Kitabı oku: «Vom Winde verweht», sayfa 5

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»Das also sind Sie schon einen Monat schuldig, Sie junger Schurke!« fuhr er sie dann wohl an. »Warum, verdammt noch mal, sind Sie nicht eher zu mir gekommen?«

Sein Polterton war zu gut bekannt, als daß ihn jemand übelgenommen hätte. Die jungen Leute lächelten nur betreten und antworteten: »Ach, Mr. 0'Hara, es war mir peinlich, Ihnen damit zu kommen, und mein Vater ...«

»Ihr Vater ist unleugbar ein guter Mann, aber strenge. Darum nehmen Sie dies hier, und damit ist die Sache erledigt.«

Die Damen der Plantagenbesitzer kapitulierten zuletzt. Als aber Mrs. Wilkes, eine vornehme Dame mit einer ungewöhnlichen Gabe zu schweigen, wie Gerald sie schilderte, eines Abends, nachdem Geralds Pferd die Einfahrt hinausgetrappelt war, zu ihrem Manne sagte: »Er hat eine etwas rauhe Zunge, aber er ist ein Gentleman« - da war Gerald endgültig anerkannt. Daß er fast zehn Jahre dazu gebraucht hatte, ahnte er nicht. Von dem Augenblick an, da er Tara betreten, hatte er nie gezweifelt, daß er zur vornehmen Gesellschaft gehörte. Aber als er dreiundvierzig Jahre alt war, sehnig und strotzend von Gesundheit, daß er aussah wie ein Edelmann auf der Hetzjagd auf einem jener Farbstiche, wurde ihm klar, daß Tara, so lieb er es harte, und alle die Nachbarn mit ihren offenen Herzen und Häusern ihm nicht genügten. Er brauchte eine Frau.

Tara verlangte gebieterisch nach einer Hausfrau. Die dicke Köchin, eine Schwarze vom Feld, die nur, weil irgend jemand die Küche versorgen mußte, zur Köchin befördert war, brachte das Essen nie zur rechten Zeit auf den Tisch, und das Hausmädchen, eine frühere Pflückerin, ließ den Staub sich auf den Möbeln häufen und hatte nie reine Wäsche zur Hand, so daß jedesmal, wenn Gäste kamen, alles drunter und drüber ging. Pork, der einzige ausgebildete farbige Bedienstete auf Tara, hatte die allgemeine Aufsicht über die anderen Dienstboten, aber selbst er war im Zusammenleben mit Gerald allmählich nachlässig geworden. Er hielt Geralds Schlafzimmer in 0rdnung und servierte mit Würde bei Tisch, aber sonst ließ er so ziemlich alles gehen, wie es wollte.

Mit ihrem unfehlbaren afrikanischen Instinkt hatten die Farbige alle längst heraus, daß Gerald zu der Sorte von Hunden gehörte, die bellen und nicht beißen. Das nutzten sie schamlos aus. Fortwährend wurden zwar von Gerald schreckliche Drohungen, die Sklaven nach dem Süden zu verkaufen oder durchzupeitschen, ausgestoßen, aber noch nie war ein Sklave aus T ara verkauft worden, und gepeitscht wurde nur ein einziges Mal, weil Geralds Lieblingspferd nach einem langen Jagdtag nicht gepflegt worden war.

Gerald sah mit seinen scharfen blauen Augen, wie gut bei seinen Nachbarn der Haushalt aufgezogen war und wie die Frauen mit dem glatten Haar und den rauschenden Seidenkleidern ihre Dienstboten zu regieren verstanden. Er wußte nicht, wie gehetzt diese Frauen von Sonnenaufgang bis Mitternacht waren, wie angekettet an ihre Pflicht, Küche, Kinderzimmer, Nähstube und Waschraum unter steter Aufsicht zu halten. Er sah nur das äußere Ergebnis, und das machte ihm Eindruck.

Wie nötig er eine Frau hatte, wurde ihm eines Morgens klar, als er sich anzog, um zum Gerichtstag in die Stadt zu reiten. Pork hatte das gefältelte Hemd herausgesucht, aber es war von dem Mädchen so schlecht ausgebessert worden, das höchstens der Diener es noch tragen konnte.

»Master Gerald«, sagte Pork und rollte das geschenkte Hemd mit Danksagungen zusammen, während Gerald vor Zorn kochte, »was Sie brauken, sein eine Frau und eine dicke Menge farbige Bedienstete.«

Gerald schnauzte Pork wegen seiner Frechheit an, aber er wußte, daß er recht hatte. Eine Frau und Kinder wollte er haben, und wenn er sie sich nicht bald verschaffte, wurde es zu spät. Aber jede beliebige wollte er auch nicht heiraten, wie Mr. Calvert, der die Erzieherin seiner mutterlosen Kinder zur Frau genommen hatte. Seine Frau mußte eine Dame von Geblüt sein, mit so vornehmen Formen wie Mrs. Wilkes und der Fähigkeit, in Tara so gut zu wirtschaften wie Mrs. Wilkes auf Twelve 0aks.

Aber aus zwei Gründen war es schwierig, in die großen Familien der Provinz hineinzuheiraten. Erstens herrschte Mangel an heiratsfähigen Töchtern, und der zweite, noch schwerer wiegende Grund war, daß Gerald trotz seines fast zehnjährigen Aufenthaltes in der Gegend immer noch als Eindringling galt. Von seiner Familie wußte niemand etwas. Wenn auch die Gesellschaft in 0ber-Georgia sich nicht so unbedingt absonderte wie die Aristokraten der Küste, so wollte doch keine Familie ihre Tochter einem Manne geben, über dessen Großvater nichts bekannt war. Gerald wußte sehr wohl, daß trotz aller echten Zuneigung kaum einer der Herren, mit denen er jagte, trank und politisierte, ihn zum Schwiegersohn haben wollte. Deshalb kam er sich aber durchaus nicht etwa geringer als seine Nachbarn vor. Es gab überhaupt nichts, das je in ihm das Gefühl irgendeiner Unterlegenheit hätte erwecken können. Für ihn war es nichts weiter als ein wunderlicher alter Brauch im Lande, daß die Töchter nur in Familien hineinheiraten durften, die länger als zwei Jahrzehnte in den Südstaaten gelebt hatten, Land und Sklaven besaßen und in all der Zeit keinen anderen als den gesellschaftlich anerkannten Lastern ergeben gewesen waren.

»Pack ein, wir gehen nach Savannah«, sagte er zu Pork, »und wenn ich noch einmal >Halt's Maul< oder >Donnerkeil< von dir höre, dann verkaufe ich dich, denn solche Worte nehme selbst ich nur selten in den Mund.«

Vielleicht wußten James und Andrew Rat. Sie hörten sich die Geschichte geduldig an, machten ihm aber wenig Hoffnung. Sie hatten keine Verwandten in Savannah, die ihnen behilflich sein könnten, denn sie waren beide schon als verheiratete Leute nach Amerika gekommen. Die Töchter ihrer alten Freunde aber waren längst Ehefrauen und hatten Hausstand und Kinder.

»Du bist kein reicher Mann, und du stammst nicht aus einer großen Familie«, sagte James.

»Ich habe mein Geld gemacht, da wird es mir auch mit der großen Familie gelingen. Ich heirate nicht die erste beste.«

»Viel Glück«, bemerkte Andrew trocken.

Doch sie taten für Gerald, was sie konnten. James und Andrew waren alt und angesehen in Savannah. Sie hatten viele Freunde, und einen Monat lang schleppten sie Gerald von Haus zu Haus, zum Abendessen, zum Ball, zum Picknick.

»Nur eine einzige kommt in Frage«, sagte Gerald schließlich. »Und sie war noch nicht einmal geboren, als ich hier an Land ging.«

»Und auf wen hast du dein Auge geworfen?«

»Auf Miß Ellen Robillard.« Gerald versuchte, dies recht obenhin auszusprechen, denn Ellen Robillards ein klein wenig schräggeschnittene Augen hatten weit mehr als nur seine Blicke gefesselt. Trotz ihrer rätselhaft teilnahmslosen Art, die an einem fünfzehnjährigen Mädchen so seltsam anmutete, zog sie ihn in ihren Bann. Außerdem hatte sie etwas Verzweifeltes an sich, das ihm tief zu Herzen ging und ihn nicht losließ, so daß er sich weit sanfter und gesitteter gegen sie benahm als gegen irgendeinen andern Menschen auf der Welt.

»Du bist ja alt genug, ihr Vater zu sein!«

»Ich bin in meinen besten Jahren!« Gerald war gekränkt.

»Jerry, auf kein Mädchen in Savannah kannst du weniger rechnen als auf sie. Ihr Vater ist ein Robillard, und diese Franzosen sind stolz wie die Spanier. Ihre Mutter - Gott hab sie selig - war eine sehr vornehme Dame.«

»Was schert das mich?« Gerald wurde hitzig. »Übrigens ist die Dame tot, und der alte Robillard hat mich gern.«

»Als Mann wohl, aber als Schwiegersohn nicht.«

»Das Mädchen nimmt dich doch nicht«, warf Andrew ein. »Sie ist seit einem Jahr verliebt in ihren Vetter Philippe Robillard, einen tollen Draufgänger, obwohl ihre Familie ihr Tag und Nacht in den 0hren liegt, sie solle ihn laufen lassen.«

»Diesen Monat ist er nach Louisiana abgereist«, sagte Gerald. »Woher weißt du das?«

Gerald hatte keine Lust, ihnen anzuvertrauen, daß er diese unschätzbare Auskunft Pork verdankte, und auch nicht, daß Philippe auf den ausdrücklichen Wunsch der Familie in den Westen gefahren war.

»Sie wird schon nicht so verliebt sein, daß sie ihn nicht vergessen könnte. Mit fünfzehn weiß man noch nicht viel von Liebe.«

»Die Eltern werden den tollköpfigen Vetter immer noch lieber nehmen als dich.«

Aber James und Andrew waren sprachlos, als die Nachricht kam, daß Pierre Robillards Tochter den kleinen Iren aus dem 0berland heiraten wollte. In Savannah zerbrach man sich den Kopf über Philippes Reise nach dem Westen, aber die Klatschmäuler brachten nichts heraus. Warum Robillards reizendste Tochter einen geräuschvollen kleinen Mann mit rotem Gesicht heiraten sollte, der ihr kaum bis an die 0hren reichte, blieb ihnen allen ein Rätsel. Gerald wurde sich selbst nie recht klar darüber, wie alles gekommen war. Ihm war ein Wunder geschehen, und deshalb war er dieses eine Mal in seinem Leben aus ganzem Herzensgrund demütig, als die sehr blasse, aber ganz ruhige Ellen ihm ihre leichte Hand auf den Arm legte und sagte: »Ich will Sie heiraten, Mr. 0'Hara.«

Die Robillards, die wie vom Blitz getroffen waren, konnten wohl einiges ahnen. Nur Ellen und ihre Mammy kannten die ganze Geschichte jener Nacht, da das Mädchen herzzerreißend wie ein Kind bis Tagesanbruch geschluchzt hatte und am Morgen als entschlossene Frau wieder aufgestanden war. Mit bangen Ahnungen hatte Mammy ihrer jungen Herrin ein kleines Paket aus New 0rleans mit einer Anschrift von fremder Hand überbracht. Es enthielt ein Miniaturbildnis von Ellen - sie warf es mit einem Aufschrei zu Boden -, vier Briefe von ihrer eigenen Hand an Philippe Robillard und die kurze Mitteilung eines Priesters aus New 0rleans, der ihr den Tod ihres Vetters bei einer Schlägerei in einer Bar anzeigte.

»Sie haben ihn vertrieben. Vater, Pauline und Eulalia. Sie trieben ihn fort! Ich hasse sie alle, alle! Ich will sie nie wiedersehen! Weg will ich, weg und keinen von ihnen wiedersehen, weder die Stadt noch irgend etwas, was mich an ihn erinnert.«

Als die Nacht fast vorüber war, hatte Mammy, die sich über den Kummer ihrer Herrin selbst die Augen ausgeweint hatte, Einspruch erhoben: »Aber Liebling, das kannst du nicht.«

»Das will ich aber. Mr. 0'Hara ist ein guter Mann. Ich tue es, oder i ch gehe nach Charleston ins Kloster.«

Die Drohung mit dem Kloster gewann schließlich die Zustimmung des ganz verstörten, tiefgetroffenen Pierre Robillard. Er war strenger Presbyterianer, trotz seiner katholischen Familie, und der Gedanke, seine Tochter könnte Nonne werden, war ihm schrecklicher als die Heirat mit Gerald 0'Hara. Schließlich war ja gegen den Mann nichts weiter einzuwenden, als daß er nicht aus bester Familie stammte.

So kam es, daß Ellen Savannah den Rücken kehrte, um es niemals wiederzusehen, und mit ihrem nicht mehr jungen Mann, mit Mammy und zwanzig bediensteten Farbigen nach Tara reiste.

Im nächsten Jahr wurde das erste Kind geboren. Sie nannten es Katie Scarlett nach Geralds Mutter. Gerald war enttäuscht, weil er sich einen Sohn gewünscht hatte, aber er freute sich dann doch so sehr über die kleine schwarzhaarige Tochter, daß er jedem Sklaven auf Tara Rum ausschenken ließ und sich selbst einen tosenden, seligen Rausch antrank.

Wenn Ellen ihren jähen Entschluß je bedauerte, so bekam es jedenfalls niemand zu wissen, am allerwenigsten Gerald, der vor Stolz schier bersten wollte, sooft er sie ansah. Ellen hatte Savannah und seine Erinnerungen hinter sich gelassen, und von dem Augenblick ihrer Ankunft auf Tara an wurde Nordgeorgia ihre Heimat.

Ihr Vaterhaus, das sie auf immer verlassen hatte, war in seinen Umrissen schön und fließend wie ein Frauenleib oder wie ein Schiff mit vollen Segeln gewesen: ein blaßrosa Stuckhaus im französischen Kolonialstil, das zierlich vom Boden aufragte, mit geschwungenen Treppen und spitzenzarten Geländern; ein dämmeriges, üppiges Haus, freundlich und unnahbar. Mit ihm zugleich hatte sie die ganze Kultur zurückgelassen, die dort beheimatet war, und sie fand sich in einer so fremden Welt wieder, als hätte sie einen ganzenErdteil durchquert.

Nordgeorgia war ein rauhes Land, bewohnt von einem wetterharten Volk. Auf der Hochebene, am Fuß der Blue Ridge Mountains, wogten die rötlichen Hügel, so weit das Auge reichte. Riesige Blöcke des granitenen Kerns traten überall daraus hervor, von hageren Pechkiefern überragt. Für ihr Auge war das alles wild und unbändig. Es war die Küste gewohnt, die ruhige Urwaldschönheit der Inseln mit ihrer Hülle von weichem Moos und wucherndem Grün, den weißen Strand unter der tropischen Sonne, den weiten Blick über das flache, sandige Land mit seinen hohen zierlichen Palmen.

Hier aber war eine Gegend, die Winterfrost und Sommerhitze kannte, und die Kraft und Tüchtigkeit der Bewohner waren ihr fremd. Freundliche Leute waren es, großherzig und von guter Laune, aber derb und aufbrausend. Die Küstenbewohner konnten sich wohl rühmen, all ihre Angelegenheiten, bis zu ihren Fehden und Duellen, mit lächelnder Anmut zu betreiben; die Leute von Nordgeorgia hatten einen Schuß Gewalttätigkeit im Blut. An der Küste schien das Leben vom Alter gereift. Hier war alles jung, lustig, frisch und rauh. Die Leute von Savannah waren alle aus gleichem Guß, gleich nach Anschauung und Herkommen, während es hier ein buntes Gemisch von Typen gab. Aus den verschiedensten Gegend en waren die Leute nach Nordgeorgia gekommen, aus anderen Teilen der Provinz, aus den beiden Carolinas und Virginia, aus Europa und vom Norden her. Einige davon waren, wie Gerald, von unverbrauchtem Blut, das hier sein Glück suchte, einige, wie Ellen, Kinder alter Geschlechter, die im Vaterhaus das Leben unerträglich gefunden und in der Ferne eine Zuflucht gesucht hatten. Viele waren ohne jeden Grund eingewandert, das rastlose Blut ihrer Väter, der Pioniere in der Wildnis, das in ihren Adern nicht ruhen wollte, hatte sie hergetrieben.

All dies Volk, das hier zusammengeströmt war, gab dem ganzen Leben eine Formlosigkeit, die Ellen neu war und an die sie sich nie ganz gewöhnen konnte. Wie die Leute von der Küste jeweilig handeln würden, wußte sie aus Instinkt; wie aber einer von Nordgeorgia sich verhalten würde, war nie vorauszusagen.

Alles in dieser Gegend wurde durch die Flut des Gedeihens, die damals über den Süden kam, belebt. Die ganze Welt verlangte nach Baumwolle, und der jungfräuliche Boden der Provinz, unverbraucht und fruchtbar, wie er war, brachte sie üppig hervor. Baumwolle war das Herzblut des Landes, Baumwollaussaat und Baumwollernte der Pulsschlag der roten Erde. Aus den gekrümmten Furchen wuchsen Reichtum und Hochmut. Wenn Baumwolle schon in der ersten Generation so reich machte, wieviel reicher mußte erst die nächste werden! Die Gewißheit über den morgigen Tag gab dem Leben einen prickelnden, hohen Schwung, und die Leute genossen es so herzhaft, wie Ellen es nie begreifen konnte. Sie hatten Geld und Sklaven in Hülle und Fülle und damit Zeit genug zum Spiel, und spielen taten sie gern. Nie waren sie zu beschäftigt, um nicht um eines Jagdreitens oder eines Pferderennens willen die Arbeit liegenzulassen, und kaum eine Woche verging ohne Gartenfest und Tanz.

Ellen wollte oder konnte nie eine der Ihren werden, dazu hatte sie zuviel von sich selbst in Savannah zurückgelassen; aber sie hatte Achtung vor ihnen und lernte mit der Zeit das offene, gerade Wesen dieser Leute bewundern, die wenig Hemmungen hatten und den Mann danach einschätzten, was er wirklich war. Sie wurde die beliebteste Nachbarin in der Provinz, sie war eine gute und tüchtige Hausfrau, eine vorzügliche Mutter, eine hingebende Gattin. Die Selbstlosigkeit eines gebrochenen Herzens, das sie der Kirche hatte weihen wollen, widmete sie nun dem Dienst ihres Haushalts und dem Manne, der sie ihren Erinnerungen entrissen und der ihr nie eine Frage gestellt hatte.

Als Scarlett ein Jahr alt und so kräftig und gesund war, wie es einem so kleinen Mädchen nach Mammys Ansicht eigentlich kaum zukam, gebar Ellen ihr zweites Kind, Susan-Ellinor getauft, doch allezeit Suellen genannt, und nach einiger Zeit erschien Carreen, die unter dem Namen Caroline - Irene in die Familienbibel eingetragen wurde. Dann kamen drei kleine Jungen, die alle drei starben, ehe sie laufen gelernt hatten, und nun unter den knorrigen Zedern, hundert Schritt vom Hause entfernt, auf dem Friedhof lagen, unter drei Steinen, deren jeder die Aufschrift »Gerald 0'Hara jun.« trug.

Von dem Tage an, da Ellen auf Tara einzog, verwandelte es sich. Mit ihren fünfzehn Jahren war sie bereit und imstande, die Verantwortung einer Plantagenherrin auf sich zu nehmen. Vor der Heirat mußten junge Mädchen vor allen Dingen anmutig, schön und lieb, eine Zierde sein; nach der Heirat sollten sie plötzlich einen Haushalt führen können, der hundert Köpfe und darüber zählte, weiße und schwarze. Für diese Aufgaben wurden sie erzogen. Ellen hatte die Vorbereitung auf die Ehe bekommen, wie jede wohlerzogene junge Dame sie erhielt, und obendrein hatte sie Mammy zur Seite, die dem tolpatschigsten Farbige Anstand beizubringen wußte. Sie brachte rasch 0rdnung, Würde und Anmut in Geralds Haushalt und machte Tara so schön wie nie zuvor.

Das Haus war ohne jeden Bauplan errichtet, neue Räume waren angebaut worden, wann und wo es bequem war, aber unter Ellens aufmerksamer Fürsorge gewann es einen Reiz, der für seine Planlosigkeit entschädigte. Die Zedernallee, die von der Hauptstraße nach dem Hause führte und bei keinem Heim eines georgianischen Pflanzers fehlen durfte, erhöhte mit ihrem kühlen, dunklen Schatten die freundliche Wirkung anderen Grüns.

Die Glyzinien, die von den Veranden herabflossen, hoben sich farbig von dem weißen Putz ab und vereinten sich mit dem rosa Krepp der Myrtensträucher neben der Haustür und dem weißen Blütenmeer der Magnolien auf dem Parkrasen, um die ungeschickten Linien im Umriß des Hauses auf das schönste zu verkleiden.

Im Frühling und Sommer bekamen das Bermudagras und der Klee auf dem Rasen einen so berückenden Smaragdschimmer, daß die Truthühner und weißen Gänse, die eigentlich hinter dem Hause bleiben sollten, unwiderstehlich davon angelockt wurden. Unentwegt fühlten sich die Anführer des Geflügels verstohlen nach vorn vor. Das grüne Gras, die schmackhaften Verheißungen der Jasminknospen und Zinnienbeete verführten sie immer aufs neue. Vor der Haustür stand ein farbige Junge Schildwache, um ihren Plünderungen Einhalt zu tun. Der Kleine, der mit einem zerfetzten Handtuch bewaffnet auf den Stufen saß, gehörte mit zu dem Bild von Tara. Die Waffe war reichlich unwirksam, denn es war ihm verboten, damit nach dem Hühnervolk zu schlagen; er durfte nur mit dem Tuch wedeln und die Hühner wegscheuchen. Ellen betraute Dutzende von kleinen Schwarzen mit dieser Aufgabe, der ersten verantwortlichen Stellung eines Sklaven auf Tara. Nach Vollendung ihres zehnten Jahres wurden sie zu dem alten Väterchen, dem Plantagenschuster, in die Lehre geschickt, oder zu Amos, dem Stellmacher und Zimmermann, oder zu dem Kuhhirte n Philippe, oder zu dem Maultierpfleger Cuffee. Wenn sie für keins dieser Gewerbe Begabung zeigten, so wurden sie Ackerknechte und hatten damit nach Auffassung der ein für allemal jeden Anspruch auf eine gehobene Stellung verloren.

Ellens Leben war weder leicht, noch war es glücklich. Mühelosigkeit erwartete sie vom Leben nicht, und daß ihm das Glück fehlte, war Frauenlos. Die Welt gehörte dem Mann, und so nahm sie sie hin. Dem Mann gehörte der Besitz, die Frau hatte ihn zu verwalten. Waren Haus und Plantage gut aufgezogen, so hatte der Mann die Ehre, und die Frau lobte seine Geschicklichkeit. Der Mann brüllte wie ein Stier, wenn er einen Splitter im Finger hatte, und die Frau erstickte jedes Stöhnen bei der Geburt, damit es ihn nicht störe. Die Männer waren grob in ihren Worten und oftmals bezecht. Die Frauen überhörten anstößiges Reden und brachten die Trunkenbolde ohne ein Wort der Bitterkeit zu Bett. Die Männer sagten barsch und unverblümt ihre Meinung, die Frauen waren immer freundlich, gütig und verzeihend. Ellen war in den Traditionen vornehmer Damen erzogen worden, die sie gelehrt hatten, ihre Last zu tragen, ohne von ihrem persönlichen Zauber etwas einzubüßen, und sie wollte auch ihre drei Töchter zu vornehmen Damen machen. Mit den jüngeren gelang es ihr; Suellen war so darauf aus, zu gefallen, daß sie aufmerksam und willig auf die Lehren ihrer Mutter hörte, und Carreen war schüchtern und leicht zu lenken. Aber Scarlett, ganz Geralds Kind, fand den Weg zur vollendeten Dame nur ganz mühselig.

Zu Mammys Entrüstung waren ihre liebsten Spielkameraden nicht ihre artigen Schwestern oder die wohlerzogenen Wilkesschen Mädchen, sondern die farbigen Kinder auf der Plantage und die Jungens aus der Nachbarschaft. Auf Bäume klettern und mit Steinen werfen konnte sie so gut wie der Beste unter ihnen. Mammy war ganz verstört darüber, daß Ellens Tochter sich so entfaltete, und beschwor sie häufig, »sich wie eine kleine Dame zu benehmen«. Aber Ellen betrachtete die Sachlage mit duldsamerem Auge, mehr auf lange Sicht. Sie wußte, daß aus Spielkameraden einstmals Verehrer wurden, und die erste Pflicht eines Mädchens war, zu heiraten. Sie sagte sich, daß dies alles nur die überschäumende Lebensfülle des Kindes sei und daß es immer noch Zeit sein würde, Scarlett die Künste der Anmut und des Liebreizes zu lehren.

Zu diesem Zweck vereinten Ellen und Mammy ihre Bemühungen, und als Scarlett heranwuchs, wurde sie eine gelehrige Schülerin. Viel mehr lernte sie freilich auch nicht. Trotz einer ganzen Reihe von Erzieherinnen und einem zweijährigen Aufenthalt in der nahe gelegenen Töchterschule zu Fayetteville blieb ihre Bildung höchst lückenhaft, aber kein Mädchen aus der Provinz tanzte besser als sie. Sie verstand zu lächeln, daß die Grübchen spielten, auf leichten Füßen zu gehen, daß die weiten Krinolinenröcke einladend um sie her flogen, dem Mann ins Auge zu sehen und sofort den Blick niederzuschlagen, als bebte sie in süßer Erregung. Vor allem lernte sie, ihren scharfen Verstand vor den Männern hinter einem Gesicht zu verbergen, das so sanft und harmlos dreinschauen konnte wie das eines kleinen Kindes. Ellen und Mammy mühten sich beide ab, ihr die Eigenschaften einzuimpfen, die aus ihr eine wahrhaft begehrenswerte Gattin machen sollten, Ellen mit sanften Ermahnungen, Mammy mit beständigem Tade l.

»Du mußt stiller sein, Liebling, und gesetzter«, sagte Ellen zu ihrer Tochter. »Du darfst die Herren nicht unterbrechen, wenn sie sprechen, und wenn du es zehnmal besser weißt als sie. Ein vorlautes Mädchen mögen die Männer nicht.«

»Eine kleine Dame, die die Stirn runzelt und das Kinn auf wirft und sagt >ich will< und >ich will nicht<, kriegt keinen Mann ab«, prophezeite Mammy düster, »so eine kleine Dame soll die Augen niederschlagen und sagen >gewiß doch< und >Sie haben ganz recht<.«

So gut sie vermochten, lehrten sie sie alles, was eine Dame wissen sollte; Scarlett aber begriff nur den äußeren Schein. Die Herzensanmut, aus der die äußere Form wachsen sollte, lernte sie nie und sah auch keinen Grund ein, sie zu lernen. Der äußere Schein genügte, die damenhaften Formen machten sie beliebt, und mehr verlangte sie nicht. Gerald prahlte damit, daß sie in fünf Provinzen die gefeiertste Schönheit sei, und nicht mit Unrecht. Fast alle jungen Männer aus der Nachbarschaft und viele von weither, aus Atlanta und Savannah, hatten ihr Heiratsanträge gemacht. Mit sechzehn Jahren sah sie, dank Mammy und Ellen, liebreizend und fügsam aus, in Wirklichkeit aber war sie eigensinnig und eitel. Sie hatte die leichterregbare Leidenschaftlichkeit ihres Vaters, aber von dem selbstlosen, duldsamen Wesen ihrer Mutter nur eine dünne Politur. Das wurde Ellen nie ganz bewußt, denn vor ihrer Mutter zeigte sie sich stets von der besten Seite, verbarg ihre Sprunghaftigkeit, unterdrückte ihren Zorn und war so sanft, wie sie nur konnte, denn ein vorwurfsvoller Blick der Mutter konnte sie bis zu Tränen beschämen.

Mammy hingegen gab sich keinen Täuschungen über sie hin und lag beständig auf der Lauer, sie zu durchschauen. Mammy hatte ein schärferes Auge als Ellen, und Scarlett konnte sich ihr Leben lang nicht erinnern, die alte Amme je auf die Dauer hinters Licht geführt zu haben.

Nicht daß die beiden liebevollen Erzieherinnen Scarletts rasches Blut, ihre Lebhaftigkeit und ihre Reize beklagt hätten. Auf solche Züge waren die Frauen in den Südstaaten stolz. Was ihnen Sorge machte, war das von Gerald ererbte halsstarrige, ungestüme Wesen, und zuweilen fürchteten sie, es möge mißlingen, diese verhängnisvollen Eigenschaften zu vertuschen, bis sie eine gute Partie gemacht hatte. Aber Scarlett wollte heiraten, Ashley heiraten, und sie trug geduldig die Maske scheinbarer Sittsamkeit und liebenswürdiger Gedankenlosigkeit, weil nun einmal nur diese Mittel bei den Männern ihre Wirkung taten. Darüber nachzudenken, warum das so war, reizte sie nie; sie hatte keine Ahnung, wie es in der Menschenbrust zugeht, auch nicht in der eigenen. Sie wußte nur eines: wenn sie dies und jenes tat und sagte, antworteten die Männer unfehlbar mit dieser und jener Schmeichelei. Es war nicht schwieriger als eine mathematische Formel. Mathematik war das einzige, was Scarlett in der Schule leichtgefallen war.

Noch weniger als vom Innenleben des Mannes wußte sie von dem der Frau, denn Frauen interessierten sie nicht. Eine Freundin hatte sie nie gehabt und nie entbehrt. Alle Frauen, auch ihre beiden Schwestern, waren ihre natürlichen Feinde, weil sie dieselbe Beute verfolgten ... den Mann. Alle Frauen, mit einer einzigen Ausnahme: ihre Mutter!

Ellen 0'Hara war anders. Scarlett betrachtete sie wie etwas Heiliges, das über allen anderen Menschen steht. Als Kind hatte sie ihre Mutter mit der Jungfrau Maria verwechselt, und als sie älter wurde, sah sie nicht ein, warum sie ihre Ansicht ändern sollte. Ellen war für sie der Inbegriff der vollkommenen Ruhe, wie nur der Himmel oder eben eine Mutter sie geben kann. Ihre Mutter war die verkörperte Gerechtigkeit, Wahrheit, zärtliche Liebe und tiefe Weisheit - und sie war eine vornehme Dame.

Scarlett wollte von Herzen gern so werden wie ihre Mutter; nur gab es da eine Schwierigkeit: wer gerecht und wahrhaftig, liebevoll und selbstlos war, dem entgingen die meisten Freuden des Lebens und vor allem viele Verehrer. Das Leben aber war zu kurz, als daß man so erfreuliche Dinge versäumen durfte. Später einmal, wenn sie erst Ashleys Frau und älter war, später, wenn sie für so etwas Zeit hatte, wollte sie so sein wie Ellen. Bis dahin ...

An diesem Abend vertrat Scarlett ihre Mutter bei der Mahlzeit. Aber in ihrem Gemüt gärte noch immer das Schreckliche, das sie über Ashley und Melanie gehört hatte. Sie sehnte sich voller Verzweiflung danach, daß ihre Mutter von Slatterys zurückkehren möge; ohne sie fühlte sie sich einsam und verlassen. Welches Recht hatten Slatterys mit ihren ewigen Krankheiten, Ellen gerade heute zu beanspruchen, wo doch sie, Scarlett, ihrer so dringend bedurfte!

Während des trübseligen Mahles schlug ihr Geralds dröhnende Stimme schmerzhaft ans 0hr, bis sie meinte, es nicht länger aushallen zu können. Er hatte sein Gespräch mit ihr schon wieder vollständig vergessen und hielt jetzt einen Vortrag über die neuesten Nachrichten aus Fort Sumter, wobei er hin und wieder bekräftigend mit der Faust auf den Tisch schlug und mit den Armen durch die Luft fuchtelte. Er hatte sich zur Gewohnheit gemacht, bei Tisch die Unterhaltung zu beherrschen, und meistens saß Scarlett in ihre eigenen Gedanken versunken dabei und vernahm kaum ein Wort. Aber heute konnte sie sich nicht gegen seine Stimme abschließen, so angestrengt sie auch nach dem Knarren der Wagenräder aushorchte, das Ell ens Rückkehr anzeigen mußte. Natürlich hatte sie nicht die Absicht, ihrer Mutter zu erzählen, was ihr so schwer auf dem Herzen lag. Es hätte Ellen nur befremdet und bekümmert, zu erfahren, daß ihre Tochter einen Mann begehrte, der mit einem anderen Mädchen verlobt war. Aber im Abgrund dieser ersten Tragödie, die ihr widerfuhr, hätte ihr die tröstliche Gegenwart der Mutter schon viel bedeutet. Sie fühlte sich immer geborgen, wenn Ellen bei ihr war; nichts konnte so arg sein, daß Ellen es nicht durch ihre b loße Gegenwartgelindert hätte.

Sie fuhr unvermutet von ihrem Stuhl empor, als sie Räder über die Auffahrt knirschen hörte, und sank wieder zurück, als sie um das Haus herum weiterfuhren bis in den hinteren Hof. Ellen konnte es nicht sein, denn sie wäre gleich bei der vorderen Eingangstreppe ausgestiegen. Dann klang aufgeregtes Geplapper von den Stimmen der Farbigen und schrilles Lachen von draußen herein. Durch das Fenster erblickte Scarlett Pork. Er hielt einen brennenden Kiefernscheit hoch, in dessen Licht man undeutliche Gestalten vom Leiterwagen klettern sah. In der dunklen Nachtluft schwoll das Gelächter und Geschwätze an: anheimelnde, sorglose Stimmen, sanfte Kehllaute und helle Fisteltöne. Dann kamen Schritte die Hintertreppe herauf und weiter durch den Flur, der zum Haupthause führte. In der Halle vor dem Speisezimmer blieben sie stehen, ein kurzes Geflüster, und Pork trat ein, seiner üblichen Würden vollständig bar, mit rollenden Augen und gleißenden Zähnen.

»Master Gerald«, meldete er keuchend; sein Gesicht strahlte vor Bräutigamsstolz. »Die neue Frau sein da.«

»Neue Frau? Ich habe keine neue Frau gekauft«, erklärte Gerald und heuchelte ein äußerst erstauntes Gesicht.

»Doch, doch! Master Gerald, sie sein hier draußen und mögen Sie sprechen!« Pork grinste und rang vor lauter Aufregung die Hände.

»Nun also, bring die Braut herein«, sagte Gerald.

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