Kitabı oku: «Fioria Band 2 - Mit Lüge und Wahrheit», sayfa 5
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Die richtige Haltung
„Jakob, halt!“, rief ich entsetzt. „Wenn du so aufsitzt, wird der Flugvogel unruhig. Dann fällst du vielleicht schneller runter, als du gucken kannst.“
Mein schwarzhaariger Kollege verzog das Gesicht. „Ich dachte mir schon, dass irgendwas nicht stimmt. Immer wenn ich fliege, bin ich langsamer als die anderen, weil mein Flugvogel nicht richtig mitmacht.“
Ich strich über den Schnabel des Animalias, auf dessen Rücken mein Kollege saß. Sein Gefieder glänzte im orangefarbenen Licht der Dämmerung. Wir standen im Wald von Windfeld, weil ich Ulrich und Jakob wie versprochen ein paar hilfreiche Fakten über die Fiorita beibrachte, da nun unser Dienst für heute vorbei war.
„Ist kein Wunder, wenn du ihm deine Schuhe in die Seite drückst“, entgegnete ich. „Jedes Fiorita hat eine Schwachstelle. Bei Flugvögeln sind es die Flanken. Du kannst dich auf den Rücken stützen, knie dich ruhig drauf, das stört keinen Flugvogel. Stimmt’s?“ Das Animalia gurrte zustimmend, ich kicherte und streichelte das weiche Gefieder.
Jakob änderte unterdessen seine Position und kniete sich auf den Rücken des Wesens. „Hey, das ist irgendwie besser“, rief er erstaunt aus.
Ulrich nickte langsam. „Das mit der Schwachstelle wusste ich gar nicht.“
Ich schmunzelte. „Dir haben es die Animalia auch nicht erzählt. Diese Schwachstellen äußern sich ganz unterschiedlich. Ein Flugvogel ist an den Flanken besonders empfindlich und hat daher schnell Schmerzen. Feuerhunde werden hingegen zahm und zutraulich, wenn man die richtige Stelle erwischt.“
„Und welche ist das?“, erkundigte sich der Stationsleiter.
„Sekunde, zeige ich dir.“ Ich schloss die Augen, dachte an Feuerhunde und stimmte ein kurzes Lied an. Es dauerte nicht lange, bis zwei der Animalia herbeiliefen. „Hallo“, begrüßte ich sie und ging in die Hocke, um sie ausgiebig zu streicheln. „Helft ihr mir, Ulrich und Jakob etwas über euch beizubringen?“ Einer der Feuerhunde leckte mir über die Wange, der andere bellte. Ich wischte mir mit dem Ärmel meiner braunen Jacke den Sabber aus dem Gesicht. „Das ist lieb von euch!“
„Wirklich beeindruckend, wie du mit ihnen umgehst“, merkte Ulrich an.
Ich lächelte schief. „So ist das eben, wenn man das Mädchen aus der Legende ist.“
„Deine Stimme klingt toll“, flüsterte Jakob. Fragend sah ich ihn an. „Wenn du singst“, erklärte er. „Da könnte ich stundenlang zuhören.“
Ein Hauch von Röte legte sich auf meine Wangen. „Oh, danke.“ Verlegen grinste ich die beiden Männer an. „Na ja, zur Schwachstelle der Feuerhunde“, fuhr ich fort und kraulte eins der Animalia am linken Ohr. „Die ist hier.“
Sofort warf sich der Feuerhund auf den Boden und rollte genüsslich auf dem Rücken hin und her, wobei er mit dem Schwanz wedelte.
„Wahnsinn“, lachte Ulrich, „ein wildes Animalia so zahm zu sehen.“
„Du kannst ihn auch ganz leicht dazu bringen, Feuer zu speien“, erklärte ich und drehte mich zu dem anderen Feuerhund um. „Darf ich?“ Das Animalia bellte, ich verstand. „Danke. Ulrich, in Deckung!“
Der Stationsleiter ging aus dem Weg und stellte sich neben Jakob und den Flugvogel. Ich griff an die rechte Hinterpfote des Feuerhundes und zog behutsam daran, woraufhin er eine gewaltige Flamme ausspuckte.
„Wow!“, staunte Jakob. „Wie hast du das alles herausgefunden?“
„Ich kenne die Fiorita besser als mich selbst“, antwortete ich. „Aber ich wüsste nicht, wie man es herausfinden sollte, wenn man nicht mit diesen wundervollen Wesen verbunden ist.“
„Wir brauchen Jahre, wenn du uns die Eigenheiten jedes Animalia erklärst“, murmelte Ulrich.
„Na ja, die meisten sind ohnehin gut erforscht“, wandte ich ein.
„Wie Feuerhunde. Aber die beiden Schwachstellen waren uns nicht bekannt“, entgegnete Jakob.
„Auch wieder wahr“, räumte ich ein. „Das ist eben Profiwissen. Und ich werde euch so viel beibringen wie möglich.“
„Über die Dämonen und Geister auch?“, erkundigte sich der Stationsleiter.
Verunsichert blickte ich in seine grünen Augen. „Das werde ich mir noch überlegen. Darüber muss ich erst mit den Dämonen und Geistern reden.“
Er nickte. „Verstehe. Doch für heute reicht es. Über die Waldelfen, Flatterer, Flugvögel und Feuerhunde haben wir genug gelernt.“
„Dann kommt morgen Abend die nächste Lektion“, lachte ich. „Gehen wir.“
Ich bedankte mich bei den drei Animalia und verabschiedete mich von ihnen, dann machten wir uns auf den Weg zum Appartementwohnhaus. An der Treppe blieben wir kurz stehen, weil ich in den ersten Stock musste, während Ulrich und Jakob Zimmer im Erdgeschoss bewohnten.
„Gute Nacht, Leute“, wünschte ich ihnen.
„Dir auch“, antwortete Ulrich. „Und vielen Dank.“
Jakob nickte. „Ja, danke.“
„Keine Ursache“, winkte ich ab und stieg die erste Stufe hoch. „Bis morgen.“
Lächelnd betrat ich mein Zimmer. Dieser entspannte Abend hatte mich wirklich für den anstrengenden Tag mit dem Überfall entschädigt. Ich legte mein Cap und die Uniformjacke ab, auch das weiße Hemd knöpfte ich auf. Die Jeansweste war schon warm genug. Obwohl ich mich duschen und ins Bett legen wollte, setzte ich mich zuerst auf meinen Schreibtischstuhl und zog mein Handy aus der Hosentasche, um Lloyd anzurufen. Es klingelte so oft, dass ich beinahe schon auflegen wollte, doch dann hob er endlich ab.
„Hallo Lloyd“, begrüßte ich ihn. „Alles klar bei dir? Hattest du noch Stress mit meinem Vater?“
„Nicht mehr als sonst auch“, lachte er. „Er ist etwas beleidigt, weil du seinen Anruf nicht angenommen hast, meinen aber schon.“
„So ein Blödmann“, schnaubte ich. „Er weiß wohl am besten, dass ich ihn nicht sprechen will.“
„Er ist trotzdem gekränkt. Ist bei dir auch alles okay?“
„Na ja, ich ... ich muss dich was fragen.“
„Was ist denn los?“, wunderte er sich.
Ich atmete tief durch. „Seid ihr Schattenbringer zu Dieben geworden? Habt ihr heute eine Bank in Windfeld überfallen?“
„Wie kommst du auf so was?“, entgegnete er verdutzt. „Wir müssen doch kein Geld klauen, daran fehlt’s uns wirklich nicht. Seit ihr unsere alten Sponsoren festgenommen habt, rennen uns die neuen die Türen ein.“
Ich verzog das Gesicht, als ich hörte, dass die Schattenbringer so viel Unterstützung bekamen. Aber ich vertiefte das Thema nicht, weil ich meinen Freund nicht ausnutzen oder in Bedrängnis bringen wollte. „Ich wusste es“, seufzte ich. „Heute wurde nämlich die Bank am Wasserplatz überfallen, sieben bewaffnete Täter in dunkelgrauen Klamotten. Weil wir eure Sponsoren verhaftet haben, denken meine Kollegen jetzt, dass die Schattenbringer die Täter seien. Aber das passte einfach nicht zu euch.“
„Du kennst uns eindeutig besser als die anderen Deppen“, brummte er.
Ich schmunzelte. „Man sollte seinen Feind immer ganz genau kennen.“
„Aber die waren ernsthaft bewaffnet?“, warf er ein. „Geht’s dir gut?“
„Die Diebe waren schon weg, als ich in der Bank angekommen bin“, erzählte ich. „Hoffentlich finden wir sie bald.“
„Aber sei vorsichtig“, bat er mich.
Ich nickte, auch wenn er es nicht sehen konnte. „Natürlich! Mal sehen, ob das eine einmalige Sache war oder ob sie wieder zuschlagen.“
„Meld dich, wenn du Probleme hast. Vielleicht kann ich dir helfen“, bot er an.
„Das mach ich, danke. Jetzt sollte ich aber duschen und ins Bett, morgen werden wir weiterermitteln. Und ich muss den anderen sagen, dass ihr nichts mit den Überfällen zu tun habt.“
„Alles klar. Dann schlaf schön.“
„Du auch. Lass dich nicht zu sehr von meinem Vater stressen und so ...“
„Keine Sorge. Der Boss ist mein geringstes Problem. Sein neuer Stellvertreter ist allerdings ätzend. Seit Alfred meine alte Stellung innehat, führt er sich auf ... das glaubst du gar nicht.“
„So schlimm?“, fragte ich besorgt.
Gequält stöhnte Lloyd auf. „Schlimmer. Dagegen war ich der netteste Vorgesetzte der Welt.“
„Verdammt“, murmelte ich. „Du Armer.“
„Keine Sorge, das wird schon. Gute Nacht, Mia“, wünschte er mir.
Ich wusste, dass er nicht mehr darüber reden wollte, also beließ ich es dabei. „Gute Nacht. Ich liebe dich.“
„Ich dich auch“, antwortete er milde. Dann wurde die Verbindung beendet.
„Diese Schattenbringer sind unendlich dreist!“, tobte der Vorsitzende, während er in der Zweigstelle auf und ab lief. Trotz seines hohen Alters hielt er sich bemerkenswert aufrecht, die Arme hatte er hinter dem Rücken verschränkt. „So eine Bande darf nicht länger auf freiem Fuß sein! Ein bewaffneter Überfall! Wie konnten sie nur an Waffen gelangen?“
„Das versuchen wir herauszufinden“, beschwichtigte Ulrich ihn. „Wir arbeiten daran. Eigentlich hätten wir uns denken können, dass diese Verbrecher auf die Festnahme ihrer Sponsoren reagieren.“
„Dennoch!“, rief der Vorsitzende und warf aufgebracht die Arme in die Luft, nur um gleich darauf durch seinen schneeweißen Schnurrbart zu streichen. „Sie müssen endlich gefasst werden!“
Unwillkürlich machte ich mich ein wenig kleiner. Ich stand zusammen mit den anderen Windfeld-Rangern, den Technikerinnen und Mark in der Zweigstelle. Zugegeben, ich fühlte mich unwohl. Es bedeutete selten etwas Gutes, wenn der Vorsitzende persönlich erschien. Nicht gerade die Überraschung, über die man sich freute, wenn man morgens zur Arbeit kam.
„Es würde schneller gehen, wenn sich alle Zweigstellen an den Ermittlungen beteiligen würden“, merkte der Stationsleiter an.
„Niemals!“, schmetterte der Vorsitzende diesen Vorschlag sofort ab. Verärgert blitzten seine grünen Augen hinter der Brille hervor. „Dass sich unter der Aufsicht der Ranger eine solche Bande formieren konnte, darf nicht publik werden. Es würde unserem Ruf größten Schaden zufügen.“
Wenig begeistert sah ich den etwa 70-Jährigen an. Diese Einstellung hasste ich, auch wenn ich den Vorsitzenden im Allgemeinen recht sympathisch fand. „Wir tun, was wir können“, versicherte Mark. „Die Ermittlungen gehen voran. Wir haben immerhin vier ihrer Sponsoren gefasst und wir werten die Spuren des Überfalls aus. Das wird schon. Es braucht nur Zeit.“
„Zeit, die wir nicht haben, mein lieber Mark“, wandte sich der Vorsitzende an ihn. Er strich über sein weißes Hemd, das teilweise von einem ebenso weißen Kittel bedeckt wurde. „Doch ich verlasse mich darauf, dass ihr bald einen Erfolg zu verzeichnen habt.“
„Wir geben unser Bestes“, antwortete Ulrich ruhig. Er wusste wirklich, wie man mit dem Vorsitzenden umgehen musste, denn der ältere Mann beruhigte sich langsam.
„Dessen bin ich mir sicher. Nun gut, an die Arbeit. Ich werde euch nicht länger aufhalten. Schnappt die Diebe, also, die Schattenbringer!“
„Die Schattenbringer stecken nicht hinter dem Überfall“, schnaubte ich. „Ganz sicher! Das passt nicht zu ihnen. Sie haben keinen finanziellen Engpass. Sie haben schon neue Sponsoren.“
Überrascht sah mich der Vorsitzende an. „Woher willst du das wissen?“
„Ähm ...“ Ich konnte schlecht sagen, dass Lloyd es mir verraten hatte. „Das ist reine Intuition. Aber bezüglich dieser Bande war sie schon oft richtig, also ...“
„Wir brauchen Beweise“, schnitt mir der Vorsitzende das Wort ab. „Sosehr ich dich schätze, Takuto, gehen wir vorerst davon aus, dass die Schattenbringer hinter dem Bankraub stecken.“
Genervt biss ich die Zähne zusammen. „Aha“, presste ich hervor.
„Ich will euch nicht länger aufhalten. Bis bald“, verabschiedete sich der Vorsitzende. „Ich erwarte, in Kürze Ergebnisse von euch zu erhalten.“
„Ich melde mich, sobald es etwas Neues gibt“, versprach Ulrich.
„Noch eine Frage“, hielt Lasse den Vorsitzenden zurück.
Er blickte meinen Kollegen an. „Ja?“
„Wie heißen Sie eigentlich wirklich?“
Augenblicklich mussten sich alle Anwesenden ein Lachen verkneifen. Der Name des Vorsitzenden war schon immer ein Rätsel gewesen. Niemand kannte ihn. Niemand. Höchstens er selbst.
„Bitte“, winkte jener sogleich unwirsch ab und verließ ohne ein weiteres Wort die Zweigstelle.
Als er sich außer Hörweite befand, brach das Gelächter aus. „Und wieder ein Fehlschlag“, grölte Jakob.
„Wir geben nicht auf“, schwor Lasse.
„Irgendwann muss er es uns sagen“, kicherte Melodia.
„Genug mit dem Spaß, jetzt müssen wir an die Arbeit“, beschloss Ulrich und teilte die diensthabenden Ranger für die heutigen Aufgaben ein.
Sehr zu meinem Unmut hatte ich Innendienst. Ich musste mit Melodia und Haru die Zweigstelle hüten. Nicht sehr spannend, aber alles war besser, als Nachtschicht zu haben.
Die meisten Ranger machten sich auf den Weg, um in Windfeld zu patrouillieren. Der Stationsleiter und Jakob blieben allerdings noch kurz bei den Technikerinnen und mir in der Zweigstelle.
„Warum warst du dir so sicher, dass die Schattenbringer nicht hinter dem Überfall stecken, Mia?“, fragte mein Vorgesetzter. „Weißt du etwas, was wir nicht wissen?“
„Ich hab gestern mit Lloyd geredet“, erzählte ich. „Die Schattenbringer haben nichts damit zu tun.“
„Nur weil Lloyd es dir sagt, muss es nicht stimmen“, meinte Ulrich. „Er könnte seine Bande decken.“
So frustriert, wie Lloyd derzeit war, bezweifelte ich das stark. Außerdem ... „Er würde mich nie anlügen.“
„Er ist ein Verbrecher“, erinnerte mich Jakob. „Er hat dir auch nicht gesagt, dass dein eigener Vater sein Boss ist. Also würde ich nicht darauf vertrauen, dass er jetzt ehrlich ist.“
„Ihr kennt ihn nicht!“, wandte ich empört ein.
„Nun gut.“ Ulrich atmete tief durch. „Suchen wir die Diebe und ersparen uns diese Diskussion. Es wird sich zeigen, wer hinter dem Überfall steckt.“
„Klingt sinnvoll“, stimmte ich zu.
Auch Jakob nickte. „Mal sehen, wie weit wir heute kommen. Viel Spaß im Innendienst, Mädels. Wenn was passiert, gebt Bescheid.“
„Na klar“, versprach Haru.
„Und ich bin kein Mädchen, ich bin Takuto“, ermahnte ich meinen Kollegen.
Er grinste. „Fällt mir schwer, dich noch als Kerl zu sehen, Mia.“
Ich rückte das braune Cap zurecht, unter dem ich meine Haare versteckte. „Also wirklich, dabei laufe ich als Kerl durch die Gegend.“
„Schon klar. Bis heute Abend. Ich freue mich schon auf die nächste Lektion in Sachen Fiorita“, verabschiedete er sich.
Jakob und Ulrich verließen die Zweigstelle, hinter ihnen schloss sich die Glastür.
Ich setzte mich auf Harus Schreibtisch. „Ein langweiliger Tag im Innendienst, anstatt Verbrecher zu jagen ...“
„Hey, du bist immerhin bei uns“, entgegnete Melodia beleidigt.
Ich lächelte schief. „Das ist das einzig Gute.“
„Jetzt können wir nebenbei ein wenig quatschen“, freute sich Haru.
„Ich muss euch noch etwas erzählen“, fiel Melodia ein. „Ihr glaubt es nicht, aber Mark hat mich ins Kino eingeladen! Morgen Abend.“
„Wow“, staunte ich. „Glückwunsch!“
„Du willst echt mit dem Blödmann zusammenkommen?“, murmelte Haru. „Er ist arrogant. Und gehässig.“
„Aber nicht nur“, nahm meine Grundschulfreundin ihren Schwarm in Schutz. „Er kann total lieb und witzig sein. Zumindest wenn wir allein sind.“
Ich schlug die Beine übereinander. „Ich drück dir die Daumen, auch wenn ich Mark immer noch nicht mag.“
Melodia strahlte mich an. „Danke.“
Haru, die auf ihrem Schreibtischstuhl saß, grinste zu mir hoch. „So, Mia, jetzt raus mit der Sprache, wie weit bist du schon mit Lloyd gegangen?“
Bei der unerwarteten Frage klappte mir der Mund auf. „W...w...was?“, stammelte ich. Ich spürte, wie ich rot wurde und mein Herz schneller schlug. Damit hatte Haru mich völlig überrumpelt.
„Oh ja, erzähl!“, forderte nun auch Melodia.
„Wir ... wir haben noch nicht miteinander geschlafen, wenn ihr das meint.“
„Ihr seid doch bestimmt schon vier Monate zusammen“, merkte Haru an.
„Ja, schon, sogar etwas länger“, gab ich zu. „Aber wir sehen uns nicht so oft. Außerdem ist er mein erster Freund und ...“
„Und du hast noch keine Erfahrungen damit“, beendete Melodia den Satz für mich. „Ich kann verstehen, dass du aufgeregt bist und noch warten willst. Ich würde es mit Mark genauso machen. Im Gegensatz zu Haru hatte ich noch keine ernste Beziehung.“
Die Dunkelhaarige zuckte mit den Schultern. „Dafür war mein Exfreund der größte Idiot überhaupt. Ich weiß echt nicht mehr, warum ich überhaupt mit ihm zusammen war. Oder warum ich mit ihm geschlafen hab.“
Erstaunt sah ich sie an. „Du hast mit ihm geschlafen?“
„Ja, er war zusammen mit mir auf der Technik-Schule“, erzählte sie. „Das war kurz vor dem Abschluss.“
„Da warst du doch erst 15“, fiel mir auf.
Sie nickte und lächelte verlegen. „Ging ziemlich schnell.“
Dieses Frauengespräch überforderte mich ein wenig. Obwohl ich gerade etwas völlig Neues über Haru erfahren hatte. Dass sie schon zwei Beziehungen hinter sich hatte, hatte ich gewusst. Aber nicht, dass sie auch schon mit einem ihrer Exfreunde geschlafen hatte.
„Wie war das denn?“, erkundigte sich Melodia neugierig.
Haru überlegte kurz. „Eigentlich ganz schön. Das kam irgendwie von selbst.“
„Beruhigend, das zu hören“, lachte ich. „Dann wird’s bei mir auch irgendwann von selbst kommen.“
„Da bin ich mir sicher“, stimmte sie zu. Sie wandte sich zu ihrem Computer um. „Schade ... bisher kein Treffer. Außer in Windfeld gab es keinen solchen Bankraub, schreiben mir die Kollegen.“
„Haben schon alle Zweigstellen geantwortet?“, wunderte sich Melodia.
„Es fehlen nur noch zwei“, berichtete die Dunkelhaarige. „Aber schöne Grüße von deinem Vater aus Gakuen.“
Meine Grundschulfreundin kicherte. „Das ist ja lieb von ihm. Schreib ihm zurück, dass er als vorbildlicher Ranger lieber arbeiten sollte. Ich telefoniere sowieso fast jeden Abend mit meinen Eltern.“
Ich telefonierte nur alle paar Tage mit meiner Mutter. Heute könnte ich mich eigentlich mal wieder bei ihr melden. Wenn ich den Innendienst hinter mir hatte.
Tagsüber passierte nicht viel. Die Ermittlungen zum gestrigen Überfall verliefen schleppend. Kein Wunder, wenn meine Kollegen davon ausgingen, dass die Schattenbringer dahintersteckten. Sie sollten lieber in alle Richtungen ermitteln, dann käme vielleicht ein besseres Ergebnis heraus. Aber morgen, wenn ich wieder im Außendienst war, würde ich mich noch mal selbst mit dem Fall auseinandersetzen. Bestimmt wussten die Dämonen und Geister mehr.
Während der abendlichen Lektion mit Ulrich und Jakob unterdrückte ich den Ärger darüber, dass mir keiner meiner Kollegen hinsichtlich des Überfalls glaubte. Jeder verdächtigte die Schattenbringer. Aber umgeben von Animalia fiel es mir leicht, die Wut zu vergessen. Ich zeigte den beiden Männern, wie Wasserpferde Wellen entstehen ließen und wie man auf ihnen sogar über das Wasser reiten konnte. Außerdem zeigte ich ihnen die Schwachstelle der kleinen Piscinellen, die in dem Fluss lebten, der an Windfeld vorbeifloss. Nachdem ich ihnen auch noch alles Wissenswerte über die Farbfalter erzählt hatte, beendeten wir den Unterricht für heute.
„In diesem Tempo brauchen wir echt mehrere Wochen“, seufzte Ulrich. „Es gibt einfach so viele Animalia. Und ich hab jetzt schon einen halben Notizblock voll.“
„Aber ihr lernt schnell“, lobte ich die beiden auf dem Weg zum Wohnhaus der Ranger. „Ihr könnt gut mit den Animalia umgehen. Das wird schon.“
Jakob grinste. „Wir haben eben eine gute Lehrerin.“
„Zu viel der Ehre“, lachte ich.
„Es wundert mich wirklich, dass du deine Fähigkeiten nicht einsetzt, um Profit zu machen“, gestand er. „Du könntest ein Vermögen verdienen.“
„Aber dafür müsste ich meine Verbündeten ausnutzen. Das könnte ich nicht. Ich liebe die Fiorita zu sehr“, widersprach ich. „Außerdem wären sowohl sie als auch ich in Gefahr, wenn ich mich als Mädchen aus der Legende zu erkennen gäbe.“
„Das stimmt. Aber manch anderer würde es bestimmt machen.“
Ich lächelte halbherzig. „Umso besser, dass kein anderer die Möglichkeit dazu hat.“
„Das Schicksal hat eben das richtige Mädchen für diesen Job ausgesucht“, lachte Ulrich und klopfte mir auf die Schulter.
„Danke. Lieb von dir“, freute ich mich. „Was macht ihr heute Abend noch?“
„Schlafen“, antworteten die beiden wie aus einem Mund.
„Den Stammtisch lasse ich heute sausen, auch wenn die anderen Windfeld-Ranger wahrscheinlich schon dort sind“, ergänzte Ulrich. „Diese Lektionen sind doch ein wenig anstrengend. Und was hast du vor?“
„Ich rufe meine Mutter an, dann lege ich mich schlafen. Hat die Observierung bei mir daheim eigentlich schon was gebracht?“, wollte ich wissen.
Jakob schüttelte den Kopf. „Wir waren heute ein paar Stunden in Brislingen, aber es gab nichts Besonderes. Auch keine nennenswerten Telefonate. Erik Sato lässt sich zu Hause nicht mehr blicken. Er ruft deine Mutter zwar oft an, aber auch dadurch konnten wir ihn nicht orten.“
„Verdammt“, seufzte ich. „Hoffentlich entdeckt meine Mutter die Wanzen nicht.“
„Das bezweifle ich“, beruhigte Ulrich mich. „Wir haben sie gut versteckt. Das ganze Erdgeschoss wird abgehört.“
„Im ersten Stock konnten wir allerdings keine Wanzen verstecken. Nicht, ohne dass es aufgefallen wäre“, merkte Jakob an.
„Ist ja nicht schlimm, das Schlafzimmer meiner Eltern ist sowieso unten“, meinte ich. „Meine Mutter ist nur zum Putzen oder Duschen im ersten Stock. Da oben passiert nie was.“
Wir erreichten das Appartementwohnhaus, darum blieben wir kurz stehen und verabschiedeten uns voneinander. Als die beiden hineingegangen waren, folgte ich ihnen jedoch noch nicht gleich. Der frische Wind und das Licht der Dämmerung gefielen mir zu gut. Darum zog ich mein Handy aus der Hosentasche. Ich konnte schließlich auch hier draußen mit meiner Mutter telefonieren. Dachte ich zumindest.
Während ich die Nummer eintippte, bemerkte ich aus den Augenwinkeln, wie sich jemand näherte. Also blickte ich auf, nur um reflexartig zurückzuschrecken.
„Was?!“, rief ich verstört.
Wie hypnotisiert starrte ich die sechs Männer an, die vor mir standen. Niemand trug eine dunkelgraue Uniform und doch wusste ich, dass jeder von ihnen ein Schattenbringer war. Denn mein Vater führte die anderen fünf offensichtlich an, außerdem war Lloyd dabei. Wobei sich mein Freund sichtlich unwohl fühlte, da er sich immer wieder umwandte und mir entschuldigende Blicke zuwarf. Die übrigen vier Männer kannte ich nicht, sie wirkten unsympathisch. Grimmig.
„Hallo Mia“, begrüßte mich mein Vater ruhig. Es tat beinahe weh, ihn anzusehen. Er trug eine Jeans und ein kariertes Hemd, sein dunkelbraunes Haar war nicht gekämmt, seine Bartstoppeln nicht rasiert. Wie früher. Damals, zu der Zeit, bevor ich ihn zu hassen gelernt hatte.
„Was willst du hier?“, zischte ich. Es ärgerte mich, dass er mich trotz meiner Verkleidung als Ranger erkannt hatte. Und es gefiel mir nicht, dass ich hier allein sechs Schattenbringern gegenüberstand.
„Nur mit dir reden, Mia. Bitte, hör mir zu.“ Seine Stimme bebte ein wenig, obwohl er sich eindeutig bemühte, Ruhe zu bewahren.
„Ich will dir nicht mehr zuhören! Ich habe genug von deinen Lügen!“, fauchte ich und zog die Handschellen vom Gürtel meiner Hose. „Aber du bist hiermit verhaftet, Erik Sato, Boss der Schattenbringer.“
Bevor ich mich jedoch meinem Vater nähern konnte, stellte sich mir ein bulliger Kerl mit roten Haaren in den Weg. „Wage es nicht!“, drohte er.
„Warum bist du nur so wütend auf mich, dass du mich gleich festnehmen willst, Kind?“, fragte mein Vater verständnislos.
Verächtlich schnaubte ich. Als ob er das nicht wüsste! „Weil du ein mieser Verbrecherboss bist! Weil deine Organisation nur Schaden anrichtet!“
„Lloyd war lange Zeit der zweite Chef dieser Organisation und das stört dich nicht?“, wandte er ein und deutete hinter sich auf meinen Freund.
Lloyd spannte den Kiefer an, äußerte sich aber nicht. Man sah deutlich, dass er nicht freiwillig hier war. Wahrscheinlich hatte mein Vater ihn mitgenommen, weil er der einzige Schattenbringer war, den ich nicht verhaften wollte. Dass er meinen Freund derart benutzte, machte mich noch wütender.
„Das ist etwas anderes.“ Ich umklammerte die Handschellen fester. „Bei ihm wusste ich es von Anfang an. Er hat mich nicht fast 18 Jahre lang belogen und betrogen. Was du gemacht hast, kann man einfach nicht verzeihen!“
Mir stiegen Tränen in die Augen und ich presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Ich fühlte mich wieder so ohnmächtig und hintergangen wie an jenem Tag, an dem ich erfahren hatte, wer mein Vater wirklich war.
„Mia, bitte, hör mir doch endlich zu“, jammerte er.
„Vergiss es!“, weigerte ich mich und rieb mir mit einem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. „Egal, was du mir zu sagen hast, ich will es nicht hören!“
„Was ist denn los?“, beschwerte sich eine bekannte Stimme hinter mir. „Kannst du nicht leiser telefonieren, Mi...“ Ulrich verstummte, als er aus dem Wohnhaus trat und die Versammlung vor der Tür entdeckte.
„Und genau das wollten wir vermeiden“, brummte mein Vater.
„Jakob!“, brüllte Ulrich. „Schattenbringer!“
Innerhalb von Sekunden stürzte auch mein schwarzhaariger Kollege herbei. Im Gegensatz zu Ulrich hatte er nicht mal mehr die Jacke seiner Uniform an. „Erik Sato! Lloyd Sakai! Und ihr anderen“, keuchte er, „ihr seid verhaftet.“
Mein Vater lächelte bösartig. „Das bezweifle ich. Macht diese dreckigen Ranger fertig, Leute.“
„Ist schon mal eine gute Übung“, lachte der widerliche Rothaarige.
„Wagt es nicht, sie anzufassen!“, zischte ich und stellte mich vor Ulrich und Jakob. Vernichtend sah ich meinen Vater an. „Ich dachte, du wärst meinetwegen hier. Dann lass die beiden da raus.“
„Zu spät“, entgegnete er. „Sie haben uns gesehen und wollen uns festnehmen.“
Ich hob die Handschellen in die Höhe. „Das will ich auch, glaub mir.“
„Mia, sei doch endlich vernünftig!“, verlangte er.
„Das sollte ich dir sagen!“, schnaubte ich. „Deine Organisation hat keine Zukunft. Gib auf, bevor es zu spät ist!“
„Die Zukunft gehört den Schattenbringern“, korrigierte mich einer seiner Untergebenen. „Die Ranger sind es, die keine Zukunft mehr haben.“
„Ruhe, Alfred!“, befahl mein Vater.
An diesen Namen erinnerte ich mich, darum musterte ich Alfred gründlich. Immerhin war er es, der Lloyds alten Job hatte. Er war der neue Stellvertreter meines Vaters. Der Mann wirkte einschüchternd, obwohl er bestimmt schon 50 war. Seine grau melierten Haare waren höchstens zwei Zentimeter lang, in seinen Augen lag ein finsterer Ausdruck.
Instinktiv suchte ich die Augen meines Freundes. Lloyd raufte sich gerade das dunkelbraune Haar, während er sich völlig im Hintergrund hielt. Unglücklich erwiderte er meinen Blick.
Plötzlich trat Jakob neben mich. „Ihr könnt den Rangern nichts anhaben.“
„Glaubt nicht, dass ihr uns Angst macht“, ergänzte Ulrich und stellte sich an meine andere Seite.
Der Himmel wurde immer dunkler, der Wind kälter. Zum Glück kamen gerade keine Passanten vorbei. Abgesehen von zwei jungen Frauen, die genau zur falschen Zeit aus ihrem Lieblingscafé zurückkehrten ...
„Herr Sato?“, quietschte Melodia erschrocken.
„Sind das etwa Schattenbringer?“, rief Haru.
Sofort wirbelten alle zu den Technikerinnen herum. Die beiden hatten sich beieinander eingehakt, beinahe panisch klammerten sie sich aneinander.
„Wenn das nicht Melodia ist“, stellte mein Vater überrascht fest. „Du bist also auch in dieser schrecklichen Organisation. Wie dein Vater.“
„Wessen Organisation ist hier schrecklich?“, motzte sie ihn an.
„Immer diese Vorurteile“, seufzte er. Er deutete auf die jungen Frauen. „Lloyd, kümmer dich um die beiden. Ihr anderen macht diese Ranger fertig. Sorgt dafür, dass sie sich nicht mehr an diesen Abend erinnern können.“
Alfred ließ seine Fingerknöchel knacken. „Gerne.“
Bevor die vier Schattenbringer auf uns losgehen konnten, griff Lloyd nach Melodias Arm. Sie kniff die Augen zusammen und schrie auf. Er flüsterte meiner Grundschuldfreundin etwas ins Ohr, daraufhin lächelte sie zaghaft. „Ja, okay“, stimmte sie zu.
Fragend musterte ich meinen Freund. Er schob Melodia und Haru vorsichtig von den anderen Schattenbringern weg, an ihnen vorbei zum Wohnhaus. „Jetzt rein mit euch. Und kommt nicht wieder raus!“, schärfte er ihnen ein.
„Danke“, wisperte Haru. „Danke, dass du uns nichts tust.“
Er verdrehte die Augen. „Ist ja wohl selbstverständlich.“
„Lloyd!“, grollte mein Vater, als die beiden Technikerinnen im Haus verschwunden waren. „Du weißt genau, dass du sie nicht wegbringen solltest!“
„Und du weißt genau, dass ich keine Mädchen schlage. Schon gar nicht Mias Freundinnen“, entgegnete Lloyd. „Die zwei tun uns schon nichts.“
Obwohl er direkt neben Ulrich stand, nahm der Stationsleiter meinen Freund nicht fest. Es überraschte ihn und auch Jakob wohl zu sehr, dass ein Mitglied der Schattenbringer unsere Technikerinnen in Sicherheit gebracht hatte.
„Dein Befehl war trotzdem ein anderer“, zischte mein Vater.
Ich verzog das Gesicht. „Auf deine Befehle würde ich auch nicht hören.“
Lloyd nahm meine Hand, um sie kurz zu drücken. „Mach es nicht noch schlimmer“, flüsterte er. „Der Boss ist gereizt genug.“
„Aber ...“
Er legte mir seinen rechten Zeigefinger auf die Lippen. „Kein Aber.“
„Alfred, geh ins Haus und kümmere dich um die Mädchen, wenn ihr diese zwei Ranger aufgemischt habt“, wies mein Vater seinen neuen Stellvertreter an. „Du, Mia, wirst jetzt mitkommen. Wir müssen reden.“
„Ganz bestimmt nicht!“, zischte ich und trat direkt vor meinen Vater. „Du hetzt deine Männer nicht auf uns! Verdammtes Monster! Wenn du meinen Freunden auch nur ein Haar krümmen lässt, werde ich Mama alles erzählen. Alles!“
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