufruhr? Mitten in dem Lärm erscheint Lady Devine und sieht auf die Scene herab. Rex erblickt sie und bricht in neues Fluchen aus. Sie zieht sich, tief erschreckt, zurück und das Tier, hin und her gerissen, blutend und dabei fluchend, wird endlich in seine Zimmer gebracht. Der Reitknecht, dessen Gesicht ernstlich Schaden gelitten bei dem Kampfe, gibt der trunkenen Bestie noch einen tüchtigen Fußstoß, ehe er geht. Am nächsten Morgen weigert sich Lady Devine, ihren Sohn zu sehen, obgleich er eine besondere Entschuldigung an sie schickt.
»Ich fürchte, ich habe gestern Abend zu viel Wein getrunken,« sagte er zu Tomkins.
»Ja, Sir,« sagt Tomkins.
»Ach ein wenig Wein macht mich gleich krank, Tomkins. Habe ich irgend etwas Schlimmes gethan?«
»Sie waren ziemlich heftig, Mr. Richard.«
»Hier ist ein Goldstück, Tomkins. Sagte ich auch etwas?«
»Sie fluchten viel, Mr. Richard. Die weisen Herren tätig dies, wenn – wenn sie auswärts gespeist haben, Mr. Richard.«
»Was für ein Narr bin ich,« dachte John Rex, als er sich anzog. »Ich werde Alles verderben, wenn ich mich nicht in Acht nehme.«
Er hatte Recht. Er ging ordentlich darauf aus, Alles zu verderben. Doch machte er diese Scene wieder gut. Geld an die Dienerschaft und Entschuldigungen und die Zeit ließen Lady Devine die Sache vergeben.
»Ich kann mich nicht wieder in englische Gewohnheiten finden,« sagte Rex, »ich fühle oft, daß ich hier nicht an meinem Platz bin, hier in diesem ruhigen Hause. Ich denke – wenn Du etwas Geld für mich hast – möchte ich ein wenig reisen.«
Lady Ellinor mit einem Gefühl der Erleichterung, über das sie sich viele Gewissensbisse machte,« willigte ein und mit guten Creditbriefen versehen, ging John Rex nach Paris.
In der Welt der Verschwendung und des leichtfertigen Lebens eingeführt, wurde er ganz unordentlich. Als junger Mann war er fast ganz frei von dem Laster der Trunksucht gewesen; er hatte von seiner Nüchternheit, wie von seinen Tugenden bösen Gebrauch gemacht. In der Wildniß und Einsamkeit des Busches hatte er zu trinken angefangen. Als Herr einer großen Summe Geldes, beabsichtigte er, dieselbe zu verbringen, wie er es in seinen jungen Jahren gethan hatte. Er hatte vergessen, daß seit seinem Sterben die Welt nicht jünger geworden war. Es war möglich, daß Mr. Lionel Crofton einige seiner alten Gefährten, mit denen er sich einst herumgetrieben, auffinden möchte. Viele von ihnen lebten und es ging ihnen gut.
Mr. Lemoine zum Beispiel, war gut verheirathet auf seiner Insel Jersey und hatte schon gedroht, einen Neffen zu enterben, der unordentlich lebte.
Aber Mr. Lemoine machte sich früher nichts daraus, Mr. Lionel Crofton, den Spieler und Herumtreiber wieder zu treffen und gewiß war es nicht gerathen, ihn denselben in der Person von Richard Devine wiederfinden zu lassen, denn durch irgend einen unglücklichen Zufall konnte dieser den Betrüger ja erkennen.
So war also der arme Lionel Crofton genöthigt, still in seinem Grabe zu liegen und Mr. Richard Devine, sich auf seinen großen Bart und seine breit gewordenen Schultern verlassend, mußte sein Geheimniß für sich behalten und Freundschaft unter solchen Menschen anknüpfen, wie sie auch zu Zeiten Mr. Croftons Freunde gewesen waren. Aber in Paris und in London gab es unendlich viele Menschen, die gern und schnell mit Jedem Bekanntschaft machten, der Geld besaß. Mr Richard Devine’s Geschichte wurde in manchem Ball- und Klubzimmer heimlich und laut erzählt. Doch wurde sie nicht immer auf dieselbe Art erzählt. Es war allgemein bekannt, daß Lady Devine einen Sohn hatte, der, lange Zeit für todt gehalten, plötzlich zur Bestürzung seiner Familie zurückgekehrt war. Aber die Art seiner Rückkehr wurde verschieden erzählt.
Mr. Francis Wade, so wohlbekannt er auch war, bewegte sich nicht in den glänzenden Kreisen, in denen sein Neffe in der letzten Zeit aufgenommen war. Es gibt in England viele Leute, von eben so großem Vermögen wie das, welches der alte Schiffbauer hinterlassen und die doch völlig unbekannt in der kleinen Welt sind, in der alle Leute sich bewegen sollen, welche des Kennens werth sind. Francis Wade war ein Mann von Bedeutung in seinem kleinen Kreise. Unter Künstlern, Antiquitäten-Händlern und Schriftstellern war er als Patron und als Mann von Geschmack bekannt. Seine Banquiers und Advokaten wußten, daß er ein unabhängiges Vermögen besaß, daß er sich aber nicht mit Politik befaßte, nicht in Gesellschaft ging, nicht wettete oder in Waaren spekulierte, und doch gab es viele Kreise der Gesellschaft, welche nie seinen Namen gehört hatten. Manche achtbare Geldverleiher würden »weitere Empfehlung« gewünscht haben, ehe sie seine Wechsel einlösten und Klub-Mitglieder besonders – außer einigen alten Quid nunc’s, welche die ganze Welt von Adam herab kannten – wußten wenig oder nichts von ihm.
Die Ankunft von Mr. Richard Devine, eines rohen Menschen von unbegrenzten Mitteln, hatte sonach einen bedeutenden Einfluß auf den unheimlichen Kreis von männlichen und weiblichen Schuften, welche die demi-monde bildeten. Sie fragten nach feinem früheren Leben und da sei keine genügende Antwort erhielten, erfanden sie Lügen über ihn.
Man meinte, er sei ein schwarzes Schaf, ein Mann, dessen Familie ihn ein wenig aus dem Wege schickte, aber der in pekuniärer Beziehung »gut« war für recht hohen Betrag.
So auf Vertrauen hin angenommen, bewegte sich Mr.
Richard Devine in den besten Kreisen der schlechten Gesellschaft und es fehlte ihm nicht an angenehmen Freunden, welche ihm halfen, sein Geld durchzubringen. Er brachte es auf so bewundernswerth schnelle Weise durch, daß Mr. Francis Wade unruhig wurde über die vielen Ansprüche und seinen Neffen drängte, seine Geschäfte zum Abschluß zu bringen.
Richard Devine – in Paris oder Hamburg, London oder anderswo, konnte niemals dazu gebracht werden, sich an die Geschäfte zu machen und Mr. Francis Wade wurde immer ängstlicher.
Der arme Mann wurde wirklich krank aus Sorge über seines Neffen Verschwendung. »Ich wünschte, lieber Richard,« schrieb er an ihn, »daß Du mich wissen ließest, was geschehen soll.«
»Ich wünschte, lieber Onkel, daß Du thun möchtest, was das Beste ist,« war des Neffen Antwort.
»Willst Du Quaid und Purkiß die Sache besorgen lassen?« fragte der in die Enge getriebene Francis Wade.
»Ich hasse Advokaten,« sagte Richard. »Thun Sie was Ihnen Recht dünkt.«
Mr. Wade bereute, daß er die Sache im Anfange zu leicht genommen. Nicht daß er einen Argwohn wegen Rex hatte, sondern er erinnerte sich daran, daß ich stets ein loser Vogel gewesen. Der sanfte Lauf seines Lebens wurde gestört. Er wurde bleich und seine Augen fielen ein. Seine Verdauung war schlecht. Er hatte nicht mehr das Interesse an Porzellan, das die Wichtigkeit des Gegenstandes erheischte. Mit einem Wort, er wurde zweifelhaft an seiner Mission. Lady Ellinor bemerkte eine große Veränderung an ihrem Bruder. Er wurde mürrisch, reizbar und erregt. Sie ging heimlich zu dem Familienarzt, welcher die Achseln zuckte.
»Es ist keine Gefahr,« sagte er, »aber er muß ruhig gehalten werden; halten Sie ihn ruhig, und er kann noch viele Jahre leben, – doch sein Vater starb an Herzkrankheit, wissen Sie.«
Lady Ellinor schrieb hierauf einen langen Brief an Richard, der in Paris war, theilte ihm des Doktors Meinung mit und bat ihn, sogleich herüber zu kommen.
Mr. Richard erwiderte, daß eine sehr wichtige Wettrennen-Angelegenheit ihn noch in Anspruch nähme, daß er aber in seiner Wohnung in Clarges Street (er hatte schon seit langer Zeit ein eigenes Haus in der Stadt) am 14. eintreffen und dann die Geschäfte besorgen werde. »Ich habe in der letzten Zeit viel Geld verloren, liebe Mutter,« sagte Mr. Richard, »und jetzt wird es Zeit sein, Alles abzuschließen.« Die Thatsache war, daß John Rex, jetzt seit drei Jahren in ungestörtem Besitz, den Augenblick für günstig hielt, um seinen großen Coup auszuführen. Er wollte mit einem Schlage das ganze Vermögen einstecken, um das er gespielt hatte.
Drittes Capitel.
Auszug aus dem Tagebuche des Ehrwürdigen James North
12. Mai. Heute in Norfolk Island gelandet und bin in meine neue Heimath eingeführt worden, die etwa tausend ein hundert Meilen von Sydney entfernt liegt. Ein einsamer Felsen im tropischen Ocean scheint die Insel in der That ein passender Verbannungsort zu sein. Sie ist etwa sieben Meilen lang und vier breit. Die größte natürliche Merkwürdigkeit ist die Norfolk-Tanne, welche ihr stattliches Haupt wohl hundert Fuß über die sie umgebenden Bäume erhebt. Der Anblick des Platzes ist sehr wild und schön und bringt mir die Schilderungen der romantischen Inseln des großen Oceans in’s Gedächtniß bei welchen die alten Geographen mit so vieler Vorliebe weilen. Citronen, Limonen und Guavenbäume wachsen in Massen hier, auch Orangen, Weintrauben, Feigen, Bananen, Pfirsiche, Granatäpfel und Ananas. Das Klima ist grade jetzt heiß und drückend. Die Annäherung von Kingstown, so heißen die Kasernen und Hütten, ist ziemlich schwierig. Ein langes, niedriges Riff wahrscheinlich ursprünglich ein Theil der kahlen Felsen den Nepeau und Phillipp’s Inseln, welche sich östlich und westlich von der Niederlassung erheben, zieht sich grade vor der Bai entlang und versperrt den Schiffen den Eingang. Wir wurden in Booten an Land gebracht, gingen durch eine Oeffnung in dem Riff und unser Schiff bleibt auf der Außenrhede in Signal-Entfernung. Die Brandung spült fast bis an die Mauern des Militairweges der nach den Kasernen führt. Der sociale Anblick des Ortes erfüllt mich mit Entsetzen. Es scheint weder Disziplin noch Ordnung zu herrschen. Auf unserm Wege nach dem Hause des Kommandanten kamen wir an einem niedrigen Hause vorbei, in welchem die Leute Mais mahlten und sobald sie uns sahen, fingen sie an zu pfeifen, zu schreien und zu brüllen und brauchten die schauderhaftesten Wörter dabei. Drei Aufseher waren zugegen, machten aber keinen Versuch, diesen unpassenden Ausbruch zu verhindern.
14. Mai. Ich setze mich zum Schreiben mit eben so viel Widerwillen hin, als wenn ich meine Erfahrung einer Reise durch einen Abzugskanal schildern sollte.
Zuerst zu den Kasernen der Gefangenen, welche auf einem Platz von etwa drei Acker Landes stehen, welche von einer Mauer umgeben sind. Ein Weg, läuft zwischen See und Mauer hin. Die Kasernen sind drei Stockwerke hoch und halten 790 Mann. Hierbei will ich bemerken, daß auf der ganzen Insel mehr als 2000 Mann sind. Es sind 22 Säle in diesen Gebäuden. Jeder Saal hat die Tiefe des Gebäudes, nämlich achtzehn Fuß und ist natürlich nur ein Trichter, durch den heiße oder kalte Luft bläst. Wenn der Saal gefüllt ist, liegen die Köpfe der Männer grade unter den Fenstern. Der größte Saal enthält hundert Mann, der kleinste fünfzehn. Sie schlafen in Hängematten, welche dicht neben einander angehängt sind, wie an Bord der Schiffe, und zwei Reihen mit einem Gang in der Mitte. Jeder Saal hat einen Aufseher. Er wird von den Gefangenen gewählt, ist also stets der schlechteste Charakter. Er soll Ordnung halten, thut es aber natürlich nie, denn, da er jede Nacht von Abends sechs Uhr bis Sonnen-Aufgang eingeschlossen ist – ohne Dicht – so könnte er sehr leicht mißhandelt werden, wenn er sich unbeliebt machte.
Die Kasernen sehen au den Kasernenplatz hinaus, welcher mit herumlungernden Gefangenen angefüllt ist. Die Fenster des Hospitalsaales gehen auch auf diesen Platz und die Gefangenen sind in fortwährender Verbindung mit den Patienten. Das Hospital ist ein niedriges Steingebäude, kann etwa zwanzig Mann enthalten und geht auf die Bai hinaus. Ich legte meine Hand an die Mauer und fand sie feucht. Ein Gefangener, der eine Art Aussatz hatte, sagte mir, es käme daher, weil die Brandung beständig an die Mauern schlüge. Es gibt zwei Gefängnisse, das alte und das neue. Das alte Gefängnis steht dicht an der See, hart am Landungsplatze. Außen vor dessen Thür steht der Galgen. Ich berührte ihn, als ich eintrat. Diese Maschine ist das Erste, was dem neu ankommenden Gefangenen in die Augen fällt. Das neue Gefängnis ist kaum vollendet. Es hat eine pentagonale Form und hat achtzehn strahlenförmige Zellen, nach einem Muster gebaut, das irgend ein weiser Mann in England ausfindig gemacht hat, welcher glaubt, daß wenn man einen Mann verhindert, seine Mitmenschen zu sehen, er nicht wahnsinnig wird. Im alten Gefängnis sind vierundzwanzig Gefangene, Alle in schweren Eisen, welche auf ihr Urtheil warten, das die nächste Kommission, welche aus Hobart Town eintrifft, sprechen soll. Einige von diesen armen Kerls, welche ihre bösen Thaten grade begangen haben, als die letzte Sitzung der Kommission vorüber war, sind bereits über elf Monate im Gefängnis gewesen!
Um sechs sahen wir, wie die Leute gemustert wurden. Ich las die Gebete vor der Musterung und war erstaunt, daß einige der Gefangenen aufmerkten, während Andre über den Hof gingen und pfiffen, sangen und spaßten. Die Musterung ist ein Unsinn. Die Gefangenen werden nicht draußen gemustert und gehen dann in ihre Säle sondern sie stürzen ohne Ordnung in die Säle und werfen sich angekleidet oder entkleidet in ihre Hängematten. Ein Unteraufseher ruft die Namen auf und Jemand antwortet. Wenn eine Antwort auf jeden Namen gegeben wird, so ist es gut. Die Lichter werden fortgenommen und außer während einiger Minuten um acht Uhr, wenn die »Gebesserten«, das heißt,, die sich gut betragen haben, hineingelassen werden, sind die Schufte sich selbst und ihrem höllischen Treiben bis zum Morgen überlassen. Ich, der ich manches von den Gewohnheiten der Deportierten weiß, habe Herzweh, wenn ich mich an die Stelle eines neu angekommenen Sträflinge versetze, der von sechs Uhr Abends bis zu Tagesanbruch in dieser schmutzigen Höhle von wilden Tieren zubringen muß.
15. Mai. Ein Platz, zwischen hohen Mauern eingeschlossen, dicht an die Kasernen der Gefangenen anstoßend, heißt der Plunderhof. Hier speisen die Gefangenen. Er ist an zwei Seiten mit Dächern versehen und enthält Tische und Bänke. Sechshundert Mann können hier essen, aber da immer siebenhundert hineingetrieben werden, so folgt daraus, daß die Schwächsten immer auf dem Boden sitzen müssen. Einen unordentlicheren Anblick als diesen Hof zur Zeit der Mahlzeit habe ich nie gesehen. Die Küchen stoßen daran und die Männer backen dort ihr Brod. Außerhalb der Küche liegt das Brennholz und nach allen Richtungen hin werden Feuer angemacht, an welchen sich die Leute ihr frisches Schweinefleisch rösten, ihre Brodkuchen backen und schwatzen, ja sogar rauchen. Der Plunderhof ist eine Art von Alsatia, in das sich der verfolgte Gefangene zurückzieht. Ich glaube nicht, daß der kühnste Constabler in den Hof; hineinginge, um einen Mann aus den siebenhundert heraus zu holen; wenigstens, wenn er es thäte, würde er wohl lebendig nicht wieder herauskommen.
16. Mai. Ein Unteraufseher, ein Mann Namens Hankey, hat mit mir gesprochen. Er sagt, daß etwa vierzig der ältesten und schlimmsten Gefangenen den sogenannten »Ring« bilden. Sie haben sie durch einen Eid verpflichtet, einander beizustehen und die Bestrafung eines Jeden unter ihnen zu rächen.
Zum Beweise seiner Behauptungen führte er zwei Fälle von englischen Gefangenen an, welche sich geweigert hatten, an irgend einem Verbrechen sich zu betheiligen und dem Kommandanten Mittheilungen über die Pläne des Ringes gemacht hatten.
Am nächsten Morgen fand man sie erwürgt in ihren Hängematten. Eine Untersuchung wurde vorgenommen, aber kein Mann unter den Neunzigen wollte ein Wort gestehen.
Ich fürchte mich vor der Aufgabe, die vor mir liegt. Wie kann ich versuchen, diesen Menschen Frömmigkeit und Moral zu predigen? Wie kann ich auch nur versuchen, die weniger Schlimmen zu retten?
17. Mai. Ich habe heute die Säle besucht und bin in Verzweiflung zurückgekehrt. Die Lage ist viel schlimmer, als ich erwartete. Es ist nicht zu sagen. Die neu-angekommenen englischen Gefangenen – Einige von ihnen haben eine ergreifende Lebensgeschichte – sind tief beleidigt von der Sprache und dem Betragen der verhärteten Bösewichter, welche der Auswurf von Port Arthur und Kakuda-Insel sind. Die scheußlichsten Verbrechen werden als Scherz behandelt. Es sind Geschöpfe dabei, welche offen jeder Autorität widerstehen, deren Sprache und Betragen so ist, wie man es außerhalb Bedlam nie gesehen. Da sind Männer, welche ihre Kameraden gemordet haben und sich dessen rühmen. Mit diesen ist der englische Landmann, der unwissende Arbeiter, das Opfer des Meineides und des Irrtums ohne Weiteres zusammengesperrt. Mit diesen sind Chinesen aus Honkong, Ureinwohner von Neu-Holland, Schwarze von West-Indien, Griechen, Kaffern und Malayen, desertierte Soldaten, Blödsinnige, Wahnsinnige, Schweinediebe und Taschendiebe gemischt. Der schreckliche Ort ist besonders hergerichtet für Alles, das besonders niedrig und gemein in unserer Natur ist. Mit seiner Ruchlosigkeit, seiner Insubordination, seinem Schmutz und seiner Verzweiflung verwirklicht sich hier für meine Gedanken die gewöhnliche Vorstellung der Hölle.
21. Mai. Heute habe ich offiziell meine Pflichten als Religions-Lehrer der Kolonie übernommen. Ein Ereignis fand diesen Morgen statt, welches die Gefährlichkeit des Ringes zeigt. Ich begleitete Mr. Pounce in den Plunder-Hof und wir bemerkten bei unserm Eintritt, daß ein Mann in dem Haufen vor der Küche ganz offen rauchte. Der Haupt-Constabler der Insel, – mein alter Freund Troke aus Port Arthur – welcher bemerkte, daß dies Pounce’s Aufmerksamkeit aus sich zog, zeigte einem Gehilfen den Mann. Dieser Gehilfe – Jakob Gimblett, trat vor und forderte den Gefangenen auf, die Pfeife abzugeben. Der Mann steckte seine Hände in die Taschen und mit einer Bewegung der tiefsten Verachtung ging er nach dem Platz unter dem Speisezelt hin, wo der Ring immer zusammenkommt.
»Führt den Schurken in’s Gefängnis!« schrie Troke.
Niemand rührte sich, aber der Mann am Thor, welches durch die Zimmerwerkstätte nach den Kasernen führt, rief uns zu, herauszukommen, denn die Gefangenen würden nie dulden, daß der Mann abgeführt werde.
Pounce indeß, mit mehr Entschlossenheit, als ich ihm zugetraut hatte, blieb standhaft und wollte nicht, daß eine so unverhüllte Widersetzlichkeit ungeahndet bliebe. So gedrängt, machte sich Troke durch die enge Platz und eilte nach dem Ort, wo der Mann stand.
Der Hof summte, als ob man sich in einem Bienenkorb befände und ich erwartete jeden Augenblick, daß sie sich auf uns stürzen würden.
In wenigen Augenblicken erschien der Gefangene, begleitet von dem Haupt-Constabler der Insel. Man konnte nicht sagen, daß er unter dessen Aussicht war. Er schritt zu dem unglücklichen Gehilfen des Constabler, der dicht neben mir stand und fragte: »Warum wollt Ihr mich in’s Gefängnis stecken?«
Der Mann gab ihm eine Antwort und rieth ihm, sich ruhig zu verhalten. Da hob der Deportierte die Faust und schlug den Mann einfach zu Boden.
»Sie sollten sich lieber zurückziehen, meine Herren,« sagte Troke. »Ich sehe, sie haben ihre Messer herausgenommen.«
Wir gingen nach dem Thor hin und der Haufe schloß sich wie ein Meer um die beiden Constabler. Ich erwartete Mord, aber in wenigen Augenblicken erschienen Troke und Gimblett, von einer großen Menschenmenge begleitet, zwar staubig, aber unversehrt und hatten den Deportierten zwischen sich. Er hob eine Hand in die Höhe, als er an mir vorüberging, entweder um seinen Strohhut zurechtzurücken, oder um eine verspätete Entschuldigung zu machen. Eine leichtsinnigere, schändlichere Herausforderung und Beleidigung als diejenige, deren dieser Mann sich schuldig gemacht, hatte ich nie erlebt. Es ist den »alten Hunden,« wie die erfahrenen Deportierten genannt werden, eigen, die schmachvollste Sprache gegen ihre Vorgesetzten zu führen und dem leiht man ein taubes Ohr, aber nie zuvor sah ich einen Mann, der nur aus Prahlerei einen Constabler niederschlug. Troke sagte mir, daß des Mannes Name Rufus Dawes und daß er der Anführer des Ringes sei, übrigens der schlimmste Mann auf der ganzen Insel. Um ihn festzumachen, hatte Troke ihn überreden müssen und nur die Gegenwart eines Bevollmächtigten des Gouverneurs hatte ihn von weiterer Schandthat zurückgehalten.
Dies ist derselbe Mann also, dem ich in Port Arthur solch Unrecht zugefügt habe. Sieben Jahre »Zucht« haben ihm, wie es scheint, nicht gut gethan.
Seine Verurtheilung ist lebenslänglich, – eine Lebenszeit an diesem Platz! Troke sagt, daß er der Schrecken von Port Arthur war und daß sie ihn hierher schickten, als sie dort aufräumten. Er ist vier Jahre hier gewesen. Armer Kerl!
24. Mai. Nach dem Gebet sah ich Dawes. Er war in das alte Gefängnis eingesperrt und sieben Andre mit ihm. Er kam auf mein Verlangen heraus und lehnte am Thürpfosten. Er hatte sich sehr verändert, so viel ich mich erinnere. Vor sieben Jahren war er ein starker, grader, hübscher Mann. Er ist jetzt ein düsterer, heimtückisch aussehender Schuft. Sein Haar ist grau, obgleich er noch nicht über vierzig Jahre sein kann und seine Gestalt hat die guten Verhältnisse verloren, die sie einst so anmuthig machten. Sein Gesicht ist jetzt wie das Gesicht von andern Deportierten, – wie gräßlich ähnlich sind sie sich Alle! Wären nicht seine schwarzen Augen und eine gewisse Art, die Lippen zusammenzudrücken, ich hätte ihn nicht erkannt. Wie sehr wird das göttliche Menschenantlitz vertiert durch Gewohnheits-Laster und Sünde!
Ich sagte nur wenig, da die andern Gefangenen eifrig horchten, wie es schien, um meiner Niederlage beizuwohnen. Es ist augenscheinlich, daß Rufus Dawes die Ermahnungen meines Vorgängers mit Unverschämtheit aufgenommen hat. Ich sprach nur einigte Worte mit ihm und sagte, wie thöricht es sei, gegen eine Autorität sich aufzulehnen, die mächtiger sei als er selbst. Er antwortete nicht und die einzige Bewegung, die er zeigte, war, als ich ihn daran erinnerte, daß wir einander schon früher begegnet waren. Er zuckte mit den Achseln wie in Schmerz oder Aerger und schien sprechen zu wollen, aber als er seine Augen auf die Gruppe in seiner Zelle warf, blieb er in Schweigen versunken. Ich muß ihn allein sprechen. Man kann nichts mit einem Mann thun, wenn sieben Teufel, schlimmer als er, mit ihm zusammen eingesperrt sind. Ich schickte nach Hankey und fragte nach den Zellen. Er sagt, das Gefängnis sei zum Ersticken voll. »Einzelhaft« ist ein bloßer Name. Da sind sechs Leute, Jeder zu Einzelhaft verurtheilt, – Alle in einer Zelle zusammen. Diese Zelle heißt »das Nonnenkloster.« Es ist klein und die sechs Mann waren nackt bis auf den Gürtel und der Schweiß strömte von ihrem Körper. Es ist ekelhaft, solche Sachen zu schreiben!
26. Juni. Pounce ist in der Lady Franklin nach Hobart Town abgereist und es heißt, wir werden einen neuen Kommandanten bekommen. Die Lady Franklin wird von einem alten Manne, Namens Blunt, einem Schützlinge Frere’s kommandiert, einem Menschen, gegen den ich einen unerklärlichen und unvernünftigen Widerwillen gefaßt habe.
Ich sah Rufus Dawes heute Morgen. Er ist immer noch mürrisch und düster. Seine Papiere sind sehr schlecht. Er scheint fortwährend bestraft zu werden. Man sagt mir, daß er und ein Mann, Namens Eastwood, mit seinem Spottnamen Jacky genannt, sich offen als die Führer des Ringes bekennen und zugleich aussprechen, daß sie des Lebens müde sind. Ist vielleicht die unverdiente Strafe, zu welcher ich ihm in Port Arthur verholfen habe, nebst andern Leiden die Ursache, die ihn in diesen fürchterlichen Gemüthszustand versetzt hat? Es ist wohl möglich. O James North, denke an Dein eigenes Verbrechen und bitte den Himmel, daß er Dich wenigstens eine Seele retten läßt, damit sie für Dich am Tage des Gerichts spreche.
30. Juni. Gestern Nachmittag machte ich mir einen Feiertag und wanderte in der Richtung von Mount Pitt. Das Eiland lag zu meinen Füßen, wie Mrs. Frere’s Lieblingsdichter sagt: »eine Sommer-Insel Eden’s im tiefsten Blau des Meeres.« Sophokles hat denselben Gedanken im Philoctetes, aber ich kann die Stelle nicht anführen.
Notiz. Ich maß eine Fichte; sie hatte dreiundzwanzig Fuß im Umfang.
Ich folgte einem kleinen Bache, der von den Hügeln läuft und durch dichtes Gebüsch von Hängekraut und Blüthen dringt, bis er ein liebliches Thal erreicht, von hohen Bäumen bestanden, deren Zweige verbunden sind durch den üppigen wilden Wein, der ganze Gewölbe blühenden Grüns bildet. Hier steht die Ruine einer alten Hütte, früher von Ansiedlern bewohnt; Lemonen, Feigen und Guaven stehen dicht umher, während mitten in dem Buschwerk und Rohr eine große Winde ausgewachsen ist, die das Grün durch ihre purpurrothen Blüthen unterbricht.
Ich setzte mich und rauchte. Es scheint, daß der frühere Bewohner meiner Zimmer französisch las, denn als ich nach einem Buch suchte, um es mitzunehmen – ich gehe nie ohne ein Buch spazieren – fand ich einen Band von Balzac und steckte ihn ein. Es war ein Theil aus seiner Serie der »Vie privée« und ich traf auf eine Geschichte, betitelt: La fausse maitresse. Mit dem ruhigen Glauben an das Paris seiner Einbildung, – wo Marcas ein Politiker war, Nucingen ein Bankier, Gobseck ein Geldverleiher und Vautrin ein Kandidat für solchen Ort wie dieser ist, führt Balzac einen Polen ein, mit Namen Paz, der die Frau seines Freundes liebt und sich opfert, um über ihr Glück und ihres Mannes Interesse zu wachen. Der Mann spielt und lebt unordentlich. Paz sagt der Frau, daß nur er an den schlechten Verhältnissen, in denen sich der Mann befindet, schuldig sei. Der Mann habe ihm Geld geliehen, um seine Schulden zu decken. Sie glaubt es nicht und Paz heuchelt eine Intrigue mit einer Circustänzerin, um ihren Argwohn einzuschläfern. Sie sagt zu ihrem angebeteten Gatten: »Suche diesen verschwenderischen Freund loszuwerden! Fort mit ihm! Er ist unordentlich, er ist ein Spieler! Ein Trunkenbold!« Paz reist endlich ab und als er fort ist, entdeckt die Dame den Werth des armen Polen. Die Geschichte endigt nicht befriedigend. Balzac war dazu ein zu großer Meister in seiner Kunst. Im wirklichen eben fällt der Vorhang nie vor einem behaglichen Drama. Das Spiel geht ewig weiter.
Ich habe den ganzen Abend an die Geschichte gedacht. Ein Mann, welcher seines Freundes Frau liebt und seine Thatkraft dazu anwendet, um ihr Glück zu vermehren, indem er seine Thorheiten zu verdecken sucht. Gewiß – Niemand als Balzac konnte auf solche Ideen kommen. »Ein Mann, welcher seines Freundes Frau liebt.« – Asmodeus, ich schreibe nicht mehr! Ich habe so lange aufgehört, mit dir zu plaudern, daß ich erröthe, – Alles zu bekennen, was in meinem Herzen ist. – Ich will es nicht bekennen; – so, dies muß genügen!