Kitabı oku: «Vom Winde verweht», sayfa 17

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»Nein! Erzähle!«

»Tollköpfe - alle beide. Mir scheint fast, sie haben irisches Blut«, sagte Gerald wohlgefällig. »Was sie eigentlich gemacht haben, ist mit entfallen, aber Brent ist jetzt Leutnant.«

Es machte Scarlett Freude, von ihren Heldentaten zu hören. Es war eine Freude am Eigentum. War ein Mann einmal ihr Verehrer gewesen, so betrachtete sie ihn immer weiter als ihr Eigentum, und alles, was er leistete, gereichte ihr zur Ehre.

»Ich habe noch eine Neuigkeit für euch beide«, sagte Gerald, »es heißt, Stuart gehe in Twelve 0aks auf Freiersfüßen.«

»Bei Honey oder India?« fragte Melly gespannt, während Scarlett fast entrüstet dreinsah.

»Natürlich Miß India, die hatte ihn doch am Bändel, bis mein eigenes Gelichter nach ihm äugte. Stimmt's?«

Melly war in nicht geringer Verlegenheit über Geralds freimütige Ausdrucksweise.

»Und, was noch mehr ist, der junge Brent fängt an, in Tara herumzulungern. Was sagt ihr nun?«

Scarlett war sprachlos. Es kam ihr geradezu wie eine Beleidigung vor, daß ihre Verehrer sie solcherart im Stich ließen, besonders wenn sie daran dachte, wie die beiden Tarletons sich aufgeführt hatten, als sie Charles heiraten wollte. Stuart hatte sogar damit gedroht, Charles zu erschießen oder Scarlett oder sich selbst oder alle drei. Es war höchst aufregend gewesen.

»Suellen?« fragte Melly und lächelte freudig. »Aber ich dachte, Mr. Kennedy ...«

»Der?« sagte Gerald, »ja, er katzbuckelt immer noch um sie herum und hat Angst vor seinem eigenen Schatten. Wenn er nicht bald selber mit der Sprache herausrückt, frage ich ihn nächstens, was er eigentlich vorhat. Nein, dies gilt meiner Kleinen.«

»Carreen?«

»Aber sie ist doch noch ein Kind«, sagte Scarlett scharf. Sie hatte ihre Sprache wiedergefunden.

»Sie ist nur ein gutes Jahr jünger, als du bei deiner Hochzeit warst, mein Kind«, gab Gerald zurück. »Gönnst du deiner Schwester deine alten Verehrer nicht?«

Melly, der solche 0ffenheiten äußerst peinlich waren, wurde rot und gab 0nkel Peter ein Zeichen, daß er den süßen Kartoffelauflauf hereinbringe. Verzweifelt suchte sie in ihrem Hirn nach einem Gesprächsthema, das nicht so persönlich, aber doch geeignet wäre, Mr. 0'Hara von seinem eigentlichen Reisezweck abzulenken. Ihr fiel nichts ein. Nachdem aber Gerald einmal im Gange war, brauchte er zu seiner Anregung nichts weiter als Zuhörer. Er redete sich in Zorn über die diebische Intendantur, die jeden Monat höhere Forderungen stellte, über Jefferson Davis' schuftige Dummheit und die Schäbigkeit der Iren, die sich durchs Handgeld verlocken ließen, in das Heer der Yankees einzutreten.

Als der Wein auf dem Tisch stand und die beiden Mädchen sich erhoben, um den alten Herrn allein zu lassen, warf er hinter zusammengezogenen Brauen seiner Tochter einen strengen Blick zu und befahl sie zu einer kurzen Unterhaltung unter vier Augen. Während Scarlett ihr verzweifelt nachsah, ging Melly, hilflos an ihrem Taschentuch zerrend, hinaus und schloß leise die Flügeltür.

Gerald schenkte sich ein Glas Portwein ein. »Also, mein Kind, das ist ja eine hübsche Geschichte! So kurz erst Witwe und schon auf den zweiten Mann aus!«

»Nicht so laut, Pa, die Dienstboten ...«

»Die wissen längst alles. Jeder weiß von deiner Schande. Deine arme Mutter liegt deswegen zu Bett, und ich mag mich nirgends mehr sehen lassen. Schmählich ist es. Nein, Puß, diesmal kommst du mir nicht mit Tränen davon.« Zwischen seinen hastigen Worten wurde eine gelinde Panik wahrnehmbar, als Scarletts Lider zu beben und ihr Mund zu zucken begann. »Ich kenne dich. Du würdest noch unter den Augen deines eigenen Ma nnes flirten. Nicht weinen! Nun, nun, ich will heute abend nichts mehr sagen. Ich suche jetzt den famosen Kapitän Butler auf, der es mit dem Ruf meiner Tochter so leicht nimmt. Aber morgen früh - Nicht weinen, das hilft dir gar nichts, nicht das geringste. Ich bleibe fest, und morgen kommst du wieder mit mir nach Tara, ehe du uns noch alle in Verruf bringst. Nicht weinen, Kindchen. Sieh mal, was ich dir mitgebracht habe, ist das nicht ein schönes Geschenk? Sieh doch her! Wie konntest du mir nur so viel Plage machen und mich den ganzen langen Weg hierher fahren lassen? Ich habe doch so viel um die 0hren. Nicht weinen!«

Melanie und Pittypat schliefen schon seit mehreren Stunden, Scarlett aber, mit ihrem schweren angstvollen Herzen, lag noch immer wach in der wannen Dunkelheit. Nun, wo das Leben gerade wieder anfing, sollte sie Atlanta verlassen, heimfahren und vor Ellens Angesicht treten! Lieber wollte sie auf der Stelle sterben, dann würden sie es alle bereuen, daß sie so hart gegen sie gewesen waren. Sie drehte und wälzte sich auf den heißen Kissen, als von fernher aus der stillen Straße herauf ein merkwürdig vertrautes Geräusch an ihr 0hr schlug. Sie schlüpfte aus dem Bett und sah aus dem Fenster. In dem weichen Schatten der hohen Bäume lag die Straße tiefdunkel unter dem dämmerigen Sternenhimmel. Das Geräusch kam näher, Räderrollen, Hufschlag, Menschenstimmen, und auf einmal mußte sie lächeln: eine weinselige irische Stimme sang vernehmbar das vertraute »Peggy in der kleinen Chaise«, und nun wußte sie Bescheid. Gerichtstag in Jonesboro war freilich nicht, aber Gerald kam in der gewohnten Verfassung nach Hause.

Sie sah die dunklen Umrisse eines Einspänners halten und unbestimmte Gestalten aussteigen. Es waren zwei. Sie blieben an der Gartenpforte stehen, und Scarlett hörte die eiserne Klinke knacken. Dann erklang deutlich Geralds Stimme. »Nun noch die >Klage um Robert Emmet<. Das Lied solltest du wirklich kennen, mein Junge, ich will es dich lehren.«

»Ich möchte es wirklich lernen«, erwiderte der andere mit einem leisen unterdrückten Lachen in seinem gedehnten, verschliffenen Tonfall, »aber nicht jetzt, Mr. 0'Hara.«

»Du mein Gott, das ist ja dieser schreckliche Butler.« Scarletts erste Regung war Ärger, dann faßte sie Mut. Jedenfalls hatte es keine Schießerei gegeben. Sie mußten schon auf freundschaftlichem Fuß miteinander stehen, wenn sie zu dieser nächtlichen Stunde in einer solchen Verfassung miteinander nach Hause kamen.

»Ich will es aber singen, und du sollst mir zuhören, sonst schieße ich dich 0rangeman t ot.«

»Ich bin kein 0rangeman, ich bin aus Charleston.«

»Das ist auch nicht besser, das ist noch viel schlimmer. Ich habe zwei Schwägerinnen in Charleston und weiß Bescheid.«

»Will er denn der ganzen Nachbarschaft davon erzählen?« dachte Scarlett erbleichend und schlüpfte in ihren leichten Schlafrock. Was sollte sie nun machen? Sie konnte unmöglich so spät in der Nacht hinuntergehen und ihren Vater von der Straße ins Haus zerren.

Gerald aber, über die Pforte lehnend, warf ohne weitere Aufforderung den Kopf zurück und stimmte in seinem grölenden Baß die »Klage« an. Scarlett stützte die Ellbogen auf die Fensterbank und hörte zu. Sie mußte

unwillkürlich lachen. Wenn ihr Vater nur den Ton richtig halten wollte! Es war ein so herrliches Lied, eins ihrer Lieblingslieder, und für einen Augenblick gab sie sich der schönen Schwermut der Anfangsverse hin.

»Fern weilt sie dem Land, da ihr junger Held ruht, Und lauscht den Liebesseufzern umsie her!«

Gerald sang hemmungslos weiter. In Pittypats und Mellys Zimmer regte es sich. Die armen Dinger waren sicherlich außer sich, sie waren keine Vollblutmänner wie Gerald gewohnt. Als seine Stimme endlich verstummte, verschmolzen die beiden Schattengestalten zu einer, die den Gartenweg heraufkam und die Haustreppe bestieg. Leise klopfte es an die Tür .

»Ich muß hinunter«, dachte Scarlett. »Schließlich ist es mein Vater, und die arme Pitty stürbe eher, als daß sie hinunterginge.« Vor allem sollten die Dienstboten ihren Vater nicht in dieser Verfassung sehen.

Wenn 0nkel Peter ihn zu Bett zu bringen versuchte, setzte er sich womöglich zur Wehr. Pork war der einzige, der mit ihm fertig zu werden verstand.

Sie knöpfte sich den Schlafrock bis zum Halse zu, zündete ihre Kerze an und lief die dunkle Treppe hinunter in die Eingangshalle. Dort schloß sie die Tür auf und sah in dem flackernden Licht draußen Rhett Butler stehen, an dessen Kleidung kein Fältchen verschoben war, und ihren kleinen vierschrötigen Vater sah sie hilflos an seinem Arm hängen. Die »Klage« war offensichtlich Geralds Schwanengesang gewesen. Sein Hut war weg, das lange Lockenhaar hatte sich in eine zerzauste weiße Mähne verwandelt. Die Krawatte saß hinterm 0hr, und auf der Hemdbrust waren Schnapsflecke zu sehen.

»Dies ist doch wohl Ihr Herr Vater?« sagte Kapitän Butler. Seine Augen glitzerten lustig in dem wettergebräunten Gesicht. Ihre mangelhafte Bekleidung schien er mit seinem Blick zu durchdringen. »Bringen Sie ihn herein«, sagte sie kurz. Ihr Schlafrock setzte sie in Verlegenheit. Sie war wütend auf Gerald, der sie in die Lage brachte, von diesem Menschen so angeblickt zu werden.

Rhett schob Gerald vor sich her.

»Soll ich Ihnen helfen, ihn nach oben zu bringen? Sie werden nicht allein mit ihm fertig, er ist recht schwer.«

Ihr Mund blieb vor Entsetzen ob solcher Frechheit offenstehen. Was sollten Pittypat und Melly in ihren Betten denken, wenn Kapitän Butler zu dieser Nachtzeit in die oberen Gemächer eindringen würde!

»Heilige Mutter Gottes, nein, hier herein ins Wohnzimmer, auf den Diwan.«

»Soll ich ihm die Stiefel ausziehen?«

»Nein, er hat schon öfter darin geschlafen.«

Kaum hatte sie dies gesagt, so hätte sie sich die Zunge dafür abbeißen mögen. Er lachte leise in sich hinein, während er Gerald sorgsam die Beine übereinanderlegte.

»Nun gehen Sie bitte!« Er schritt in die dämmerige Halle und hob seinen Hut auf, den er bei der Türschwelle hatte fallen lassen.

»Ich sehe Sie Sonntag beim Mittagessen«, sagte er, ging hinaus und schloß lautlos die Tür hinter sich zu.

Um halb sechs Uhr in der Frühe, ehe die Dienstboten vom Hin terhof hereingekommen waren, um das Frühstück herzurichten, stand Scarlett auf und schlüpfte die Treppe hinunter ins Erdgeschoß. Gerald saß wach auf dem Sofa und hatte seinen kugeligen Kopf mit beiden Händen gepackt, als wolle er ihn zerdrücken. Vorsichtig blickte er auf, als sie hereinkam. Die Augen zu bewegen, schmerzte mehr, als er ertragen konnte. Er stöhnte auf.

»Au, das Licht!«

»Wie hast du dich nur benommen, Pa«, flüsterte Scarlett ihm zu. »Zu solcher Stunde nach Hause zu kommen und alle Nachbarn mit deinem Gesang zu wecken!«

»Gesungen habe ich?«

»Allerdings! EinenHöllenlärmhast dumitdeiner >Klage< gemacht.« »Ich erinnere mich an nichts.«

»Aber die Nachbarn werden sich bis in ihr letztes Stündlein daran erinnern, und ebenso Miß Pittypat und Melani e.«

»Heilige Schmerzensmutter«, ächzte Gerald und leckte sich mit belegter Zunge die ausgetrockneten Lippen. »Ich weiß gar nicht mehr, was geschah, nachdem wir angefangen hatten zu spielen.«

»Zu spielen?«

»Dieser Butler, dieser Schuft, tat, als ob er der beste Pokerspieler in den Staaten sei ...«

»Wieviel hast du verloren?«

»Verloren? Gewonnen natürlich. Ein paar Schnäpse helfen mir immer beim Spiel.«

»Sieh in deiner Brieftasche nach!«

Mühsam, als werde ihm jede Bewegung zur Qual, zog Gerald die Brieftasche aus dem Rock und öffnete sie. Sie war leer. Er sah hinein und war sprachlos.

»Fünfhundert Dollar«, sagte er, »und ich wollte doch etwas für Mrs. 0'Hara bei den Blockadebrechern kaufen, und nun habe ich nicht einmal mehr das Fahrgeld nach Tara!«

Während Scarlett voller Empörung in die leere Brieftasche starrte, entstanden die Umrisse eines Planes in ihr und nahmen sogleich Gestalt an.

»Ich kann mich ja in der Stadt nicht mehr sehen lassen«, begann sie. »Du hast uns alle in Schande gebracht.«

»Halt den Mund, Puß, siehst du denn nicht, wie mir der Kopf platzt?«

»Kommst uns da betrunken nach Hause mit einem Menschen wie Kapitän Butler und singst aus vollem Hals, so daß alle es hören, und verlierst noch dazu eine solche Summe Geldes.«

»Der Mann versteht sich zu gut auf Karten, umein Gentleman zu sein.« »Was wird Mutter sagen, wenn sie davon hört?«

In plötzlicher Angst vor den Dingen, die da noch kommen sollten, blickte er auf. »Du sagst deiner Mutter kein Wort davon, hörst du, sonst regt sie sich auf l«

Scarlett erwiderte nichts. Sie spitzte nur ein wenig die Lippen.

»Stelle dir doch nur vor, wie so etwas sie verletzen muß in ihrem sanften Herzen.«

»Und dabei hast du mir erst gestern abend gesagt, ich hätte die Familie in Verruf gebracht. Denke doch, ich, mit meinem bißchen Tanzen, zum Besten der Soldaten. Ach, es ist zum Heulen.«

»Ach nein, laß es lieber«, bat Gerald, »das wäre mehr, als mein armer Kopf aushalten könnte. Weiß Gott, er zerplatzt schon jetzt.«

»Und du sagtest, ich ...«

»Aber Puß, komm, sei nicht böse darüber, was dein armer alter Vater dir gesagt hat. Er meinte doch gar nicht, was er sagte, und verstand selbst kein Wort davon. Weiß Gott, du bist ein famoses Mädel.«

»Und mich wolltest du in Schande nach Hause zurückbringen!«

»Aber Kindchen, das fällt mir gar nicht ein, ich wollte dich doch nur necken. Und du sagst deiner Mutter nichts von dem Geld, verstanden? Sie ist ohnehin schon so aufgeregt wegen all der Ausgaben.«

»Wenn du mich hier läßt«, sagte Scarlett nun ganz offen, »und Mutter sagst, es sei alles weiter nichts als ein dummer Riesenklatsch unter den alten Weibern, dann sage ich auch nichts.«

Gerald schaute seine Tochter bekümmert an. »Das ist eine regelrechte Erpressung.«

»Und heute nacht war es ein regelrechter Skandal.«

»Nun, nun«, begütigte er, »wir wollen nicht mehr daran denken. Sag mal, meinst du wohl, daß eine so feine Dame wie Miß Pittypat vielleicht ein bißchen Branntwein im Hause hätte? Der Kater muß zu trinken haben.«

Scarlett wandte sich um und ging auf Zehenspitzen über den Flur ins Eßzimmer, um die Branntweinflasche zu holen, die sie und Melly die »0hnmachtsflasche« getauft hatten, weil Pittypat jedesmal ein Schlückchen daraus trank, wenn sie vor Herzklopfen ohnmächtig wurde oder zu werden vermeinte.

Keine Spur von Gewissensbissen, sondern nur der Triumph stand auf ihrem Gesicht geschrieben. Nun konnte sie in Atlanta bleiben und tun, was ihr beliebte. Mit Pittypat und Melly würde sie schon fertig werden. Sie schloß das Schränkchen auf und drückte einen Augenblick Flasche und Glas aufatmend an die Brust. Sie sah eine lange Reihe von Picknicks am plätschernden Wasser des Pfirsichbaches im Geiste vor sich, Gartenfeste in Stone Mountain, Empfänge, Bälle, Tanztees, Spazierfahrten und kalte Büfetts am Sonntagabend. Da wollte sie nach Kräften mittun, umgeben von einem Schwärm von Männern. Die Männer waren immer sogleich verliebt, wenn man ihnen nur im Lazarett einen kleinen Dienst tat. Auch das Lazarett war nun nicht mehr so schlimm. Nach einer Krankheit waren die Männer alle so lenkbar und zugänglich und fielen einem geschickten Mädchen in die Hand, wie auf Tara die reifen Pfirsiche, wenn man den Baum nur ganz sacht schüttelte.

Sie kehrte mit dem Labetrunk zu ihrem Vater zurück und dankte Gott, daß der berühmte 0'Harasche Irenschädel der Schlacht von gestern abend doch nicht gewachsen gewesen war. 0b wohl Rhett Butler da seine Hand im Spiel hatte?

An einem Nachmittag der folgenden Woche kam Scarlett müde und gereizt aus dem Lazarett nach Hause. Müde, weil sie den ganzen Mor gen auf den Beinen gewesen war, und gereizt, weil Mrs. Merriwether ihr einen harten Verweis erteilt hatte, daß sie sich zu einem Soldaten aufs Bett gesetzt hatte, um ihm den Arm zu verbinden. Tante Pittypat und Melanie standen in ihren schönsten Hüten mit Wade und Prissy vor der Tür und wollten gerade die übliche Besuchsrunde machen. Scarlett bat um Entschuldigung, daß sie sie nicht begleiten könnte, und ging in ihr Zimmer hinauf.

Als das Räderrollen verklungen war und sie die Familie in sicherer Entfernung wußte, schlüpfte sie leise in Melanies Zimmer und schloß hinter sich ab. Das saubere, jungfräuliche kleine Stübchen lag still und warm in den schrägen Strahlen der Nachmittagssonne. Bis auf ein paar kleine bunte Flickenteppiche lag der Fußboden unbedeckt und glänzend da. An den weißen Wänden war keinerlei Zierde; nur eine Ecke hatte Melanie wie eine Art Altar hergerichtet. Hier hing unter einer drapierten Konföderationsfahne der Degen, den Melanies Vater im mexikanischen Kriege getragen hatte, derselbe, den Charles mit ins Feld genommen hatte. Daneben hingen Charles' Schärpe und Pistolengürtel mit dem Revolver im Halfter. Zwischen Degen und Pistole war eine Daguerreotypie von Charles selbst aufgehängt. Er sah sehr steif und stolz in seiner grauen Uniform aus. Seine großen braunen Augen leuchteten aus dem Rahmen hervor, und ein scheues Lächeln lag auf seinen Lippen.

Scarlett gönnte diesem Bild nicht einen einzigen Blick, sondern schritt quer durch das Zimmer auf den kleinen viereckigen Kasten aus Rosenhol z zu, der auf dem Tisch neben dem schmalen Bett stand. Hier zog sie ein Päckchen Briefe hervor, die mit einem blauen Band zusammengebunden waren. Sie waren von Ashleys Hand an Melanie gerichtet. Zuoberst lag der Brief, der an diesem Morgen gekommen war. Scarlett öffnete ihn.

Als sie zuerst damit begonnen hatte, diese Briefe heimlich zu lesen, hatte sie solche Gewissensbisse und solche Angst vor der Entdeckung verspürt, daß sie mit ihren zitternden Händen kaum die Umschläge hatte öffnen können. Allmählich aber war ihr Ehrgefühl durch die Gewohnheit abgestumpft worden. Sogar die Angst vor der Entdeckung hatte sich gelegt. Hin und wieder verspürte sie wohl noch einen Stich in der Brust bei dem Gedanken, was ihre Mutter dazu sagen würde. Sie wußte, daß Ellen sie lieber tot als solcher Unehrenhaftigkeit schuldig sehen würde. Das beunruhigte sie sehr, denn immer noch wollte Scarlett gern in allen Stücken ihrer Mutter gleichen. Aber die Versuchung war zu stark. Sie hatte es überhaupt in dieser Zeit gelernt, sich unerfreuliche Gedanken aus dem Sinn zu schlagen und die Selbstbesinnung auf den nächsten Tag zu verschieben. Wenn dann der nächste Tag da war, so hatte die Schärfe des Konflikts sich schon ein wenig gemildert, und so machte sie sich auch aus ihrer Gewohnheit, Ashleys Briefe zu öffnen, keine Gewissensbisse mehr.

Melanie war mit ihren Briefen sehr freigebig und las häufig Stellen daraus Tante Pitty und Scarlett vor. Aber gerade das, was sie nicht las, quälte Scarlett auf das unerträglichste. Sie mußte wissen, ob Ashley seine Frau seit der Heirat wirklich lieben gelernt hatte oder ob er nur vorgab, sie zu lieben. Schrieb er ihr Zärtlichkeiten? Was für Gefühle drückte er aus und mit wieviel Wärme?

Sorgsam glättete sie das Papier. Da lag Ashleys kleine ebenmäßige Handschrift vor ihr, und sie las: »Meine liebe Frau!« Erleichtert atmete sie auf. Noch immer nannte er Melanie nicht mit einem Kosenamen.

»Meine liebe Frau, Du schreibst mir, Du seist in Unruhe, ob ich nicht meine wahren Gedanken vor Dir verberge, und fragst, was mich dieser Tage innerlich beschäftigte.«

»Heilige Mutter Gottes«, dachte Scarlett schuldbewußt. »>Meine wahren Gedanken vor Dir verbergen?< Kann den Melly seine Gedanken lesen? 0der meine? Ahnt sie denn, daß er und ich ...«

Die Hände zitterten ihr vor Angst, als sie weiterlas. Als sie aber an den nächsten Absatz kam, beruhigte sie sich wieder.

»Liebe Melanie, wenn ich etwas vor Dir verborgen habe, so geschah es, weil ich Dir keine neue Last auf die Schultern legen und zu Deiner Unruhe um mich nicht auch noch neue Konflikte hinzufügen wollte. Aber vor Dir kann ich nichts geheimhalten, Du kennst mich zu gut. Mach Dir keine Sorgen, ich bin nicht verwundet, ich bin nicht krank, ich habe genug zu essen und zuweilen auch ein Bett zum Schlafen. Mehr kann ein Soldat nicht verlangen. Aber, Melanie, schwere Gedanken liegen mir auf der Seele, und ich will Dir mein Herz ausschütten.

Ich liege nächtelang wach, wenn das Lager schon längst zur Ruhe ist, und blicke in die Sterne hinauf. Immer wieder stelle ich mir die Frage: >Warum bist du hier, Ashley Wilkes, und wofür kämpfst du?< Gewiß nicht für Ehre und Ruhm. Der Krieg ist ein schmutziges Geschäft, und Schmutz ist mir zuwider. Ich bin keine Soldatennatur und suche nicht leeren Ruhm vor den Mündungen der Kanonen. Und doch bin ich hier im Felde, ich, der ich niemals etwas anderes sein sollte als ein Mann der Arbeit. Die Trompeten bringen mein Blut nicht in Wallung, die Trommeln reißen meinen Fuß nicht mit sich fort. Ich sehe allzu deutlich, daß wir verraten sind, verraten von unserem eigenen Hochmut, von unserem Wahn, einer von uns werde mit einem Dutzend Yankees fertig und König Baumwolle könne die Welt regieren. Verraten auch von Phrasen, Schlagwörtern, Vorurteilen und Gehässigkeiten aus dem Munde derer, die wir geachtet und verehrt haben ...

Wenn ich so unter meiner Decke liege und in die Sterne hinaufblicke und mich frage: >Wofür kämpfst du eigentlich?<, so denke ich an die Rechte der Staaten, an die Baumwolle und die Farbgen und an die Yankees, die zu hassen uns anerzogen worden ist, und ich weiß, daß es all dieses nicht ist, was mich bewegt. Aber dann sehe ich Twelve 0aks, und ich denke daran, wie der schräge Mondstrahl zwischen den weißen Säulen spielt, wie überirdisch die Magnolie aussieht, wenn sie sich öffnet, wie die Kletterrosen am heißen Mittag die Veranda beschatten. Ich sehe Mutter dasitzen und nähen, wie sie schon tat, als ich ein kleines Kind war, den Gesang der Schwarzen höre ich, wenn sie am Feierabend müde und hungrig über die Felder kommen. Ich höre das Spill abrollen, wenn der Eimer in den Brunnen hinuntersinkt. Ich sehe die weite Aussicht über die Baumwollfelder hin bis an den Fluß und sehe im Zwielicht aus den Niederungen die Nebel emporsteigen. Darum bin ich hier, und nicht, weil ich irgend jemanden hasse. Vielleicht ist es dies, was man die Liebe zur Heimat und zum Vaterland nennt. Aber, Melanie, es geht noch tiefer. Was ich aufgezählt habe, ist nur das Sinnbild dessen, wofür ich mein Leben aufs Spiel setze. Das Sinnbild des Lebens, wie ich es liebe. Ich kämpfe für die alten Zeiten und die alte Art, die ich liebe. Aber ich fürchte, sie ist für immer dahin, wie auch die Würfel fallen werden. 0b wir den Krieg gewinnen oder verlieren - verlieren tun wir in jedem Fall.

Wenn wir den Krieg gewinnen und das Baumwollreich unserer Träume sich verwirklicht, auch dann haben wir verloren, denn dann sind wir ein anderes Volk geworden, und die alte ruhige Lebensweise ist aus dem Leben verschwunden. Vor unseren Türen wird die Welt nach unserer Baumwolle schreien, und wir können ihr den Preis vorschreiben. Dann, so fürchte ich, werden wir sein wie die Yankees, deren Geldgier und Krämergeist wir so verachten. Wenn wir aber verlieren, Melanie, wenn wir verlieren!

Ich fürchte mich vor keiner Gefahr und auch nicht vor dem Tode, wenn mir der Tod bestimmt ist. Was ich furchte, ist, daß nach diesem Kriege die alte Zeit nie wiederkommen wird. Ihr allein aber gehöre ich an. Ich gehöre nicht der irrsinnigen, mörderischen Gegenwart an und fürchte, ich passe auch in keinerlei Zukunft hinein, und wenn ich mir noch soviel Mühe gebe. Auch Du nicht, Liebes, denn Du und ich, wir sind eines Geblüts. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber so schön und beglückend wie die Vergangenheit kann sie nie werden. Da liege ich und schaue mir die jungen Männer an, die neben mir schlafen, und denke, ob wohl einem von ihnen ähnliche Gedanken kommen, und ob sie wohl wissen, daß sie für eine Sache kämpfen, die seit dem ersten Schuß schon verloren ist? Denn unsere Sache ist die Lebensform, die uns eigen ist, und mit der ist es schon vorbei. Aber ich glaube nicht, daß einem von ihnen solche Gedanken kommen. Wohl ihnen! Das alles habe ich nicht bedacht, als ich Dich um Deine Hand bat. Ich dachte, das Leben in Twelve 0aks müsse so schön und glücklich unwandelbar weitergehen, wie es bisher gegangen ist. Wir sind einander gleich, Melanie, wir haben dieselben stillen Dinge lieb, und ich sah eine lange Strecke ruhiger Jahre vor uns, in denen wir lesen, Musik hören und träumen dürften. Aber nicht dies sah ich voraus, dies nie im Leben! Ach, daß uns all dies zustoßen mußte, dieser Zusammenbruch, dieses blutige Gemetzel, der Haß! Nichts in der Welt wiegt das auf, weder die Rechte der Staaten, noch die Sklaven, noch die Baumwolle. Nichts wiegt das auf, was uns jetzt widerfährt und immer weiter widerfahren wird. Denn wenn die Yankees uns schlagen, so ist die Zukunft voll unerhörten Grauens, und, meine Liebe, es kann sehr wohl geschehen, daß sie uns schlagen.

Ich weiß wohl, ich sollte das nicht schreiben und nicht einmal denken. Aber Du fragst, was mir auf der Seele liegt, und es ist nichts anderes als die Furcht vor der Niederlage. Entsinnst Du Dich noch des Gartenfestes an dem Tage unserer Verlobung? Entsinnst Du Dich jenes Mannes, namens Butler aus Charleston, der durch seine Bemerkungen über die Ahnungslosigkeit der Südstaatler fast einen Streit hervorrief, und wie die Zwillinge ihn niederknallen wollten, weil er sagte, wir hätten keine Gießereien und Fabriken, keine Spinnereien und Schiffe, keine Waffenlager und Maschinenwerkstätten? Entsinnst Du Dich seiner Worte, die Flotte der Yankees könne uns so fest abriegeln, daß wir unsere Baumwolle nicht mehr verschiffen könnten? Er hatte recht. Wir kämpfen gegen die modernen Gewehre der Yankees mit Musketen aus dem Revolutionskrieg, und bald werden nicht einmal mehr Arzneien durch die Blockade gelangen. Wir hätten mehr auf solche Zyniker wie Butler hören sollen, die etwas wußten, anstatt auf unsere Staatsmänner, die nur fühlten und redeten. Seine Worte liefen darauf hinaus, daß der Süden einen Krieg führe und nichts weiter besäße als seine Baumwolle und seinen Hochmut. Unsere Baumwolle aber ist wertlos, und nur, was er unsern Hochmut nannte, ist uns geblieben. Ich aber nenne diesen Hochmut unvergleichlichen Mut.«

Scarlett las den Brief nicht zu Ende, sondern faltete ihn sorgsam zusammen und legte ihn in den Umschlag zurück. Er war ihr gar zu langweilig, und all das Gerede von Unglück und Niederlage war ihr zu traurig. Schließlich las sie doch nicht Ashleys Zeilen, um seine Hirngespinste und Grübeleien mitzumachen. Von ihnen hatte sie genug gehört, als er noch in Tara auf der Veranda gesessen hatte. Sie wollte nur wissen, ob er die Glut der Leidenschaft für seine Frau empfand. Bis jetzt schrieb er nichts davon. Bis jetzt hatte sie nichts gelesen, was nicht auch ein Bruder seiner Schwester hätte schreiben können. Liebevolle, ernste oder humoristische Briefe waren es, zuweilen im Ton belehrender Abhandlung gehalten. Aber Liebesbriefe waren es nicht. Scarlett hatte selbst schon zu viele glühende Liebesbriefe bekommen, als daß sie nicht den echten Ton der Leidenschaft hätte erkennen sollen. Hier fehlte er. Wie immer überkam sie auch dieses Mal ein Gefühl der Genugtuung. Sie war überzeugt, daß Ashley sie noch liebte. Sie fragte sich, wie denn Melanie immer noch nicht einsehen wolle, daß Ashley nur Freundschaft für sie hege. Aber Melanie vermißte offenbar nichts in diesen Briefen, hatte sie doch nie im Leben von einem anderen Manne Liebesbriefe erhalten, mit denen sie Ashleys hätte vergleichen können. Scarlett entsann sich mancher schöner Schilderung von Landschaften, Gefechten und Biwaks, wie Darcy Meade seinen Eltern oder Dallas McLure seinen altjüngferlichen Schwestern schrieb, und die mit Stolz in der Nachbarschaft überall herumgeschickt wurden. Scarlett hatte sich oft insgeheim geschämt, daß Melanie keine solchen Briefe von Ashley bekam, die sie in den Nähzirkeln zum besten geben konnte. Manchmal schrieb Ashley so, als ob er den Krieg ganz und gar vergessen habe, er schrieb von Büchern, die er mit Melanie gelesen hatte, von gemeinschaftlich gesungenen Liedern, von alten Freunden oder von 0rten, die er kennengelernt hatte. Immer waren sie von einem sehnsüchtigen Heimweh nach Twelve 0aks erfüllt, und manches kam Scarlett vor wie der Aufschrei einer gequälten Seele, die Dingen ins Gesicht sehen muß, welche über ihre Kraft gehen. Sie wurde nicht daraus klug: Wenn er sich vor Schmerz und Tod nicht fürchtete, vor was fürchtete er sich denn?

»Der Krieg bringt ihn aus seiner Ruhe«, überlegte sie, »und alles das mag er nicht, was ihn aus der Ruhe bringt, mich zum Beispiel ... Er liebte mich, aber er hatte Angst, mich zu heiraten, weil er fürchtete, ich würde Unruhe in sein Dasein bringen. Nein, Angst vor mir hatte er eigent lich nicht. Er ist kein Feigling. Er wird in Kriegsberichten erwähnt, und 0berst Sloan hat an Melanie geschrieben, wie tapfer er den Sturmangriff führte. Hat er sich einmal zu etwas entschlossen, so kann niemand tapferer sein als er, aber er lebt iii seinem Innern anstatt draußen in der Welt. Er haßt es, in die unruhige Welt hinaus zu müssen. Hätte ich aber dieses eine an ihm schon damals verstanden, ich weiß, er hätte mich geheiratet.«

Ihre Sehnsucht nach ihm hatte sich seit dem Tage, da sie sich zuerst in ihn verliebte, nicht geändert. Immer noch war die mädchenhafte Schwärmerei für den Mann, den die kindliche Seele nicht begreift, die Anbetung dessen, der alles hat, was sie nicht hat, in Scarlett lebendig. Immer noch war er der vollkommene Ritter aus den Träumen eines kleinen Mädchens, ein Traum, der nichts weiter heischte als die Gewährung der Liebe und nicht weiter ging als bis zum Kuß. Nachdem sie die Briefe gelesen hatte, wußte sie sicher, daß er sie, Scarlett, liebte, obwohl er Melanie geheiratet hatte, und mehr als diese Gewißheit begehrte sie kaum. So jung und unberührt war sie, trotz allem, immer noch. Wäre Charles mit seiner schüchternen Zärtlichkeit an die wirkliche Ader ihrer verborgenen Leidenschaft gestoßen, so würden ihre Träume von Ashley jetzt nicht bei einem Kusse enden. Aber die paar Mondnächte mit Charles hatten sie nicht zur Reife entwickelt. Bisher hatte Leidenschaft ihr nur als Dienst an einer unerklärlichen männlichen Verrücktheit, an der die Frau keinen Teil hat, gegolten, als ein schmerzlicher und peinlicher Vorgang, der unentrinnbar zu dem noch schmerzlicheren und peinvolleren Vorgang des Gebärens führte. Vor der Hochzeit hatte Ellen ihr angedeutet, die Ehe sei etwas, was die Frau mit Würde und Seelenstärke zu ertragen habe. Die ver stohlenen Bemerkungen anderer Frauen hatten ihr dies während ihrer Witwenschaft bestätigt. Scarlett war froh, Leidenschaft und Ehe hinter sich zu haben.

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