Kitabı oku: «Vom Winde verweht», sayfa 7
Das rosa 0rgandykleid mit der langen Schärpe kleidete sie zwar gut, aber sie hatte es erst vorigen Sommer getragen, als Melanie in Twelve 0aks zu Besuch war, und die hatte es sicher nicht vergessen, war vielleicht sogar boshaft genug, sie daran zu erinnern. Von dem schwarzen Bombasinkleid mit den Puffärmeln und dem Stuartkragen hob ihre Haut sich prachtvoll ab, aber es machte sie älter aussehen. Scarlett warf einen ängstlichen Blick in den Spiegel auf ihr sechzehnjähriges Gesicht, als vermutete sie darin Runzeln und hängende Kinnfalten. Auf keinen Fall durfte sie neben Melanies reizender Jugendlichkeit alt und würdig aussehen. D as Musselinkleid mit den lavendelfarbenen Streifen und den breiten Einsätzen von Spitzen und Filet war prachtvoll, aber es paßte nicht zu ihrer Erscheinung. Carreens zartem Profil und unfertigem Ausdruck mußte es vorzüglich stehen, Scarlett selbst kam sich darin wie ein Schulmädchen vor. Das grünschottische Taftkleid mit all seinen rauschenden Falten, deren jede mit grünem Samtband eingefaßt war, war höchst kleidsam und eigentlich ihr liebstes, denn es machte ihre Augen dunkel wie Smaragde. Ein unverkennbarer Fettfleck saß jedoch gerade vorn auf der Taille. Sie konnte ihn natürlich mit einer Brosche zudecken, aber Melanie hatte scharfe Augen! Dann waren noch verschiedene bunte Waschkleider da, in denen Scarlett sich jedoch nicht festlich genug für diese Gelegenheit fühlte, einige Ballkleider und das grüne, geblümte Musselinkleid, das sie gestern getragen hatte. Aber das war ein Nachmittagskleid und für ein Gartenfest nicht passend. Es hatte nur winzige Puffärmel und war am Halse so tief ausgeschnitten wie ein Tanzkleid. Und doch blieb ihr nichts übrig, als es anzuziehen. Schließlich brauchte sie sich ihres Halses, ihrer Arme, ihres Busens nicht zu schämen, wenn es auch nicht ganz passend war, sie schon vormittags zu zeigen.
Als sie dann vor dem Spiegel stand und sich drehte und wendete, fand sie, daß an ihrer Figur wahrlich nichts zu verstecken sei. Ihr Hals war kurz, aber schön gebogen, die Arme lockend und voll. Die Brust, die das Korsett hochschob, war sehr hübsch. Nie hatte sie feine Seidenrüschen ins Taillenfutter zu nähen brauchen wie die meisten Mädchen ihres Alters, um damit ihrer Figur die gewünschte Rundung zu geben. Sie war froh, daß sie Ellens schlanke Hände und Füße geerbt hatte, und wünschte sich Ellens Größe dazu, obwohl sie mit ihrem eigenen kleineren Wuchs durchaus nicht unzufrieden war. »Schade, daß man die Beine nicht zeigen darf«, dachte sie und zog die Unterröcke empor. Da schauten sie unter den Spitzenhöschen hervor, gut geformt und gerundet, beängstigend hübsch. Sogar auf der Töchterschule in Fayetteville hatten die Mädchen zugeben müssen, daß sie hübsche Beine hatte. Und nun erst ihre Taille - in allen drei Provinzen gab es keine schlankere!
Ihre Taille brachte sie wieder auf praktische Gedanken. Das grüne Musselinkleid maß um den Gürtel dreiundvierzig Zentimeter, und Mammy hatte sie für das fünfundvierzig Zentimeter weite Bombasinkleid geschnürt. Mammy mußte sie fester schnüren. Sie öffnete die Tür und rief ungeduldig nach ihr. Sie durfte ungestraft ihre Stimme erheben, denn Ellen war in der Vorratskammer und teilte der Köchin die Vorräte für den Tag zu.
»Einige Leute denken immer, ich kann fliegen«, knurrte Mammy und schlurfte die Treppe hinauf. Keuchend trat sie ein mit dem Gesicht eines Menschen, der auf einen Kampf gefaßt ist und sich darauf freut. In den großen schwarzen Händen trug sie ein Tablett mit dampfenden Speisen, zwei großen Bataten mit Butter darüber, einem Häufchen Buchweizenkuchen, von denen der Sirup herabtroff, und einer großen Scheibe Schinken in einer fetten Sauce. Als Scarlett sah, was Mammy in der Hand trug, wechselte ihr Ausdruck von leichtem Ärger zu Eigensinn. In ihrer Aufregung hatte sie Mammys eherne Regel vergessen, nach der die 0'Haraschen Mädchen vor jeder Gesellschaft daheim so viel essen mußten, daß sie dort keiner Erfrischung mehr bedurften.
»Es hat keinen Zweck, ich esse nicht, du kannst es wieder in die Küche bringen.«
Mammy setzte das Tablett auf den Tisch und stellte sich in Positur. »Du ißt. Ich will es nicht noch einmal erleben, was bei dem letzten Gar tenfest passierte, als ich von Schwarzsauer so krank, daß ich dir kein Essen bringen können, hiervon du mir aufessen jeden Bissen!«
»Fällt mir nicht ein! Komm lieber her und schnüre mich fester, sonst kommen wir zu spät. Da kommt schon der Wagen vorgefahre n.«
Mammy verfiel in schmeichlerische Töne: »Miß Scarlett, sei lieb und nur ein kleines bißchen essen. Miß Carreen und Miß Suellen haben ihrs alles aufgegessen.«
»Das sieht ihnen ähnlich«, sagte Scarlett verächtlich. »Die haben nicht mehr Mut als ein Karnickel. Ich will nicht. Ich weiß noch, wie ich einmal alles gegessen hatte und zu Calverts ging, und da gab es Rahmeis, das sie die ganze Strecke von Savannah herangeholt hatten, und ich konnte nur einen Löffel davon essen. Heute will ich es mir gut gehen lassen und so viel essen, wie ich Lust habe.«
Vor so viel Trotz senkte Mammy entrüstet die Brauen. Was ein junges Mädchen durfte und was nicht, war in Mammys Kopf eingeteilt in Schwarz und Weiß. Eine Mitte gab es da nicht. Suellen und Carreen waren wie Wachs in ihren gewaltigen Händen und hörten ehrfürchtig auf ihre Ermahnungen. Aber Scarlett beizubringen, daß fast alle ihre natürlichen Neigungen und Einfalle nicht damenhaft seien, war immer ein hartes Stück Arbeit gewesen. Mammys Siege über Scarlett waren schwer erkämpft und zeugten von Winkelzügen, die einem weißen Verstand unbekannt waren.
»Wenn es dir einerlei ist, wie Herrschaften über unsere Familie reden, mir nicht einerlei«, murrte sie. »Ich wollen nicht dabeistehen, wenn sie alle auf der Gesellschaft sagen, Miß Scarlett nicht gut erzogen, ich dir immer schon sagen, daß man eine Dame daran erkennen, ob sie wie ein kleines Vögelchen essen, und du sollst mir nicht zu Wilkes gehen und wie ein Ackerknecht essen und dich vollstopfen wie ein Schwein.«
»Mutter ist eine Dame und ißt doch«, gab Scarlett zurück.
»Wenn du verheiratet bist, darfst du auch essen«, entgegnete Mammy. »Als Mrs. Ellen so alt war wie du, sie nie essen, wenn sie bei fremden Leuten war, und auch Tante Pauline und Tante Eulalia nicht, und die haben alle geheiratet; junge Fräuleins, die so viel essen, kriegen nie einen Mann.«
»Das glaube ich nicht. Bei dem Gartenfest, wo dir schlecht wurde und ich vorher nichts gegessen hatte, sagte Ashley Wilkes, ein Mädchen mit einem gesunden Appetit gefalle ihm.«
Mammyschüttelte unheilverkündend den Kopf.
»Was ein Herr sagen und was er denken - gar nicht dasselbe! Und ich haben nicht gemerkt, daß Mr. Ashley umdich anhalten.«
Scarlett wollte ihr scharf erwidern, faßte sich aber. Als Mammy ihre Verstocktheit sah, nahm sie das Tablett wieder auf und änderte mit der geriebenen Sanftmut ihrer Rasse die Taktik. Sie ging zur Tür und seufzte:
»Nun, meinetwegen. Als Cookie das Essen zurechtstellte, ich sagte ihr: du eine Dame an dem erkennen, was sie nicht essen, und ich sagte Cookie: ich nie eine weiße Dame gesehen, die weniger essen als Miß Melly Hamilton das letzte Mal, als sie Mr. Ashley - ich meinen Miß India - besuchen ...«
Scarlett warf ihr einen scharfen, argwöhnischen Blick zu, aber auf Mammys breitem Gesicht stand nur die reine Unschuld geschrieben und ein Bedauern darüber, daß Scarlett weniger Dame sei als Melanie Hamilton.
»Setz dein Tablett hin und schnür mich fester«, sagte Scarlett gereizt. »Nachher will ich versuchen, ein wenig zu essen. Wenn ich jetzt äße, könntest du mich nicht fest genug schnüren.«
Mammyverbarg ihren Triumph und setzte das Tablett wieder hin. »Was will mein süßes Lämmchen anziehen?«
»Dies«, Scarlett zeigte auf die duftige Masse grünen geblümten Musselins.
Sofort war Mammyin Harn isch.
»Nein, das tust du nicht, das passen nicht für den Morgen, vor drei Uhr darfst du den Busen nicht offen tragen, und dieses Kleid haben nicht Kragen noch Ärmel, du kriegen Sommersprossen, und das wollen ich nicht erleben nach all der Buttermilch, die ich dir aufgelegt, um Sommersprossen wegbleichen, die du dir in Savannah am Strand geholt, ich sagen deiner Mutter.«
»Wenn du ihr ein Wort sagst, ehe ich angezogen bin, esse ich keinen Bissen«, sagte Scarlett kühl. »Nachher hat Mutter keine Zeit, mich wied er hinauf zuschicken, damit ich mich noch einmal umziehe.«
Mammy seufzte ergeben, denn nun war sie geschlagen. Von beiden Übeln war es noch das kleinere, daß Scarlett morgens ein Nachmittagskleid trug, als daß sie schlang wie ein Schwein.
»Halt dich fest und ziehe den Atem ein«, befahl sie.
Scarlett gehorchte und klammerte sich an einen Bettpfosten. Mammy zog und zerrte aus Leibeskräften, und als der schmale Umfang der in Fischbein gezwängten Taille immer noch schmäler wurde, bekamen ihre Augen einen stolzen, liebevollen Glanz.
»Kein Mensch haben so eine Taille wie mein süßes Lämmchen«, sagte sie befriedigt. »Jedesmal, wenn ich Miß Suellen enger als fünfzig schnüre, sie beinahe fallen in 0hnmacht.«
»Puh!« Scarlett schnappte nach Luft und brachte kaum die Worte heraus: »Ich bin noch nie in 0hnmacht gefallen.«
»Nun, es schaden gar nichts, wenn du das ab und zu tun«, riet Mammy. »Du manchmal viel zu derb, ich dir schon immer sagen wollen, es macht keinen guten Eindruck, daß du bei Schlangen und Mäusen und dergl eichen nie in 0hnmacht fallen, nicht gerade zu Hause, aber doch wenn du ausgehst, und ich haben dir immer wieder ...«
»Still. Ich bekomme schon einen Mann, du wirst sehen, auch wenn ich nicht quieke und ohnmächtig werde. Du meine Güte, sitzt das aber fest! Nun zieh mir das Kleid an.«
Mammy ließ behutsam die zwölf Meter grünen, geblümten Musselins über die gewaltigen Unterröcke fallen und hakte die enge, tief ausgeschnittene Taille zu.
»Daß du mir aber den Schal um die Schultern behältst, wenn du in die Sonne gehst, und den Hut nicht abnimmst, wenn du heiß bist«, befahl sie. »Sonst kommst du braun nach Hause wie der alte Slattery, aber nun essen, mein Lämmchen, aber nicht zu schnell, es haben keinen Zweck, wenn alles gleich wieder rauskomme n.«
Scarlett setzte sich gehorsam zum Essen und wußte nicht recht, wie etwas in ihren Magen gelangen und ihr dann noch Platz zum Atmen bleiben könnte. Mammy nahm ein großes Handtuch vom Waschtisch, band es Scarlett vorsichtig um den Hals und breitete den weißen Stoff über ihren Schoß. Scarlett fing mit dem Schinken an, weil sie gern Schinken aß, und schluckte ihn mit Mühe hinunter.
»Ach Gott, wäre ich doch erst verheiratet«, seufzte sie bitter, als sie sich mit Widerwillen an die Bataten machte. »Ich habe es satt, ewig dies unnatürliche Wesen und daß ich nie tun darf, was ich will. Ich habe keine Lust mehr, so zu tun, als äße ich nicht mehr als ein Vögelchen, zu gehen, wenn ich lieber liefe, und zu behaupten, mir wäre nach dem Walzer schwindelig, wenn ich doch zwei Tage lang weitertanzen könnte, ohne müde zu werden. Ich habe keine Lust mehr, jedem Schafskopf, der nicht mal so viel Verstand hat wie ich, zu sagen: >Sie sind wirklich fabelhaft<, und immer so zu tun, als wüßte ich nichts, so daß die Männer mir von allem möglichen erzählen können und sich dann noch wichtig vorkommen ... Nun kann ich aber keinen Bissen mehr essen!«
»Nimmvon demheißen Kuchen«, mahnte Mammy unerbittlich.
»Warum muß ein Mädchen immer so albern sein, wenn es einen Mann haben will?«
»Ich mir denken, weil die Männer nicht wissen, was sie wollen, sie wissen nur, was sie sich einbilden, daß sie wollen, und wenn man ihnen ihren eingebildeten Willen tut, spart das einem einen ganzen Haufen Unglück und man nicht alte Jungfer, sie bilden sich ein, sie brauchen dumme kleine Mäuschen mit dem Geschmack wie ein Vögelchen und ohne allen Sinn und Verstand, einem Mann vergeht die Lust, eine Dame zu heiraten, wenn er Verdacht hat, sie sein am Ende verständiger als er.«
»Aber glaubst du nicht, die Männer wundern sich nach der Heirat, wenn sie merken, daß ihre Frauen doch Verstand haben?«
»Dann ist es eben zu spät, dann sind sie schon verheiratet. Außerdem, von ihren Frauen erwarten die Herren, daß sie Verstand haben.«
»Später tu' ich doch, was ich will, und sage ich, was ich will, und wenn die Leute das nicht mögen, ist es mir gleichgültig.«
»Nein, das tust du nicht«, schalt Mammy. »Nicht, solange ich noch atmen, nun ißt du deinen Kuchen, tunk ihn in die Sauce, mein Liebling.«
»Die Mädchen bei den Yankees benehmen sich gar nicht wie die Schäfchen. Voriges Jahr in Saratoga habe ich viele gesehen, die sich ganz so betrugen, als wenn sie richtig ihren Verstand hätten, und das in Gegenwartvon Männern!«
Mammyschnaubte verächtlich.
»Yankeemädchen, jawohl, die werden vielleicht reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen, aber ich nicht gesehen, daß ihnen in Saratoga viele Anträge gemacht werden.«
»Aber Yankees müssen doch auch heiraten«, verteidigte sich Scarlett. »Die wachsen doch nicht einfach wie Gras. Sie müssen doch auch heiraten und Kinder kriegen. Es gibt doch so viele.«
»Die Männer, sie heiraten des Geldes wegen«, sagte Mammy unerschütterlich.
Scarlett tauchte den Kuchen in die Sauce und aß. Vielleicht war doch etwas an dem, was Mammy sagte, denn Ellen sagte dasselbe, nur in zarteren Worten. Die Mütter all ihrer Freundinnen prägten ihren Töchtern die Notwendigkeit ein, vor der Welt hilflose, schmiegsame Geschöpfe mit sanften Rehaugen zu sein. Es gehörte wirklich viel dazu, solche Pose beizubehalten. Vielleicht war sie wirklich zu derb gewesen? Gelegentlich hatte sie Ashley freiheraus die Meinung gesagt. Dies und ihre urwüchsige Freude am Reiten und Laufen hatten ihn ihr womöglich entfremdet und der zarten Melanie in die Arme getrieben. Sollte sie ihre Taktik ändern? Aber wenn Ashley auf solch berechnendes Getue hereinfiel, dann könnte sie ihn nie mehr so achten wie bisher, das fühlte sie deutlich. Ein Mann, der dumm genug war, auf gezierte Einfalt, auf 0hnmächten und Schmeicheleien hereinzufallen, war der Mühe nicht wert.
Aber sie waren wohl alle so. Wenn sie es früher bei Ashley falsch angefangen hatte, so mußte sie es eben nun anders versuchen. Sie wollte ihn haben, und es blieben ihr nur wenige Stunden, ihn zu gewinnen. Wenn er Wert auf eine wahre oder gespielte 0hnmacht legte, dann wollte sie schon in 0hnmacht fallen. Wenn eine Piepsstimme, ein bißchen Koketterie und ein Spatzenhirn ihn anzogen, so wollte sie schon die Naive spielen und noch hohlköpfiger tun als Cathleen Calvert Sollten aber kühnere Maßnah men nötig werden, so wollte sie auch die ergreifen. Heute kam es darauf an!
Es gab niemanden, der Scarlett sagte, daß ihre eigene beängstigend lebensfrische kleine Person anziehender war als jede Maske, die sie sich anlegen konnte. Härte es ihr jemand gesagt, sie hätte sich gefreut, es aber schwerlich geglaubt, und auch die Gesellschaft, der sie angehörte, wäre ungläubig gewesen, denn zu keiner Zeit vorher oder nachher hat weibliche Natürlichkeit so wenig gegolten wie damals.
Als der Wagen sie dann die rote Landstraße entlang zur Wilkesschen Plantage brachte, empfand Scarlett eine fast schuldbewußte Freude, daß weder ihre Mutter noch Mammy mitfuhren. Auf der Gesellschaft würde also niemand sein, der mit unmerklich gerunzelten Brauen oder vorgestülpter Unterlippe in ihre Pläne eingreifen konnte. Zwar würde Suellen natürlich morgen ausplaudern, aber wenn alles so ging, wie Scarlett hoffte, mußte die Aufregung der Familie über ihre Verlobung mit Ashley, oder gar ihre Entführung, den Unwillen bei weitem überwiegen. Ja, sie war froh, daß Ellen zu Hause unabkömmlich war.
Gerald hatte am selben Morgen Jonas Wilkerson entlassen, und Ellen war in Tara geblieben, um vor seinem Weggang die Abrechnungen mit ihm durchzugehen. Scarlett hatte ihrer Mutter in dem kleinen Sch reibzimmer den Abschiedskuß gegeben, wo sie vor dem hohen alten Sekretär mit seinen von Papier überquellenden Fächern saß. Jonas Wilkerson stand neben ihr, den Hut in der Hand. Das bleiche Gesicht mit der schlaffen Haut verhüllte kaum den wütenden Haß, der ihn erfüllte, seitdem er ohne weiteres aus der besten Aufseherstellung in der Provinz hinausgeworfen worden war, und das alles wegen ein bißchen Liebelei. Er hatte Gerald wieder und wieder gesagt, daß Emmie Slatterys Kind ebensogut einen anderen unter ein em Dutzend Männern zum Vater haben könnte - ein Gedanke, den Gerald wohl teilte; aber das hatte die Sachlage in Ellens Augen nicht geändert. Jonas haßte alle Südstaatler. Ihre kühle Höflichkeit, die ihre Verachtung für seinen Stand nur unzulänglich verbarg, war ihm unerträglich. Mehr als alle anderen haßte er Ellen 0'Hara, denn sie war der Inbegriff alles dessen, was ihm in diesem Lande zuwider war.
Mammy war als Frauenaufseherin der Plantage zu Hause geblieben, um Ellen zu helfen, und statt ihrer saß Dilcey auf dem Kutschbock neben Toby. Die Ballkleider der Mädchen lagen in einer langen Pappschachtel quer über ihren Knien. Gerald ritt auf seinem schweren Jagdpferd neben dem Wagen, noch ein bißchen branntweinselig und sehr mit sich zufrieden, daß er so im Handumdrehen mit Wilkersons unerfreulicher Geschichte fertig geworden war. Die Verantwortung hatte er auf Ellen abgeschoben; an ihre Enttäuschung, daß sie auf der Gesellschaft nicht mit ihren Freunden zusammen sein konnte, dachte er nicht. Es war ein schöner Frühlingstag, seine Felder standen prachtvoll, die Vögel sangen, und er fühlte sich so jung und zu tausend Spaßen aufgelegt, daß er unmöglich an anderes denken konnte. Hin und wieder stimmte er »Peggy in der kleinen Chaise« oder andere irische Liedchen an, auch wohl die düstere Klage um Robert Emmet:
»Sie ist fern von dem Land, wo ihr junger Held ruht«. Er war glücklich und freudig erregt bei der Aussicht, den Tag in lauter, geräuschvoller Entrüstung über die Yankees und den Krieg zubringen zu können; er war stolz auf seine drei hübschen Töchter in ihren faltigen Reifröcken unter ihren närrisch kleinen spitzenbesetzten Sonnenschirmen. An seine Unterhaltung mit Scarlett vom Tage zuvor dachte er nicht mehr, sie war seinem Gedächtnis vollkommen entschwunden. Sein einziger Gedanke war, daß Scarlett hübsch war und ihm viel Ehre machte und daß ihre Augen heute so grün wie die Hügel Irlands waren. Dieser Einfall erhöhte sein Selbstgefühl, denn es lag etwas wie ein Vollklang von Poesie darin, und so beehrte er denn seine Mädchen mit einer lauten und nicht ganz reinen Wiedergabe von »Hab' ich das grüne Kleidchen an ...«
Scarlett betrachtete ihn mit jener liebevollen Geringschätzung, die Mütter für ihre kleinen großtuerischen Söhne empfinden, und wußte, daß er bei Sonnenuntergang schwer betrunken sein würde. Bei der Heimkehr im Dunkeln versuchte er sicher, wie gewöhnlich, über jeden Zaun zwischen Twelve 0aks und Tara zu springen, und hoffentlich würde er sich dank besonderer Gnade der Vorsehung und dem gesunden Verstand seines Pferdes auch diesmal wieder nicht den Hals brechen. Die Brücke würde er verschmähen und zu Pferde durch den Fluß schwimmen und dann grölend nach Hause kommen und auf dem Sofa im Büro von Pork zu Bert gebracht werden, der bei solchen Gelegenheiten immer vorn in der Halle bei einer Lampe wachte. Sicher verdarb er sich den neuen grauen Tuchanzug, weswegen er anderntags dann gräßlich fluchen und Ellen lang und breit erzählen würde, wie sein Pferd im Dunkeln von der Brücke heruntergefallen sei - eine grobe Lüge, mit der er niemandem ein X für ein U vormachen konnte, die aber natürlich von allen hingenommen wurde. Er kam sich dann sehr schlau vor.
Pa ist ein goldiger, selbstsüchtiger, leichtsinniger lieber Kerl, dachte Scarlett in aufwallender kindlicher Liebe. So aufgeregt und glücklich war sie heute morgen, daß sie mit Gerald zugleich die ganze Welt liebhatte. Sie war hübsch und wußte es genau. Ehe der Tag verging, war Ashley ihr eigen. Die Sonne schien warm und freundlich, und die Herrlichkeit des georgianischen Frühlings lag ausgebreitet vor ihren Augen. Am Rande der Straße verhüllten Brombeerranken mit zartestem Grün die roten Rinnen, die der Winterregen in den Abhang gerissen hatte, und die nackten Granitblöcke, die aus der roten Erde hervorragten, waren überwachsen von wilden Rosen und übersponnen vom zartesten Blau der Veilchen. Die bewaldeten Hügel über dem Fluß waren von schimmernden weißen Ligusterblüten gekrönt, es sah aus, als läge noch später Schnee zwischen all dem Grün. An den wilden Apfelbäumen waren die Knospen aufgesprungen eine Schwelgerei vom zartesten Weiß bis zum tiefsten Rosenrot, und unter den Bäumen, wo die Sonne auf abgefallenen Tannennadeln spielte, breitete wilder Jelängerjelieber einen bunten Teppich in Rot, 0range und Rosa aus . Ein frischer, schwacher Wohlgeruch von saftigem Grün kam mit dem leichten Wind, die Welt duftete berauschend.
»Wie schön ist es heute! Das werde ich im ganzen Leben nicht vergessen«, dachte Scarlett. »Vielleicht wird es mein Hochzeitstag!« Und klingend ging es ihr durch Herz und Sinn, wie sie und Ashley vielleicht heute nachmittag durch diese Blütenpracht und all dies frische Grün geschwind dahinfliegen würden, vielleicht gar heute nacht bei Mondenschein nach Jonesboro zu einem Pfarrer. Natürlich mußten sie von einem Priester in Atlanta noch einmal getraut werden, aber darüber mochten Ellen und Gerald sich den Kopf zerbrechen. Sie zagte ein wenig bei dem Gedanken, wie Ellen vor Scham erbleichen würde, wenn sie hörte, daß ihre Tochter mit dem Verlobten eines anderen Mädchens durchgegangen sei, aber sie wußte, Ellen würde ihr verzeihen, wenn sie ihr Glück sah. Gerald würde schelten und fluchen, aber trotz all seiner Schwüre, daß er eine Heirat zwischen ihr und Ashley nicht zuließe, würde er sich doch über ein e Verbindung zwischen beiden Familien unsagbar freuen.
»Aber darüber können sie sich noch genug den Kopf zerbrechen, wenn ich erst verheiratet bin«, dachte sie und schob die störenden Gedanken von sich. Im Sonnenschein eines solchen Frühlings, noch dazu, wenn man gerade die Schornsteine von Twelve 0aks auf dem Hügel am anderen Ufer zumVorschein kommen sah, konnte man nur vor Freude erbeben!
»Dort werde ich nun mein ganzes Leben wohnen und noch fünfzigmal und öfter solchen Frühling sehen und meinen Kindern und Enkeln erzählen, wie herrlich dieser Frühling war, so schön, wie sie niemals einen erleben werden.« Bei dieser Vorstellung war sie so glücklich, daß sie in den Schlußrefrain von »Hab' ich das grüne Kleidchen an ...« einstimmte und damit Geralds lauten Beifall errang.
»Ich weiß nicht, warum du heute morgen so vergnügt bist«, sagte Suellen patzig. Es wurmte sie immer noch der Gedanke, daß sie in Scarletts grünseidenem Ballkleid viel besser aussehen würde als seine rechtmäßige Besitzerin. Warum war auch Scarlett immer so selbstsüchtig und verlieh ihre Kleider und Hüte so ungern? Und warum nahm Mutter immer ihre Partei und behauptete, Grün sei nicht Suellens Farbe? »Du weißt so gut wie ich, daß Ashleys Verlobung heute abend verkündet wird, Pa sagte es heute morgen. Und ich weiß doch, daß du schon seit Monaten in ihn verliebt bist.«
»Was du nicht sagst!« Scarlett streckte ihr die Zunge aus und ließ sich 81
nicht aus ihrer glücklichen Stimmung bringen. Was wohl Miß Suellen morgen umdiese Zeit sagen würd e?
»Aber Susi, du weißt doch, daß das nicht wahr ist!« protestierte Carreen verletzt. »Brent ist doch Scarletts Freund!«
Scarlett wandte ihrer jüngeren Schwester lächelnd die grünen Augen zu, verwundert, wie man so reizend sein konnte. Die ganze Familie wußte, daß Carreen ihr dreizehnjähriges Herz an Brent Tarleton verloren hatte, der aber in ihr nichts als Scarletts kleine Schwester sah. Wenn Ellen nicht dabei war, neckten die 0'Haras sie bis zu Tränen damit.
»Liebes, ich mach' mir nicht ein bißchen aus Brent.« Scarlett war so glücklich, daß sie auch einmal großmütig sein konnte. »Und er sich auch nichts aus mir. Weißt du, er wartet nur darauf, daß du erst erwachsen bist!«
Im Widerstreit zwischen Glück und Zweifel wurde Carreens Kindergesicht rosenrot. »0 Scarlett, wirklich?«
»Scarlett, du weißt doch, Mutter sagt, Carreen ist noch viel zu klein, um an Verehrer zu denken, und nun setzt du ihr solche Flausen in den Kopf.«
»Geh du nur und petze, mir macht das nichts aus«, antwortete Scarlett. »Du willst Carreen nur zurückhalten, weil du weißt, daß sie in einem Jahr viel hübscher ist als du.«
»Wollt ihr wohl eure verehrten Schnäbel halten, sonst gibts eins mit der Peitsche«, warnte Gerald die beiden. »Pst, hört mal! Rollen da nicht Räder? Das sind Tarletons oder Fontaines.«
Als sie sich der Kreuzung näherten, wo der Weg aus dem dichtbewaldeten Hügel von Mimosa und Fairhill herunterführte, wurden Hufschlag und Rädergeroll deutlicher, Frauenstimmen schallten herüber, ein lustiges Wortgefecht drang durch den Vorhang der Zweige. Gerald, der voranritt, hielt sein Pferd an und ließ Toby mit dem Wagen halten, wo die beiden Wege sich kreuzten.
»Es sind die Damen Tarleton«, verkündete er seinen Töchtern. Sein blühendes Gesicht strahlte, denn außer Ellen war ihm keine Dame in der Provinz lieber als die rothaarige Mrs. Tarleton. »Und sie selbst fährt. Ja, die Frau hat eine Hand für Pferde! Federleicht und kräftig wie Rohleder und trotzdem zum Küssen hübsch. Schade, daß nicht eine von euch solche Hände hat«, fügte er mit vorwurfsvoll zärtlichem Blick auf seine Töchter hinzu. »Carreen, die Angst vor den armen Viechern hat, und Sues Hände sind schwer wie Bügeleisen, wenn sie einen Zügel anfassen soll, und du, Puß ...«
»Nun, jedenfalls bin ich noch nie abgeworfen worden«, Scarlett war empört. »Und Mrs. Tarleton stürzt auf jeder Jagd.«
»Und bricht sich das Schlüsselbein wie ein Mann«, sagte Gerald. »0 hne 0hnmacht, ohne Getue. Nun aber still, da kommt sie.«
Er hob sich in den Steigbügeln und zog in weitem Bogen den Hut, als der Tarletonsche Wagen, der von Mädchen in bunten Kleidern, mit Sonnenschirmen und wehenden Schleiern überquoll, in Sicht kam, mit Mrs. Tarleton auf dem Bock. Vier Töchter samt ihrer Amme und den langen Pappschachteln mit den Ballkleidern - da war für einen Kutscher kein Platz mehr. Und außerdem gestattete Beatrice Tarleton freiwillig keinem Menschen, sei er schwarz oder weiß, die Zügel zu halten, wenn ihr eigener Arm nicht gerade in einer Schlinge steckte. Zart, feinknochig und von so weißer Haut, als habe ihr flammendes Haar alle Farbe an sich gerissen, war sie bis zum Rande erfüllt von übersprudelnder Gesundheit und unermüdlicher Tatkraft. Acht Kinder hatte sie geboren, rothaarig und lebensstrotzend wie sie selbst, und sie vorzüglich erzogen, indem sie ihnen allen das gleiche liebevolle Gewährenlassen und zugleich die strenge Zucht angedeihen ließ, mit denen sie ihre Füllen aufzog. »Bändige sie, aber brich nicht ihren Willen«, war Mrs. Tarletons Leitspruch.
Sie liebte Pferde und sprach beständig von ihnen. Sie verstand und behandelte sie besser, als alle Männer in der Provinz es konnten. Auf der Koppel wimmelte es von Fohlen bis hinauf zum Parkrasen, wie auch das weitläufige Haus auf dem Hügel zu eng für ihre acht Kinder war. Stets liefen Füllen, Söhne, Töchter und Jagdhunde hinter ihr her, wenn sie über die Plantage ging. Ihren Pferden, namentlich ihrer roten Stute Nellie, traute sie menschlichen Verstand zu, und wenn der Haushalt sie über die Stunde hinaus festhielt, auf die sie ihren täglichen Ritt angesetzt hatte, drückte sie dem ersten besten kleinen farbigen Jungen die Zuckerschale in die Hand und sagte: »Gib Nellie eine Handvoll und sag ihr, ich käme gleich.«
Fast immer war sie im Reitkleid, ob sie ritt oder nicht, jedenfalls war sie immer im Begriff zu reiten und zog deshalb das Reitkleid gleich früh beim Aufstehen an. Jeden Morgen, ob bei Regen oder Sonnenschein, wurde Nellie gesattelt und vor dem Hause auf und ab geführt in Erwartung des Augenblicks, da Mrs. Tarleton ihren Pflichten eine Stunde absparen konn te. Fairhill war eine schwer zu bewirtschaftende Plantage, und deshalb gab es nur selten eine Mußestunde, und Nellie wurde oft stundenlang im Schritt auf und ab geführt, während Beatrice Tarleton ihre Tagesarbeit verrichtete, den Reifrock geistesabwesend über dem Arm tragend, so daß darunter ein langes Stück von den blanken hohen Stiefeln zum Vorschein kam.
Heute war sie in matter schwarzer Seide mit ganz unmodern engem Reifrock. Es sah immer noch aus, als hätte sie ihr Reitkleid an; denn die Taille war ebenso streng geschnitten, und der kleine schwarze Hut mit der langen schwarzen Straußenfeder, der schräg über den warmherzigen, zwinkernden braunen Augen saß, war der Zwillingsbruder des abgetragenen alten Hutes, den sie zur Hetzjagd trug.
Sie schwenkte die Peitsche, als sie Gerald erblickte, und ließ ihre tänzelnden Rotfüchse halten. Die vier Mädchen hinten im Wagen lehnten sich mit so lautem Gruß heraus, daß die Pferde ängstlich stiegen. Einem zufälligen Beobachter mochte es vorkommen, als seien Jahre vergangen und nicht erst zwei Tage, seit Tarletons und 0'Haras einander gesehen hatten. Tarletons waren eine gesellige Familie und hatten ihre Nachbarn gern, besonders die 0'Haraschen Mädels. Das heißt: Suellen und Carreen. Kein Mädchen aus der Provinz, mit Ausnahme vielleicht der spatzenhirnigen Cathleen Calvert, hatte wirklich etwas für Scarlett über.
Im Sommer gab es in der Provinz durchschnittlich einmal wöchentlich einen Ball und ein Gartenfest. Trotzdem fanden die rothaarigen Tarletonmädchen mit ihrer unersättlichen Genußsucht jedes neue Gartenfest und jeden neuen Ball so aufregend, als wäre es der erste in ihrem Leben. Es war ein hübsches, munteres Quartett, welches so eng zusammengedrängt im Wagen saß, daß die Reifröcke mit ihren Rüschen über den Wagen hinaushingen und die Sonnenschirme leise aneinanderstießen über den breiten Florentiner Hüten mit ihren Rosen und hängenden Kinnbändern aus schwarzem Samt. Unter den Hüten waren alle Schattierungen roten Haares vertreten, bei Hetty ein volles reines Rot, bei Camilla ein erdbeerfarbenes Blond, Randas Haare leuchteten kupferbraun und die der kleinen Betsy gelbrot wie Karotten.