Kitabı oku: «Wirtschaftsvölkerrecht», sayfa 9

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Anmerkungen

[1]

Zum Folgenden Rose/Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft, 14. Aufl., 2006; Dieckheuer, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 5. Aufl., 2001; Koch, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 3. Aufl., 2006.

[2]

Unter Rentengewinnen versteht man einen geldwerten Vorteil, den ein Wirtschaftsteilnehmer erhält, ohne dafür eine wirtschaftliche Leistung erbracht zu haben. Regelmäßig entstehen Rentengewinne, wenn eine bestimmte Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern gegenüber ihren Konkurrenten durch eine staatliche Regel bevorzugt wird.

[3]

Siehe Teil 1 Rn. 1.

Teil 2 Welthandelsrecht › III. Entwicklung des Welthandelssystems

III. Entwicklung des Welthandelssystems

Literatur:

Hilf/Oeter, WTO-Recht, 2. Aufl. 2010, §§ 2-4, 26 und 32; Schöbener/Herbst/Perkams, Internationales Wirtschaftsrecht, 2010, § 10; Trebilcock/Howse/Eliason, The Regulation of International Trade, 4th ed., 2013, S. 20–28; Herrmann/Weiß/Ohler, Welthandelsrecht, 2. Aufl., 2007, §§ 5, 6; Krenzler, Die Nachkriegsentwicklung des Welthandelssystems – von der Havanna-Charta zur WTO, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, 2003.

Teil 2 Welthandelsrecht › III. Entwicklung des Welthandelssystems › 1. Zur Bedeutung der geschichtlichen Entwicklung für das Verständnis des Welthandelsrechts

1. Zur Bedeutung der geschichtlichen Entwicklung für das Verständnis des Welthandelsrechts

164

Die WTO wurde 1995 gegründet[1], so dass auch erst ab diesem Zeitpunkt von einer WTO-Rechtsordnung gesprochen werden kann. Die WTO-Rechtsordnung beruht jedoch in zentralen Elementen auf dem Welthandelssystem, das nach dem zweiten Weltkrieg auf der Grundlage des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1947 (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT 1947[2]) entstand. Dies war wiederum eine Reaktion auf die Politik des Protektionismus der Zwischenkriegszeit und deren Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren. Daher ist die Kenntnis der Grundzüge der geschichtlichen Entwicklung des Welthandelssystems für das Verständnis des gegenwärtigen Welthandelsrechts erforderlich.

165

Insbesondere zwischen der Rechtsordnung des GATT 1947 und dem WTO-Recht besteht eine enge Verknüpfung, die sich darin äußert, dass Entscheidungen und Verfahrensregeln des GATT 1947 gem. Art. XVI:1 des Übereinkommens zur Gründung der WTO (WTO-Übereinkommen)[3] ausdrücklich in das WTO-Recht einbezogen werden.

Wichtige Norm: Art. XVI:1 WTO-Übereinkommen

Sofern in diesem Übereinkommen oder in den Multilateralen Handelsübereinkommen nichts anderes vorgesehen ist, lässt sich die WTO von den Beschlüssen, Verfahren und üblichen Praktiken der VERTRAGSPARTEIEN des GATT 1947 sowie der im Rahmen des GATT 1947 eingesetzten Organe leiten.

166

Die Bedeutung dieser Vorschriften für das Verhältnis der Rechtsordnung des GATT 1947 zur Rechtsordnung der WTO hat der Appellate Body, das ständige Revisionsorgan der WTO-Streitschlichtung[4], im Fall Japan – Alcoholic Beverages[5] so zusammengefasst:

Zitat: „Article XVI:1 of the WTO Agreement (…) bring[s] the legal history and experience under the GATT 1947 into the new realm of the WTO in a way that ensures continuity and consistency in a smooth transition from the GATT 1947 system. This affirms the importance to the Members of the WTO of the experience acquired by the CONTRACTING PARTIES to the GATT 1947 – and acknowledges the continuing relevance of that experience to the new trading system served by the WTO.”[6]

167

Das aktuelle Welthandelsrecht beruht somit auf historischen Grundlagen, von denen es sich nicht verabschiedet hat, sondern die es integrieren möchte. Dies unterstreicht die besondere Relevanz der historischen Entwicklung des internationalen Handelssystems für das WTO-Recht.

Anmerkungen

[1]

Dazu unten Rn. 191.

[2]

Dazu unten Rn. 175 ff.

[3]

Dazu unten Rn. 210 ff.

[4]

Zum Appellate Body unten Rn. 248 ff., 271 ff.

[5]

Zu diesem Fall unten Rn. 331.

[6]

Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT/DS8, 10, 11/AB/R, Bericht des Appellate Body am 1.11.1996 angenommen. Im Internet unter http://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/cases_e/ds8_e.htm.

Teil 2 Welthandelsrecht › III. Entwicklung des Welthandelssystems › 2. Internationale Handelsbeziehungen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs

2. Internationale Handelsbeziehungen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs

168

Grenzüberschreitende Handelsbeziehungen bestehen seit der Herausbildung der ersten politischen Einheiten in den frühen Hochkulturen Asiens und Afrikas. In der Antike entwickelte sich vor allem der Seehandel im Mittelmeerraum zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor. Vertragliche Regeln zur Förderung aber auch zur Reglementierung des Handels lassen sich daher auch seit dieser Zeit nachweisen. Im Mittelalter spielten Verträge zwischen Fürsten und Kaufleuten eine wichtige Rolle für die rechtliche Gestaltung von grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen. Auch der Städtebund der Hanse diente der Sicherung und der Förderung des Handels.

169

Bei den Gebietskörperschaften und politischen Einheiten der Antike und des Mittelalters handelte es sich allerdings nicht um Staaten im heutigen Sinne. Die rechtlichen Beziehungen zwischen diesen Einheiten können daher auch nicht mit Kategorien des modernen Völkerrechts erfasst werden, da sich dies erst mit dem Entstehen der Nationalstaaten im 17. Jahrhundert herausbildete. Erst ab diesem Zeitpunkt kann somit von Wirtschaftsvölkerrecht im eigentlichen Sinne gesprochen werden.

170

Die absolutistischen Nationalstaaten des 17. Jahrhunderts verfolgten überwiegend eine u.a. auf den französischen Finanzminister Jean-Baptiste Colbert (1619–1683) zurückgehende Politik des Merkantilismus. Ziel dieser Politik war die Vermehrung des Staatsvermögens durch eine Förderung von Exporten und eine Verteuerung von Importen durch Zölle. Mit dem Merkantilismus ging eine staatliche Steuerung des internationalen Handels einher, die sich von den tendenziell offenen Handelsbeziehungen des Mittelalters unterschied.

171

Zu Beginn des industriellen Zeitalters im 18. Jahrhundert verfolgte zunächst nur Großbritannien eine liberale Außenwirtschaftspolitik, die den Zielen des Freihandels verpflichtet war. Zur Absicherung dieser Politik wurden auch völkerrechtliche Verträge eingesetzt, die mit den Grundsätzen der Inländerbehandlung und des Meistbegünstigungsprinzips auch erste Prinzipien enthielten, die bis heute zu den Kernvorschriften des Wirtschaftsvölkerrechts gehören.[1] In Kontinentaleuropa herrschte dagegen noch eine Schutzzollpolitik vor, die wesentlich zur Industrialisierung beitrug.[2] Erst in der Spätphase der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich das liberale Leitbild der Handelsfreiheit bzw. des Freihandels in den Staaten Westeuropas und Nordamerikas durch. In diese Zeit fällt auch die Gründung des Deutschen Zollvereins, als einer ersten echten Zollunion im Jahr 1865.

172

Mit der Ausdehnung kolonialer Einflussgebiete, der politischen Unterwerfung der Kolonien und der systematischen Ausbeutung ihrer Rohstoffe (Imperialismus) wuchs gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Umfang des weltweiten Handels. Die Herausbildung großer Kartelle und Monopole, die auch transnational agierten, führte in der Phase des Hochkapitalismus ebenfalls zu einer erheblichen globalen wirtschaftlichen Integration. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts kann man daher von einer sich herausbildenden Weltwirtschaft im heutigen Sinne sprechen.

173

Der 1. Weltkrieg führte zu einem Zusammenbruch der weltweiten Wirtschaftsbeziehungen. In den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen wandten sich die meisten Staaten einer protektionistischen Wirtschaftspolitik zu. Dadurch ging auch der Umfang des internationalen Handels zurück. Inflation und Währungskrisen prägten die 1920er Jahre, eine Entwicklung, die im Börsencrash von 1929 gipfelte, der eine Weltwirtschaftskrise auslöste. Mit der Weltwirtschaftskrise der 1930er eng verbunden ist das Erstarken des Faschismus in Europa, wenn man darin auch nicht dessen Hauptursache sehen kann. Insbesondere die NS-Diktatur und die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs machten der Weltgemeinschaft jedoch die Notwendigkeit einer Neuorientierung des internationalen Wirtschaftssystems nach Kriegsende deutlich.

174

Die Neuorientierung des internationalen Handels-, Währungs- und Finanzsystems ist ideengeschichtlich und tatsächlich in einem Kontext mit der Gründung der Vereinten Nationen 1945 zu sehen. Bereits 1944 wurden auf der Konferenz von Bretton Woods der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank gegründet.[3] Im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialrats der UNO fanden ab 1946 Verhandlungen über eine Internationale Handelsorganisation (International Trade Organisation, ITO) statt, deren Rechtsordnung – neben IWF und Weltbank – die dritte Säule der Weltwirtschaftsordnung der Nachkriegszeit werden sollte.

Anmerkungen

[1]

Dazu unten Rn. 312 ff., 320 ff.

[2]

Dazu oben Rn. 152.

[3]

Dazu Teil 5 Rn. 780 ff.

Teil 2 Welthandelsrecht › III. Entwicklung des Welthandelssystems › 3. GATT 1947

3. GATT 1947

a) Gründung des GATT 1947

175

Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT) sollte Teil der ITO-Rechtsordnung werden. Über das GATT und die ITO wurde allerdings getrennt verhandelt, was daran lag, dass die US-amerikanische Regierung über ein Mandat zum Aushandeln und Abschluss eines reinen Zollabkommens verfügte, die Gründung einer internationalen Organisation jedoch einer anschließenden Zustimmung durch den Kongress bedurfte. Die Verhandlungsparteien konnten sich bereits im Jahr 1947 auf einen Text für das GATT einigen, der am 30. Oktober 1947 unterzeichnet wurde. Um die liberalisierende Wirkung des GATT bereits vor Inkrafttreten des ITO-Übereinkommens nutzen zu können, setzten zunächst 23 Vertragsparteien das GATT auf der Grundlage eines Protokolls über die vorläufige Anwendung (Protocol of Provisional Application) am 1. Januar 1948 in Kraft.[1]

176

Die Charta zur Errichtung einer Internationalen Handelsorganisation (ITO) wurde 1948 auf der Konferenz von Havanna verabschiedet (Havanna Charta). Sie sah ein umfangreiches Programm vor, das neben Handelsliberalisierung auch internationales Wettbewerbsrecht, Auslandsinvestitionen und Beschäftigungs- und Entwicklungspolitik enthielt. Die Havanna Charta wurde zwar von 53 Staaten unterzeichnet; ihr Inkrafttreten scheiterte jedoch, da US-Präsident Truman davon absah, die Charta dem Kongress zur Ratifikation vorzulegen. Aufgrund der gescheiterten Ratifikation in den USA ratifizierten auch die meisten anderen Staaten die Charta nicht.

Anmerkungen

[1]

Das ursprüngliche GATT blieb im Kern auch nach der Revision des Welthandelsrechts durch die Uruguay-Runde im Jahr 1994 in Kraft. Zur Abgrenzung wird das ursprüngliche Abkommen in der WTO als GATT 1947 bezeichnet und das nach 1994 geltende Abkommen als GATT 1994. In der Literatur ist die Bezeichnung teilweise unterschiedlich. Wenn im Folgenden von „GATT 1947“ die Rede ist, ist damit das multilaterale Handelssystem von 1948–1994, d.h. vom Inkrafttreten des GATT 1947 bis zum Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens, gemeint. Werden einzelne Artikel des GATT erwähnt, wird die Bezeichnung „GATT“ gewählt, da sich der Wortlaut der Vorschriften nicht geändert hat.

b) Struktur und Funktion des GATT 1947

177

Das GATT 1947 war ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag, der aufgrund seiner geplanten Integration in die Rechtsordnung der ITO über keine institutionelle Struktur, insbesondere über keine eigenen Organe, verfügte. Als sich herausstellte, dass die Havanna Charta nicht in Kraft treten würde und das GATT 1947 somit nicht in eine institutionelle Struktur eingegliedert werden würde, entstand bei den Vertragsparteien das Bedürfnis, ihren Handelsbeziehungen einen gewissen organisatorischen Rahmen zu geben. Aus den zunächst nur informellen Strukturen entstand im Laufe der Jahre eine de facto-Organisation. Ob das GATT 1947 aus völkerrechtlicher Sicht als internationale Organisation angesehen werden konnte, war umstritten. Gegen die Einordnung als Organisation wurde eingewandt, dass die Vertragsparteien keine ausdrückliche Organisationseigenschaft vorgesehen hatten. Dieser Streit ist durch die Gründung der WTO gegenstandslos geworden.

178

Hauptorgan des GATT 1947 war die Versammlung der Vertragsparteien. Um diese Versammlung der Vertreter der Vertragsparteien von den tatsächlichen völkerrechtlichen Vertragsparteien (d.h. den Staaten, die dem GATT beigetreten waren) zu unterscheiden, wurde die Versammlung der Vertragsparteien als „VERTRAGSPARTEIEN“ (Schreibweise in Großbuchstaben) bezeichnet.

Art. XXV:1 GATT

Die Vertreter der Vertragsparteien treten periodisch zusammen, um die Durchführung derjenigen Bestimmungen dieses Abkommens sicherzustellen, die ein gemeinsames Vorgehen erfordern, und um allgemein die Durchführung dieses Abkommens und die Erreichung seiner Ziele zu erleichtern. Sooft in diesem Abkommen die gemeinsam handelnden Vertragsparteien erwähnt sind, werden sie als VERTRAGSPARTEIEN bezeichnet.

179

Die Vertragsparteien trafen periodisch und ad hoc zusammen und erfüllten die Funktion, die in internationalen Organisationen typischerweise von einer Mitgliederversammlung erfüllt wird. Die Aufgaben und Befugnisse der VERTRAGSPARTEIEN wurden mit Gründung der WTO gemäß Ziffer 2 b) GATT 1994 entweder von der WTO als Organisation oder von der Ministerkonferenz der WTO[1] übernommen.

180

Im Laufe der Jahre entstanden weitere Organe, die den VERTRAGSPARTEIEN untergeordnet waren und die verschiedene institutionelle Aufgaben übernahmen. So wurde 1960 der GATT-Rat geschaffen, der regelmäßiger als die Vertragsparteien tagte. Ebenso entwickelte sich ein institutionalisiertes Streitbeilegungssystem. Als Grundlage der Streitschlichtung im GATT 1947 galten Artikel XXII, XXIII GATT. Danach sollten bei Streitigkeiten zunächst die betroffenen Parteien miteinander Konsultationen führen. Erwiesen sich diese als erfolglos, waren Konsultationen der VERTRAGSPARTEIEN mit den Streitparteien vorgesehen. Statt direkter Konsultationen der VERTRAGSPARTEIEN wurden seit Mitte der 1950er Jahre ad hoc Schiedsgerichte (Panel) eingesetzt, denen ein Streit zur Entscheidung vorgelegt wurde. Allerdings bedurfte sowohl die Einsetzung eines Panels als auch die Annahme seiner Entscheidung einer Entscheidung der VERTRAGSPARTEIEN, die im Konsens ergehen musste. Damit kam der beklagten Partei für die Einsetzung des Panels ein faktisches Vetorecht zu. Ebenso konnte die unterlegene Partei die Annahme einer Entscheidung verhindern. Dies beeinträchtigte die Effektivität des Verfahrens deutlich.

181

Die materiell-rechtlichen Vorschriften des GATT 1947 enthielten in erster Linie Diskriminierungsverbote und Verpflichtungen zum Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen. Da das GATT 1947 heute als Kern des GATT 1994 weiterbesteht, wie sich aus Ziffer 1 GATT 1994 ergibt, sind die materiell-rechtlichen Regeln des GATT 1947 auch Teil des WTO-Rechts. Sie werden daher in diesem Zusammenhang dargestellt.

182

Die Rechtsordnung des GATT 1947 enthielt eine Besonderheit, die an dieser Stelle kurz erwähnt werden muss. Das Protokoll über die vorläufige Anwendung des GATT verpflichtete keine der Vertragsparteien zu einer Änderung bestehender Gesetze. Daraus folgte, dass nationales Recht, das dem GATT entgegenstand und bereits vor dessen Inkrafttreten galt, beibehalten werden durfte (sog. „grandfather rights“).

Anmerkungen

[1]

Dazu unten Rn. 226.

c) GATT-Verhandlungsrunden

183

Die Geschichte des GATT 1947 ist durch mehrjährige multilaterale Verhandlungsrunden geprägt, in deren Rahmen schrittweise Zölle gesenkt wurden. Zum Abbau anderer Handelshemmnisse wurden außerdem verschiedene völkerrechtliche Abkommen ausgehandelt, die neben das GATT 1947 traten. Mit ihnen wurde die Rechtsordnung des GATT 1947 präzisiert und erweitert.

184

Den ersten fünf Verhandlungsrunden des GATT zwischen 1947 und 1961 gelang ein erheblicher Abbau der Zölle. Die Zollreduktion führte jedoch dazu, dass nicht-tarifäre Handelsschranken, insbesondere handelspolitischen Abwehr- und Schutzmaßnahmen, an Bedeutung zunahmen. Bereits in der sechsten GATT-Runde, der Kennedy-Runde (1962–1967) wurde daher neben einer weiteren Zollreduzierung ein Abkommen zu Antidumping-Maßnahmen ausgehandelt.[1]

185

In der Tokio-Runde (1973–1979) wurde dieses Abkommen um weitere Zusatzabkommen ergänzt (Tokio-Kodizes), die unter anderem Subventionen, Zollwertbestimmungen und technische Handelshemmnisse betrafen. Die zusätzlichen Abkommen der Kennedy- und der Tokio-Runde waren eigenständige völkerrechtliche Verträge, die neben dem GATT bestanden. Die GATT-Vertragsparteien hatten die Wahl, einem Nebenabkommen beizutreten oder fernzubleiben. Diese Möglichkeit wurde als „GATT à la carte“ bezeichnet und hatte zur Folge, dass innerhalb des GATT-Systems Verträge mit unterschiedlichen Mitgliedschaften bestanden. Der Umfang der materiellen Verpflichtungen der GATT-Vertragsparteien unterschied sich somit zum Teil erheblich. Zudem verfügten einige Abkommen über eigenständige Verfahren zur Streitschlichtung. Betraf ein Streitfall mehrere Abkommen, konnte sich die klagende Partei daher dasjenige Abkommen und Streitbeilegungsverfahren aussuchen, das für die klagende Partei die größten Erfolgsaussichten bot. Diese Zersplitterung der Rechtsordnung des GATT 1947 wurde als Missstand empfunden und war ein Anlass für die Verhandlungen der Uruguay-Runde.

Anmerkungen

[1]

Zu Dumping siehe unten Rn. 403 ff.

Teil 2 Welthandelsrecht › III. Entwicklung des Welthandelssystems › 4. Die Uruguay-Runde (1986–1994)

4. Die Uruguay-Runde (1986–1994)

186

Grundlegende Veränderungen erfuhr das Welthandelssystem durch die 1986 in Punta del Este (Uruguay) eröffnete achte GATT-Handelsrunde, die sog. Uruguay-Runde. Die Verhandlungen umfassten sowohl traditionelle Themen wie Zollabbau als auch Themen, die erstmals auf der Tagesordnung des Welthandelssystems standen wie Dienstleistungen, geistiges Eigentum und Investitionen. Außerdem sollte der Landwirtschafts- und Textilhandel in das Welthandelsrecht wieder eingegliedert werden, da sich für diese Sektoren im Laufe der Jahre Sonderregime herausgebildet hatten, für die Regeln des GATT nicht galten. In den Verhandlungen standen die Interessen der Industrieländer am Dienstleistungshandel, am Schutz des geistigen Eigentums und am Schutz von Auslandsinvestitionen den Interessen der Entwicklungsländer am Abbau der Handelsbeschränkungen für landwirtschaftliche Produkte und Textilien gegenüber.

187

Die institutionelle Neugestaltung des Welthandelssystems insbesondere durch die Gründung einer neuen internationalen Organisation war zu Beginn der Verhandlungen noch kein Thema. Erst im Jahr 1990 schlugen Kanada und die EG eine „Multilaterale Handelsorganisation“ vor, die als Dach der verschiedenen Abkommen dienen sollte.

188

Die auf ursprünglich vier Jahre angelegten Verhandlungen sollten nach 1990 durch die Ministerkonferenz in Brüssel abgeschlossen werden, was jedoch aufgrund zahlreicher Meinungsverschiedenheiten, vor allem im Agrarsektor, scheiterte. Der Konflikt zwischen den USA und der EG über die Subventionierung der Landwirtschaft erwies sich in diesem Kontext als zentraler Streitpunkt. Hintergrund dieses Streits war die unterschiedliche Art und Weise der Förderung der Landwirtschaft: Während die USA direkt die Produzenten landwirtschaftlicher Produkte unterstützten, wurden in der EG die Agrarprodukte selbst, z.B. durch Ausfuhrsubventionen, unterstützt. Zwar verbessern beide Formen der Unterstützung die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft, die Unterstützungssysteme wirken sich jedoch unterschiedlich auf die Weltmarktpreise aus.

189

Ende 1991 legte GATT-Generalsekretär Arthur Dunkel einen Entwurf für eine Abschlusserklärung vor (Draft Final Act, auch Dunkel-Draft), der auch eine Multilaterale Handelsorganisation vorsah. Dennoch dauerte es noch weitere zwei Jahre, bis die Verhandlungsführer Einigkeit in allen Fragen erzielen konnten. Dies lag vor allem an dem US-EG-Konflikt um die Landwirtschaftspolitik, der im November 1992 durch das sog. Blair-House-Abkommen beigelegt werden konnte.

190

Die Verhandlungen fanden am 15.12.1993 ihr formelles Ende, da an diesem Tag das Verhandlungsmandat des US-Präsidenten endete. Die Schlussakte der Uruguay-Runde (Final Act) wurde am 15.4.1994 in Marrakesch (Marokko), unterzeichnet.

191

Diese Schlussakte enthält das Übereinkommen von Marrakesch zur Gründung der Welthandelsorganisation (WTO-Übereinkommen) und eine Reihe von ministeriellen Erklärungen und Entscheidungen. Das WTO-Übereinkommen ist ein einheitliches, für alle Mitglieder der WTO verbindliches Handelsübereinkommen mit vier Anhängen, in denen sich die verschiedenen materiellen Handelsabkommen befinden.[1] Die Integration des gesamten Welthandelsrechts in einen einheitlichen Rahmen wird auch als single undertaking oder single package bezeichnet. Die Zersplitterung der GATT-Rechtsordnung wurde damit beendet. Das WTO-Übereinkommen trat am 1.1.1995 mit 76 Mitgliedern in Kraft.

192

Das genaue Verhältnis zwischen der Rechtsordnung des GATT 1947 und der WTO-Rechtsordnung ist völkerrechtlich nicht einfach zu bestimmen. Grundsätzlich handelt es sich bei den Abkommen des GATT 1947 und den WTO-Übereinkommen um völkerrechtlich verschiedene Verträge, die in einer Übergangszeit auch nebeneinander existierten. Allerdings sind mit Ausnahme des GATT selbst inzwischen alle multilateralen Übereinkommen der Rechtsordnung des GATT 1947 außer Kraft getreten. Funktional kann man die WTO daher als Nachfolgerin des GATT 1947 bezeichnen.

Merke:

Die Rechtsordnung der WTO trat nach Abschluss der Uruguay-Runde 1994 an die Stelle der Rechtsordnung des GATT 1947.

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