Kitabı oku: «Wirtschaftsvölkerrecht», sayfa 7
Anmerkungen
[1]
Hierzu und zum Folgenden Geiger, Staatsrecht III: Bezüge des Grundgesetzes zum Völker- und Europarecht, 7. Aufl., 2018, §§ 29-32 und Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, 12. Aufl., 2020, Rn. 787 ff.
[2]
Dazu oben Rn. 77.
[3]
Dazu auch Teil 2 Rn. 302.
[4]
Streinz, Europarecht, 11. Aufl., 2019, Rn. 1266 ff.
Teil 1 Grundlagen › III. Theorie der internationalen Wirtschaftsbeziehungen
III. Theorie der internationalen Wirtschaftsbeziehungen
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Die grundlegende Kenntnis einiger wichtiger wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Theorien der internationalen Wirtschaftsbeziehungen ist auch für ein Studium des Wirtschaftsvölkerrechts sinnvoll, da so die Prinzipien und Wertungen, die den Rechtsregeln zu Grunde liegen, besser verstanden und kritisch hinterfragt werden können.
Teil 1 Grundlagen › III. Theorie der internationalen Wirtschaftsbeziehungen › 1. Außenwirtschaftstheorie
1. Außenwirtschaftstheorie
Literatur:
Rose/Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft, 14. Aufl., 2006; Krugman/Obstfeld/Melitz, Internationale Wirtschaft – Theorie und Politik der Außenwirtschaft, 11. Aufl., 2019; Dieckheuer, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 5. Aufl., 2001; Koch, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 3. Aufl., 2006.
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Die wirtschaftswissenschaftliche Theorie der internationalen Wirtschaftsbeziehungen (Außenwirtschaftstheorie) befasst sich zum einen mit dem internationalen Handel (Außenhandelstheorie und Theorie der Handelspolitik) und zum anderen mit den internationalen Finanzen (Währungs- und Wechselkurssysteme).[1] Die Außenhandelstheorie untersucht die Ursachen des internationalen Handels, Umfang, Richtung und Struktur der Handelsströme sowie die Auswirkungen des internationalen Handels auf eine Volkswirtschaft. Die Theorie der Handelspolitik fragt, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die verschiedenen handelspolitischen Instrumente haben. Aus den jeweiligen empirischen Erkenntnissen leiten diese Theorien auch Werturteile über bestimmte politische Entscheidungen und Handlungsempfehlungen für die Politik ab. Die Theorie der Währungs- und Wechselkurssysteme untersucht die Voraussetzungen und Auswirkungen der verschiedenen Währungs- und Wechselkurspolitiken.
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Die beiden Hauptschwerpunkte der Außenwirtschaftstheorie (internationaler Handel und internationale Finanzen) lassen sich vereinfacht jeweils einem Teilgebiet des Wirtschaftsvölkerrechts zuordnen, nämlich dem Welthandelsrecht auf der einen Seite und dem internationalen Währungs- und Finanzrecht auf der anderen Seite. Aufgrund der Sachnähe der wirtschaftswissenschaftlichen Aussagen zu den jeweiligen Rechtsfragen werden diese Ansätze daher in den Kapiteln zu den genannten Teilgebieten vorgestellt. Dabei müssen sich die Darstellungen auf knappe und kurze Einführungen und Überblicke beschränken. Für eine weitergehende und vertiefte Befassung mit diesen Theorien sind die zitierten oder andere einschlägige volkswirtschaftliche Lehrbücher heranzuziehen.
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Bereits an dieser Stelle ist allerdings auf zwei allgemeine Probleme des Rückgriffs auf wirtschaftswissenschaftliche Theorien in der rechtlichen Analyse hinzuweisen: Erstens ist grundsätzlich sorgfältig zwischen der empirischen und der normativen Dimension wirtschaftswissenschaftlicher Theorien zu differenzieren. Eine wirtschaftswissenschaftliche Theorie kann einerseits Aussagen darüber treffen, wie der Umfang und die Struktur internationaler Handels- und Finanzströme zu erklären sind oder wie sich bestimmte wirtschaftspolitische Entscheidungen auf das Volkseinkommen auswirken. Aus den jeweiligen empirischen Analysen, die z.T. auf abstrakten und komplexen Modellen beruhen, werden andererseits auch normative Aussagen über bestimmte politische Entscheidungen getroffen, die jedoch vor dem Hintergrund der tatsächlichen politischen und ökonomischen Bedingungen zu beurteilen sind. Für die sinnvolle Nutzung wirtschaftswissenschaftlicher Theorien im Rahmen der Erörterung von Rechtsfragen muss zwischen einem empirisch belegbaren Befund und einer normativ zu hinterfragenden Politikempfehlung unterschieden werden.
Beispiel:
Die Theorie der Handelspolitik kann mathematisch nachweisen, dass ein Zoll ein weniger effizientes Instrument zum Schutz der einheimischen Industrie ist als die gezielte Subventionierung dieser Industrie. Daraus wird die normative Aussage abgeleitet, dass Zölle abzubauen sind. Tatsächlich stellen Zölle für viele Entwicklungsländer eine wesentliche Einnahmequelle des Staats dar, da die wirtschaftliche Basis für ein allgemeines Steuerwesen fehlt. Subventionen sind zudem Instrumente, die aus finanziellen Gründen von vielen Staaten nicht eingesetzt werden können.
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Zum zweiten ist zu beachten, dass die normativen Aussagen der Außenwirtschaftstheorie regelmäßig davon ausgehen, dass es für ein Land grundsätzlich sinnvoll und wünschenswert ist, die Menge der für den Konsum zur Verfügung stehenden Güter zu erhöhen. Diese Annahme beruht auf der Prämisse der klassischen Wohlfahrtsökonomie, nach der die Erhöhung der Konsummöglichkeiten, d.h. entweder die Reduzierung des Preises oder die Ausdehnung des Angebots, stets wohlfahrtssteigernd ist. Ökologische und soziale Konsequenzen bzw. deren normative Bewertungen werden aus dieser Annahme (zunächst) ausgenommen.
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Die sog. konservative Wohlfahrtsfunktion weist dagegen darauf hin, dass eine Gesellschaft Einkommenssteigerungen z.B. durch die Reduktion von Preisen, einen relativ geringen Wohlfahrtsgewinn beimessen kann, während sie Einkommensverlusten einen relativ hohen Wohlfahrtsverlust zuschreibt. Die Gesellschaft hat dann ein größeres Interesse an der Einkommensbewahrung für alle Gruppen als an der Einkommenssteigerung einiger weniger. Sie versucht deshalb, Einkommensverluste für einzelne gesellschaftliche Gruppen möglichst zu vermeiden. Um dies zu erreichen ist die Gesellschaft auch bereit, auf eine mögliche Erweiterung der Konsummöglichkeiten zu verzichten.
Beispiel:
Eine Maßnahme, die dazu führt, dass statt 5000 t importierte Äpfel jährlich 1000 t einheimische Äpfel auf dem Markt eines Lands zur Verfügung stehen, reduziert nach den Prämissen der klassischen Wohlfahrtsökonomie die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt. Nach der konservativen Wohlfahrtsfunktion würde es die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt dagegen steigern, wenn auf diese Weise die einheimischen Apfelbauern nicht vom Markt verdrängt und weiterhin ein Einkommen erzielen würden.
Anmerkungen
[1]
Siehe zu dieser Unterteilung der Außenwirtschaftstheorie auch Krugman/Obstfeld/Melitz, Internationale Wirtschaft – Theorie und Politik der Außenwirtschaft, 11. Aufl., 2019 sowie Koch, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 3. Aufl., 2006, 1. Buch: Internationale Handelsbeziehungen, 2. Buch: Internationale Währungs- und Finanzbeziehungen.
Teil 1 Grundlagen › III. Theorie der internationalen Wirtschaftsbeziehungen › 2. Internationale Politische Ökonomie
2. Internationale Politische Ökonomie
Literatur:
Bieling, Internationale Politische Ökonomie: Eine Einführung, 2. Aufl. 2011, Schirm, Internationale Politische Ökonomie, 3. Aufl., 2013; Scherrer, Internationale Politische Ökonomie als Systemkritik, in: Hellmann/Wolf/Zürn (Hrsg.), Die neuen Internationalen Beziehungen, 2003, 465.
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Die Internationale Politische Ökonomie (IPÖ) untersucht die Wechselwirkungen von Politik und Wirtschaft im internationalen Kontext. Dabei geht es einerseits um die Auswirkungen nationaler Politik auf die internationale Wirtschaft – insofern bestehen Berührungspunkte zur Theorie und politischen Ökonomie der Handelspolitik – und andererseits um die Auswirkungen internationaler Wirtschaftsstrukturen auf die nationale Politik. Die zentrale Frage der IPÖ lautet: „Wie beeinflussen sich das nationalstaatliche Gemeinwohlinteresse der Politik und das transnationale Eigennutzinteresse der Ökonomie“?[1] Mit dieser Frage wird zugleich der grundlegende Unterschied zwischen der am Gemeinwohlinteresse orientierten und hauptsächlich auf Ebene des Nationalstaats agierenden Politik und der an Gewinnmaximierung orientierten und oft global ausgerichteten Wirtschaft deutlich.
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Traditionellerweise werden in der IPÖ drei große Schulen unterschieden: Nationalismus bzw. Realismus, Liberalismus und Marxismus. Diese drei Schulen beruhen auf grundsätzlich unterschiedlichen Prämissen und Methoden und kommen insofern auch zu unterschiedlichen Antworten auf die zentrale Frage der IPÖ. In neueren Beiträgen verliert die Unterteilung in diese Schulen an Bedeutung. Stattdessen ist erkannt worden, dass jede Schule wichtige Beiträge liefern kann, dass aber auch jeder Ansatz Kritik ausgesetzt ist.
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Im Mittelpunkt der IPÖ steht die Analyse von Institutionen und Interessen, von Macht und Strukturen. Diese Betrachtungen können wichtige rechtstatsächliche Erkenntnisse über Bedeutung und Funktion wirtschaftsvölkerrechtlicher Regeln liefern. Dies gilt z.B. für folgende Untersuchungsgegenstände der IPÖ:
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– | Bedeutung einzelner Staaten bzw. Handelsblöcke für das internationale Handelssystem Das Welthandelssystem wird durch wenige Staaten bzw. Handelsblöcke geprägt. Während in der unmittelbaren Nachkriegszeit die politische und wirtschaftliche Hegemonie der USA dazu führte, dass das Welthandelssystem in weiten Teilen auf US-amerikanischen Vorstellungen beruhte, sind heute Kooperationen und Konflikte zwischen den großen Handelsblöcken USA, EU und Japan prägend. In den letzten Jahren ist die Bedeutung der sog. BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) erheblich gewachsen. Die Mehrheit der Entwicklungsländer kann dieser Vormachtstellung wenig entgegensetzen. Vor diesem Hintergrund kann gefragt werden, inwieweit der völkerrechtliche Grundsatz der Gleichheit der Staaten der Realität des internationalen Wirtschaftssystems entspricht. |
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– | Rolle der internationalen Finanzinstitutionen für die wirtschaftliche Entwicklung der Entwicklungsländer Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank sind für zahlreiche Entwicklungsländer nicht nur wichtige Finanzgeber, sondern beeinflussen durch ihre verschiedenen Programme und Politikempfehlungen auch die Wirtschaftspolitik in diesen Ländern.[2] Zwar bleiben die Länder gemäß dem Grundsatz der wirtschaftlichen Souveränität[3] aus völkerrechtlicher Sicht unabhängig bei der Gestaltung ihrer Politik. Durch den Einfluss der internationalen Finanzinstitutionen wird die tatsächliche Souveränität aber u.U. deutlicher und subtiler eingeschränkt als durch formelle völkerrechtliche Regelungen. Damit stellt sich die Frage, in welchem Umfang der Grundsatz der nationalen Souveränität in diesem Fällen noch als Erklärungsmuster der Realität geeignet ist. |
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– | Einfluss multinationaler Unternehmen auf nationale und internationale Politik Multinationale Unternehmen, die sich im Ausland niederlassen, üben einen erheblichen Einfluss auf die jeweiligen politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen aus. Darüber hinaus beeinflussen sie das internationale Handels- und Finanzsystem deutlich. Diese tatsächlichen Möglichkeiten multinationaler Unternehmen werden von ihrer völkerrechtlichen Stellung nicht hinreichend erfasst. Damit stellt sich die Frage, ob die Ablehnung der Völkerrechtssubjektivität internationaler Unternehmen noch angemessen ist. |
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Ebenfalls von besonderer Bedeutung für das Wirtschaftsvölkerrecht sind die jüngsten Ansätze der IPÖ, die sich mit den Herausforderungen und der Steuerung der Prozesse der Globalisierung befassen. Globalisierung wird als der wachsende Anteil grenzüberschreitender wirtschaftlicher Aktivitäten an der Gesamtwirtschaftstätigkeit verstanden. Entscheidende Ursachen für dieses Phänomen sind technologische Innovationen und gesunkene Transportkosten. Über den genauen Umfang und die Ursachen der Globalisierung besteht in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften keine Einigkeit. Unumstritten ist nur, dass die nationalstaatlichen Steuerungsmodelle und -instrumente angesichts der Verflechtung der Volkswirtschaften, der Mobilität von Produktion und Produktionsfaktoren zunehmend an die Grenzen ihrer Effektivität geraten.
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Insofern entsteht die Notwendigkeit, die internationalen Wirtschaftsbeziehungen auch auf internationaler Ebene zu steuern. Da auf globaler Ebene keine staatsähnlichen Gebilde entstehen, geschieht diese Steuerung in einem Netz aus unterschiedlichen Institutionen und mit Regeln unterschiedlicher Rechtsqualität, die auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Kontexten das Verhalten der Akteure bestimmen. Dieses Phänomen kann als Global Economic Governance bezeichnet werden. Kurz wird Global Economic Governance als „multilaterale, regelgestützte Steuerung der Weltwirtschaft“[4] bezeichnet. Die Wahl des Begriffs governance zeigt dabei, dass es nicht um förmliches Regieren (government), sondern um das Steuern bestimmter Sachverhalte mit unterschiedlichen Methoden geht.
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Global Economic Governance betrifft nicht nur Staaten, sondern auch andere Akteure wie internationale Organisationen, nicht-staatliche Gruppen und internationale Zusammenschlüsse aller Art (z.B. die Gruppe der G8-Staaten). Die Regeln der Global Economic Governance sind teilweise formelle Rechtsregeln und teilweise unverbindliche Standards und Kodizes, die auch von den Akteuren selbst entwickelt werden.
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Vertreter der kritischen Internationalen Politischen Ökonomie[5] sehen den normativen Gehalt der Global Economic Governance als problematisch an, da damit unterstellt werde, dass die Globalisierungsprobleme allein durch neue Formen des Managements gelöst werden könnten. Globalisierung könne jedoch nicht als bloßes Steuerungsproblem begriffen werden. Vielmehr bestehe das Problem der Globalisierung auch darin, dass neoliberale Politikmodelle verfestigt werden und ungerechte Verteilungsstrukturen vertieft würden. Des Weiteren sei die demokratische Legitimation zahlreicher Institutionen der Global Economic Governance unzureichend.
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Die Lösung der durch die Globalisierung hervorgerufenen oder verschärften Probleme besteht nach Ansicht von kritischen Autoren nicht in der Entwicklung und Verbesserung neuer Steuerungsinstrumente, sondern vor allem in einer grundsätzlichen Neugestaltung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Aufgabe einer kritischen Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen globalen Wirtschaftsmodell sei die Formulierung von Alternativen für eine demokratisch legimitierte, sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Gestaltung der Weltwirtschaft.
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Dieser kurze Abriss des neuen Untersuchungsfeldes Global Economic Governance macht zweierlei deutlich:
– | Erstens, die Fragen und Phänomene, die unter dem Stichwort „Global Economic Governance“ untersucht werden, berühren zentrale Aspekte des Wirtschaftsvölkerrechts. Insofern besteht ein enger theoretischer und praktischer Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftsvölkerrecht und Global Economic Governance. |
– | Zweitens, die traditionellen Methoden und Instrumente des Wirtschaftsvölkerrechts erfassen allenfalls Teilaspekte der Global Economic Governance. Die rechtswissenschaftliche Durchdringung dieses neuen Phänomens steht noch am Anfang. |
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Die Überprüfung und ggf. notwendige Modifizierung traditioneller Verständnisse anhand neuer Realitäten ist jedoch dringend geboten, wenn die Rechtswissenschaft dem Anspruch gerecht werden soll, auf aktuelle Fragen adäquate Antworten zu suchen und für die Bewertung aktueller Sachverhalte angemessene Methoden bereit zu halten. Dieser Anspruch soll jedenfalls die Darstellung und Diskussion des Wirtschaftsvölkerrechts auf den kommenden Seiten leiten. Damit soll das geltende Wirtschaftsvölkerrecht zugleich in den Kontext der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Realitäten der internationalen Wirtschaftsbeziehungen eingebettet werden.
Anmerkungen
[1]
Schirm, Internationale Politische Ökonomie, 3. Aufl., 2013, 15.
[2]
Dazu Teil 5 Rn. 854 ff., Teil 6 Rn. 958.
[3]
Dazu oben Rn. 95.
[4]
Schirm, Internationale Politische Ökonomie, 3. Aufl. 2013, 239.
[5]
Vgl. z.B. Scherrer, Internationale Politische Ökonomie als Systemkritik, in: Hellmann/Wolf/Zürn (Hrsg.), Die neuen Internationalen Beziehungen, 2003, 484 ff.
Teil 2 Welthandelsrecht
Inhaltsverzeichnis
I. Umfang und Struktur des Welthandels
II. Theorie des Außenhandels und der Handelspolitik
III. Entwicklung des Welthandelssystems
IV. Allgemeines WTO-Recht
V. Warenhandel
VI. Dienstleistungshandel
VII. Handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums
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Unter dem Welthandelsrecht wird das Recht der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) bezeichnet, d.h. die Übereinkommen der WTO-Rechtsordnung. Hierin erschöpfen sich die völkerrechtlichen Regeln des internationalen Handels jedoch nicht. Vielmehr werden Handelsfragen auch in regionalen und bilateralen Abkommen, insbesondere in Freihandelsabkommen und regionalen Integrationsrechtsordnungen, geregelt.[1] Hinzu treten weitere multinationale Verträge, die Sonderrecht für bestimmte Güter schaffen (z.B. Rohstoffabkommen[2]) und ebenfalls Handelsfragen betreffen. Wenn in diesem Kapitel gleichwohl ausschließlich das Welthandelsrecht behandelt wird, liegt dies zum einen an der zentralen Bedeutung dieses Rechtsgebiets für den grenzüberschreitenden Austausch von Gütern und Dienstleistungen und zum anderen daran, dass weitere handelsrechtliche Aspekte in den Kapiteln über regionale Integrationsabkommen und das Entwicklungsvölkerrecht behandelt werden.
Anmerkungen
[1]
Dazu Teil 7 Rn. 1017 ff.
[2]
Dazu Teil 6 Rn. 929 ff.
Teil 2 Welthandelsrecht › I. Umfang und Struktur des Welthandels
I. Umfang und Struktur des Welthandels
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Vor einer Darstellung der Regeln des Welthandelssystems ist es sinnvoll, einen kurzen Blick auf Umfang und Struktur der weltweiten Handelsbeziehungen zu werfen, die den tatsächlichen Hintergrund des Welthandelsrechts darstellen. Das Volumen des weltweiten Handels (gemessen am Exportvolumen) betrug im Jahr 2019 ca. 19,05 Bio US$. Es umfasst damit rund ein Viertel des Weltbruttosozialprodukts. 76 % des weltweiten Handels entfallen auf den Warenhandel; gut 24 % betreffen den Dienstleistungshandel.[1] Seit Anfang der 1950er Jahre verzeichnet der internationale Handel grundsätzlich höhere Wachstumsraten als das Weltbruttosozialprodukt. Dadurch wird deutlich, dass der Integrationsgrad der internationalen Wirtschaftsbeziehungen in den vergangenen Jahrzehnten stetig zugenommen hat. Die Covid-19-Pandemie und die daraus resultierenden staatlichen Einschränkungen und Beschränkungen des internationalen Verkehrs führten Mitte 2020 allerdings zu einem signifikanten Rückgang des Welthandels. Die langfristigen Folgen der Pandemie sind noch nicht absehbar.
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Während die aggregierten Zahlen die Bedeutung des globalen Handels für die Weltwirtschaft insgesamt verdeutlichen, ermöglicht erst eine nach Regionen und Ländern differenzierende Betrachtung ein genaues Bild über den Umfang und die Auswirkungen des Handels auf einzelne Länder und Ländergruppen. Über ein Drittel des weltweiten Warenexports (38 %) entfällt auf Europa, wofür maßgeblich die EU verantwortlich ist. Über ein Drittel des Weltexports stammt aus Asien, in erster Linie aus China, Japan, Indien und den sog. vier asiatischen Tigern (Taiwan, Hong Kong, Singapur und Korea). Für 14 % des Exportvolumens sind die Staaten Nordamerikas (USA, Kanada und Mexiko) verantwortlich. Weitgehend marginalisiert sind Süd- und Mittelamerika sowie Afrika mit jeweils ca. 3 % Anteil am Weltexport.[2] Die Problematik dieser Verteilung wird auch deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass im Jahr 2019 ein Drittel des Weltwarenhandels auf drei Länder (USA, China und Deutschland) entfiel.[3] Insgesamt zeigt sich eine extreme regionale Ungleichheit des weltweiten Handels.
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Nicht nur das Volumen, auch die Ausrichtung des internationalen Handels ist regional unausgewogen. In den großen Handelsblöcken des Nordens dominiert der intraregionale Handel. Dagegen spielt der intraregionale Handel in Afrika und Lateinamerika eine geringere Rolle. Die Handelsbeziehungen der meisten Entwicklungsländer sind noch immer einseitig auf die Märkte des Nordens ausgerichtet. In diesem Zusammenhang ist auch relevant, dass der Handel in globalen Wertschöpfungsketten (Global Value Chains) und innerhalb von multinationalen Konzernen zunehmend an Bedeutung gewinnt.
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Insgesamt zeigt sich, dass die globalen Handelsbeziehungen weiterhin durch eine Dominanz der Industrieländer geprägt sind. Zwar nimmt der Anteil von Entwicklungsländern am internationalen Handel ebenso wie der Umfang des sog. Süd-Süd-Handels (Handel zwischen Entwicklungsländern) seit einigen Jahren zu; diese Entwicklung geht jedoch in erster Linie auf die gestiegene Bedeutung einiger weniger ostasiatischer Länder zurück. Eine besondere Rolle nimmt dabei China ein. Innerhalb kurzer Zeit hat sich China zur weltweit führenden Handelsnation entwickelt und ist für 13% des globalen Warenexports verantwortlich. China rangiert damit seit einigen Jahren vor der EU und den USA. Diese Bedeutung wirkt sich auch auf die globalen Handelsbeziehungen aus, die immer stärker von politischen und ökonomischen Interessensgegensätzen zwischen den drei großen Handelsblöcken geprägt werden.
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Die Bedeutung des internationalen Handels für die einzelnen Volkswirtschaften und damit auch die Abhängigkeit vom Handel einzelner Länder variiert stark. In einigen kleineren offenen Volkswirtschaften wie Irland liegt der Anteil des Handels am Bruttosozialprodukt bei über 100 %. Für die „Exportnation“ Deutschland ist das Verhältnis von Ex- und Importen zum Bruttosozialprodukt mit rund 40% immer noch relativ hoch. In zahlreichen Entwicklungsländern liegt die Quote bei 20 bis 30 %. In Staaten mit großen Binnenmärkten, wie den USA oder Brasilien, ist der Anteil mit zwischen 10 und 20 % deutlich geringer.[4]