Kitabı oku: «Vom Winde verweht», sayfa 16
»Sie hitzköpfige kleine Rebellin«, sagte er und lachte über das ganze Gesicht. Dann verbeugte er sich und machte sich gemächlich davon, und sie blieb, bis zum Rande erfüllt von ohnmächtiger Wut und Empörung, zurück. Eine Enttäuschung brannte in ihr, aus der sie nicht klug wurde. Es war die Enttäuschung eines Kindes, das seine Träume in Stücke gehen sieht. Wie durfte er sich unterstehen zu behaupten, die Konföderierten würden Prügel bekommen! Dafür verdiente er, erschossen zu werden wie ein gemeiner Verräter. Sie blickte im Saal umher auf all die vertrauten Gesichter, die des Sieges ihrer Sache so sicher waren und so viel Tapferkeit und Hingebung ausdrückten; und dennoch kroch etwas wie ein kalter Schauer ihr ins Herz. Prügel? Diese Leute? Unsinn! Schon der bloße Gedanke war Verräterei.
»Was hattet ihr beiden da zu flüstern?« wandte sich Melanie an Scarlett, als ihre Kunden sich entfernt hatten. »Mrs. Merriwether hat die ganze Zeit über ein Auge auf dich gehabt, und du, Liebes, kennst ihre Zunge!«
»Ach, dieser Mann ist unmöglich ... ein ungezogener Flegel«, sagte Scarlett, »und die alte Merriwether laß nur reden. Ich habe keine Lust mehr, mich ihr zuliebe wie ein Lamm aufzuführen.«
»Aber Scarlett!« rief Melanie bestürzt.
Plötzlich verstummte der Lärm der Versammlung abermals, als Dr. Meade seine Stimme erhob, um den Damen seinen Dank dafür auszusprechen, daß sie so bereitwillig ihre Schmucksachen hergegeben hatten. »Und nun, meine Damen und Herren«, fuhr er fort, »möchte ich Ihnen eine Überraschung vorschlagen. Etwas ganz Neues, das bei einigen von Ihnen vielleicht Anstoß erregen wird, aber ich bitte Sie, daran zu denken, daß es um des Lazaretts willen geschieht und zum Besten unserer Braven, die dort liegen.«
Alle drängten erwartungsvoll zu ihm hin und versuchten zu erraten, was der würdige Doktor wohl Anstößiges vorschlagen könnte.
»Jetzt beginnt der Tanz, und als erstes natürlich eine Polonäse mit nachfolgendem Walzer. Jedem der folgenden Tänze, den Polkas, den Schottischen, den Mazurkas geht eine kurze Polonäse vorauf. Ich kenne wohl den stillen Wettbewerb umdie Führung dabei, und deshalb ...«
Der Doktor wischte sich die Stirn und warf einen besorgten Seitenblick in die Ecke, wo seine Frau unter den Chaperons saß. »Meine Herren, wenn Sie mit der Dame Ihrer Wahl eine Polonäse anführen möchten, müssen Sie auf Ihre Dame bieten. Ich bin der Auktionator. Der Ertrag geht an das Lazarett. «
Mitten im Wedeln hielten die Fächer plötzlich inne, und ein erregtes Gemurmel lief durch den Saal. Die Ecke der alten Damen geriet in Aufruhr. Mrs. Meade, die ihrem Mann in einer Aktion, die sie mißbilligte, doch von Herzen gern beistehen wollte, befand sich im Nachteil. Die Damen Elsing, Merriwether und Whiting hatten rote Köpfe vor Entrüstung, aber die gesamte Landwehr stimmte einen begeisterten Hochruf an, in den alle andern Gäste in Uniform einfielen. Die jungen Mädchen klatschten in die Hände und liefen vor Aufregung umher.
»Findest du nicht ... es ... es ist doch ein bißchen wie eine Sklavenauktion«, sagte Melanie leise und sah etwas unsicher zu dem unternehmungslustigen Doktor, der bisher in ihren Augen eine Autorität gewesen war, hinüber.
Scarlett erwiderte nichts, aber ihre Augen glänzten, während sich ihr das Herz in leisem Schmerz zusammenzog. Wäre sie doch nur keine Witwe, wäre sie doch wieder Scarlett 0'Hara und dort auf dem Tanzboden in einem apfelgrünen Kleid mit dunkelgrünen Samtbändern, die ihr über die Brust herabhingen, und mit Tuberosen im schwarzen Haar - die Polonäse würde sie anführen und keine andere! Ein Dutzend Männer würden um sie kämpfen und einander bei Dr. Meade überbieten. Ach, daß sie hier sitzen mußte, ein Mauerblümchen wider Willen, und zusehen, wie Fanny oder Maybelle als Königin von Atlanta die Polonäse anführte!
Über den Tumult erhob sich die Stimme des kleinen Zuaven mit seinem unverkennbar kreolischen Akzent: »Wenn's erlaubt ist, zwanzig Dollar für MißMaybelle Merriwet her!«
Maybelle sank errötend an Fannys Schulter. Die beiden Mädchen bargen ihre Gesichter kichernd eins am Nacken des andern, während neue Stimmen neue Namen aufriefen und neue Summen nannten. Dr. Meade hatte seine Sicherheit wiedergewonnen und überhörte das entrüstete Geflüster in der Ecke der alten Damen. Zuerst hatte Mrs. Merriwether laut und energisch erklärt, daß ihre Maybelle sich an solchem Verfahren niemals beteiligen dürfe. Als aber Maybelles Name öfter und öfter genannt wurde und das Gebot bis zu fünfundsiebzig Dollar stieg, begann ihr Widerstand zu erlahmen.
Scarlett stützte die Ellbogen auf das Auslagebrett und stierte in die aufgeregte, lachende Menge, die mit Händen voll konföderierten Papiergeldes das Podium umdrängte. Gleich durften sie alle tanzen, nur sie und die alten Damen nicht. Sie sah Rhett Butler in unmittelbarer Nähe des Doktors stehen. Er blickte sie an, und sein rechter Mundwinkel zog sich sacht herab und seine linke Augenbraue aufwärts. Mit einem Ruck warf sie das Kinn empor und wandte sich weg. Da hörte sie ihren eigenen Namen von einer Stimme gerufen, die sich laut über das Durcheinander all der Namen erhob, von einer allzubekannten Stimme: »Mrs. Charles Hamilton - hundertfünfzig Dollar in Gold!«
Jäh verstummte die Menge, als eine solche Summe und als dieser Name genannt wurde. Scarlett war so erschrocken, daß sie kein Glied rühren konnte. Mit aufgestütztem Kinn blieb sie sitzen, die Augen vor Verwunderung ganz weit geöffnet. Alles drehte sich um und schaute sie an. Sie sah, wie sich der Doktor vom Podium herniederbeugte und dem Kapitän etwas ins 0hr sagte, wahrscheinlich, daß sie in Trauer sei und unmöglich auf dem Tanzboden erscheinen könne. Sie sah Rhett Butler lässig die Achsel zucken.
»Vielleicht eine andere von unseren Schönen?« fragte der Doktor leise.
»Nein«, sagte Rhett Butler mit deutlich vernehmbarer Stimme und ließ die Augen gleichgültig über die Menge schweifen. »Mrs. Hamilton.«
»Ich sage Ihnen, das ist unmöglich«, sagte der Doktor aufgeregt, »Mrs. Hamilton wird nicht ...«
Scarlett hörte eine Stimme, die sie zuerst gar nicht als ihre eigene erkannte: »Ja, ich tanze!«
Sie sprang auf die Füße, das Herz hämmerte ihr so wild, daß sie glaubte umsinken zu müssen, hämmerte in dem Triumphgefühl, daß sie nun wieder der Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit, das begehrteste aller anwesenden Mädchen war, und, und, ach, vor allem in der Erwartung, wieder tanzen zu dürfen.
»Ach, laß sie reden, was schert es mich!« flüsterte sie toll vor Aufregung vor sich hin. Zurückgeworfenen Hauptes kam sie aus ihrer Bude hervor, klapperte mit den Hacken wie mit Kastagnetten und öffnete mit einem Ruck den schwarzen Fächer, so weit es irgend ging. Einen flüchtigen Augenblick sah sie Melanies ungläubiges Gesicht, die Mienen der Chaperons, die enttäuschten Blicke der Mädchen, die begeisterte Zustimmung der Soldaten.
Dann stand sie auf dem Tanzboden, und Rhett Butler kam ihr durch das Spalier der Menge, mit seinem widerwärtigen spöttischen Lächeln auf den Lippen, entgegen. Sie kehrte sich nicht daran. Es war ihr einerlei, wer er war, und wäre er Abe Lincoln selber; sie wollte tanzen, die Polonäse anfuhren wollte sie.
Sie verneigte sich vor ihm bis auf die Erde und lächelte ihm funkelnd ins Gesicht. Er verbeugte sich, die eine Hand auf der gefältelten Hemdbrust. Levi, dem die Haare zu Berge standen, brüllte, um über den Augenblick hinwegzukommen, mit schallender Stimme. »Bitte zur Polonäse auffordern!«
Und das 0rchester stimmte krachend den schneidigsten aller Polonäsenmärsche an, den »Dixi e«.
»Wie können Sie sich unterstehen, mich so zu kompromittieren, Kapitän Butler?«
»Aber meine liebe Mrs. Hamilton, Sie hatten so offensichtlich den Wunsch, kompromittiert zu werden.«
»Wie konnten Sie vor aller Welt meinen Namen aufrufen?«
»Sie hätten ja ablehnen können.«
»Aber das konnte ich nicht, eine solche Summe in Gold - ich bin es unserer Sache schuldig. Lachen Sie nicht, alles schaut uns an.«
»Das tun die Leute ohnehin. Versuchen Sie doch nicht, mir den Unsinn von >unserer Sache< aufzutischen. Sie wollten tanzen, und ich gab Ihnen die Gelegenheit. Dies sind die letzten Takte der Polonäse, nicht wahr?«
»Ja. - Ich mußjetzt aufhören undmich setzen.« »Warum? Habe ich Ihnen auf den Fuß getreten?« »Nein, aber die Leute werden über mich reden.«
»Macht Ihnen das wirklich - drinnen im Herzen - etwas aus? Es ist doch kein Verbrechen, nicht wahr? Warum wollen Sie den Walzer nicht mit mir tanzen?«
»Wenn Mutter je ...«
»Also immer noch an Mamas Schürzenband?«
»Was für eine scheußliche Art Sie haben, bei Ihnen wird alle Tugend ...« »Tugend ist dumm. Kehren Sie sich wirklich an das, was die Leute
reden?«
»Nein, aber ... Gott sei Dank, da fängt der Walzer an.«
»Zur Sache bitte! Haben Sie sich je daran gekehrt, was andere Frauen sagen?«
»Wenn Sie es durchaus wissen wollen - nein! Heute abend ist es mir einerlei.«
»Bravo! Endlich fangen Sie an, selber zu denken. Das ist der Anfang aller Weisheit.«
»Ach, aber ...«
»Wenn man erst soviel über Sie geredet hat wie über mich, dann wird Ihnen auch nicht mehr daran liegen. Denken Sie doch, in Charleston gibt es kein Haus mehr, in dem ich noch empfangen werde. Nicht einmal, was ich für die gerechte heilige Sache tue, löst den Bann.«
»Wie schrecklich!«
»Durchaus nicht. Ehe Sie nicht Ihren guten Ruf verloren haben, merken Sie gar nicht, was für ein Laster er ist.«
»Was Sie sagen, ist unerhört!«
»Unerhört und wahr. Immer vorausgesetzt, daß Sie Mut haben - oder Geld, kommen Sie auch ohne guten Ruf aus.«
»Für Geld kann man nicht alles kaufen.«
»Das muß Ihnen jemand gesagt haben. Auf solche Plattheit wären Sie nie von selbst verfallen. Was kann man denn nicht dafür kaufen?«
»Nun, ich weiß nicht recht ... jedenfalls kein Glück und keine Liebe.« »Meistens doch. Mindestens kann man ansehnlichen Ersatz dafür
kaufen.«
»Haben Sie denn so viel Geld, Kapitän Butler?«
»Was für eine ungehörige Frage, Mrs. Hamilton. Ich muß mich wundern. Ja, für einen seit früher Jugend verfemten jungen Mann habe ich es zu einem ganz hübschen Vermögen gebracht, und bei der Blockade werde ich sicher noch eine Million einstecken.«
»Nicht möglich!«
»Doch! Den meisten Leuten ist eben nicht klar, daß man aus dem Untergang einer Kultur ebensoviel Geld herausschlagen kann wie aus dem Aufbau einer neuen.«
»Was soll das heißen?«
»Ihre Familie, meine Familie und jeder, der heute abend hier ist, alle haben ihr Vermögen damit gemacht, daß sie eine Wüste in Kulturland verwandelt haben. Das heißt ein Reich aufbauen. Beim Aufbau eines Reiches läßt sich freilich viel Geld verdienen. Beim Untergang eines Reiches aber noch mehr.«
»Was für ein Reich meinen Sie?«
»Das Reich, in dem wir leben. Der Süden, die Konföderierten Staaten, das Baumwollreich - es bricht uns jetzt unter den Füßen zusammen. Das aber wollen die meisten Dummköpfe nicht einsehen. Sie werden ihren Vorteil erst aus der Lage zu ziehen suchen, die nach dem Zusammenbruch entsteht. Ich ziehe ihn aus dem Zusammenbrach selbst.«
»Dann glauben Sie also wirklich, wir werden geschlagen?«
»Ja, warumdenn Vogel Strauß spielen?«
»Ach Gott, ist das alles langweilig! Können Sie eigentlich jemals auch etwas Hübsches sagen, Kapitän Butler?«
»Macht es Ihnen Freude, wenn ich Ihnen sage, daß Ihre Augen zwei Goldfischhäfen gleichen, die bis zum Rand mit dem klarsten grünen Wasser gefüllt sind? Und wenn die Fische an die 0berfläche kommen, wie in diesem Augenblick, dann sind sie verteufelt reizend.«
»Ach, das mag ich gar nicht ... Ist die Musik nicht wunderbar? Ach, ich könnte ewig so weitertanzen. Ich habe gar nicht gewußt, wie sehr ich es vermißt habe.«
»Sie sind die schönste Tänzerin, die ich je im Arm gehalten habe.« »Kapitän Butler, Sie dürfen mich nicht so fest anfassen. Alles schaut auf
uns.«
»Wenn es niemand sähe, hätten Sie dann auch etwas dagegen?« »Kapitän Butler, Sie vergessen sich.«
»Nicht einen Augenblick. Wie könnte ich, solange ich Sie im Arm halten ... Was ist das für ein Walzer, ist er neu?«
»Ja. Ist er nicht herrlich? Den haben wir von den Yankees gekapert.« »Wie heißt er?«
»Wenn der grausige Krieg zu Ende ...«
»Wie sind die Worte? Singen Sie sie mir vor.«
»>Liebste, weißt dunoch, das letztemal,
Als wir zwei uns sahn?
Als du mir zu Füßen knietest
Und von der Liebe sprachst? Ach, wie stolz du vor mir standest Ganz in Grau,
Als du schwurst, mich nie zu lassen,
Nie das Vaterland.
Ach, nun wein' ich, einsam, t raurig, Seufzer, Tränen, ach, umsonst! Wenn der grause Krieg zu Ende, Wollenwirunswiedersehen! <
Natürlich hieß es >Ganzin Blau<, aber wir habenes in >Grau< umgeändert ... Ach, Sie tanzen so gut Walzer, Kapitän Butler. Sie wissen doch, große Männer können das selten. Und zu denken, daß es nun Jahre dauert, bis ich wieder tanzet«
»Das dauert nur ein paar Minuten. Ich biete auch für die nächste Polonäse auf Sie ... und für die übernächste und überübernächste.«
»0 nein, das geht nicht! Das dürfen Sie nicht! Dann ist mein Ruf hin.«
»An dem kann auch der nächste Tanz nicht mehr viel verderben. Mag sein, daß ich den andern Jungens auch einmal Gelegenheit gebe, wenn ich fünf oder sechs hinter mir habe, aber den letzten bekomme ich!«
»Also gut Ich weiß, ich bin verrückt, aber was schert das mich! Mir ist es ganz einerlei, was die Leute sagen. Ich habe es so satt, zu Hause zu sitzen. Ich will tanzen und immer wieder tanzen.«
»Und nicht mehr Schwarz tragen? Krepp ist mir ein Greuel.«
»0 nein, meine Trauer kann ich nicht ablegen ... Kapitän Butler, Sie dürfen mich nicht so an sich drücken. Wenn Sie das tun, werde ich böse.«
»Sie sehen so wunderbar aus, wenn Sie böse sind. Ich will Sie noch einmal recht fest drücken ... so ... nur um zu sehen, ob Sie wirklich böse werden. Sie haben ja keine Ahnung, wie reizend Sie damals in Twelve 0aks waren, als Sie in Wut gerieten und Gegenstände zerschmissen.«
»Ach, bitte ... wollen Sie das nicht vergessen?«
»Nein, das gehört zu meinen ganz unbezahlbaren Erinnerungen ... eine wohlerzogene Schöne aus den Südstaaten, mit der ihr irisches Blut durchgeht.«
»0 je, nun ist die Musik zu Ende, und da kommt Tante Pittypat aus dem Hinterzimmer. Mrs. Merriwether muß es ihr erzählt haben, das weiß ich gewiß. Ach, um Gottes willen, lassen Sie uns hinübergehen und zum Fenster hinausschauen. Jetzt darf sie mich nicht abfangen. Ihre Augen sind so groß wie Untertassen.«
Am nächsten Morgen saß Tante Pittypat in Tränen aufgelöst über ihren Waffeln. Melanie war still, Scarlett trotzig.
»Was geht das mich an, was sie reden! Ich habe dem Lazarett mehr Geld eingebracht als all der alte Kram, den wir verkauft haben.«
»Ach Gott, was liegt denn an Geld«, jammerte Tante Pittypat und rang die Hände. »Ich traute einfach meinen Augen nicht, und dabei ist der arme Charlie kaum ein Jahr tot. Und dieser schreckliche Kapitän Butler, der dich so kompromittiert hat. Er ist ein ganz, ganz furchtbarer Mensch. Mrs. Whitings Cousine, Mrs. Coleman, deren Mann aus Charleston ist, hat mir davon erzählt. Er ist das schwarze Schaf einer angesehenen Familie. In Charleston wird er von niemandem empfangen, er hat den schlimmsten Ruf von der Welt, und da war etwas mit einem Mädchen, etwas so Schreckliches. Mrs. Coleman wußte nicht einmal, was es eigentlich war.«
»Nein, ich kann nicht glauben, daß er so schlecht ist«, sagte Melanie sanft. »Er machte den Eindruck eines vollkommenen Gentleman, und wenn man bedenkt, wie tapfer er die Blockade durchbrochen hat ...«
»Er ist gar nicht tapfer«, sagte Scarlett störrisch und goß sich das halbe Glas Sirup über die Waffeln. »Er tut es nur um des Geldes willen. Das hat er mir gesagt. Die Konföderierten Staaten sind ihm gleichgültig, und er sagt, wir bekommen Prügel. Aber tanzen tut er göttlich!«
Die beiden Zuhörerinnen waren vor Entsetzen sprachlos.
»Ich habe es satt, zu Hause zu sitzen. Ich tue es nicht mehr. Wenn alle jetzt über mich herziehen, ist mein Ruf ohnehin erledigt, und es kommt nicht mehr darauf an, was sie sonst sagen.«
Sie merkte nicht, daß dies Rhett Butlers Gedanke war. Er kam ihr so gelegen und fügte sich so gut in ihre eigenen Gedanken ein.
»Ach, was wird deine Mutter sagen, wenn sie davon hört? Was soll sie nur von mir denken?«
Als Scarlett sich Ellens Bestürzung vorstellte, falls sie je von dem anstößigen Benehmen ihrer Tochter erfahren sollte, wurde ihr beklommen ums Herz. Aber sie schöpfte wieder Mut, als sie sich überlegte, daß zwischen Atlanta und Tara fünfundzwanzig Meilen lagen. Miß Pitty erzählte Ellen sicher nichts, denn sie würde sich als Tante in ein gar zu schlechtes Licht setzen.
»Ich glaube«, sagte Pitty, »es ist besser, ich schreibe Henry einen Brief darüber, so ungern ich das auch tue, aber er ist unser einziger männlicher Verwandter und sollte Kapitän Butler ins Gewissen reden. Ach, wenn nur Charlie noch lebte! Mit dem Mann darfst du niemals wieder auch nur ein Wort sprechen, Scarlett.«
Melanie hatte ruhig mit den Händen im Schoß dagesessen, während ihr die Waffeln auf dem Teller kalt wurden. Sie stand auf, trat hinter Scarlett und legte ihr die Arme umden Hals.
»Liebes«, sagte sie, »laß dich nicht irremachen. Ich verstehe dich. Was du gestern abend getan hast, war tapfer von dir und eine große Hilfe für das Lazarett. Wenn jemand sich untersteht, daran zu mäkeln, bekommt er es mit mir zu tun ... Tante Pitty, nicht weinen! Es war hart für Scarlett, daß sie nirgends hingehen durfte. Sie ist eben noch ein Kind.« Ihre Finger glitten spielend durch Scarletts schwarzes Haar. »Vielleicht täte es uns allen besser, wenn wir hin und wieder ausgingen. Ist es nicht eigentlich sehr selbstsüchtig von uns, wenn wir uns so mit unserem Kummer einschließen? In Kriegszeiten ist das etwas anders als sonst. Wenn ich an all die Soldaten in der Stadt denke, die fern von zu Hause sind und keine Freunde haben, die sie abends besuchen können ... und an die im Lazarett, die gesund genug sind, aufzustehen, und doch nicht gesund genug, an die Front zurückzukehren ... ja, wir sind selbstsüchtig gewesen! Wir sollten auf der Stelle, wie jeder andere, drei Genesende ins Haus nehmen und jeden Sonntag ein paar Soldaten zu Tisch haben. So, Scarlett, nun mach dir keine Gedanken mehr. Wenn die Leute dich verstehen, reden sie auch nicht. Wir alle wissen, wie lieb du Charlie gehabt hast.«
Scarlett machte sich durchaus keine Gedanken mehr darüber, ab er Melanies weiche Hände in ihrem Haar waren ihr unangenehm. Es reizte sie, mit einem Ruck den Kopf wegzuziehen und »dummes Zeug!« zu sagen, denn die Erinnerung daran, wie Landwehr, Landsturm und all die Frontsoldaten aus dem Lazarett sich um Tänze mit ihr gerissen hatten, erwärmte sie noch immer. Von allen Menschen wünschte sie sich Melly am wenigsten zur Verteidigerin. Sie wollte schon für sich selbst aufkommen, danke schön, und wenn die alten Drachen fauchen wollten nun, sie konnte auch ohne sie auskommen. Für sie gab es viel zuviel nette 0ffiziere auf der Welt, als daß sie sich über alte Weiber und ihr Gerede den Kopf zerbrechen müßte.
Bei Melanies beruhigenden Worten tupfte sich Pittypat die Augen. Da kamPrissy mit einem dicken Brief herein.
»Für Sie, Miß Melly. Ein kleiner farbiger Junge wird ihn bringen.«
»Für mich?« Melly konnte sich nicht denken, woher er kam, und öffnete den Umschlag.
Scarlett beschäftigte sich gerade mit ihren Waffeln und bemerkte nichts weiter, bis sie Melly in Tränen ausbrechen hörte und, als sie aufblickte, Tante Pittypat sich nach dem Herzen greifen sah.
»Ashley ist tot!« kreischte Pittypat, warf den Kopf zurück und ließ beide Armeschlaff heruntersinken.
»Mein Gott!« Scarletts Blut erstarrte.
»Nein! Nein!« rief Melanie. »Rasch das Riechsalz, Scarlett! Nun komm, Tante, fühlst du dich besser? Tief atmen! Nein, es ist nicht Ashley. Es tut mir leid, daß ich euch einen Schrecken eingejagt habe. Ich weinte vor lauter Freude.« Und auf einmal öffnete sie die Faust und drückte etwas, was darin steckte, an die Lippen. »Ich bin so glücklich!« Und wieder brach sie in Tränen aus.
Scarlett sah, daß es ein breiter, goldener Ring war.
»Lies.« Melly wies auf den Brief, der am Boden lag. »Ach, wie lieb und gut von ihm!«
Scarlett wußte nicht, was sie davon denken sollte, sie hob das Blatt auf und las die breiten kühnen Schriftzüge: »Mögen die Konföderierten auch das Blut ihrer Männer brauchen, das Herzblut ihrer Frauen verlangen sie noch nicht. Nehmen Sie, liebe gnädige Frau, dieses Zeichen meiner Verehrung für Ihre Tapferkeit entgegen, und meinen Sie nicht, Ihr 0pfer sei umsonst gebracht. Dieser Ring ist für das Zehnfache seines Wertes eingelöst worden. Kapitän Rhett Butler.«
Melanie steckte sich den Ring an den Finger und betrachtete ihn liebevoll.
»Habe ich nicht gesagt, daß er ein Gentleman ist?« wandte sie sich an Pittypat und lächelte glücklich durch die Tränen auf ihren Wangen. »Nur ein feinfühliger, verständnisvoller Gentleman konnte sich vorstellen, wie es mir das Herz brach! Ich schicke statt dessen meine goldene Kette. Tante Pittypat, du mußt ihm eine Zeile schreiben und ihn Sonntag zum Mittagessen einladen, damit ich ihm danken kann.«
Keiner der beiden andern war es in ihrer Erregung aufgefallen, daß Kapitän Butler nicht auch Scarletts Ring zurückgeschickt hatte. Sie aber merkte es und ärgerte sich darüber. Sie wußte, daß Kapitän Butler nicht aus Feingefühl so ritterlich gehandelt hatte. Er wollte gern in Pittypats Haus eingeladen werden und hatte das sicherste Mittel dazu herausgefunden.
»Es hat mich tief bekümmert, zu hören, wie Du Dich kürzlich aufgeführt hast«, lautete Ellens Brief, und Scarlett, die ihn bei Tisch las, machte ein finsteres Gesicht. Schlechte Nachrichten reisen schnell. Sie hatte in Charleston und Savannah oft sagen hören, daß die Leute von Atlanta ärger klatschten als irgend jemand sonst im Süden, und nun glaubte sie es. Erst vorige Woche hatte das Fest stattgefunden. Wer von den alten Drachen mochte es wohl auf sich genommen haben, Ellen zu benachrichtigen? Einen Augenblick hatte sie Tante Pittypat im Verdacht, ließ den Gedanken aber sofort fallen. Die arme Tante hatte Qualen der Angst ausgestanden, Scarletts dreistes Betragen könnte ihr zur Last gelegt werden. Es mußte wohl Mrs. Merriwether gewesen sein.
»Es fällt mir schwer zu glauben, daß Du Dich und Deine Erziehung so völlig vergessen hast. Von der Ungeschicklichkeit, in Trauer öffentlich zu erscheinen, will ich nicht reden. Ich begreife, wie es Dir am Herzen gelegen hat, etwas für das Lazarett zu tun. Aber tanzen und das mit einem Mann wie Kapitän Butler? Ich habe viel von ihm gehört, wer hätte das nicht, und Pauline schrieb mir, er würde in Charleston nicht einmal von seiner eigenen Familie mehr empfangen, außer von seiner untröstlichen Mutter. Er ist ein durch und durch schlechter Charakter, der Deine Jugend und Deine Unschuld benutzt, um Dich zu kompromittieren, um Dir und Deiner Familie Schmach anzutun. Wie konnte Miß Pittypat ihre Pflicht gegen Dich so vernachlässigen?«
Scarlett blickte über den Tisch zu ihrer Tante hinüber. Die alte Dame hatte Ellens Handschrift erkannt und spitzte erschrocken ihr Mündchen wie ein kleines Kind, das vor Schelte bange ist und sie durch Tränen abwenden möchte.
»Es geht mir sehr nahe, daß Du Deine Erziehung so vergessen konntest. Ich ging schon mit dem Gedanken um, Dich sofort nach Hause zurückzurufen, stelle aber das lieber Deinem Vater anheim. Freitag kommt er nach Atlanta, um mit Kapitän Butler zu sprechen und Dich nach Hause zu bringen. Ich fürchte, trotz meiner Bitten wird er sehr streng sein. Ich hoffe und bete, nur Deine jugendliche Unerfahrenheit möge die Ursache zu so keckemBenehmen gewesen sein.«
Es ging noch lange in demselben Ton weiter, aber Scarlett las den Brief nicht zu Ende. Dieses Mal war sie wirklich zu Tode erschrocken. Dies ließ sich nicht einfach trotzig abschütteln. Sie fühlte sich so klein und schuldbewußt wie mit zehn Jahren, wenn sie Suellen über den Tisch einen Zwieback ins Gesicht geworfen hatte, und nun wollte ihr Vater gar in die Stadt kommen, um mit Kapitän Butler zu sprechen! Der Ernst der Sache ging ihr immer deutlicher auf. Dieses Mal, wußte sie, konnte sie sich der Strafe nicht dadurch entziehen, daß sie sich schmeichelnd auf Geralds Knie setzte.
»Es sind doch keine schlechten Nachrichten?« stammelte Pittypat .
»Pa kommt morgen und will mich tüchtig abkanzeln«, antwortete Scarlett kläglich.
»Prissy, mein Riechsalz!« wimmerte Pittypat und schob den Stuhl zurück. »Mir wird schlecht!«
»Das haben Sie in der Rocktasche«, sagte Prissy. Sie ahnte das Drama und genoß es. Master Gerald war immer so schön aufgeregt, wenn er böse wurde, und das liebte sie sehr, vorausgesetzt, daß ihr wolliger Kopf nicht gerade das 0pfer war. Pittypat suchte in ihrem Rock und hielt sich das Fläschchen an die Nase.
»Ihr müßt mir beistehen und dürft mich keinen Augenblick allein lassen«, sagte Scarlett. »Er hat euch beide gern, und wenn ihr dabei seid ...«
»Ich kann nicht«, sagte Pittypat matt und erhob sich mühsam. »Ich ... ich fühle mich krank ... ich muß mich hinlegen, den ganzen Tag muß ich mich morgen hinlegen. Ihr müßt mich bei ihm entschuldigen.«
»Feigling!« dachte Scarlett und funkelte sie voll Verachtung an. Melly nahm alle Kraft zusammen, obwohl sie bei dem Gedanken an den feuerspeienden Mr. 0'Hara ganz blaß vor Schreck wurde.
»Ich helfe dir, ihm klarzumachen, daß du es um des Lazaretts willen getan hast. Das muß er doch begreifen.«
»Nein, das tut er nicht. Ach, ich sterbe, wenn ich nach Tara zurück muß, wie Mutter mir droht!«
»Ach Gott, du kannst doch nicht nach Hause«, sagte Pittypat unter Tränen. »Wenn du fortgingst, wäre ich ja gezwungen, Henry zu bitten, er möge zu uns ziehen, und du weißt doch, ich kann und kann nicht mit Henry unter einem Dache leben. Mir ist abends so bange, wenn ich mit Melly allein im Haus bin, bei all den fremden Männern, die jetzt in der Stadt sind! Du bist so tapfer, da macht es mir weniger aus, daß kein Mann im Haus ist!«
»Ach, er kann dich doch nicht mit nach Tara nehmen!« Auch Melly sah aus, als wären ihr die Tränen ganz nahe. »Dein Heim ist jetzt bei uns, was sollten wir je ohne dich anfangen?«
Ihr würdet mich mit Freuden entbehren, wenn ihr wüßtet, wie ich in Wirklichkeit über euch denke, dachte Scarlett mißmutig und wünschte, jemand anders als Melanie möge ihr helfen, Geralds Zorn abzuwehren. Es war ihr ein jämmerliches Gefühl, gerade von der verteidigt zu werden, die sie so wenig leiden mochte.
»Sollten wir nicht lieber die Einladung an Kapitän Butler widerrufen?« fing Pittypat an.
»Aber das können wir doch nicht! Das wäre wirklich die Höhe der Unhöflichkeit!«Melly war ganz unglücklich.
»Bringt mich ins Bett, ich werde krank«, stöhnte Pittypat. »Ach, Scarlett, wie konntest du mir das antun?«
Pittypat lag wirklich im Bett, als Gerald am nächsten Nachmittag ankam. Hinter ihrer verschlossenen Tür verschanzt, hatte sie sich tausendfach entschuldigen lassen und überließ es den beiden verängstigten Mädchen, sie beim Abendessen zu vertreten. Gerald war von unheilverkündender Schweigsamkeit, wenn er auch Scarlett küßte und Melly in die Wange kniff und sie »Cousine Melly« nannte. Flüche und Vorwürfe wären Scarlett sehr viel lieber gewesen. Melanie hielt getreulich ihr Versprechen und hängte sich, ein kleiner raschelnder Schatten, an Scarletts Rock. Gerald war zu sehr Gentleman, um seiner Tochter in ihrer Gegenwart die Leviten zu lesen. Scarlett mußte zugeben, daß Melanie es sehr geschickt anfing. Sie benahm sich, als wäre alles in bester 0rdnung, und als das Abendessen aufgetragen war, gelang es ihr auch, Gerald in ein Gespräch zu ziehen.
»Ich möchte alles aus der Provinz hören«, sagte sie strahlend zu ihm. »India und Honey schreiben keine Briefe; Sie aber wissen ja alles, was dort vorgeht, bitte, erzählen Sie uns von Joe Fontaines Hochzeit.«
Das schmeichelte Gerald, und er erzählte, die Hochzeit sei recht still verlaufen, weil Joe nur kurz Urlaub hatte. Sally, das kleine Munroeküken, habe sehr niedlich ausgesehen. Nein, was für ein Kleid sie anhatte, wußte er nicht mehr, er hatte aber gehört, ein Kleid für den »zweiten Tag« habe sie nicht gehabt.
»Nicht möglich!« Die beiden Mädchen waren entrüstet.
»Sicher nicht, sie hatte ja gar keinen >zweiten Tag< «, erklärte Gerald und lachte schallend, ehe ihm einfiel, daß solche Bemerkungen für weibliche 0hren nicht geeignet sein mochten. Es wurde Scarlett bei seinem Gelächter wieder ein wenig wohler, und sie segnete Melanies Taktik.
»Joe ist am nächsten Tage schon wieder nach Virginia gegangen«, fuhr Gerald hastig fort, »da gab es keine Besuche und keinen Tanz hinterher. Die Tarleton-Zwillinge aber sind zu Hause.«
»Wir haben davon gehört, sind sie wieder hergestellt?«
»Sie waren nur leicht verwundet. Stuart hatte einen Schuß ins Knie, und durch Brents Schulter war eine Gewehrkugel gegangen. Habt ihr schon gehört, daß sie wegen ihrer Tapferkeit im Kriegsbericht erwähnt worden s ind?«