Kitabı oku: «Fioria Band 2 - Mit Lüge und Wahrheit», sayfa 2

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„Hör mal“, begann ich so ruhig wie möglich, „ich verstehe ja, dass du dir Sorgen machst, und ich verstehe auch, dass du nicht willst, dass ich kündige, aber mir bleibt keine Wahl.“ Ich sah sie eindringlich an und erwiderte ihren trotzigen Blick scheinbar gelassen. „Als Frau kann ich nicht weiter bei den Rangern arbeiten, solange andere davon wissen. Ich kann Ulrich und Jakob nicht zu Mittätern machen, sonst wird der Vorsitzende uns alle suspendieren. Aber nur weil ich nicht mehr hier arbeiten werde, heißt das ja nicht, dass wir uns nie wiedersehen.“

Plötzlich fiel sie mir um den Hals. „Aber ... aber ... aber ...“, schluchzte sie. „Es sind doch genügend Ranger dort. Die anderen zehn sind losgeflogen, also ...“

Ich drückte sie sanft an mich. „Geh zurück in die Station, Melodia“, flüsterte ich. „Lass Haru nicht ganz allein. Und lass mich meine Arbeit machen. Später setzen wir uns auf einen Film zusammen, okay? Wir drei machen uns einen schönen Mädelsabend.“

Sie schniefte leise, nickte aber. „Bitte sei vorsichtig“, wimmerte sie.

„Versprochen“, antwortete ich und strich ihr durchs Haar. Es fiel mir unendlich schwer, sie in dieser Situation loszulassen und zu gehen, doch mir blieb keine Wahl, wenn ich meinen Kollegen bei der Festnahme der Verbrecher helfen wollte. „Bis später.“

„Okay“, wisperte meine Freundin.

Bis ich den gewaltigen Fluggeist Martyrios gerufen hatte und mit ihm aufgebrochen war, blickte sie mir hinterher. Ich versuchte, nur noch an mein Vorhaben zu denken, und steuerte das zweitgrößte Versteck der Schattenbringer auf der ehemaligen Bohrinsel südlich der Küstenstadt Jafot an.

Es tat mir schrecklich leid, dass sich Melodia so sorgte, doch ich konnte ihre Sorgen am besten bekämpfen, indem ich die Ursache dafür ausschaltete. Die Organisation meines Vaters.

Auf Martyrios kam ich wahnsinnig schnell voran, er war viel größer und kräftiger als ein Flugvogel. Im Flug zog er sogar einen Regenbogen hinter sich her, ein großartiges Schauspiel. Heute konnte ich es allerdings nicht bestaunen, weil sich meine ganze Aufmerksamkeit nur auf die Schattenbringer richtete. Von Weitem sah ich schon die ehemalige Bohrinsel, auf der ein mehrstöckiges graues Gebäude stand.

„Endlich!“, seufzte ich.

Martyrios landete auf einer freien Fläche vor dem Haupteingang und ließ mich absteigen. „Viel Glück!“, wünschte er mir mit seiner krächzenden Stimme. „Ich bezweifle jedoch, dass du noch viele Schattenbringer hier finden wirst.“

„Danke, aber ich muss es einfach versuchen“, rief ich und eilte ins Gebäude.

Hinter mir blitzte es hell auf, wie immer wenn ein Geist nach Fioria kam oder diese Welt verließ. Martyrios war zu seinesgleichen zurückgekehrt.

Auf dem Weg zur großen Flügeltür fiel mir etwas auf. Hier fehlte etwas. Ich sah keine Boote mehr am Steg, auch keine Hubschrauber auf dem großen Landeplatz, auf dem mich der Fluggeist abgesetzt hatte. Das konnte nur eins bedeuten: Die Verbrecher waren getürmt.

Halb verzweifelt, halb hoffnungsvoll stieß ich die Tür auf und lief ins Gebäude. Vielleicht waren wenigstens noch ein paar Schattenbringer hier. Vielleicht war meinem Vater die Flucht nicht geglückt ...

Ich rannte über die kahlen, fensterlosen Gänge, die nur von schwachen Lampen erhellt wurden. Alle Zimmertüren auf dem Weg standen offen, ich sah keine Menschenseele. Aber ich hörte Stimmen, denen ich folgte. Sie führten mich ins zweite von 14 Stockwerken. Das Geschrei wurde lauter, als ich aus dem Treppenhaus auf den Gang trat.

„Ich werde gar nichts sagen!“, tobte eine tiefe Stimme.

„Das werden wir ja sehen“, knurrte jemand anders. Diese Stimme erkannte ich sofort. Lasse, mein Kollege. Nun entdeckte auch er mich. „Takuto. Was machst du denn hier?“

Ich ging zu dem blonden Mann, der einem Schattenbringer Handschellen angelegt hatte und ihn festhielt. Der Verbrecher trug seine dunkelgraue Uniform mit dem Bandenzeichen auf der Jacke, der schwarzen Wolke. Er wehrte sich gegen Lasses Griff, doch mein Kollege ließ ihn nicht entkommen.

„Ulrich hat mich benachrichtigt“, log ich zögerlich. „Weil ich ab heute sowieso wieder arbeite, bin ich gleich hergekommen.“ Offiziell war ich im Urlaub gewesen, weil mein Vater gestorben war. Und irgendwie stimmte das sogar, für mich war Erik jedenfalls gestorben.

„Verstehe.“ Lasse grinste. „Dieser anonyme Tipp war Gold wert. Wir haben sechs Schattenbringer erwischt, Viktor, Riku und Jonas bringen gerade welche ins Hauptquartier zum Verhör. Und da kommt dieser hier auch hin.“

„Ich werde nie auspacken!“, brüllte der Gefangene.

„Super. Habt ihr auch ein hochrangiges Mitglied erwischt?“, fragte ich.

„Keine Ahnung, wir haben uns aufgeteilt“, antwortete er. „Schau mal hoch zu Ulrich und Jakob, vielleicht haben die jemanden.“

„Der Boss ist schon längst abgehauen. Und der Chef auch“, lachte der kleine, drahtige Mann, den mein Kollege festhielt.

Ich biss die Zähne zusammen. Mein Vater war entkommen. Mist. Immerhin hatte Lloyd es auch geschafft. Wobei es mich wunderte, dass der Schattenbringer ihn noch als Chef bezeichnete, nachdem mein Vater ihn wegen seiner Illoyalität herabgestuft hatte.

„Ich gehe mal hoch“, beschloss ich.

„Bis später in der Zweigstelle“, antwortete Lasse und schubste den Verbrecher in Richtung Treppenhaus, um ihn abzuführen.

Erst im 14. Stock traf ich auf die gesuchten Kollegen. Ulrich, Jakob und Benjiro zerstörten gerade die zahlreichen Apparate im Maschinenraum. Es waren die Geräte, mit denen die Schattenbringer die Fiorita kontrolliert hatten. Ein Glück, dass sie nun alle in Schutt und Asche lagen.

„Takuto?“, wunderte sich Benjiro, als er mich sah. „Du arbeitest wieder?“

Ich nickte. „Seit heute. Hallo. Wie sieht es hier aus? Konntet ihr jemanden festnehmen?“

„Die meisten Schattenbringer waren schon weg, als wir angekommen sind“, schnaubte Ulrich und wandte sich zu mir um. „Wir haben nur sechs Leute verhaftet, alles Handlanger, keine hochrangigen Mitglieder.“

„Mist!“, keuchte ich. Vor lauter Wut wären mir beinahe Tränen in die Augen geschossen, doch ich riss mich zusammen. Ich war in diesem Moment nicht Mia, ich war Takuto, der starke Ranger. Ich ließ mich nicht von meiner Verzweiflung unterkriegen, sondern versuchte, meine Fassade aufrechtzuerhalten.

„Dafür haben wir einige interessante Akten im Büro des Bosses gefunden“, erzählte Benjiro aufgeregt. „Vielleicht finden wir dadurch raus, wer diese Organisation leitet.“

Anscheinend hatte mein Vater unser Familienfoto von seinem Schreibtisch mitgenommen und bestimmt hatte er auch alle weiteren Beweise entfernt, die auf seine Identität schließen ließen. Also konnten wir die Fahndung nach ihm immer noch nicht offiziell machen. Nicht ohne meine Aussage. Nicht ohne zu verraten, wer ich wirklich war. Und mein Geheimnis musste ich um jeden Preis wahren. Zum Schutz der Fiorita und zu meiner eigenen Sicherheit. Wir hatten also gar nichts, von ein paar niederen Schattenbringern abgesehen.

„Wir werden sehen“, meldete sich Jakob zu Wort. „Wir nehmen das Versteck auseinander und befragen die Gefangenen.“

„Irgendetwas finden wir schon heraus, da wir jetzt endlich ein paar Schattenbringer haben“, ergänzte Ulrich, der wie Jakob verheimlichte, was die beiden von mir wussten. Selbst die Beschattung meines Elternhauses regelten die zwei allein.

„Aber die meisten sind entkommen“, zischte ich aufgebracht.

Ulrich klopfte mir auf die Schulter. „Ganz ruhig. Wir kriegen diese Bande.“

Halbherzig lächelte ich ihn an. „Irgendwie ...“

Dieser Tag war wie verhext. Abgesehen von Shadows Befreiung hatte nichts geklappt. Überhaupt nichts. Genau wie ich heute Morgen den wahnsinnigen Plan meines Vaters vereitelt hatte, hatte er meinen vereitelt. Dabei hatte ich mir so sehr gewünscht, ihn und einen Großteil seiner Organisation hier zu erwischen. Stattdessen war er jetzt auf freiem Fuß, und weil Lloyd mir geholfen hatte, Shadow zu retten, war mein Vater obendrein sauer auf ihn und hatte ihn in seinem Rang herabgestuft. Und das nur meinetwegen.

Großartig, einfach großartig.

*

Kein leichtes Los

Nach der Pleite im Versteck der Schattenbringer kehrten wir zur Zweigstelle Windfeld zurück. Meine Laune war im Keller, was die meisten meiner Kollegen nicht verstanden. „Immerhin haben wir ein paar von ihnen verhaftet“, redete der ältere Viktor auf mich ein.

„Und die wichtigsten sind noch frei“, schnaubte ich.

„Bleib cool, Takuto“, riet mir Lasse, der sich an Melodias Schreibtisch lehnte. „Klar, es ist ärgerlich, aber wir sind weiter als vorher, nicht wahr?“

„Wobei uns die Akten aus dem Versteck nichts gebracht haben“, seufzte Jonas deprimiert. „Es waren nur Aufzeichnungen über die beiden Legenden.“

„Klar, die Schattenbringer wollen ja mithilfe der Fiorita an Macht kommen“, antwortete Lasse. „Also brauchen sie das Mädchen aus der Legende.“

„Wir werden Mia Sato vor ihnen finden“, prophezeite Viktor.

Ich zog den Kopf ein und fixierte den Fußboden. Nein, niemand würde mich finden. Und die Schattenbringer würden wahrscheinlich auch nicht mehr versuchen, mithilfe der Fiorita an die Macht zu gelangen. Der Plan war bereits schiefgegangen, auch wenn die anderen Ranger nichts davon wussten.

„Wenn sie überhaupt das Mädchen aus der Legende ist“, warf Melodia ein, um mich zu decken. „Ihr haltet sie ja sogar für eine Verbrecherin, ihr Idioten!“

„Wir wissen, dass sie in der Schulzeit deine beste Freundin war, aber sie arbeitet mit den Schattenbringern zusammen“, entgegnete Riku, wobei mir wieder auffiel, dass er ein wenig lispelte. „Sie ist untergetaucht, war mit diesem Lloyd unterwegs, also steckt sie knietief in den Verbrechen der Organisation.“

Bei solchen Behauptungen konnte ich nicht still bleiben. „Dafür habt ihr überhaupt keine Beweise“, meldete ich mich zu Wort.

„Seht ihr, Takuto versteht mich!“, rief die blonde Technikerin und fiel mir um den Hals. „Er ist der einzige anständige Kerl hier.“

„Darum darf er auch als Einziger mit uns Filmabende machen“, lachte Haru und zwinkerte mir zu. „Nach dem Essen setzen wir uns wieder zusammen.“

Es war erst Nachmittag, bis zum gemeinsamen Abendessen in der Zweigstelle dauerte es noch ein wenig. Wobei mich soeben das ungute Gefühl beschlich, dass ich bis dahin womöglich nicht überleben würde. Lasse, Riku, Genta, Jonas und ein paar andere Ranger starrten mich finster an, weil Melodia mich fest an sich drückte. In ihren Blicken lag keine Freude darüber, dass ich endlich wieder arbeitete, obwohl wir uns eigentlich gut verstanden. Aber sie hielten mich für eine Konkurrenz bei den Technikerinnen ... Dabei waren sie viel zu alt für die beiden! Aus diesem Grund hatte ich immer ein Auge auf Melodia und Haru. Nur zur Sicherheit.

„Gerne, das machen wir“, stimmte ich zu. „Aber zuerst muss ich was erledigen.“

„Solange du erreichbar bleibst und deinen Peilsender nicht abschaltest, geht das klar“, stimmte der Stationsleiter zu. „Willst du wieder Nachforschungen über die Bande anstellen?“

Ich nickte. „Unbedingt.“

„Sei vorsichtig!“, schärfte er mir ein. Dann wandte er sich den anderen zu. „Wir müssen auch dringend los, wir konnten wegen des Einsatzes nicht auf Patrouille gehen. Lasse und Viktor, ihr übernehmt den Stadtpark. Jakob, wir kümmern uns um die Innenstadt. Benjiro und Riku, ruht euch für die Nachtschicht aus. Genta, Jonas und Eduard, ihr seht in den äußeren Gebieten nach dem Rechten. Leo, du bleibst bei Melodia und Haru in der Zweigstelle.“

Sofort machten sich alle an die Arbeit, ich lief zum Wald bei der Stadt, weil ich mich dringend mit den Geistern und Dämonen beratschlagen musste. Darum suchte ich eine abgelegene Stelle, die nicht zu dicht bewachsen war, und sah mich nach möglichen Zeugen um. Niemand hier. Also konnte ich gefahrlos singen. Zuerst rief ich das Dämonenoberhaupt Shadow zu mir, mit dem Lied über die tiefe Finsternis und das kleine Licht. Während ich sang, verspürte ich plötzlich ein Schwächegefühl, wie immer. Keine Sekunde später erschien der Schattenkreis vor mir und der Dämon schwebte heraus.

„Shadow! Weißt du, wo sich die Schattenbringer niedergelassen haben? Wo ihr größtes Versteck ist? Wohin mein Vater geflohen ist?“, überfiel ich ihn sofort.

„Gemach, gemach“, beruhigte er mich und erhob seinen nebligen Arm, um mir eine Hand auf die Schulter zu legen. Die Bäume und Sträucher verschwanden um mich herum, ebenso wie Shadows nebliger Körper, der im schwachen Wind um seine stabile Mitte waberte. Die Berührung des Dämons brachte Dunkelheit, alles wurde schlagartig schwarz. „So aufgebracht wirst du die Schattenbringer nie erwischen, Mia.“

„Bitte, raus mit der Sprache!“, flehte ich.

Er ließ mich los, sodass die Farben um mich herum zurückkehrten. Ich blinzelte kurz desorientiert und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Shadow.

„Ich kann dir leider nicht sagen, wo dein Vater und seine Leute sind“, antwortete er leise. „Während wir heute Vormittag in der Schattenwelt waren, muss viel passiert sein, was Luna und wir Dämonen verpasst haben.“

Natürlich, das hatte ich nicht bedacht. In der Schattenwelt hatten wir uns alle nur darauf konzentriert, Shadow zu beruhigen, weil er total außer Kontrolle geraten war.

„Haben die anderen Geister vielleicht beobachtet, wohin die Schattenbringer geflohen sind?“, erkundigte ich mich.

Ein Windstoß brachte Shadows instabilen Körper dazu, heftiger um seine feste Mitte zu flattern. „Gut möglich. Es tut mir leid, dass ich gerade keine große Hilfe bin. Die jüngsten Ereignisse haben mich völlig eingenommen.“

„Kann ich verstehen.“ Ich lächelte schief. „Du wurdest von diesen Verbrechern kontrolliert, hättest fast den Himmel für immer verdunkelt und bist endlich aus deinem finsteren Gefängnis befreit ...“

„Und deswegen fällt es mir schwer, an andere Dinge zu denken“, ergänzte das Dämonenoberhaupt. „Aber ich werde dir von nun an wieder mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ich werde versuchen, die Schattenbringer ausfindig zu machen und gleichzeitig auf dich zu achten.“

Ich zwinkerte ihm zu. „Genau, und wenn ich mal in Gefahr bin, schickst du mir wieder eine Warnung.“

„Darauf kannst du dich verlassen“, versprach er.

Auch wenn Shadow keine Neuigkeiten hatte, freute ich mich sehr, mit ihm zu reden. Er war mein wichtigster Freund und Berater, ohne Zweifel. Wir plauderten noch eine ganze Weile, wobei ich Shadows überwältigende Freude darüber spürte, endlich frei zu sein.

„Es dämmert schon“, stellte ich plötzlich erschrocken fest. „Ich muss unbedingt noch mit einem der Geister sprechen.“

„Dann ruf doch einen“, schlug Shadow vor und grinste mich an. „Seit unserer Befreiung aus der Schattenwelt bist du doch imstande, mehr als einen Dämon oder Geist zu dir zu rufen.“

„Ach, richtig“, lachte ich. „Das hab ich ganz vergessen.“

Also schloss ich die Augen und stimmte das uralte Lied eines Waldstammes an. Kurzzeitig befürchtete ich, vor Überanstrengung umzukippen, weil mich Shadow vor einigen Jahren eindringlich davor gewarnt hatte, mehrere Geister oder Dämonen nach Fioria zu holen. Aber diese Befürchtung erfüllte sich nicht, ich fühlte mich gut. Zwar verspürte ich ein Schwächegefühl, aber als Waldgeist Celeps mit einem hellen Lichtblitz erschien, war es verschwunden.

„Mia!“, rief der kleine aufgedrehte Geist, dessen Arme und Beine etwas heller waren als der Rest seines grünen Körpers. Er flog ein paar wahnsinnig schnelle Runden um mich herum, bevor er auf meiner Augenhöhe verharrte. Nun erkannte ich auch seine beinahe unsichtbaren Flügel. „Schön, dich zu sehen! Wie geht’s dir? Es geht dir gut, das spüre ich. Aber du bist sauer wegen deines Vaters. Und du freust dich, dass Shadow und ich gleichzeitig auf Fioria sein können.“

„Das klappt ja wirklich“, jubelte ich. „Echt cool!“

„Natürlich klappt es. Du bist das Mädchen aus der Legende“, kicherte Celeps und flatterte vor meinem Gesicht herum.

„Aber früher konnte ich das noch nicht“, wandte ich ein.

„Du musst ja auch irgendwie dazulernen. Wäre doch schlimm, wenn du keine Fortschritte machen würdest“, neckte er mich.

„Du Scherzkeks“, entgegnete ich und streichelte seinen kleinen Kopf. Ich mochte seine kindliche, fröhliche Art. Sie brachte mich immer zum Lächeln.

„Glückwunsch übrigens! Du hast die Dämonen befreit“, gratulierte er mir.

„Danke. Aber ich muss dich jetzt unbedingt was fragen“, merkte ich an. „Wo sind die Schattenbringer? Hast du eine Ahnung?“

„Das Chaos bei ihrer Flucht war unbeschreiblich“, erzählte er. „Sie haben sich möglichst viele Sachen aus dem alten Versteck geschnappt und sind mit den Booten und Helikoptern in alle Richtungen abgehauen, bis auf ein paar, die zurückgeblieben sind. Hefolg, Sol und ich haben sie zwar beobachtet, aber völlig aus den Augen verloren ...“

Die Geister und Dämonen konnten zwar sehen, was auf Fioria geschah, doch Allwissenheit zählte nicht zu ihren Fähigkeiten. Außerdem war es unmöglich, dass nur 27 Wesen die komplette Welt im Auge behielten. Auch wenn Celeps, der Geist der Empfindungen Hefolg und der Sonnengeist Sol sehr clevere und aufmerksame Fiorita waren, hatten sie zu dritt keine Chance, die ganze Bande zu beobachten.

Ich seufzte. „Mist. Also müssen wir wieder ganz von vorne anfangen.“

Der Waldgeist flatterte etwas höher. „Es tut mir leid ...“

„Dafür kannst du doch nichts“, beruhigte ich ihn und lächelte ihn ermutigend an. „Wir kriegen diese Mistkerle.“

„Und wir unterstützen dich dabei, so gut wir können“, versprach Shadow.

Ich ließ die beiden meinen Dank spüren, bevor ich mich kurz streckte und mein Cap zurechtrückte. „Okay, ihr zwei, dann gehe ich mal zur Station zurück. Es gibt bestimmt noch einiges in Windfeld zu tun.“ So dringend ich die Schattenbringer aufhalten wollte, bis sie geschnappt waren, arbeitete ich als ganz normaler Ranger. Also durfte ich mich nicht nur um diesen einen Fall kümmern.

„Viel Erfolg!“, wünschte Celeps mir. „Ich fliege zum Waldrand und belebe ein paar verdorrte Sträucher. Das schadet nicht.“

„Dir auch viel Erfolg“, entgegnete ich, während er sich auf den Weg machte.

Shadow nickte mir zu und schwebte in seinen Schattenkreis, mit dem er verschwand. Ich verließ ebenfalls den Wald, um nach Windfeld zurückzukehren und mich dort nützlich zu machen. Die einheimischen Animalia begleiteten mich, bis ich die Stadt erreichte. Dank der Fiorita fühlte ich mich nie einsam. Am Waldrand trennten sich unsere Wege allerdings, schnell kam ich in der Zweigstelle an.

„Du bist genau pünktlich zum Abendessen“, begrüßte Melodia mich, die zusammen mit Haru einige Töpfe auf den gedeckten Tisch stellte.

Ich lächelte schief und setzte mich zwischen Lasse und Viktor. Meine Kollegen waren alle schon da. „Es riecht toll. Ich hab richtig Hunger.“

Die beiden Technikerinnen sorgten immer für großartiges Essen. Ich mochte diese Tradition, dass wir immer zusammen aßen.

„Und hast du was herausgefunden?“, wandte sich Ulrich beim Essen an mich.

„Nicht wirklich“, antwortete ich zögerlich und schob mir eine Gabel Reis in den Mund. „Was ist eigentlich mit der Maschine, die wir hier untersuchen?“

Haru seufzte leise. „Wir haben sie gründlich mit den Technikern aus dem Hauptquartier auseinandergenommen, aber wir konnten nicht herausfinden, wie sie funktioniert. Sie war schon zu stark beschädigt.“

„Immerhin haben wir heute sämtliche Gerätschaften der Schattenbringer zerstört“, meldete sich Jakob zu Wort. „Also können sie keine Fiorita mehr unter ihre Kontrolle bringen.“

„Das ist auch besser so“, äußerte ich mich. „Diese Technologie ist viel zu gefährlich. Menschen sollten nicht imstande sein, Fiorita willenlos zu machen und zu unterwerfen. Es bringt das natürliche Gleichgewicht durcheinander.“

„Da hast du recht“, stimmte mir der Stationsleiter zu.

„Aber diese Verbrecher werden neue Maschinen bauen“, gab Lasse zu bedenken. „Wenn wir nicht wissen, wie ihre Funkwellen die Animalia beeinflussen, können wir nichts unternehmen.“

Ich biss mir auf die Zunge, um nicht zu sagen, dass die Schattenbringer ihren Plan wahrscheinlich ändern würden. Zu meinem Glück wechselte Viktor das Thema.

„Wir sollten sowieso noch den anonymen Hinweis zurückverfolgen. Wer hat uns das Versteck der Schattenbringer verraten?“

„N...nun ... der Anrufer war vermutlich eine Frau“, murmelte Melodia. „Ich glaube, ich hab die Stimme erkannt.“

Erstaunt, geradezu alarmiert sah ich sie an. Was für eine Lüge wollte sie den anderen bloß auftischen? „Ach ja?“, hakte ich deshalb mit hochgezogenen Augenbrauen nach.

Sie nickte, plötzlich wirkte sie entschlossener. „Ich bin mir sicher, es war Mia. Ich kenne doch ihre Stimme! Sie hat die Schattenbringer verraten. Das beweist, dass sie nicht mit ihnen zusammenarbeitet.“

Ein Raunen ging durch den Raum, mir klappte der Mund auf. Melodia hatte sich das bestimmt ausgedacht, um den Verdacht gegen mich auszuräumen. Das rührte mich wirklich. Und es überzeugte unsere Kollegen sogar ein wenig.

„Wenn du ... äh ... dich nicht irrst ...“ Genta zögerte. „Äh ... das wäre merkwürdig. Das passt doch nicht ins Bild. Sie ... hmm ... arbeitet doch mit ihnen ...“

„Oder gegen sie“, wandte nun Jakob ein. „Wenn sie tatsächlich das Mädchen aus der Legende ist, würde sie niemals unterstützen, dass die Fiorita gequält und unterworfen werden.“

„Sie sollte sich mit uns zusammenschließen, wenn sie gegen diese Verbrecher arbeitet“, schnaubte Benjiro, der kaum ruhig auf seinem Stuhl sitzen konnte. „Warum versteckt sie sich auch vor den Rangern? Dazu gibt es keinen Grund.“

„Also bitte, wenn sie wirklich solche Kräfte hat, hat sie Angst“, erklärte Haru, als wäre es selbstverständlich. „Sie kann niemandem trauen. An ihrer Stelle würde ich ebenfalls untertauchen.“

Unbehaglich senkte ich den Blick auf die Tischplatte. Das Gespräch gefiel mir nicht. Meine Freunde versuchten zwar, mich in Schutz zu nehmen, aber ich fühlte mich unwohl.

Benjiro nickte langsam. „Ja, irgendwie logisch. Aber es nervt mich.“

Für einen Augenblick kehrte Stille ein, die ich dazu nutzte, um aufzustehen und vor der Situation zu flüchten. „Gute Nacht, Leute. Ich lege mich schlafen. Der erste Arbeitstag nach zwei Wochen Urlaub war hart.“ Zumal ich einen vor Zorn rasenden Dämon zur Vernunft gebracht hatte.

„Schlaf gut. Und sag Bescheid, wenn du was brauchst“, bot Viktor mir an. „Du kannst zum Beispiel gerne morgen mit uns zum Stammtisch gehen.“ Mir entging sein mitleidiger Blick nicht. Auch einige der anderen Ranger sahen mich so an. Sie glaubten schließlich, ich hätte gerade erst meinen Vater verloren.

„Danke. Aber ich hab’s euch ja schon mal gesagt, ein Stammtisch ist nicht so mein Fall“, lachte ich. Ich durfte nicht auffliegen, deshalb musste ich Distanz zu meinen Kollegen wahren. Leider.

Melodia umarmte mich fest, bevor ich die Zweigstelle verließ. „Wir räumen nur schnell auf, dann kommen wir in dein Zimmer, ja? Wir wollten doch einen Mädelsabend machen“, wisperte sie.

Ich schmunzelte, als ich sie an mich drückte. Das hätte ich beinahe vergessen, dabei würde mir die Ablenkung sicher guttun. „Klingt super. Bis später.“

Nachdem wir uns wieder losgelassen hatten, machte ich mich unter den bösen Blicken einiger meiner Kollegen auf den Weg zum Appartementwohnhaus. Draußen an der frischen Luft atmete ich tief durch. Ich fühlte mich nach diesem schrecklich langen Tag wie erschlagen.

Als ich meine Zimmertür hinter mir geschlossen hatte, ließ ich mich sofort auf mein Bett fallen. Mein Cap und das Halstuch legte ich ab, auch meine braune Uniformjacke zog ich aus. Für den Sommer war meine Kleidung viel zu warm. Ich schloss die Augen und genoss die Ruhe, die schlagartig vom Klingeln meines Handys unterbrochen wurde. Seufzend zog ich das Telefon aus meiner Hosentasche und hob ab. „Ja, hallo?“, meldete ich mich erschöpft.

„Hi Mia“, antwortete eine wohlbekannte Stimme am anderen Ende der Leitung. „Du klingst fertig. Alles klar bei dir?“

Sofort saß ich senkrecht im Bett. „Lloyd!“ Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Ich freute mich sehr, von meinem Freund zu hören. „Keine Sorge, ich bin okay. Nur müde. Der Tag war zu verrückt ...“

„Wem sagst du das?“, brummte er. „Wir mussten in Rekordzeit unser Versteck räumen. Der Boss tobt vor Wut. Unsere Sponsoren wollen uns umbringen, weil der Plan mit der Verdunklung des Himmels fehlgeschlagen ist ...“

„Und wie geht’s dir?“, erkundigte ich mich besorgt. Immerhin hatte er wirklich alles riskiert, indem er mir geholfen hatte, Shadow zu befreien.

Es dauerte lange, bis er mir eine Antwort gab. „Wie’s einem halt geht, wenn man als Verräter gebrandmarkt wurde. Außer Sebastian und Sam redet niemand mehr freiwillig mit mir, der Boss gibt mir nur noch Drecksarbeit.“

„Es tut mir so leid“, flüsterte ich. „Dass du nur meinetwegen ...“

„Nein, Mia“, unterbrach er mich. „Es war meine Entscheidung. Ich wusste vorher, was passieren würde. Ich komme klar.“

Ich verzog das Gesicht. „Wenn dich jeder ignoriert? Wirklich?“

„Derzeit wird jeder einzelne Mann gebraucht, um unseren neuen Plan ohne die Fiorita umzusetzen“, erzählte er.

„Ihr gebt also nicht auf.“ Leise seufzte ich. „Na ja, wenigstens benutzt ihr keine Fiorita mehr für eure Zwecke.“

„Nie wieder“, beruhigte er mich. „Dein Vater hat ja auch gemerkt, was er dir mit seinem Plan angetan hat.“

„Nicht, dass es ihn davon abgehalten hätte“, knurrte ich. Ja, mein Vater hatte mich mit den Fiorita leiden sehen, aber er hatte trotzdem versucht, seinen Plan um jeden Preis durchzuziehen. „Zum Glück hat es nicht funktioniert. Mir tut es nur leid, dass du jetzt der Buhmann bist.“

„Ganz ehrlich? Ich bin froh drüber, nicht ständig mit jedem dieser Idioten reden zu müssen. Die meisten hier sind und bleiben niedere Verbrecher.“

Ich runzelte die Stirn. Lloyd gehörte doch selbst der Verbrecherorganisation an. Warum redete er plötzlich so herablassend darüber? „Tja, damit hast du jedenfalls eine neue Herausforderung ...“

„Eben“, lachte er. „Ich liebe Herausforderungen.“

„Und ich liebe dich“, antwortete ich leise.

„Ich dich auch, Mia“, entgegnete er sanft. „Können wir uns morgen treffen? Dann gebe ich dir deine Klamotten und das Liedblatt vom Mondgeist zurück.“

„Gerne. Ich hab auch noch deine Sportsachen hier. Aber ist es nicht etwas zu riskant, wenn du dich von der Arbeit wegschleichst?“, vergewisserte ich mich. „Du hast dich meinetwegen ohnehin schon ziemlich unbeliebt gemacht ...“

„Kein Problem“, wiegelte er ab. „Sonst würde ich’s nicht vorschlagen. Sagen wir um zwölf am Brunnen in Gakuen? Dann ist jede Menge los und wir werden gar nicht auffallen. Nach Windfeld käme ich nur ungern, die Ranger dort halten konkret Ausschau nach mir.“

„Geht klar“, stimmte ich zu. „Ich freue mich schon auf dich.“ Da klopfte es an meiner Zimmertür. „Das müssen Melodia und Haru sein. Bis morgen, Lloyd.“

„Bis morgen. Ich freue mich auch. Und gute Nacht schon mal“, wünschte er mir, bevor wir auflegten.

„Melodia? Haru?“, fragte ich zur Sicherheit, damit ich nicht ohne Verkleidung vor einem meiner Kollegen stand.

„Wir sind’s“, trällerte meine Grundschulfreundin von draußen.

Schnell ließ ich die beiden ins Zimmer, dann schloss ich die Tür.

„Bereit für einen spannenden Film?“, kicherte Haru.

„Mit euch?“ Ich lächelte. „Auf jeden Fall.“

Es tat wirklich gut, den Abend mit meinen Freundinnen ausklingen zu lassen. Außerdem hatte ich etwas, worauf ich mich freuen konnte. Nämlich mein morgiges Treffen mit Lloyd.

„Du schon wieder“, brummte ich.

„Du bist ja immer noch nicht in den Stimmbruch gekommen, Takuto“, lachte mein Gegenüber gehässig und fuhr sich durchs dunkelbraune Haar.

„Und du bist immer noch nicht charmanter geworden, Mark.“

Der 17-jährige Ranger grinste nur und widmete sich wieder der Akte in seiner Hand. Ich kannte ihn seit der Grundschule, auch die Ranger-Schule hatten wir gemeinsam besucht. Zu meinem Glück hatte er mich nicht als Mia Sato erkannt. Aber er war und blieb ein übermäßig ehrgeiziges Ekelpaket. Seit er im Hauptquartier stationiert war, war er sogar noch arroganter geworden.

Ich setzte mich auf Harus Schreibtisch und tauschte einen genervten Blick mit der Technikerin. Melodia hingegen schielte immer wieder unauffällig zu unserem ehemaligen Mitschüler hinüber. Sie fand es selbst schrecklich, dass sie seit Jahren in ihn verknallt war, aber sie konnte es nicht ändern.

„Guten Morgen!“, riss mich Ulrich aus meinen Gedanken. „Wir haben eine Nachricht vom Vorsitzenden erhalten. Mark, darf ich bitten?“

Der Angesprochene nickte. Er klappte die Akte zu, richtete seine braune Jacke und räusperte sich. So ein Wichtigtuer!

„Großes Lob für die Festnahme der sechs Schattenbringer. Bisher haben wir sie nicht zum Reden gebracht, aber das wird schon. Hinweise auf den Bandenboss gibt es noch keine. Aber darum bin ich ja hier. Mit meiner Hilfe kriegen wir die Schattenbringer schon.“

Ich musste mich korrigieren: selbstgefälliger Wichtigtuer!

„Ein paar Ranger aus dem Hauptquartier helfen weiterhin bei der Suche nach den Schattenbringern“, ergriff Ulrich wieder das Wort.

„Und bei der Suche nach Mia Sato“, ergänzte Mark. Er wandte sich Melodia zu. „Du glaubst wirklich, der anonyme Hinweis stammte von ihr?“

Prompt wurde meine Freundin ein wenig rot um die Nase. „Ja. Es war ihre Stimme. Du weißt doch am besten, dass wir alle zusammen in der Grundschule waren. Ich kenne Mia. Sie hat uns geholfen.“

Mark hob zweifelnd eine Augenbraue, nickte aber. „Gut möglich, dass sie auf unserer Seite steht. Ich kann mir tatsächlich nicht vorstellen, dass sie Verbrecher unterstützt.“