Kitabı oku: «33 Tage», sayfa 7

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Kaum hat der Wagen vor dem Haupteingang des Palais gehalten, werden die Türen aufgerissen und die Insassen steigen aus. Der deutsche Reichskanzler erhebt sich mühsam und steigt unbeholfen hinter Falkenhayn aus dem Wagen. Kurz stehen bleibend blickt Bethmann Hollweg zurück zur Einfahrt, wo er gerade noch einen Mann erkennen kann, der flinken Schrittes die Fahrbahn überquert und dann seinen Blicken entschwindet. Ihm ist, als hätte er, während das Automobil kurz anhielt, vor dem Tor des Palasts den österreichischen Gesandten gesehen, der für den nächsten Tag bei ihm angekündigt ist. Bethmann Hollweg schiebt den Gedanken beiseite und stellt fest, während er sich langsam die Stufen zum Eingang aufwärtskämpft, dass der Kriegsminister und die anderen Begleiter bereits vorausgeeilt und im Palais verschwunden sind.

Der Reichskanzler fühlt sich müde, ausgezehrt und antriebslos. Der kurzfristige Stimmungsaufschwung, der vorgestern Abend bei ihm durch die kaiserlichen Randnotizen auf Tschirschkys Bericht eingetreten ist, hat nicht lange angehalten. Seine Stimmung hat bald danach wieder umgeschlagen. Durch den Tod seiner über alles geliebten Frau im Mai dieses Jahres hat sich sein bisheriges Leben, sowohl das private als auch das politische, mit einem Schlag relativiert. Schon vor dem tragischen Ereignis hat ihn die lange, schwere Krankheit seiner Frau immens belastet und seine ohnehin ausgesprochen pessimistische Grundhaltung, was die Lage des Deutschen Reiches im Allgemeinen und die Gestaltungsfreiheit seiner Regierungstätigkeit im Besonderen betrifft, zusätzlich verstärkt. Durch den Tod seiner Gattin hat eine Perspektivenlosigkeit und Leere von ihm Besitz ergriffen, mit der er nicht umgehen kann. Schließlich hat er sich vorgenommen, die Sommertage auf seinem Landsitz östlich von Berlin, fernab der politischen Weltbühne, zu verbringen, um seine angeschlagene Verfassung wieder ins Lot zu bringen. Was sein Privatleben anbelangt, so hat er die Hoffnung gehegt, dass sich die vertraute und stimulierende Umgebung auf seinem Gut positiv auswirken würde.

Was sein öffentliches Leben als Kanzler des Deutschen Reiches anbelangt, so hat er mit Erschütterung feststellen müssen, dass sich die innere Leere auch seiner Einstellung zur aktiven Gestaltung der Politik bemächtigt hat. Lustlosigkeit und völliger Verlust von Kompromissbereitschaft haben sich in seine Arbeitsweise eingeschlichen. Während seine außenpolitische Ausrichtung immer danach gestrebt hat, mit England einen friedlichen Konsens zu finden, sieht er jetzt darin keinen Sinn mehr. Die letzten Jahre haben zwar zögerliche Annäherungen mit der Weltmacht gebracht, aber nun tritt die politische und militärische Einkreisung des Deutschen Reiches im klarer vor seine Augen. Für seine Ziele hat er stets Kompromisse gemacht, in Marokko, in Persien, und noch zuletzt ist er dem englischen Sondergesandten Haldane weitestgehend entgegengekommen. Doch jetzt, im Banne der geänderten Wahrnehmung, ist es ihm möglich, sich einzugestehen, dass durch die britisch-russischen Flottenvereinbarungen des vergangenen Jahres seine Politik der Annäherung an England gescheitert ist. Das harte Ringen um die kleinen Schritte hat zu nichts geführt, jetzt ist damit Schluss. Seine persönliche Tragödie hat ihm klargemacht, dass die österreichisch-ungarische Monarchie aus dieser Einkreisungspolitik als letzter und wichtigster Verbündeter hervorgetreten ist. Daher begreift er die Nachricht aus Sarajevo, die ihn auch auf seinem Landsitz erreicht hat, als Chance für Deutschland, aus dieser Umklammerung auszubrechen und Weltmachtpolitik ganz nach der Spielart seines Kaisers zu betreiben.

Was soll ihn jetzt daran hindern? Er, Theobald von Bethmann Hollweg, hat nichts mehr zu verlieren. Er schnauft die letzten Meter ins Sitzungszimmer des Kaisers und stellt fest, dass die übrigen Teilnehmer dieser Unterredung und der Kaiser selbst bereits am Konferenztisch sitzen. Zigarrenrauch treibt ihm entgegen. Durch die geöffneten Fenster dringt kühle Luft ins Zimmer, sodass die Atmosphäre halbwegs erträglich ist. Kaum hat Bethmann Hollweg den Raum betreten und den Kaiser begrüßt, beginnt dieser, sein Gespräch mit dem österreichischen Delegierten Hoyos zusammenzufassen, und liest Auszüge aus den beiden ihm überbrachten Dokumenten vor. Nachdem er mit seiner Schilderung fertig ist, legt Wilhelm die Papiere weg und fährt fort: „Für Österreich und dessen Entschlussfreudigkeit in dieser Sache ist es von enormer Wichtigkeit, dass wir in dieser schweren Stunde hinter ihm stehen. Und für das Deutsche Reich ist es lebenswichtig, dass die Habsburgermonarchie auch weiterhin als vollwertiger Verbündeter im Dreibund verbleibt.“ Wilhelm blickt in die Runde. Niemand sagt ein Wort, doch alle nicken zustimmend. „Ich halte jedoch fest, dass Ich Österreich nicht vorschreiben kann, was es zu tun hat. Trotzdem habe Ich zugesagt, dass sie bei ihren Aktivitäten Unsere volle Unterstützung finden werden.“ „Wenn Österreich nicht länger gewillt ist, diese ewigen Provokationen Serbiens hinzunehmen, wird es wohl militärisch dagegen vorgehen müssen!“ Bethmann Hollwegs Einwurf wird von den Übrigen mit zustimmenden Äußerungen quittiert. Der Reichskanzler fährt fort: „Wir müssen aber in Betracht ziehen, dass Russland diesen Schritt der Österreicher in Serbien nicht tolerieren wird und sich zum Krieg gegen den verhassten Feind entschließen könnte. Österreich würde sich dann einem Zweifrontenkrieg gegenübersehen.“ Bethmann Hollweg klingt besorgt und seine Stimme spiegelt seine müden Augen wider. „Ja, das ist korrekt“, entgegnet Wilhelm. „In diesem Fall tritt Unsere Bündnisverpflichtung in Kraft und Ich habe Österreich jedenfalls Meine Unterstützung auch dafür zugesichert.“

Bethmann Hollweg, Falkenhayn und die anderen sind erstaunt und blicken den Kaiser entgeistert an. Eine überhastete Aktion Wilhelms hatte man schon des Öfteren zu glätten gehabt, aber eine Unterstützungserklärung für einen Kriegsfall gegen Russland, noch dazu in Abwesenheit des Chefs des Generalstabes, wird von allen als ausgesprochen leichtsinnig empfunden. Verlegen wandern Blicke der Männer umher, wer wohl den Mut aufbringen wird, dem Kaiser den Leichtsinn dieser Zusage vor Augen zu führen. General Falkenhayn, der Kriegsminister, fasst sich ein Herz und erkundigt sich ausweichend beim Kaiser, ob gemäß dieser Zusage nicht auch in Deutschland Vorbereitungen für den Kriegsfall zu treffen wären. Wilhelm II. blickt seinen Minister an und schwächt mit einem lächelnden Gesichtsausruck ab: „Nein, das wird nicht nötig sein, denn es wird Meiner Einschätzung nach nicht zum Krieg kommen!“ Der deutsche Kaiser lehnt sich entspannt im Sessel zurück und genießt die verwunderten Gesichter seiner Gesprächspartner. Mit überlegenem Gesichtsausdruck fährt er fort: „Bedenken Sie, dass man, selbst wenn Russland entgegen aller Logik mobilisieren sollte, davon ausgehen kann, dass die österreichische Armee mit den Serben fertig sein wird und sich an die russische Grenze verschiebt, bevor Russland die Mobilmachung abgeschlossen hat. Ich denke also, dass Russland einen Verhandlungsweg einschlagen wird, bevor es sich auf einen Krieg einlässt.“

Nach einem Moment der Zurückhaltung macht wieder allgemeines Kopfnicken die Runde. Man entzündet Zigarren, zieht genüsslich daran und versucht, die Strategie des Kaisers noch einmal nachzuvollziehen. Dieser setzt wohl auf die Tatkraft der Österreicher, die ehestmöglich gegen die Serben zu Felde ziehen und diese vernichtend schlagen müssen. Bevor die Russen dann mit ihrer Mobilmachung, die gewiss 30 Tage dauert, die Österreicher bedrohen, hätten diese einen Stellungswechsel vollzogen und könnten die Russen an der gemeinsamen Grenze erwarten. Die Russen würden daraufhin wieder zurückziehen und die Sache wäre erledigt. Zigarren werden zum Mund geführt und blasser Rauch hebt sich langsam zum Plafond empor.

Nach einer Weile ergreift Erich von Falkenhayn das Wort und bestätigt, sich dabei an die anderen wendend, den Grundgedanken des Kaisers: „Die Einschätzungen Ihrer Majestät zur russischen Mobilmachung werden im Übrigen auch vom Generalstab geteilt. Wir sind überzeugt, dass diese im Moment noch sehr lange dauern würde.“ Niemand antwortet. In typisch militärischer Rhetorik und Gestik verdeutlicht der Kriegsminister den Anwesenden die militärische Lage der beiden großen europäischen Bündnisse und geht dabei insbesondere auf die Lage des Deutschen Reiches ein. Immer wieder auf Bethmann Hollweg blickend, der Falkenhayn in seinen Ausführungen mit zustimmenden Wortmeldungen unterstützt, unterstreicht der Kriegsminister die Warnungen vor einer Übermacht der feindlichen Armeen, die in gemeinsamem Vorgehen einen Vorteil gegenüber der deutschen auf ihrer Seite hätten. Einzig die Schwäche der russischen Mobilmachung halte die Gegner noch davon ab, über Deutschland herzufallen, „aber sie werden laufend besser, denn die französischen Gelder und Militärstrategen zeigen bereits Wirkung. Wir stehen daher auf dem Standpunkt, dass, wenn man losschlägt, um die Einkreisung zu durchbrechen, es jetzt besser ist als später. Ich darf ergänzen, dass auch der österreichische Generalstab, namentlich Conrad von Hötzendorf, diesen Standpunkt vertritt.“ Falkenhayn tritt mit dieser Aussage unter den Besprechungsteilnehmern eine Diskussion los, in der alle für den Kriegsfall ins Auge zu fassenden Maßnahmen und Gegenmaßnahmen detailliert erörtert werden.

Als Einziger beteiligt sich der Reichskanzler nicht an den Wortmeldungen, er stellt aber mit einiger Genugtuung fest, dass die Anwesenden in der aktuellen Lage durchaus die Gelegenheit für eine Loslösung aus der für Deutschland so beängstigenden Umklammerung sehen. Bethmann Hollweg ergreift in einer Gesprächspause das Wort: „Euer Majestät, meine Herren, um diese Diskussion abzukürzen, schließe ich mich der vorhin geäußerten Meinung Eurer Majestät an, dass, im Hinblick auf deren Verhalten in den vergangenen Balkankonflikten der Jahre 1912 und 1913, die Österreicher einen bewaffneten Konflikt wieder scheuen werden und es ohnehin zu keinem Krieg kommen wird.“ „Da könnten Sie recht haben, Exzellenz.“ Aus Wilhelms Tonfall ist resignierende Enttäuschung herauszuhören.

Nach einer Weile des Nachdenkens fährt er fort: „Aus den mir heute zur Kenntnisnahme gebrachten Dokumenten geht überdies hervor, dass sie höchstes Augenmerk darauf legen wollen, dass Bulgarien dem Dreibund beitritt. Bevor es so weit ist, würde man nichts unternehmen wollen. Meine Unterstützungszusagen sind daher nicht wirklich als riskant anzusehen.“ Dem Kaiser wird nach dieser Analyse allgemeine Zustimmung zuteil. „Meine Herren“, Wilhelm steht auf und gibt damit das Ende der Unterredung bekannt, „hiermit sind alle Punkte besprochen und ich überlasse Ihnen ab nun Berlin.“ Mit einem Augenzwinkern verabschiedet er sich von seinen Gästen und verlässt das Konferenzzimmer.

Unmittelbar danach wird der Kaiser abgeholt und im Automobil zum Bahnhof gebracht, wo bereits sein Sonderzug nach Kiel bereitsteht. Wie jedes Jahr steht auch diesen Sommer wieder der alljährliche Kreuzfahrturlaub auf dem Programm. Bethmann Hollweg ist mit dem Ergebnis der Sitzung ausgesprochen zufrieden. Er hat nicht nur im Kriegsminister einen profunden Mitstreiter gefunden, sondern dieser hat ganz in seiner Argumentationslinie bereits seine bevorstehende außenpolitische Ausrichtung vorgegeben: In Wien ist Druck zu machen, damit die Österreicher schnell und kräftig in Serbien Klarheit schaffen, und gegenüber den Mächten ist mit Bestimmtheit der Standpunkt zu vertreten, dass die Angelegenheit nur Österreich-Ungarn und Serbien betreffe. Da mit einer Einmischung von Russland unbedingt zu rechnen sei, wäre es ein Leichtes, das Odium des Verschuldens einer europäischen Auseinandersetzung diesem umzuhängen. Damit wären die Weichen für eine Lösung der Umklammerung gestellt.

Bethmann Hollweg sitzt noch in seinem Stuhl, als die anderen bereits den Raum verlassen haben. Sein Kopf ruht während dieser Gedanken auf seinen Händen, die er beidseitig auf den Armlehnen des riesigen Lehnstuhls abgestützt hat. Langsam greift er nach seinem Glas, trinkt den letzten Schluck und steht auf. Bedeutend leichteren Schrittes geht er zur Tür und folgt den anderen, die sicherlich schon auf ihn warten. Selbst wenn die Österreicher aktiv reagieren sollten – und wann haben sie das schon jemals getan? –, erscheint das Risiko eines großen Krieges nur minimal.

MONTAG, 6. JULI

„Was, meine Herren, machen Sie mit Serbien nach dem Sieg?“ Theobald von Bethmann Hollweg formuliert diese Frage in einem bewusst provozierenden Tonfall. Er blickt dabei abwechselnd von Staatssekretär Hoyos zum österreichischen Botschafter Szögyény-Marich und wieder zurück. Neben Bethmann Hollweg sitzt Unterstaatssekretär Zimmermann, ein enger Mitarbeiter im Ministerium. Dieser kann bei der Frage ein zynisches Lächeln nicht ganz unterdrücken. Gespannte Blicke sind auf die beiden Österreicher gerichtet.

Bethmann Hollweg und Zimmermann sind schon geraume Zeit vor der Unterredung mit den Österreichern zusammengekommen und haben die gestrige Konferenz beim Kaiser Revue passieren lassen und auch die kaiserlichen Randbemerkungen am Bericht Tschirschkys ins Kalkül gezogen. Sie sind zum Schluss gekommen, ganz die Linie Wilhelms fortführen zu wollen, wenn die Österreicher willens sind, diesmal Konsequenz, Initiative und Durchhaltevermögen unter Beweis zu stellen. Sollten sie im bevorstehenden Gespräch eine derartige Haltung aus dem Auftreten der österreichischen Delegierten ablesen können, dann könne man sich eine Unterstützungserklärung für Wien auch für eine militärische Aktion gegen Serbien vorstellen. Man will von Österreich Sicherheiten haben, dass es diesmal wisse, was zu tun ist. Aus den beiden vergangenen Balkankriegen hat sich das Deutsche Reich mit dem Hinweis herausgehalten, dass es keine klare Linie in der Wiener Politik zu erkennen in der Lage sei. Auf eine typisch österreichische „Schlamperei“ werde man sich nicht einlassen.

Noch immer wartet der Reichskanzler auf eine Reaktion und seine Blicke verfinstern sich zusehends. Hoyos erkennt, dass dieser Moment der entscheidende Augenblick seiner Berliner Mission ist, und setzt alles auf eine Karte. Abgebrüht und eiskalt erwidert er: „Wir teilen Serbien zwischen Bulgarien, Rumänien und uns auf. Diese Ziele sind selbstverständlich festgeschrieben.“ Bethmann Hollweg weicht verblüfft zurück und durchbohrt Hoyos mit prüfenden Blicken. Nichts, er kann keine Unsicherheiten ausmachen. Hoyos setzt noch eins drauf: „Damit sind wir das Problem dann endgültig los!“ Er lehnt sich zufrieden zurück und setzt ein ähnlich zynisches und überlegenes Lächeln auf, wie er es zuvor im Gesicht Zimmermanns wahrgenommen hat. Als Taktikexperte in diplomatischen Kreisen hat Alexander Hoyos die Intention der Frage von Bethmann Hollweg richtig gedeutet, denn er kann an der Reaktion der beiden Deutschen erkennen, dass sie zufriedengestellt sind.

Der angespannten Mienen hellen sich nun zusehends auf, und nachdem Bethmann Hollweg und Zimmermann einen kurzen Blick ausgetauscht haben, richtet der deutsche Reichskanzler wieder das Wort an die beiden Gäste: „Natürlich wird die Entscheidung darüber, wie die Ordnung des Verhältnisses zwischen der österreichisch-ungarischen Monarchie und Serbien geregelt wird, Wien überlassen, aber wir sind“, er nimmt seine Brille ab, um den folgenden Worten Nachdruck zu verleihen, „wie auch Seine Majestät Kaiser Wilhelm gestern ausführte, der Ansicht, dass nur ein sofortiges und radikales Einschreiten gegen Serbien als Lösung für Österreichs Schwierigkeiten in Betracht kommt. Kaiser Franz Joseph kann sicher damit rechnen, dass Deutschland als Bundesgenosse und Freund der Monarchie hinter ihm steht, wenn Österreich in diesem Sinne zu handeln bereit ist.“ Zimmermann ergreift das Wort und fügt bedeutungsvoll an: „Im Übrigen sind wir der Meinung, dass die aktuelle internationale Situation günstig dafür erscheint.“ Beide fixieren die Österreicher, um sich zu vergewissern, dass die kryptische Aussage auch tatsächlich richtig verstanden wird. Bethmann Hollweg hebt erwartungsvoll die Augenbrauen und blickt auf sein Gegenüber an der anderen Seite des Tisches. „Da ist sie, die uneingeschränkte Zusicherung aus Berlin, die Minister Berchtold haben wollte“, jubelt Hoyos still in sich hinein. Einem siegessicheren Impuls folgend, flackern bei dem Gedanken seine Augen auf: „Exzellenz, morgen findet in Wien ein Ministerrat statt, der sich mit dem Ergebnis dieser, meiner Mission hier in Berlin befasst und ihre ausgesprochen großzügige Unterstützungszusage in eine entsprechende Beschlussfassung einfließen lassen wird.“

Bethmann Hollweg und Zimmerman nicken zufrieden. Der österreichische Gesandte hat sie offensichtlich verstanden. In Hoyos’ Kopf arbeitet es wie wild: „Nicht nur, dass man uns im Falle eines Feldzugs jedwede Unterstützung zusagt, man empfiehlt uns auch mehr oder weniger unverhohlen, sofort loszuschlagen. Mit einem Entgegenkommen in dieser Dimension ist nicht zu rechnen gewesen!“ Er muss alle Anstrengungen aufbieten, um nicht in unangebrachte Jubelstimmung zu verfallen. Die Beine übereinanderschlagend erwidert er, dass in den hohen Führungskreisen in Wien, dabei meine er insbesondere den Generalstab und das Kriegsministerium, die gegenwärtige Lage ebenso eingeschätzt werde und man sich durch die soeben angebotene Haltung des Deutschen Reiches ausgesprochen bestärkt in den kommenden Vorhaben sehen werde. Der österreichische Botschafter, der bis dahin abwartend das Gespräch beobachtet hat, wirft ein, dass man im Falle eines militärischen Vorgehens gegen Serbien mit einer Kompensationsforderung Italiens zu rechnen habe. Eine Ablehnung dieses den vertraglichen Regelungen durchaus entsprechenden Begehrens könnte den Dreibund entzweien. Hoyos reißt die Augen auf und denkt: „Was um Himmels willen ist in ihn gefahren …?“ Noch bevor der Botschafter weitersprechen kann, legt Hoyos seine Hand auf dessen Arm und drückt ihn sanft nach unten. Gleichzeitig reißt er das Wort an sich: „Was der Botschafter damit meint, ist, dass wir nicht gewillt sind, diesbezüglich mit den Italienern zu verhandeln, und an das Deutsche Reich die Bitte herantragen, uns in dieser diplomatisch heiklen Sache zu unterstützen.“ Hoyos’ Druck auf den Arm des Botschafters wird stärker, sodass sich dieser in Schweigen hüllt und klein beigibt.

Tisza hat ihm, Szögény-Marich, telegrafiert, was er vorzubringen hätte, wenn sich das Gespräch in die eine oder andere Richtung entwickeln würde. Doch wozu soll er bei diesen offensichtlich klaren Verhältnissen noch Energie aufwenden. Außerdem hat man seinen Nachfolger als Botschafter in Berlin bereits nominiert, in wenigen Wochen wird er abgelöst. Dann muss sich ein anderer mit den Konsequenzen herumschlagen.

Bethmann Hollweg und Zimmermann haben sich nach Hoyos’ Bitte zurückgelehnt und leise einige Worte gewechselt. Nun richten sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Gäste und erklären sich bereit, auf Italien im Sinne Österreichs einzuwirken und den Partner im Dreibund ruhig zu stimmen.

Damit sind die offiziellen Unterredungen beendet und die deutschen Politiker verabschieden kurz darauf ihre österreichischen Kollegen. Theobald von Bethmann Hollweg ist nach den beiden anstrengenden Tagen nicht gewillt, sich länger als unbedingt nötig in Berlin aufzuhalten. Er sehnt sich nach seinem Gut auf dem Lande und hat nach den heutigen Gesprächen nicht das Gefühl, dass diese Angelegenheit, so tragisch sie in Sarajevo auch begonnen haben mag, eine große Sache werden würde. Wie immer, wenn die Nachbarmonarchie mit dem greisen Kaiser an der Spitze und einem charmanten, aber willensschwachen Minister des Äußeren wild fuchtelnd in der Außenpolitik auf sich aufmerksam macht, würde es letzten Endes wieder nur ein Sturm im Wasserglas werden. Schon im letzten Jahr hatte Berchtold einen Mitarbeiter nach Berlin entsandt, um eine Unterstützungszusage zu erbitten. Nach den kraftlosen und schwammigen Aussagen von Graf Forgách hatte man sich damals in Berlin eher vage und zurückhaltend gegeben, sodass Bethmann Hollweg und auch Zimmerman heute mit Genugtuung feststellen konnten, dass man dazugelernt hat und diesmal wenigstens handfeste Ziele und eine nachvollziehbare Strategie vorbringen kann.

Als die beiden Österreicher fort sind, verständigt sich Bethmann Hollweg daher mit Staatssekretär Zimmermann, wieder auf seinen Gutshof zurückzukehren und den unterbrochenen Erholungsurlaub wieder aufzunehmen.

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„Wie sieht Ihre weitere Planung aus, Herr Sektionschef?“, erkundigt sich der Botschafter bei Hoyos, nachdem sie die Reichskanzlei verlassen haben. „Ich werde diese ausgezeichneten Nachrichten sofort an Minister Berchtold telegrafieren und dann den nächsten Zug zurück nach Wien nehmen.“ Nach einigem Zögern entschließt sich der Botschafter, die ihn quälende Frage doch zu stellen: „Verzeihen Sie meine Neugierde, aber haben wir tatsächlich schon Pläne für die Neugestaltung des Balkans nach unserem Sieg?“ Hoyos bleibt stehen und blickt den Botschafter mit ernster Miene an: „Exzellenz, es gibt weder eine Entscheidung für einen Krieg, noch bestehen Pläne für Gebietsaufteilungen jeglicher Art! Aber wenn wir heute wieder Unentschlossenheit gezeigt hätten, wären wir in den Augen des Deutschen Reiches kein ernst zu nehmender Partner mehr. Meine heutige Aussage geschah ohne Autorisierung, aber wir haben damit, den sehr positiven Zusagen nach zu urteilen, unser Ziel erreicht.“

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Litres'teki yayın tarihi:
23 aralık 2023
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ISBN:
9783990402542
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