Kitabı oku: «Deportiert auf Lebenszeit», sayfa 35
Viertes Capitel.
Auszug aus dem Tagebuche des Ehrwürdigen James North
24 August. Ich habe nur ein Mal seit dem 30sten Juni etwas in mein Tagebuch eingeschrieben, und das war, um die Ankunft unseres neuen Kommandanten zu melden, der, wie ich erwartete, Kapitain Maurice Frere ist.
So groß ist die Veränderung, welche seitdem stattgefunden hat, daß ich kaum weiß, wie ich über sie berichten soll. Kapitain Frere hat meine schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Er ist brutal, rach- und herrschsüchtig. Seine Kenntnis von Gefängnissen und Gefangenen gibt ihm einen Vortheil über Burgeß sonst gleicht er jenem mörderischen Tier. Er hat nur einen Gedanken, die Gefangenen zu unterdrücken. Wenn nur die Insel ruhig ist, bleibt es ihm gleich, ob die Gefangenen leben oder sterben. »Ich bin hierher geschickt, um Ordnung zu halten,« sagte er einige Tage nach seiner Ankunft zu mir, »und bei Gott, Herr, ich will es thun.« Er hat es gethan, das muß ich zugeben, aber auf Kosten einer Erbschaft von Haß, die er eines Tages bedauern wird, sich zugezogen zu haben. Er hat drei Grade der Polizei geschaffen. Die eine Art sucht die Felder ab, – die andre bewacht die Vorräthe und die dritte wird als Spion gebraucht. Es sind zweihundert Soldaten auf der Insel und Frere hat den Befehlshaber Kapitain Mac Nab bewogen, ihre Pflichten in mancher Art zu verdoppeln. Die Züge der Disziplin sind plötzlich sehr straff angezogen. Statt der Unordnung, welche hier herrschte, als ich kam, hat Frere plötzlich eine übermäßige Strenge eingeführt. Jeder Beamte, der einem Gefangenen das kleinste Stückchen Tabak gibt, muß die Insel verlassen. Der Tabak, welcher hier wild wächst, wird ausgerottet und zerstört, damit die Leute nicht ein Blatt davon erhalten. Das Vorrecht, einen Becher heißen Wassers zu bekommen, wenn die Abtheilungen von der Feldarbeit hereinkommen, ist aufgehoben.
Die Schäfer, Hüttenbewohner und alle andern Gefangenen in Longridge und an den Kaskaden (wo die englischen Deportierten stationiert sind) dürfen keinen Papagei oder irgend einen andern Vogel mehr halten.
Das Flechten von Strohhüten in den Mußestunden ist den Gefangenen ebenfalls verboten. In der Niederlassung, wo »die Alten« wohnen, sind eiserne Zäune als Grenzen aufgerichtet, über die sie nicht hinaus dürfen, außer wenn sie zur Arbeit geführt werden. Vor zwei Tagen ließ Job Dodd, ein Neger, seine Jacke über die Latten fallen, stieg hinüber, um sie zu holen und wurde fürchterlich ausgepeitscht. Das Peitschen kommt jetzt entsetzlich häufig vor. An den Tagen, wo gepeitscht wird, ist der Boden, auf dem die Männer stehen, buchstäblich mit Blut getränkt, als wenn ein Eimer mit Blut ausgegossen ist, das einen Raum von drei Fuß im Durchmesser bedeckt und nach allen Seiten hin in kleinen Strömen von zwei bis drei Fuß lang, fortläuft.
In gleicher Zeit muß ich, in strenger Gerechtigkeit gegen diejenigen, welche ich nicht leiden kann, sagen, daß die Insel in einem Zustande völliger Unterwerfung ist. Es ist nicht viel Möglichkeit da zur Meuterei. Die Männer gehen ohne Murren an ihre Arbeit und schleichen in ihre Schlafsäle, wie die geschlagenen Hunde in ihre Hütte.
Die Kerker und Einzelzellen sind mit Gefangenen überfüllt und jeder Tag sieht neue Strafurtheile wegen neuer Verbrechen vollziehen.
Hier ist es ein Verbrechen, irgend etwas Andres zu thun, als grade nur zu leben.
Die Methode, durch welche Kapitain Frere diese trostlose Ruhe hervorgebracht hat, ist charakteristisch für ihn. Er macht jeden Mann zum Spion bei seinem Nachbarn, schüchtert die Kühnsten unter ihnen durch seine kalte Grausamkeit und seine Härte ein, die Alles überflügelt, was sie je thun könnten und erhebt die Schlimmsten unter ihnen auf Posten, wo sie Gelegenheit haben, Fälle zur Bestrafung ausfindig: zu machen. Die Treulosigkeit wird belohnt. Es ist ein heil der Pflichten eines Sträflings-Polizisten, daß er einen Sträflings-Kameraden zu jeder Zeit und an jedem Ort einer Untersuchung unterwerfen kann. Dies Untersuchen ist oft auf die roheste und ekelhaftesten Art ausgeführt und wenn dem Widerstand entgegengesetzt wird, so hat der Untersuchende das Recht, ihn herunterzuschlagen. Ausforschende Wachsamkeit und rücksichtslose Härte herrschen überall vor und Hunderte von Gefangenen sind zu einer ewigen Qual und Schrecken und Lebensüberdruß gebracht.
»Es ist unmöglich, Kapitain Frere,« sagte ich eines Tages, als er mich in sein System eingeweiht hatte, »daß diese Schurken, welche Sie zu Constablern gemacht haben, ihre Pflicht thun.«
Er erwiderte: »Sie müssen ihre Pflicht thun. Wenn Sie nachsichtig gegen die Gefangenen sind, wissen sie, daß ich sie peitschen lassen werde. Wenn sie thun, was ich ihnen sage, so machen sie sich so verhaßt, daß sie lieber ihren eigenen Vater an die Triangel binden würden, statt wieder in die Reihen der Gefangenen einzutreten.«
»Sie behandeln sie, wie Sklavenhalter die wilden Tiere. Sie müssen die Tiere prügeln, um nicht selbst von ihnen geprügelt zu werden.«
»Ja,« sagte er mit rohem Lachen, »und wenn sie sie ein Mal gepeitscht haben, würden sie alles Andre lieber thun, als wieder mit ihnen zusammen in den Käfig zu gehen.«
Es ist fürchterlich, diese Art Logik von einem Manne zu hören, der Frau, Freunde und Feinde hat. Es ist die Logik, die der Höllenhüter anwenden würde, glaube ich. Ich bin dieses Ortes zum Sterben überdrüssig. Es macht mich ungläubig an aller menschlichen Barmherzigkeit. Es nimmt der Wissenschaft von den Strafen Alles, was sie noch von Würde oder Adel besitzt. Es ist grausam, erniedrigen und unmenschlich.
26. August. Ich sah heute wieder Rufus Dawes. Sein gewöhnliches Betragen ist prahlerisch roh und brutal. Er scheint zu der Stufe der Selbsterniedrigung herabgesunken zu sein, in der man sich seiner eigenen Gesunkenheit rühmt. Diese Stimmung ist mir sehr vertraut! —
Er arbeitet in der Abtheilung, in welcher Hankey Unter-Aufseher ist. Der blinde Mooney, ein augenleidender Gefangener, der in das Hospital gebracht ist, sagte mir, man wolle Hankey ermorden, aber Dawes, dem er einst einige Freundlichkeiten erwiesen, wolle es nicht dulden. Ich suchte Hankey auf und sagte es ihm, indem ich ihn fragte, ob er von der Verschwörung wisse. Er sagte zitternd: »Nein.« »Major Pratt versprach mir, mich zu versetzen,« sagte er. Ich wußte wohl, daß es dazu kommen würde. – Ich fragte ihn, warum ihn Dawes vertheidige und nach einiger Unruhe sagte er mir, daß wenn ich ihm verspräche, dem Kommandanten nichts davon zu verrathen, er es mir sagen wolle. Eines Morgens in der letzten Woche war Hankey mit einer Botschaft von Troke an Kapitain Frere geschickt worden und hatte dort, durch den Garten zurückkommend, eine Blume gepflückt. Dawes hatte ihn um diese Blume gebeten und ihm zwei Tagesrationen dafür geboten. Hankey, der kein schlechter Mensch ist, gab ihm die Blume. »Es waren Thränen in seinen Augen, als er sie nahm,« sagte er.
Es muß also ein Weg geben, zu dieses Mannes Herz zu gelangen.
28. August. Hankey wurde gestern ermordet. Er bat, daß man ihn aus dem Gefängnis versetze, aber Frere schlug es ab.
»Ich erlaube niemals, daß meine Leute so davon schleichen,« sagte er. »Wenn sie gedroht haben Euch zu ermorden, sollt Ihr grade noch einen Monat lang dort bleiben.«
Jemand, der dies hörte, berichtete es der Rotte und sie überfielen gestern den Unglücklichen und schlugen ihm mit ihren Schaufeln den Schädel ein. Troke sagt, daß der Erste schrie: »Da, das ist für Dich und wenn Dein Herr sich nicht in Acht nimmt, wird es ihm eines Tages grade so gehen!« Die Bande baute gerade einen Damm in die See hinaus und standen sie bis unter die Arme im Wasser. Hankey fiel bei dem ersten Schlage in’s Wasser und bewegte ich nicht mehr. Ich sah die Bande und Dawes sagte:
»Es war Frere’s Fehler, er hätte den Mann gehen lassen sollen.«
»Ich wundre mich, daß Ihr es nicht verhindertet?« sagte ich.
»Ich that Alles, was ich konnte,« war des Mannes Antwort. »Was bedeutet ein Leben mehr oder weniger hier?«
Dieser Vorfall hat unter den Aufsehern große Bestürzung verbreitet und sie haben eine Bitte an den Kommandanten gerichtet, von ihren Stellungen entbunden zu werden.
Die Art, wie Frere diese Petition aufgenommen, ist charakteristisch für ihn und erfüllt mich zugleich mit Bewunderung und Abscheu. Er kam herunter, das Papier in seiner Hand, ging, in den Hof hinein, schloß das Thor und sagte: »Ich habe dies von meinen Aufsehern bekommen. Sie sagen, sie fürchten sich, daß Ihr sie ermorden wollt, wie Ihr Hankey ermordet habt. Nun, wenn Ihr Jemand morden wollt, mordet mich. Hier bin ich! Kommt her, – Einer von Euch!« Alles dies, im Tone der bittersten Verachtung gesprochen, rührte sie nicht. Ich sah, viele Augen in Haß erglühen, aber der Bulldoggen-Muth dieses Mannes schüchterte sie ein, wie er es schon früher in Sydney gethan hatte. Es würde leicht gewesen sein, ihn zu tödten und wie ich weiß, haben sie geschworen, den Mann zu tödten, aber Niemand hob einen Finger. Der einzige Mann, welcher sich bewegte, war Rufus Dawes und er hielt sich sogleich wieder zurück. Frere mit einer Kühnheit, der ich ihn nicht für fähig gehalten hätte, trat zu diesem Schrecken der Gefängnisse heran und ließ seine Hände langsam an seinen Seiten heruntergleiten, wie die Constabler thun, wenn sie die Gefangenen untersuchen. Dawes, der heftiger Natur ist, wurde dunkelroth bei dieser Prahlerei und ich dachte, er würde ihn niederschlagen, – aber er that es nicht. Frere, unbewaffnet und allein, fuhr fort, den Mann zu höhnen und sagte:
»Wie geht’s Dawes? Wollt Ihr wieder ausreißen? Habt Ihr noch mehr Boote gemacht?«
»Teufel!« sagte der Mann in Ketten, mit einer Stimme, die solche Drohung unausgeführten Mordes in sich trug, daß die ganze Horde in Bewegung gerieth.
»Als solcher sollst Du mich kennen lernen,« sagte Frere lachend und sich zu mir wendend, fuhr er in demselben scherzenden Tone fort: »Das ist ein Bereuender für Sie, Mr. North – versuchen Sie Ihr Heil bei ihm.«
Ich war sprachlos über seine Waghalsigkeit und muß meinen Abscheu in meinen Mienen gezeigt haben, denn er erröthete ein wenig und als wir den Hof verließen, versuchte er, sich zu entschuldigen, indem er sagte, es sei nicht werth, den Steinen zu predigen und solch doppelt gefärbter Schurke, wie dieser Dawes, sei ganz hoffnungslos.
»Ich kenne den Burschen von früher,« sagte er. »Er kam in demselben Schiff von England mit mir und versuchte, eine Meuterei anzustiften. Er war derselbe Mann, der beinahe meine Frau mordete. Er ist niemals ohne Ketten gewesen, ausgenommen damals und als er entfloh, – seit vollen achtzehn Jahren; da er drei Mal auf lebenslänglich verurtheilt ist, so wird er auch wohl darin sterben.«
Ein fürchterlicher Mensch und Verbrecher, wie es scheint und doch fühle ich eine merkwürdige Sympathie für diesen Ausgestoßenen.
Fünftes Capitel.
Mr. Richard Devine wird überrascht
Das Stadthaus von Mr. Richard Devine war in Clarges Street. Nicht daß dies die einzige Wohnung war, welche Richard Devine hatte. Mr. John Rex hatte sehr kostbaren Geschmack. Er schoß weder, noch jagte er; also hatte er kein Kapital in schottische Moore gesteckt oder in Leicestershire Jagdgründe. Doch waren seine Ställe das Wunder von London. Ihm gehörte fast ein ganzes Wettrennendorf bei Doncaster. Er hielt eine Yacht bei Cowes, dazu ein Haus in Paris und bezahlte die Miethe einer Cilla in Brompton.
Er war Mitglied mehrerer Klubs der elegantesten Art und konnte wie ein Prinz leben in einem dieser Klubs, wenn es ihm behagt hätte, aber eine gewisse, leise Furcht vor Entdeckung, eine Furcht, welche drei Jahre ungestörter Ruhe und ungezügelter Genußsucht nicht hatten zerstören können, ließ ihn das Privatleben im eignen Hause vorziehen. Hier konnte er ganz seine eigene Gesellschaft wählen.
Das Haus in Clarges Street war in Uebereinstimmung mit dem Geschmack seines Eigenthümers eingerichtet. Die Bilder waren Bilder von Pferden, die Bücher waren Berichte von Wettrennen oder Romane, welche den Sport schilderten. Mr. Francis Wade, der am Morgen des 20ten April 1846 ans seinen Neffen bei einem Besuch dort, wartete, dachte mit einem Seufzer an die vornehme Ruhe von Northend Haus.
Mr. Richard erschien im Schlafrock, wie Männer jener Zeit des Morgens gewohnt waren, zu erscheinen. Drei Jahre guten Lebens und harten Trinkens hatten seiner Gestalt ihre athletische Schönheit geraubt. Er war über vierzig Jahre alt, ein Lebensalter, in dem die meisten Männer sich einen Bauch zulegen. Das plötzliche Aufhören schwerer, körperlicher Arbeit, an die das Sträflings- und Squatter Leben ihn gewöhnt hatte, hatten seine natürliche Neigung zu dieser Stärke noch vermehrt und statt breit und stattlich zu werden, war er dick geworden. Seine Wangen waren entflammt von häufigem Trinken. Seine Hände waren geschwollen und nicht mehr so sicher wie früher. Sein Bart war mit ungesundem Grau gemischt. Seine Augen, glänzend und schwarz wie immer, waren von vielen Krähenfüßen umgeben. Er war frühzeitig kahl geworden, – ein sicheres Zeichen körperlicher oder geistiger Ausschweifung. Er sprach mit angenommener Heiterkeit und in dem lauten Ton, der dies geheuchelte Behagen verräth.
»Ha, ha, mein lieber Onkel! Setzen Sie sich. Ich bin entzückt Sie zu sehen. Haben Sie gefrühstückt? – Natürlich schon. Ich war gestern Abend ziemlich spät auf. – Ganz gewiß wollen Sie nichts nehmen? Ein Glas Wein? – Nein, Bitte, dann setzen sie sich und sagen Sie mir, was es Neues in Hampstead gibt.«
»Danke, Richard,« sagte der alte Herr ein wenig steif. »Ich möchte gern ein ernstes Wort mit Dir reden. Was beabsichtigst Du mit Deinem Eigenthum zu thun? Diese Unentschlossenheit quält mich. Entweder nimm mir meine Verantwortlichkeit ab, oder laß Dich von meinem Rathe führen.«
»Gut. Die Thatsache ist,« sagte Mr. Richard mit einem sehr häßlichen Ausdruck in seinem Gesicht, – »die Thatsache ist, Sie mögen es sogleich hören, ich bin sehr um Geld benöthigt.«
»Geld benöthigt!« rief Mr. Wade entsetzt. »Was, Purkiß sagt, das Vermögen bringe 20.000 jährlich.«
»Das mag sein; vielleicht war es so vor fünf Jahren, aber meine Rennpferde und andere Freuden, die Sie nicht genau zu untersuchen brauchen, haben den Werth beträchtlich vermindert.«
Er sprach leichtfertig und roh. Es war augenscheinlich, daß der Erfolg seine Schurkerei noch mehr entwickelt hatte. Sein »Dandythum« war jetzt nur noch verhältnißmäßig zu verstehen. Anmuth und Schlauheit, die ihn den Gentleman spielen ließen, hatten ausgespielt und die natürliche Brutalität seiner Natur zeigte sich jetzt in ihrer ganzen ungestalten Form.
Mr. Francis Wade nahm eine Prise Tabak mit einem scharfer Gefühl von Unbehaglichkeit. »Ich will auch gar nichts von Deinen Ausschweifungen hören,« sagte er. »Unser Name ist genügend beschimpft dadurch.«
»Was über des Teufels Rücken läuft, geht auch in seinen Bauch,« erwiderte Richard roh. »Mein alter Vater hat sein Geld auf schmutzigere Weise erworben, als ich es ausgebe. Das war ein so schurkischer alter Geizhals, als je Einer einen Matrosen vergiftet hat. – Darauf will ich Gift nehmen!«
Mr. Francis stand auf.
»Du brauchst Deinen Vater nicht zu schmähen, Richard, – er hinterließ Dir Alles!«
»Ja, nur aus Zufall Er wollte es gar nicht. Wenn er nicht grade zur Zeit gestorben wäre, so würde der ungehangene Mörder, der Maurice Frere Alles bekommen haben. Uebrigens,« fügte er mit verändertem Tone hinzu, »hören Sie jetzt etwas von Maurice Frere?«
»Ich habe seit einigen Jahren nichts von ihm gehört,« sagte Mr. Wade.
Er ist in dem Deportierten-Departement in Sydney angestellt, glaube ich.«
»So,« sagte Mr. Richard mit einer Art Schauder. – »Hoffentlich bleibt er da. Nun aber zu den Geschäften. Die Tatsache ist, daß ich daran denke, Alles zu verkaufen.«
»Alles verkaufen?«
»Ja, bei meiner Seele! Hampstead und Alles!«
»Northend Haus verkaufen!« rief der arme Mr. Wade in der größten Bestürzung. »Was, die Schnitzereien von Grinling Gibbons sind die schönsten in England.«
»Ich kann nichts dafür,« lachte Mr. Richard, an der Klingel reißend. »Ich brauche Geld, Geld, ich muß es haben. – Frühstück, Smithers. – Ich will reisen.«
Francis Wade war sprachlos vor Erstaunen. Erzogen und gebildet wie er war, würde er eben so gut daran gedacht haben, St. Paul’s Kathedrale zu verkaufen, als den Schrein, der seine Schätze enthielt: seine Münzen, seine Tassen, seine Bilder und seine »Abdrücke vor der Schrift.«
»Gewiß, Richard, – Du sprichst nicht im Ernst?« stotterte er.
»Doch, das thue ich.«
»Aber, aber, wer wird es kaufen?«
»Viele Leute. Ich werde es als Bauplätze verkaufen. Uebrigens spricht man auch von einer Vorstadts-Eisenbahn, welche den Garten halb durchschneiden wird, und eine Station bei St. Johns Wood anzulegen. Sie haben also gefrühstückt, dann verzeihen Sie mir.«
»Richard, Du erlaubst Dir einen Scherz mit mir. Du wirst so etwas nie zulassen.«
»Ich denke nach Amerika zu gehen. Ich bin Europamüde, « sagte Mr. Richard, ein Ei aufbrechend. »Uebrigens, was soll ein Mann wie ich mit einer »alten Familie,« einem Sitz und all dem Unsinn. Geld ist die Sache, lieber Onkel. Baares Geld. Das ist’s, womit man Suppenmarken kauft.«
»Was denkst Du denn zu thun?«
»Meiner Mutter Rente auszuzahlen, Alles zu verkaufen und zu reisen,« sagte Mr. Richard und nahm sich ein Stück Pastete.
»Du setzest mich in Erstaunen, Richard Du bestürzest mich. Natürlich kannst Du ja thun, was Dir gefällt. Aber solch ein plötzlicher Entschluß. – Das alte Haus! Alles zerstreut. Vasen, Münzen, Bilder, – ich weiß wirklich nicht – — Aber es gehört Dir, natürlich – ja – ich wünsche guten Morgen!«
»Ich will thun, wie es mir gefällt,« sagte Rex, als er sich wieder zum Frühstück setzte. »Er mag seinen Plunder auf einer Auktion verkaufen und dann auf dem Continent leben – in Deutschland oder Jerusalem, – wo er mag, je weiter ab, desto besser.
Ich will alles Eigenthum verkaufen und mich unsichtbar machen. Ein Ausflug nach Amerika wird meiner Gesundheit gut thun.
Ein klopfen an der Thür ließ ihn in die Höhe fahren. »Herein! – — Verdammt, wie nervös bin ich geworden. Was ist das? Briefe? Gebt her. Warum zum Teufel ist kein Branntwein auf dem Tisch, Smithers?« Er trank gierig etwas Branntwein und fing an, seine Briefe zu öffnen.
»Verfluchtes Tier,« sagte Smithers draußen. »Er könnte nicht mehr schimpfen, wenn er ein Herzog wäre. – Verflucht!«
»Ja, Sir,« antwortete er schnell, als ein Brüllen seines Herrn ihn zurückruft.
»Wann kam dies?« fragt Mr. Richard und hält einen Brief in die Höhe, der mehr als gewöhnlich mit Stempeln bedruckt ist.
»Gestern Abend, Herr. Er ist nach Hampstead gegangen und von da mit den andern hierher geschickt worden.« Der wüthende Blick der schwarzen Augen ließ ihn noch hinzu fügen: »Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes, Herr?«
»Nichts, du höllischer Esel und Dummkopf,« brüllte Mr. Richard, ganz weiß vor Wuth, – »ausgenommen, das ich dies sogleich hätte haben müssen. Kannst Du nicht sehen, daß »eilig« darauf steht? Kannst Du nicht lesen? – Da, fort. Keine Lügen! Hinaus!«
Sich selbst überlassen, ging Richard auf und ab im Zimmer, wischte seine Stirn, trank ein Glas Branntwein und setzte sich endlich, um den Brief noch ein Mal zu lesen. Er war kurz, aber entsetzlich klar und deutlich.
George Hotel.Plymouth 17. April 1846.
»Mein lieber Jack,
ich habe Dich ausfindig gemacht, wie Du siehst. Es kommt jetzt nicht darauf an, wie. Ich weiß Alles von Deinem Ergehen und wenn Mr. Richard Devine nicht seine Frau mit gehöriger Rücksicht empfängt, so wird er bald im Gewahrsam der Polizei sein. Telegraphiere, mein Lieber, an Mrs. Richard Devine an die obige Adresse.
Immer die Deinige
Sara.
An Richard Devine, Esquire.
Northend Haus
Hampstead.
Der Schlag war unerwartet und schrecklich. Es war hart, auf der Höhe des sichern Erfolges so zurückgezogen zu werden in die alten Fesseln. Trotz des liebevollen Tones in dem Briefe, kannte er die Frau, mit der er zu thun hatte. Einige Minuten lang saß er bewegungslos da und starrte den Brief an. Er sprach nicht – Männer sprechen selten unter solchen Umständen, – aber seine Gedanken waren folgende: »Hier ist das verdammte Weib wieder! Grade, als ich mir zu meiner Freiheit gratuliere. Wie entdeckte sie mich’s Ueberflüssig, danach zu fragen. Was soll ich thun? – Ich kann nichts thun. Es ist albern, fortzulaufen, denn ich werde gefaßt. Ueberdies habe ich kein Geld. Mein Guthaben bei Mastermann ist schon um zwei tausend Pfund überschritten. Wenn ich fort gehe, muß ich sofort abgehen, – binnen vierundzwanzig Stunden. Reich wie ich bin, glaube ich doch nicht, daß ich mehr als 5000 Pfund augenblicklich erheben kann. Dazu brauche ich einen oder zwei Tage, – also will ich sagen, achtundvierzig Stunden. In achtundvierzig Stunden könnte ich 20.000 Pfund erheben, aber das ist zu lange. Verfluchtes Weib! Ich kenne sie. Wie in des Teufels Namen hat sie mich ausfindig gemacht? Es ist ein schlechter Streich. Aber sie ist nicht umsonst unangenehm. Wie gut, daß ich nicht wieder geheirathet habe. Ich werde ihr Bedingungen stellen und meinem Glück vertrauen. Im Ganzen war sie immer ein guter Freund für mich. Arme Sally! Ich hätte können auf dem höllischen Eaglehawk verrotten, wenn sie nicht gewesen wäre. Sie ist nicht von der schlechten Sorte. Hübsches Weib! Ich kann vielleicht ein Abkommen treffen! Ich verkaufe Alles und gehe fort. – Es könnte noch schlimmer sein. – Das Eigenthum ist gewiß 300.000 Pfund werth. Keine schlechte Sache für Amerika. Und vielleicht werde ich sie noch los. – Ja, – ich muß jetzt nachgeben. – Verdammt.«
(Er klingelt) Smithers kommt.
»Ein Telegrammformular und eine Droschke. – Bleib. Packe mir einen Nachtsack. Ich bleibe einen oder zwei Tage fort.«
(sotta voce:) Ich will sie lieber selbst sprechen. (Laut:) »Bring mir ein Cursbuch.«
»– Verdammtes Weib!«