Kitabı oku: «Vom Winde verweht», sayfa 4
»Sie kriegt überhaupt keine Ruhe, weil sie jede Nacht aufspringt, um nach den Farbigen und dem weißen Pack zu sehen, das lieber für sich selber aufpassen soll«, brummte Mammy eintönig, als sie die Stufen zu dem Wagen, der auf demSeitenwege hielt, hinabschritt.
»Setz dich bei Tisch auf meinen Platz, Liebes«, sagte Ellen und streichelte Scarlett mit ihrer behandschuhten Hand leise die Wange.
Trotz der Tränen, an denen sie noch schluckte, spürte Scarlett bis ins Innerste den nie versagenden Zauber der mütterlichen Liebkosung und zugleich den feinen Duft von Zitrone und Verbene, der Ellens rauschendem Seidenkleid entströmte. Für Scarlett hatte Ellen 0'Hara etwas förmlich Atemberaubendes, wie ein Wunder, das mit ihnen im Hause lebte, das sie entzückte, beruhigte und in seinem Bann hielt.
Gerald half seiner Frau in den Wagen und sagte dem Kutscher, er möge behutsam fahren. Toby, der schon zwanzig Jahre mit Geralds Pferden umgegangen war, stülpte in stummer Entrüstung über diese Ermahnung die Lippen vor, und so fuhr er mit Mammy an seiner Seite davon, ein Doppelbild der grollenden Mißbilligung Afrikas.
»Wenn ich nicht so viel für dies Slattery-Gesindel umsonst täte, wofür sie anderswo bezahlen müßten«, brummte Gerald, »so würden sie mir ihre elenden paar Morgen Sumpfland verkaufen müssen, und man wäre sie los!«
Dann strahlte er auf einmal im Vorgefühl eines Schabernacks, den er seinem Diener antun wollte, über das ganze Gesicht. »Komm, Mädchen, wir wollen Pork weismachen, ich hätte ihn an John Wilkes verkauft, anstatt Dilcey für mich zu kaufen!«
Er warf den Zügel seines Pferdes einem kleinen farbigen Jungen zu, der dabeistand, und ging die Stufen hinauf. Scarletts Kummer hatte er ganz vergessen, so freute er sich darauf, seinen Diener zum besten zu haben. Scarlett folgte ihm bleiernen Fußes. Schließlich, meinte sie, könnte eine Ehe zwischen ihr und Ashley doch nicht wunderlicher sein als die zwischen ihrem Vater und Ellen Robillard. Wie immer wunderte sie sich darüber, daß es ihr geräuschvoller, rauhbeiniger Vater fertiggebracht hatte, eine Frau wie ihre Mutter zu heiraten. Eine Kluft wie zwischen diesen beiden, nach Geburt, Erziehung und geistiger Haltung, gab es nicht leicht wieder.
Ellen 0'Hara war zweiunddreißig Jahre alt, nach dem Maßstab ihrer Zeit eine Frau mittleren Alters, eine Frau, die sechs Kinder geboren und drei begraben hatte. Sie war eine hochgewachsene Erscheinung, einen Kopf größer als ihr feuriger kleiner Gatte, aber sie bewegte sich in den wiegenden
Hüften mit so ruhiger Anmut, daß ihre Größe gar nicht auffiel. Der elfenbeinfarbene, wohlgerundete schlanke Hals erhob sich aus der schwarzen Tafthülle ihres enganliegenden Kleides, von der Fülle des üppigen Haars, das ein Netz am Hinterkopf zusammenhielt, scheinbar sacht nach hinten gezogen. Von ihrer französischen Mutter, deren Eltern in der Revolution von 1791 aus Haiti geflohen waren, hatte sie die schräggeschnittenen dunklen Augen, die tintenschwarzen Wimpern, die sie überschatteten, und das dunkle Haar; von ihrem Vater, einem Soldaten Napoleons, die lange gerade Nase und das eckig geschnittene Untergesicht, dessen Strenge durch die sanfte Rundung der Wangen gemildert wurde. Aber das Leben selbst hatte Ellens Gesicht seinen Ausdruck verliehen, jenen Ausdruck von Stolz, dem doch jeder Hochmut fremd war, von Güte, Melancholie und völliger Beherrschtheit.
Sie hätte eine auffallend schöne Frau sein können, wäre in ihren Augen nur ein Fünkchen Glut gewesen; ein wenig entgegenkommende Wärme in ihrem Lächeln, ein Unterton von Natürlichkeit in der Stimme, die als sanfte Melodie ihren Angehörigen und ihren Bediensteten ans 0hr schlug.
Sie sprach in der weichen, undeutlichen Mundart der georgianischen Küste, mit klingenden Vokalen, leichten Konsonanten und einer Spur von französischem Akzent. Nie hob sich die Stimme zum Befehl an einen Diener, zum Verweis an ein Kind, aber ihr wurde in Tara aufs Wort gehorcht, während das Poltern und Stürmen des Gatten stillschweigend überhört wurde.
Für Scarlett war ihre Mutter seit unvordenklichen Zeiten stets sich selber gleich. Ihre Stimme war ebenmäßig sanft und süß, ob sie lobte oder tadelte, ihre Art und Weise immer gleichmäßig und bestimmt, trotz der täglichen Anforderungen, die Geralds bewegter Haushalt mit sich brachte, der Geist immer ruhig und der Rücken ungebeugt, sogar als die kleinen Söhne starben. Scarlett hatte nie gesehen, daß der Rücken ihrer Mutter eine Stuhllehne berührt hätte. Nie hatte sie gesehen, daß sie sich ohne eine Näharbeit niedersetzte, es sei denn zum Essen, zur Krankenpflege oder zur Buchführung für die Plantage. Wenn Besuch da war, arbeitete sie an feinen Stickereien, sonst waren ihre Hände mit Geralds fein gefältelten Hemden, mit der Garderobe ihrer Töchter oder den Kleidungsstücken für die Sklaven beschäftigt. 0hne goldenen Fingerhut konnte Scarlett sie sich gar nicht vorstellen, ebensowenig wie sie sich von der Seite der seidenraschelnden mütterlichen Gestalt das kleine farbige Mädchen wegdenken konnte, dessen einziges Amt im Leben war, die Heftfäden aufzulesen und der Herrin den Nähkasten aus Rosenholz von Stube zu Stube nachzutragen, wenn sie durchs Haus ging, um die Küche, das Reinmachen und die große Schneiderei für den Bedarf der Plantage zu überwachen.
Nie hatte sie ihre Mutter aus ihrer strengen Gelassenheit heraustreten sehen, nie ihre Kleidung anders als untadelig erblickt, einerlei zu welcher Tagesoder Nachtstunde. Wenn Ellen sich zum Ball, für Gäste oder auch nur für einen Gerichtstag in Jonesboro anzog, brauchte sie für gewöhnlich zwei Stunden, zwei Kammerjungfern und Mammy dazu, bis sie mit ihrer Erscheinung zufrieden war. Dagegen war es ganz erstaunlich, wie geschwind sie sich im Notfall zurechtmachen konnte.
Scarletts Zimmer war von dem ihrer Mutter nur durch die Halle getrennt, und sie kannte von frühester Jugend an das leise Geräusch, mit dem in der Morgendämmerung nackte schwarze Füße über das Hartholz des Fußbodens huschten, das dringende Klopfen an ihrer Mutter Tür und die gedämpften, angstvollen Stimmen der Farbigen, die von Krankheit, Geburt und Tod in der langen Reihe weiß verputzter kleiner Häuser im Viertel der Farbigen flüsterten. Als Kind war sie oft an die Tür geschlichen und hatte durch einen winzigen Spalt Ellen aus dem Dunkel des Zimmers, in dem Gerald mit ungestörter Regelmäßigkeit weiterschnarchte, auftauchen und in das flackernde Licht einer emporgehaltenen Kerze treten sehen, die Arzneitasche unter dem Arm, das Haar in seiner glatten 0rdnung, und am Kleid kein Knopf, der nicht sauber zugemacht war.
Es hatte Scarlett immer so beruhigt, wenn sie ihre Mutter flüstern hörte, bestimmt und doch mitfühlend, während sie auf den Zehenspitzen durch die Halle eilte: »St, nicht so laut. Ihr weckt Mr. 0'Hara. So krank sind sie nicht, daß sie daran sterben müßten.«
Ach ja, es tat so gut, wieder ins Bett zu kriechen und zu wissen, daß Ellen in der Nacht unterwegs und alles in 0rdnung war.
Wenn Ellen die ganze Nacht bei Geburt und Tod aufgesessen hatte, weil sowohl der alte wie der junge Dr. Fontaine bei Patienten über Land waren und ihr nicht zu Hilfe kommen konnten, saß sie morgens wie gewöhnlich am Frühstückstisch. Die dunklen Augen hatten Schatten vor Müdigkeit, aber weder der Stimme noch dem Benehmen war eine Spur von Anstrengung anzumerken. Etwas Stählernes verbarg sich hinter ihrer verhaltenen Sanftmut, vor dem das ganze Haus eine scheue Achtung hatte, Gerald nicht minder als die Mädchen, obwohl er lieber gestorben wäre, als es zuzugeben.
Wenn Scarlett sich manchmal abends auf die Zehenspitzen stellte, um der hochgewachsenen Mutter die Wange zu küssen, sah sie hinauf zu dem Munde mit der zu kurzen, allzu zarten 0berlippe, der viel zu empfindsam war für die rauhe Welt, und sie dachte, ob er sich wohl je zu mädchenhaftem Kichern gekräuselt und nächtelang einer Freun din Geheimnisse zugeflüstert hätte. Nein, das war nicht möglich. Mutter war.
immer genau so gewesen wie jetzt, eine Säule der Kraft, eine Quelle der Weisheit, der einzige Mensch, der auf alles eine Antwort wußte.
Aber Scarlett irrte sich. Vor Jahren hatte Ellen Robillard in Savannah genauso ausgelassen gekichert wie jede Fünfzehnjährige in der reizenden Küstenstadt, hatte mit Freundinnen die ganze Nacht hindurch getuschelt und Vertraulichkeiten ausgetauscht und jedes Geheimnis, bis auf eines, offenbart. Das war das Jahr gewesen, da Gerald 0'Hara, achtundzwanzig Jahre älter als sie, in ihr Leben trat - das gleiche Jahr, da die Jugend und ihr schwarzäugiger Vetter Philippe Robillard daraus verschwanden. Als Philippe mit den kecken Augen und dem wilden Wesen Savannah für immer verließ, nahm er allen Glanz aus Ellens Herzen mit und ließ dem säbelbeinigen kleinen Iren, der sie heiratete, nur die freundliche Schale zurück.
Aber für Gerald genügte sie. Er war ganz überwältigt von dem unvorstellbaren Glück, sie wirklich heiraten zu dürfen. War etwas an ihr dahin, er vermißte es nicht. Als gescheiter Mann wußte er, daß es für ihn, einen Iren aus unbekannter Familie und ohne Geld, so etwas wie ein Wunder war, die Tochter einer der reichsten, stolzesten Familien der K üste für sich zu erobern. Denn Gerald war ein Selfmademan.
Mit einundzwanzig Jahren war er aus Irland nach Amerika gekommen. Überstürzt, wie mancher bessere und mancher schlimmere Ire vor und nach ihm, mit der Kleidung, die er gerade auf dem Leibe trug, zwei Schilling außer seiner Passage in der Tasche und einem Preis auf seinem Kopf, der nach seinem Dafürhalten höher war, als seine Missetat es verdiente. Diesseits der Hölle gab es keinen Anhänger der 0ranier, der der britischen Regierung, ja dem Teufel selber, hundert Pfund wen gewesen wäre. Aber nahm sich die Regierung den Tod des Rentmeisters eines nicht einmal auf seinem irischen Gut residierenden englischen Großgrundbesitzers so zu Herzen, da war es für Gerald 0'Hara höchste Zeit, abzureisen. Freilich h atte er den Rentmeister einen »0ranierbastard« genannt, aber das gab dem Mann noch lange nicht das Recht, die Anfangsstrophen vom »Boynefluß« vor sich hin zu pfeifen, umihn zu verhöhnen.
Es war schon länger als hundert Jahre her, daß die Schlacht am Boynefluß geschlagen worden war. Für die 0'Haras und ihre Freunde aber war es wie gestern, daß ihre Hoffnungen und Träume mitsamt ihrem Landbesitz und ihrem Vermögen in derselben Staubwolke aufflogen, die die Flucht eines verängstigten Stuartprinzen verhüllte und Wilhelm von 0ranien und seinen verhaßten Truppen die irischen Anhänger der Stuarts zumNiedermachen zurückließ.
Aus diesen und anderen Gründen sah Geralds Familie den tödlichen Ausgang seines Streites nicht als tragisch an, es sei denn wegen der erns ten Folgen, die er unfehlbar haben mußte. Seit Jahren standen die 0'Haras bei der englischen Polizei in dem Verdacht der Wühlarbeit gegen die Krone, und Gerald war nicht der erste 0'Hara, der die Beine unter die Arme nehmen und Irland zwischen Tau und Tag verlassen mußte. Seiner beiden älteren Brüder James und Andrew erinnerte er sich nur dunkel als schweigsamer junger Männer, die zu sonderbaren Nachtstunden auf geheimnisvollen Wegen kamen und gingen und oft, der Mutter eine stets nagende Angst, für Wochen verschwanden. Sie waren schon vor Jahren nach Amerika gegangen, auf die Aushebung eines kleinen Arsenals von Flinten hin, die unter dem 0'Haraschen Schweinestall vergraben lagen. Nun waren sie erfolgreiche Kaufleute in Savannah - »obwohl der liebe Gott allein weiß, wo das liegen mag«, wie ihre Mutter bei der Erwähnung ihrer beiden Ältesten nie zu bemerken unterließ. Und zu ihnen sollte jetzt der junge Gerald fahren.
Er verließ sein Vaterhaus mit einem hastigen Kuß der Mutter, ihren inbrünstigen katholischen Segensworten und der Abschiedsermahnung des Vaters: »Denk daran, wer du bist, und nimm von niemandem etwas an!« Seine fünf großen Brüder sagten ihm mit einem anerkennenden, aber doch ein klein wenig gönnerhaften Lächeln Lebewohl, denn Gerald war der Jüngste und Kleinste dieser verwegenen Brut.
Seine fünf Brüder und sein Vater maßen mehr als sechs Fuß und entsprechend viel in der Breite, aber der kleine Gerald wußte mit einundzwanzig Jahren, daß fünfeinhalb Fuß Höhe alles war, was der Herr in Seiner Weisheit ihm beschieden hatte. Es sah Gerald ähnlich, daß er nie einen Kummer hieran verschwendete und sich auch nie durch diesen Mangel an Körpergröße in seinem Selbstbewußtsein beeinträchtigt fühlte. Im Gegenteil, seine feste, untersetzte Gestalt machte ihn erst zu dem, was er war, denn er lernte früh, daß kleine Leute dreist sein müssen, wenn sie sich zwischen den Großen durchsetzen wollen. Und dreist war er. Seine großen Brüder waren ein grimmiges, wortkarges Geschlecht, welches seinen endgültig verlorenen Ruhm mit einem verschwiegenen Groll und Haß trug, der nur ab und zu in bitterem Humor aufflackerte. Wäre Gerald auch so verschlossen wie sie gewesen, so wäre er den Weg der anderen 0'Haras gegangen und hätte heimlich und still mit den Aufsässigen gegen di e Regierung gewühlt. Aber er hatte »ein lautes Maul und einen Bullenschädel«, wie seine Mutter es liebevoll ausdrückte. Von Temperament war er ein Pulverfaß, seine Fäuste waren rasch geballt, und unter den großen 0'Haras stolzierte er herum wie ein kleiner Bantamgockel im Hühnerhof unter riesigen Cochinchinahähnchen. Sie hatten ihn lieb, zogen ihn gutmütig auf, um ihn zum Toben zu bringen, und bearbeiteten ihn mit ihren Fäusten nicht mehr als notwendig war, um ihm den ihm gebührendenPlatz anzu weisen.
Das Gepäck an Bildung, das Gerald mit nach Amerika nahm, war dürftig, aber er wußte es nicht. Seine Mutter hatte ihn Lesen und Schreiben gelehrt, auch rechnen konnte er gut, und damit war seine Weisheit erschöpft. Das einzige Latein, was er kannte, waren die Responsorien der Messe, die einzige Weltgeschichte war für ihn all das Unrecht, das Irland angetan worden war. In der Poesie kannte er nur Moore, in der Musik nur die irischen Lieder aus den alten Überlieferungen. Er hatte eine lebhafte Hochachtung vor Leuten, die mehr gelernt hatten als er, aber seine eigenen Lücken empfand er nie als Mangel. Wozu auch all das in einem Neuland, wo seine ungebildetsten Landsleute das größte Vermögen gemacht hatten, wo man nur danach fragte, ob jemand kräftig war und keine Arbeit scheute!
Auch James und Andrew, die ihn in ihrem Kaufhaus in Savannah unterbrachten, vermißten nichts an seiner Bildung. Seine Handschrift, sein gutes Rechnen und seine kaufmännische Gerissenheit gewann ihren Beifall. Literarische und musikalische Kenntnisse hätten nur ihre Verachtung erregt. Im Anfang des Jahrhunderts war Amerika den Iren freundlich gesonnen. James und Andrew, die damit angefangen hatten, Waren im Planwagen aus Savannah in das Innere Georgias zu bringen, hatten es jetzt zu einem Kaufhaus gebracht, und Gerald kam mit ihnen voran. Der Süden und seine Bewohner gefielen ihm, und bald gehörte er nach seiner eigenen Meinung völlig dazu. Der Süden und seine Bewohner hatten zwar manches an sich, was ihm immer unverständlich blieb; aber wie alles, was er tat, von ganzem Herzen geschah, so machte er sich auch ihre Ansichten und Gewohnheiten ganz zu eigen: Poker und Pferderennen, ihre politische Hitzköpfigkeit und ihren Ehrenkodex, die Rechte der Südstaaten und den Groll gegen die Yankees, Sklaverei und Baumwolle, Verachtung für das besitzlose Gesindel und übertriebene Höflichkeit gegen die Damen. Er hatte sogar Tabakkauen gelernt; das Whiskytrinken brauchte er nicht erst zu lernen; das konnte er von der Wiege auf.
Und doch blieb Gerald 0'Hara er selbst. Seine Lebensgewohnheiten und Ansichten veränderten sich, aber seine Eigenart wollte er nicht ändern, auch wenn er es gekonnt hätte. Er bewunderte die lässige Eleganz der reichen Pflanzer, die aus ihren moosverhangenen Königreichen auf V ollblutpferden nach Savannah geritten kamen, hinter ihnen die Equipagen ihrer nicht minder eleganten Damen und die Leiterwagen ihrer Sklaven. Bis zur Eleganz brachte es Gerald nie. Ihre gedehnten, verschleierten Stimmen schlugen angenehm an sein 0hr, er aber blieb bei seiner harten irischen Mundart. Er hatte die Grazie gern, mit der sie wichtige Angelegenheiten obenhin behandelten, ein Vermögen, eine Plantage oder einen Schwarzen auf eine Pokerkarte setzten, ihre Verluste mit sorglosem Gleichmut hinnahmen, als wären sie nicht mehr als die Pfennige, die sie den farbigen Junden zuwarfen. Aber Gerald hatte die Armut gekannt und lernte nie, mit Grazie und Humor Geld zu verlieren. Ein angenehmer Schlag waren sie, diese Georgianer von der Küste, mit ihrem raschen Aufbrausen, das sich doch in ihrer Sprache so sanft ausnahm, mit ihren scharmanten Widersprüchen und Ungereimtheiten. Gerald hatte sie gern. Der junge Ire, der eben aus einem Lande zugewandert war, wo der Wind kalt und kräftig weht, wo es keine dunstigen, fieberbrütenden Sümpfe gibt, besaß eine unverwüstliche Lebenskraft, die ihn von der trägen Aristokratie der Malarianiederungen mit ihrem subtropischen Klima ein für allemal unterschied. Was ihm nutzen konnte, lernte er; um den Rest kümmerte er sich nicht. Als nützlichste aller südstaatlichen Gepflogenheiten erkannte er bald das Pokerspiel und einen Kopf, der dem Whisky standhielt. Seine angeborene Begabung für Karten und Schnaps trug Gerald zwei seiner drei kostbarsten Besitztümer ein, seinen Diener und seine Plantage. Das dritte war seine Frau, und sie verdankte er, nach seiner Meinung, allein der unerforschlichen Güte Gottes.
Der Diener namens Pork, tiefschwarz und in den erlesensten Feinheiten der Schneiderkunst beschlagen, fiel ihm in einer Nacht zu, die er mit einem Pflanzer aus St.-Simons-Island verpokerte, einem Manne, dessen Kühnheit im Bluffen der Geralds gleichkam, dessen Kopf aber dem New-0rleans - Rum nicht in gleichem Maße standhielt. Porks früherer Besitzer erbot sich, ihn um das Doppelte zurückzukaufen, aber Gerald blieb fest. Mit dem Besitz seines ersten Sklaven und nun gar des »verdammt noch mal besten Dieners an der ganzen Küste« war die erste Stufe zur Erfüllung seiner Herzenswünsche erklommen. Gerald wollte Sklavenhalter und Großgrundbesitzer werden.
Er war entschlossen, nicht wie James und Andrew seine Tage mit Feilschen und seine Nächte bei Kerzenlicht über langen Zahlenreihen zu verbringen. Seine Brüder empfanden nicht den gesellschaftlichen Makel, der den »Händlern« anhaftete. Gerald aber tat es. Er wollte Plantagenbesitzer werden. Mit der unstillbaren Sehnsucht eines Iren, der das Land, auf dem seine Familie einst als Herren gesessen und gejagt, als verarmter Pächter bebaut hatte, verlangte er nach eigenen Morgen Landes, die sich grün vor seinen Augen dehnten. Mit einer Zielsicherheit, die keine Bedenken kannte, begehrte er ein eigenes Haus, eine eigene Plantage, eigene Pferde und eigene Sklaven. Hier in diesem neuen Lande, wo er vor den beiden Gefahren, die über seiner alten Heimat schwebten, der Steuer und der Pachtentziehung, sicher war, hier wollte er sich das alles verschaffen. Aber solchen Ehrgeiz zu haben und ihn auszuführen, war zweierlei. Die Küste Georgias war zu fest in den Händen einer in sich abgeschlossenen Aristokratie, als daß er hoffen konnte, sich je die ersehnte Stellung zu erringen.
Aber dann wirkten Schicksal und Poker zusammen und schenkten ihm die Plantage, die er später Tara nannte, und trieben ihn zugleich von der Küste weg in das 0berland im Norden des Staa tes.
An einem heißen Frühlingsabend in einer Kneipe zu Savannah wollte es der Zufall, daß Gerald das Gespräch eines Fremden in seiner Nähe mit anhörte. Der Fremde war aus Savannah gebürtig und soeben nach zwölfjährigem Aufenthalt im Innern zurückgekehrt. In der Landlotterie, durch die der Staat das große Gebiet in Mittelgeorgia, das die Indianer abgetreten hatten, aufteilte, hatte er ein Los gezogen. Er war dann hinausgefahren und hatte dort eine Plantage angelegt. Aber dann war das Haus abgebrannt, und er war seitdem des Platzes überdrüssig und wäre ihn mit tausend Freuden los gewesen.
Der Gedanke an eine eigene Besitzung beschäftigte Gerald ununterbrochen. Er ließ sich deshalb dem Manne vorstellen, und sein Interesse wuchs, als der Fremde erzählte, wie die Einwanderer nach dem Norden Georgias strömten. Gerald hatte so lange in Savannah gelebt, daß er die landläufige Auffassung, der ganze übrige Staat sei Urwald, in dem hinter jedem Busch ein Indianer lauerte, übernommen hatte. Eine Geschäftsreise im Auftrage seiner Brüder hatte ihn seinerzeit hundert Meilen den Savannahfluß aufwärts nach Augusta geführt. Dabei war er so weit ins Innere vorgedrungen, daß er sich die alten Städte westlich von Augusta ansehen konnte. Er wußte, daß die Gegend dort ebenso di cht besiedelt war wie die Küste, aber nach der Beschreibung des Fremden lag die Plantage gut hundertfünfzig Meilen westlich von Savannah im Innern, nur wenige Meilen südlich vom Chattahoocheefluß. Gerald wußte, daß das Gebiet nördlich des Flusses noch in den Händen der Cherokesen war. Deshalb verwunderte er sich höchlichst, daß der Fremde seine Vermutung, es könne dort zu Unzuträglichkeiten mit den Indianern kommen, auslachte und erzählte, wie dort blühende Städte emporwuchsen und wie die Plantagen auf demjungfräulichen Boden gediehen.
Eine Stunde später, als das Gespräch einzuschlafen drohte, schlug Gerald in einer Verschlagenheit, die die offene Unschuld seiner blauen Augen Lügen strafte, ein Spielchen vor. Als es immer später wurde und der Schnaps die Runde machte, kam der Augenblick, da alle anderen Mitspieler die Karten niederlegten und Gerald und der Fremde allein weiterspielten. Der Fremde setzte seine gesamten Spielmarken und dazu die Eigentumsurkunde seiner Plantage. Gerald tat desgleichen und legte statt des Dokumentes seine Brieftasche obendrauf. Daß der Inhalt zufällig der Firma Gebrüder 0'Hara gehörte, beschwerte sein Gewissen nicht sonderlich. Morgen früh in der Messe war Zeit genug, es zu beichten. Er wußte, was er wollte, und wenn Gerald etwas wollte, so verschaffte er es sich auf dem kürzesten Weg. Außerdem hatte er so viel Vertrauen in sein Schicksal und das Kartenglück, daß er sich keinen Augenblick überlegte, wie das Geld zurückgezahlt werden könnte, falls er überspielt werden sollte.
»Sie machen kein Geschäft damit, und ich bin froh, daß ich keine Steuern mehr dafür zu zahlen brauche«, seufzte der Verlierer, als er Tinte und Feder bestellte. »Das Haupthaus ist vor einem Jahr abgebrannt, und auf den Feldern wuchern Unterholz und Kiefernschößlinge. Aber nun gehört es Ihnen.«
»Mische nie Karten und Whisky, wenn du nicht mit irischem Whisky entwöhnt worden bist«, sagte Gerald denselben Abend zu Pork, als dieser ihm ins Bett half, und der Diener, der aus Bewunderung für seinen Herrn angefangen hatte, sich im irischen Dialekt zu versuchen, gab die gebührende Antwort in einer Mischung seines Kauderwelsch mit der Mundart der Grafschaft Meath, die jeden anderen als die beiden Eingeweihten in starke Verlegenheit gebracht hätte.
Der schlammige Flintfluß, der lautlos zwischen Mauern von Pechkiefern und mit wirren Weinranken überwucherten Flußeichen dahinströmte, umarmte gleichsam Geralds neuen Besitz von beiden Seiten. Als Gerald auf der niedrigen Kuppe stand, die das Haus getragen hatte, nahm er die hohen, grünen Schranken für eine ebenso sichtbare und angenehme Bestätigung seines Besitzrechtes über den Grund und Boden wie einen Zaun, den er mit eigener Hand errichtet hätte. Er stand auf dem verkohlten Fundament des niedergebrannten Gebäudes, schaute die lange Allee hinunter, die zur Landstraße führte, und fluchte inbrünstig, da ihm für ein Dankgebet die Freude zu tief ging. Die beiden Reihen düsterer Bäume waren sein, sein der verwahrloste Rasen, auf dem unter weißbesternten jungen Magnolienbäumen das Unkraut bis zur Gürtelhöhe wuchs. Die brachliegenden Felder, die über und über mit winzigen Kiefern und Unterholz bestanden waren, dehnten sich wellig in allen vier Himmelsrichtungen aus. Alles das gehörte Gerald 0'Hara, weil sein Irenschädel nicht so leicht zu benebeln war und weil er den Mut hatte, alles auf eine Karte zu setzen.
Gerald schloß die Augen, und in der Stille all der unbearbeiteten Morgen Landes hatte er das Gefühl, er sei nun nach Hause gekommen. Das Wohnhaus, aus weißverputzten Backsteinen, sollte sich hier erheben, wo er stand. Jenseits der Straße sollten Lattenzäune fettes Vieh und Vollblutpferde einfriedigen, und die rote Erde am Berghang, bis hinunter zur Flußweide, sollte weiß wie Eiderdaunen in der Sonne flimmern: ein riesiges Baumwollfeld. Mit seinem eigenen kleinen Anlagekapital, das er von seinen wenig begeisterten Brüdern geborgt hatte, und einer Hypothek kaufte Gerald die ersten Feldsklaven und zog auf Tara ein, wo er als Junggeselle einsam bis zu der Zeit, wo die weißen Mauern aus dem Boden steigen sollten, in demvierzimmerigen Haus des Aufsehers wohnte.
Er rodete die Felder, pflanzte Baumwolle und borgte abermals Geld von James und Andrew, um sich mehr Sklaven zu kaufen. Sie liehen es ihm und bekamen es in den folgenden Jahren mit Zinsen zurück. Allmählich vergrößerte sich die Plantage, Gerald kaufte einige Morgen hinzu, und mit der Zeit wurde das weiße Haus aus einem Traum zur Wirklichkeit.
Es wurde von Sklaven erbaut und breitete sich schwerfällig und weitläufig auf dem Hügel aus. Es gefiel Gerald ausnehmend gut, denn schon als es noch neu war, sah es ganz altersgrau aus. Die alten Eichen, unter deren mächtigen Armen die Indianer dahingezogen waren, umhegten es mit ihren dicken Stämmen, und ihre Äste, die höher reichten als d as Dach, hüllten es in dichte Schatten. Auf dem Rasen, der dem Unkraut wieder entrissen war, wuchsen üppiger Klee und Bermudagras, und Gerald sorgte dafür, daß er gut gehalten wurde. Von der Zedernallee bis zu der weißen Reihe der Sklavenhäuser hatte alles sein gediegenes, dauerhaftes Aussehen, und jedesmal, wenn Gerald um die Straßenbiegung galoppierte und sein eigenes Dach aufleuchten sah, schwoll ihm wieder das Herz vor Stolz, als sähe er es zum ersten Male.
Das alles hatte er geleistet, der kleine dickschädelige, hitzköpfige Gerald.
Mit allen seinen Nachbarn stand er auf bestem Fuß, ausgenommen die Maclntoshs, deren Ländereien zur Linken an die seinen grenzten, und die Slatterys, deren dürftige drei Morgen sich rechts, jenseits der Weide, zwischen dem Fluß und John Wilkes' Plantage erstreckten.
Maclntoshs waren Iren schottischen Ursprungs und Anhänger Wilhelms von 0ranien, wodurch sie es für alle Zeiten mit Gerald verdorben hatten, obwohl sie siebzig Jahre lang in Georgia und davor schon ein Menschenalter in Carolina gelebt hatten. Aber das erste Mitglied der Familie, das die amerikanische Küste betreten hatte, kam aus Ulster, und das genügte Gerald. Es war eine steife, zugeknöpfte Familie, die sich streng für sich hielt und nur mit ihren Verwandten aus Carolina Ehen einging. Das Gerücht, sie begünstigten die Abschaffung des Sklavenhandels, erhöhte ihre Beliebtheit keineswegs. Der alte Angus hatte zwar nie einen einzigen Sklaven freigelassen und sich sogar das unverzeihliche Vergehen zuschulden kommen lassen, einige seiner Schwarzen an durchreisende Sklavenhändler zu verkaufen, aber trotzdem wollte das Gerücht nicht verstummen. Wenn bei einem »0rangeman« ein Grundsatz mit schottischem Geiz ins Gehege kommt, so zieht der Grundsatz dabei den kürzeren.
Mit den Slatterys war es anders. Sie waren mittellose Weiße, und ihnen wurde nicht einmal die widerwillige Achtung zuteil, die Angus Maclntoshs starrköpfige Unabhängigkeit sich erzwang. Der alte Slattery, der trotz wiederholter Angebote Geralds und John Wilkes' eigensinnig an seinen paar Morgen hing, war ein jämmerlicher armer Schlucker. Seine Frau, eine kränkliche, verblichene Erscheinung mit unordentlichem Haar, hatte eine kaninchenhafte Brut von mißratenen Kindern zur Welt gebracht, die sie gewissenhaft Jahr für Jahr vermehrte. Tom Slattery besaß keine Sklaven. Mit seinen beiden ältesten Söhnen plagte er sich auf seinen paar Baumwollfeldern ab, während die Frau und die kleineren Kinder ein Stück Land zu bearbeiten suchten, welches so etwas wie einen Gemü segarten vorstellen mochte. Aus irgendwelchen Gründen mißglückte es mit der Baumwolle fortwährend, und da Mrs. Slattery beständig ein Kind erwartete, lieferte der Garten selten genug, um ihre Schar satt zu machen. So hatte man sich daran gewöhnt, Tom Slattery bei seinen Nachbarn herumlungern und um Baumwollsamen und eine Speckseite betteln zu sehen, um sich über Wasser zu halten. Mit dem bißchen Energie, das er besaß, haßte er seine Nachbarn, weil er aus ihrer Höflichkeit die Verachtung herausfühlte, haßte er vor allem die hochnäsigen Schwarzen der Reichen. Die farbigen Bediensteten der Provinz hielten sich für etwas Besseres als das »weiße Pack«, und ihr unverblümter Hohn kränkte ihn tief, während ihre gesicherte Lebensstellung seinen Neid erweckte. Im Gegensatz zu seinem kümmerlichen Dasein waren diese Schwarzen wohlgenährt und gut gekleidet, und in Alter und Krankheit wurde für sie gesorgt. Sie waren stolz auf den Namen ihrer Besitzer und zum größten Teil auch darauf, Eigentum von Leuten zu sein, die der guten Gesellschaft angehörten, während Slattery mit allgemeiner Geringschätzung betrachtet wurde. Er hätte seinen Hof an jeden Pflanzer in der Provinz für seinen dreifachen Wert verkaufen können; man hätte das Geld gern daran gewendet, um ihn los zu sein. Ihm aber war es eine Genugtuung und ein Trotz, zu bleiben und von dem Ertrag eines Ballens Baumwolle und der Wohltätigkeit seiner Nachbarn sein Leben zu fristen.
Mit allen anderen in der Provinz stand Gerald auf freundschaftlichem Fuß, und mit einigen war er eng vertraut. Wilkes, Calverts, Tarletons, Fontaines, alle freuten sich, wenn die gedrungene Gestalt auf dem schweren Schimmel ihre Auffahrt heraufgaloppiert kam. Man lächelte und ließ die hohen Gläser kommen, in die ein Gläschen Bourbon-Whisky über einen Teelöffel Zucker und etwas zerquetschte Pfefferminze gegossen war. Man mußte Gerald gern haben, und mit der Zeit entdeckten auch die Nachbarn, was die Kinder, Farbige und Hunde auf den ersten Blick herausgehabt hatten, daß hinter der lärmenden Stimme und der rauhen Formlosigkeit ein gütiges Herz, ein verständnisvolles 0hr und eine offene Brieftasche zu finden waren. Bei seiner Ankunft ging es jedesmal wie in einem Tollhaus zu. Hunde bellten, schwarze Kinder jauchzten, wenn sie ihm entgegenliefen, stritten sich darum, sein Pferd halten zu dürfen, und grinsten über seine gutmütigen Flüche. Die weißen Kinder wollten auf seinem Knie reiten, während er mit ihren Eltern über die Niedertracht der Yankees schimpfte. Die Töchter seiner Freunde vertrauten ihm ihre Liebesgeschichten an, die Söhne, die Angst hatten, ihre Spielschulden im Arbeitszimmer des Vaters zu gestehen, hatten an ihm einen Helfer in der Not.