Kitabı oku: «Fioria Band 2 - Mit Lüge und Wahrheit», sayfa 3
Überrascht sah ich ihn an. Etwas Nettes über mich aus seinem Mund zu hören, hätte ich nie erwartet. Doch es freute mich.
Melodia strahlte ihn an. „Danke! Danke, dass du vernünftig bist, Mark.“
Da lachte er auf. „Ist doch logisch. Jemand wie Mia hätte nicht den Schneid, Verbrechen zu begehen.“
Jakob unterdrückte ein Kichern, grinste aber in meine Richtung. Ich verdrehte die Augen. Mark war ein Idiot.
„Takuto, Mark ist gemein“, jammerte Melodia und warf sich stürmisch in meine Arme.
Perplex fing ich sie auf, ohne vom Schreibtisch aufzustehen. „Äh, ja ... nichts Neues“, entgegnete ich.
Sie drückte mich fester. „Zum Glück hab ich dich. Du bist der netteste, vernünftigste und liebste Kerl der Welt! Und der beste Ranger!“
Verkrampft lächelte ich. Ich wusste wohl, dass sie Mark mit dieser Szene eifersüchtig machen wollte, aber jetzt gerade sorgte sie eher dafür, dass mich jeder Ranger in dieser Zweigstelle hasste. Die vielen bösen Blicke hätten töten können. Nicht nur Lasse, Leo und Genta erdolchten mich gerade mit den Augen, auch Mark tat es.
Vorsichtig löste ich mich aus der Umarmung meiner Freundin. „Du übertreibst, Melodia.“
„Was liegt heute an?“, wechselte Haru das Thema, wofür ich sie dankbar ansah.
Sofort verteilte Ulrich die Aufgaben des Tages. „Lasse, Genta, ihr eskortiert einen Transporter mit wertvollen Zuchtanimalia. Der Besitzer befürchtet, dass jemand es auf seine Fiorita abgesehen hat. Leo, Viktor, ihr helft den Rangern aus dem Hauptquartier bei den Ermittlungen. Jonas, Eduard, wir gehen auf Patrouille. Jakob, du hältst hier die Stellung. Takuto ... mach, was du willst.“
Ich schmunzelte. „Gerne.“ Optimal. Ich hatte wie üblich völlig freie Hand, sodass ich mich mittags unauffällig mit Lloyd treffen konnte. Der Vorsitzende hatte beschlossen, dass ich allein arbeiten durfte, obwohl Ranger normalerweise immer zu zweit unterwegs waren. Aber meine Leistungen während der Schulzeit hatten ihn überzeugt.
Wir frühstückten noch gemeinsam, danach verließ ich die Zweigstelle und holte die Tüte mit Lloyds Sportsachen aus meinem Zimmer. Bis zwölf Uhr war es noch eine Weile hin, also begab ich mich auf einem Flugvogel in den Wald zwischen Brislingen und Gakuen.
Ich landete auf der Lichtung, auf der ich zum ersten Mal Shadow gerufen hatte. An diesem Ort rief ich die Fiorita am liebsten zu mir. Die Lichtung war klein, kreisrund und vollständig von Bäumen umgeben. Inmitten der Wiese lag ein umgestürzter Stamm, auf den ich mich setzte. Ich musste nicht mal singen, damit die Animalia des Waldes zu mir kamen.
Da ich ihnen gestern versprochen hatte, bald wieder mit ihnen zu spielen, erinnerten sie mich nur zu gerne an mein Wort. Und weil ich mich zu ausgebrannt fühlte, um irgendeine sinnvolle Arbeit zu leisten, gönnte ich mir diese heimliche Pause.
Klar, mein Peilsender bewegte sich nicht, während ich mich nur hier auf der Lichtung aufhielt, doch Haru und Melodia würden mich schon nicht verpetzen. Notfalls konnte ich ja behaupten, ich hätte mich mit den Fiorita beraten, wie wir die Schattenbringer finden konnten.
„Jetzt muss ich aber los“, stellte ich fest. „Es ist kurz vor zwölf.“
Unter dem Protest der Animalia lief ich nach Gakuen. Der prächtige Brunnen, an dem ich mich mit Lloyd treffen wollte, lag in der Innenstadt. Auf dem Weg kam ich an meiner alten Schule vorbei, die ich bis zu meinem Wechsel auf die Ranger-Schule besucht hatte. Schlechte Erinnerungen überkamen mich beim Anblick des Gebäudes. Erinnerungen an die Hänseleien, weil meine Augen und Haare so anders aussahen als die der anderen Kinder. Schnell lief ich weiter.
Der Brunnen war ein beliebter Treffpunkt, dementsprechend viele Leute tummelten sich auf dem großen Platz. Kurz blieb mein Blick an den realistisch gearbeiteten Animaliastatuen auf dem Brunnen hängen, dann stach mir ein blauer Mantel ins Auge. Unwillkürlich schmunzelte ich. Lloyd. Selbst im Sommer legte er seinen geliebten Mantel nicht ab.
Ich schlich mich näher an ihn heran, er bemerkte mich nicht. Als ich hinter ihm stand, stellte ich mich auf die Zehenspitzen, um ihm ins Ohr zu flüstern: „Ist dir nicht zu warm?“
Abrupt wirbelte er herum. Seine blauen Augen weiteten sich und er lachte auf. „Hast du mich erschreckt! Ich dachte erst, mich würde gleich ein Ranger verhaften.“
„Muss an meiner Uniform liegen“, kicherte ich. Schließlich war ich als Takuto unterwegs, in voller Montur.
Er umarmte mich fest, was ich nur zu gerne erwiderte. Seine Wärme und sein Duft waren mir ganz vertraut. Im Gegensatz zu sonst küssten wir uns nicht zur Begrüßung. Immerhin lief ich als männlicher Ranger durch die Gegend und wir wollten keine Aufmerksamkeit erregen.
„Gehen wir zur Lichtung?“, schlug ich vor.
Er nickte. „Ist privater.“
Verstohlen musterte ich ihn, als wir uns auf den Weg machten. Sein dunkelbraunes Haar wirkte chaotisch, die dunklen Ringe unter seinen Augen sahen gar nicht gut aus. „Du hast zwei schreckliche Tage hinter dir, oder?“
Überrascht sah er mich an. „Ach ... halb so wild ... nur wenig geschlafen.“
„Du siehst ziemlich fertig aus“, stellte ich besorgt fest. In diesem Moment wirkte er nicht wie 19, sondern viel älter.
„War nicht ganz so einfach abzuhauen“, erzählte er schulterzuckend. „Aber Sebastian deckt mich. Er hat echt was gut bei mir.“
„Sag ihm auch Danke von mir“, bat ich. Endlich verließen wir die Stadt, sodass ich seine Hand nehmen und unsere Finger miteinander verschränken konnte.
„Mach ich“, antwortete er und strich mir über den Handrücken. „Du glaubst gar nicht, wie sehr es nervt, plötzlich wieder die bescheuerten grauen Uniformen tragen zu müssen. Ich hab mich zu sehr ans Dasein als zweiter Boss gewöhnt.“
Kurz musterte ich seine Jeans und das weiße T-Shirt. „Gut, dass du dich vor unserem Treffen noch umgezogen hast. Und entschuldige den Stress.“
Mitten im Wald blieb er stehen und hielt mich zurück. „Bitte, Mia, lass die Entschuldigungen“, seufzte er und zog mich in seine Arme. „Und mach dir keine Sorgen. Das wird wieder.“
Ich schmiegte mich an ihn, den Kopf an seine Schulter gelehnt. „Okay.“
Für einen Augenblick verharrten wir so. Spürten einfach nur die Nähe des anderen. Dann lösten wir die Umarmung.
Lloyd nahm meine Hand und ging weiter. „Setzen wir uns auf die Lichtung.“
Die Animalia des Waldes leisteten uns Gesellschaft, doch sie störten uns nicht. Mein Freund setzte sich in die Wiese und lehnte sich an den alten Baumstamm, ich kuschelte mich an ihn, während er mich von hinten mit den Armen umschloss. Wohlig seufzte ich. Diese Ruhe tat gut.
Vorsichtig zog Lloyd mir das Cap vom Kopf, sodass meine Haare über meine Schultern fielen. „Besser“, lachte er und fuhr mit seinen Fingern durch die losen Strähnen.
„Ach du“, kicherte ich und schloss die Augen, während ich seine freie Hand fest in meiner hielt. „Wie viel Zeit hast du eigentlich? Kannst du bis heute Abend bleiben?“
„Leider nicht“, antwortete er. „Ich hab Sebastian versprochen, dass ich um halb vier zurück bin.“
„Schade“, murmelte ich.
Lloyd legte nun seinen zweiten Arm wieder um mich und drückte mich sanft. „Wir werden uns bald wiedertreffen. Versprochen.“
„Und wenn mein Vater dich festhält? Wenn er herausfindet, dass wir uns treffen?“, wandte ich ein und drehte mich zu ihm um. „Ich will nicht, dass dir was passiert!“
„Allein darum würde er mir nichts tun“, lachte er. „Einerseits würdest du ihn dann ... tja ... noch mehr hassen, andererseits hätte er ein großes Problem, weil meine Eltern so gut mit deinen befreundet sind.“
Es stimmte, Fiona und Nico Sakai waren enge Freunde meiner Eltern. Deswegen hatten Lloyd und ich uns überhaupt erst näher kennengelernt.
Langsam nickte ich. „Du hast recht. Hoffentlich hält ihn das zurück.“
Wir lächelten uns an. Ohne ein weiteres Wort, wie von selbst kamen wir uns näher, bis sich unsere Lippen berührten. Plötzlich war alles wie vor ein paar Wochen. Wie zu der Zeit, als außer Lloyd niemand von meinen Fähigkeiten gewusst hatte. Es war wie bei unserem heimlichen Date in Windfeld, als uns Ulrich und Jakob erwischt hatten. Ich schloss die Augen und versank in dem warmen, wunderschönen Gefühl des Kusses. Viel zu früh lösten wir uns voneinander. Lloyd umarmte mich fest und auch ich legte meine Arme um seinen Hals. Mein Freund mochte furchtbar erschöpft aussehen, doch in diesem Moment wirkte auch er glücklich.
„Bevor ich’s vergesse, hier sind deine Sachen“, fiel ihm ein und er reichte mir eine Tüte. „Schuhe, Klamotten und das Liedblatt.“
„Danke. Ich hab meine alten Treter schon richtig vermisst“, lachte ich. „Hier sind deine Sportsachen.“
Er strich mir durchs offene Haar. „Ebenfalls danke.“
Kurz zögerte ich, doch schließlich konnte ich die Frage, die mich seit gestern Abend quälte, nicht mehr zurückhalten. „Warum hast du eigentlich bei unserem Telefonat so abfällig über die Schattenbringer geredet?“
„Nicht so wichtig“, winkte er schnell ab. „Wollen wir was essen gehen?“ Es kostete mich viel Mühe, ihn nicht weiterhin mit diesem Thema zu nerven. Doch er hatte meinetwegen genug durchgemacht. Wenn er nicht darüber reden wollte, würde ich ihn nicht zwingen.
„Sicher, dass du öffentlich essen gehen willst?“, erkundigte ich mich stattdessen. „Nach dir wird gefahndet.“
Er grinste. „Aber ich hab einen Ranger dabei. Da wird wohl kaum jemand misstrauisch werden.“
Ich griff nach meinem Cap und versteckte meine Haare darunter. „Gutes Argument. Ich bin die perfekte Tarnung.“
Lloyd stand auf und reichte mir eine Hand. „Ganz genau.“ Ich ließ mich von ihm auf die Beine ziehen. Bevor wir uns in Bewegung setzten, umarmte er mich noch mal fest. „Wobei ich mir wünschte, wir könnten ohne Tarnung ausgehen.“
Halbherzig lächelte ich. „Keine Chance. Meine Haare sind zu auffällig. Die haben beim letzten Date schon dafür gesorgt, dass uns die Ranger verfolgen.“
„Immerhin können wir uns überhaupt sehen“, entgegnete er und nahm meine Hand, um mit mir in Richtung Gakuen zurückzuspazieren.
„Ich stehe übrigens nicht mehr so sehr unter Verdacht, mit den Schattenbringern gemeinsame Sache zu machen“, merkte ich an.
Er runzelte die Stirn. „Nicht mehr so sehr? Wie meinst du das?“
„Melodia, Haru, Ulrich und Jakob geben sich Mühe, mich zu entlasten“, erzählte ich. „Die anderen fangen langsam an, ihnen zu glauben. Vielleicht werde ich bald nur noch als vermeintliches Mädchen aus der Legende gesucht und nicht mehr als Verbrecherin.“
„Gute Nachrichten!“, freute er sich. „Und gute Idee von deinen Kollegen.“
„Die vier sind einfach die Besten“, schwärmte ich. „Sie lassen mich sogar weiterarbeiten, obwohl ich das als Frau gar nicht dürfte.“
Erst am Waldrand lösten wir unsere verschränkten Hände voneinander. Wir plauderten über unverfängliche Dinge, nur für den Fall, dass wir belauscht wurden. Musik, Kampfsport, unsere gemeinsamen Interessen eben.
„Meine E-Gitarre steht übrigens noch bei dir“, fiel ihm ein. „Ich hab momentan nur meine akustische, um zu spielen.“
„Willst du deine Gitarre mitnehmen?“, bot ich an. „Sie steht bei mir zu Hause.“
„Das eilt nicht“, winkte er ab. „Ich komme derzeit sowieso nicht zum Üben.“
„Überarbeite dich nicht“, bat ich und musterte ihn besorgt.
Er lächelte schief. „Mach dir keine Gedanken. Worauf hast du eigentlich Lust? Irgendein bestimmtes Restaurant?“
Ich überlegte kurz. „Wie wäre es mit Pizza?“
„Klingt sehr gut“, stimmte er zu.
Die Zeit verging viel zu schnell. Ehe wir uns versahen, zeigte die Uhr schon kurz nach drei an.
„Ich muss mich auf den Weg machen“, seufzte Lloyd, während wir durch Gakuen zurück in Richtung Wald schlenderten. „Sag mal, kann ich dich um etwas bitten?“
„Worum denn?“, wunderte ich mich.
„Kannst du mir einen Flugvogel rufen?“
Ich nickte. „Kein Problem. Wo musst du denn hin?“
„Netter Versuch“, lachte er. „Aber wenn ich dir das verrate, bringt mich der Boss wirklich um. Die Ranger haben schon unser zweitgrößtes Versteck ausgeräumt. Unser größtes müssen wir schützen.“
Ich lächelte halbherzig. „Schon klar.“ Im dichten Gehölz, fernab aller Blicke, blieben wir stehen. „Dann rufe ich mal einen Flugvogel.“ Ich schloss die Augen, dachte an das Animalia und stimmte ein kurzes Lied an.
„Da ist er schon“, stelle Lloyd begeistert fest. „Danke.“
„Keine Ursache.“ Ich strich über das braune Gefieder des Geschöpfs. „Und du bringst Lloyd, wohin er will, ja?“ Der Flugvogel krähte Zustimmung.
Plötzlich umarmte mich mein Freund so stürmisch, dass ich beinahe mein Gleichgewicht verloren und das Animalia gerammt hätte. Ich musste lachen und klammerte mich ebenfalls an ihn. Für ein paar Minuten hielten wir uns nur stumm fest. Ich streckte mich ein wenig, um Lloyd zu küssen, was er leidenschaftlich erwiderte. Am liebsten hätte ich genau jetzt die Zeit angehalten, alles um uns herum vergessen. Insbesondere die Feindschaft zwischen den Organisationen, für die wir arbeiteten. Es wäre zu schön, wenn unsere Situation einfacher wäre. Aber sie war es nun einmal nicht. Und das wussten wir nur zu gut. Zögerlich, wirklich zögerlich lösten wir uns voneinander.
„Dann ... fliege ich mal los“, murmelte er.
Traurig sah ich ihn an. „Ja. Pass auf dich auf.“
„Du auch, Mia.“ Ein letztes Mal zog er mich ganz nah an sich heran. „Ich liebe dich“, hauchte er mir ins Ohr.
Ich küsste ihn auf die Wange. „Ich dich auch, Lloyd.“
„Wir hören uns“, versprach er. „Du kannst mich jederzeit anrufen.“
„Das Gleiche gilt für dich. Und bald treffen wir uns mal wieder länger. Ohne Verkleidung, ohne Zeitdruck, okay?“
Er lächelte. „Nur zu gerne.“
Der Abschied fiel mir schrecklich schwer. Als ich daran dachte, dass Lloyd gleich nicht mehr bei mir sein würde, stiegen mir Tränen in die Augen. „Tschüss ...“
„Ach, Mia, nicht weinen“, flehte er und wischte mir mit dem Ärmel seines Mantels die Tränen aus dem Gesicht. „Ich will doch auch nicht gehen. Aber ich muss.“
„Weiß ich. Ich wünschte nur, du ...“ Meine Stimme brach.
Er lehnte seine Stirn an meine. „Wünschte ich auch.“
Da schluchzte ich auf. Ich wollte mich zusammenreißen, aber ich schaffte es nicht. Der Gedanke an den Abschied schmerzte in meiner Brust. „Es tut mir alles so leid“, wimmerte ich. „Dass du solchen Stress hast. Dass wir uns kaum sehen können. Dass ich jetzt auch noch heule ... es tut mir wirklich leid.“
Er drückte mich fest an sich. „Muss es nicht. Wirklich. Du kannst nichts dafür.“ Er hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. „Wir telefonieren heute Abend, okay? Ich ruf dich an.“
Ich nickte und vergrub mein verheultes Gesicht an seiner Brust. „Ja. Unbedingt.“
„Mach die Augen zu“, flüsterte er. „Atme tief durch.“
„Aber sobald ich sie wieder öffne, bist du weg“, wandte ich ein.
„Und wenn du mir hinterherschaust, weinst du nur noch mehr“, entgegnete er und verwickelte mich in einen Kuss, bevor ich etwas erwidern konnte.
Nachdem er seine Lippen von den meinen gelöst hatte, hielt er mir die Augen mit einer Hand zu. „Schau nicht hin. Geh wieder an die Arbeit, bevor auffällt, dass du dich heute gedrückt hast. Und später sprechen wir uns noch mal.“
Ich ließ die Augen geschlossen und nahm seine Hand. „Okay.“
Er drückte meine Finger kurz, dann ließ er mich los. Die Wärme um mich herum war verschwunden. Ich hörte ein Flügelschlagen, spürte, dass sich ein Animalia von mir entfernte. Da wusste ich, dass Lloyd verschwunden war.
Ich öffnete die Augen, blinzelte ein paar Tränen weg und seufzte leise. Bevor ich mich allerdings einsam fühlen konnte, umringten mich einige Animalia des Waldes. Ich schmiegte mich an einen der zotteligen Feuerhunde. „Danke, Leute“, wisperte ich. „Es ist schön, euch zu haben.“
Eilig wischte ich mir die letzten Tränen aus dem Gesicht und atmete tief durch. Ich durfte nicht verzweifeln. Ich musste mich darauf konzentrieren, die verbrecherische Organisation meines Vaters zu zerschlagen. Damit würden sich alle Probleme lösen. Fioria wäre in Sicherheit. Lloyd und ich wären keine Feinde mehr. Ich müsste mich nicht mehr länger als Mann ausgeben. Ja, ich würde kündigen, wie ich es versprochen hatte, aber das Ende der Schattenbringer wäre es mir wert. Mir würde schon eine neue Möglichkeit einfallen, um meine Identität als Mädchen aus der Legende vor der Welt zu verbergen.
Ich straffte meine Schultern, nickte den Animalia zu und rief einen Flugvogel für mich. Es musste weitergehen. Ich musste mich wieder in die Ermittlungen stürzen. Gemeinsam mit meinen Kollegen.
*
Jagdsaison
„Gut, wir müssen es kurz halten“, erklärte Ulrich. „Wir haben die Möglichkeit, die Schattenbringer handlungsunfähig zu machen.“
„Und wie?“, erkundigte ich mich erstaunt.
Jakob grinste breit. „Uns ist etwas eingefallen.“
Ich saß zusammen mit Ulrich, Jakob, Melodia und Haru in der Umkleide der Zweigstelle. Diesen Raum sah ich selten von innen, weil ich mich stets in meinem Zimmer umzog, damit mich niemand als Frau entlarvte. Die beiden Technikerinnen hatten rechts und links von mir auf der Holzbank, direkt vor dem leeren Schließfach mit meinem Pseudonym darauf, Platz genommen, die beiden Ranger saßen uns gegenüber auf einer anderen Bank.
„Übrigens, Mia, unser kleines Schauspiel heute Morgen hat funktioniert“, wechselte Melodia aufgeregt das Thema. „Mark hat mir danach gesagt, ich solle dir nicht so nahe kommen. Ich glaube, er war wirklich eifersüchtig.“
Ich lächelte schief. „Äh ... gern geschehen. Schätze ich.“
„Aber denk dran, Familienplanung muss man als Technikerin ankündigen“, erinnerte Haru sie und grinste breit.
Meine Grundschulfreundin wurde feuerrot im Gesicht. „Also bitte!“
„Ja, bitte!“, schnaubte Jakob. „Wechseln wir das Thema!“
„Genau, eure Idee“, fiel mir ein. „Worum geht’s? Warum verstecken wir uns hier in der Umkleide? Dürfen die anderen nichts davon wissen?“
„Wir wollten zuerst im Privaten mit dir reden“, antwortete Ulrich. „Wir sind immerhin die Einzigen, die den Boss der Organisation kennen. Und du bist die Einzige, die wissen könnte, wie sich die Schattenbringer finanzieren.“
„Durch Sponsoren, soviel ich mitbekommen habe.“
„Wer profitiert davon, wenn der Himmel verdunkelt wäre?“, warf Jakob ein.
Meine Augen weiteten sich. Darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht.
„Gute Frage. Wenn wir die Antwort darauf fänden, könnten wir ihnen den Geldhahn zudrehen.“
Der schwarzhaarige Mann nickte. „Genau, wir müssen nur diese Sponsoren ausfindig machen.“
„Aber die Schattenbringer haben den Plan geändert“, gab ich zu bedenken. „Sie haben vielleicht inzwischen neue Geldgeber.“
„Selbst wenn, es wäre schon ein Fortschritt, die alten zu finden“, äußerte sich Ulrich. „Jakob und ich haben uns schon Gedanken gemacht. Wenn keine Sonne mehr auf Fioria scheint, ergeben sich folgende Probleme: Dunkelheit, Kälte, keine Nahrungsmittel oder Sonnenenergie mehr, also Vitaminmangel.“
„Ohne Sonnenstrahlen benötigt der menschliche Körper Vitamin D über Medikamente“, murmelte ich. „Hersteller solcher Präparate könnten also wirklich ein Interesse an der Verdunklung des Himmels haben. Außerdem könnten wir nichts mehr anpflanzen, das Klima würde sich verändern, wir bräuchten viel mehr Strom, künstliche Beleuchtung ... Manche Energiekonzerne könnten dadurch einen ziemlich hohen Umsatz machen.“ Meine Augen weiteten sich. „Die Vorteile hätte nur die Industrie, die Menschen hingegen würden schrecklich leiden.“
„Genau das dachten wir auch“, stimmte Ulrich zu. „Unternehmer, besonders in der Energie- und Pharmaziebranche, könnten gewaltigen Profit machen, wenn sie vorher schon wüssten, auf welche Bedingungen sie sich einstellen müssten. Wenn wir herausfinden, wer die nötigen Vorkehrungen getroffen hat ...“
„... haben wir unsere Sponsoren“, beendete Jakob den Satz.
„Haru und ich haben schon einige Unternehmen durchleuchtet“, erzählte Melodia. „Wir finden die Verrückten, die den Schattenbringern helfen.“
„Großartig!“, freute ich mich. „Das ist super.“
„Leider müssen wir fünf uns darum kümmern“, seufzte Jakob. „Wir können den anderen ja nicht erzählen, dass die Schattenbringer den Himmel verdunkeln wollten. Woher sollten wir das wissen?“
Ich überlegte kurz. „Ich könnte behaupten, es von Lloyd gehört zu haben. Dann könnten alle mitarbeiten. Zusammen wären die Ermittlungen einfacher.“
„Und warum sollte Lloyd den großen Plan einem Ranger verraten haben?“, fragte Haru zweifelnd.
„Aus ... äh ... aus Übermut?“, schlug ich vor.
„Besser, als alles allein zu machen. Wie die Beschattung deines Hauses“, gab Ulrich zu. „Dann weihen wir die anderen morgen früh in unseren Plan ein. Inklusive den Rangern aus dem Hauptquartier.“
„Super. Ach, übrigens, Leute, ich ... ich wollte mich bedanken“, fiel mir ein.
„Warum?“, wunderte sich Jakob.
„Weil ihr versucht, mich zu entlasten“, erklärte ich. „Es ist schön, dass ich nicht mehr für eine Verbrecherin gehalten werde.“
„Du bist ja auch keine“, entgegnete Melodia und legte einen Arm um mich.
Ich drückte sie kurz. „Ihr seid die tollsten Freunde und Kollegen der Welt.“
„Nicht doch“, winkte Haru ab. „Ist doch selbstverständlich.“
Ulrich lächelte mich nur milde an, Jakob wandte verlegen den Blick ab und wurde sogar ein wenig rot um die Nase.
„So, wir bereiten das Essen vor“, kündigte Haru an. „Kommst du, Melodia?“
Meine Grundschulfreundin nickte und stand auf. Sie strich sich die blonden Locken zurecht und verkündete: „Legen wir los.“
Die Technikerinnen verließen die Umkleide, zu dritt blieben wir zurück. Ich sah Ulrich und Jakob an. „Allzu lange wird dieser Fall hoffentlich nicht mehr dauern“, merkte ich an.
Der Stationsleiter nickte. „Wir haben nun endlich einen ganz guten Plan.“
„Soll ich euch morgen die erste Lektion im Umgang mit den Animalia beibringen? Bevor ich nicht mehr hier bin ...“
Ulrich nickte. „Morgen findet sich bestimmt ein ruhiger Moment. Nachdem du uns schon die Wahrheit über die Legenden gesagt hast, würde ich zu gerne lernen, besser mit den Fiorita umzugehen.“ Er verzog keine Miene. Seine Stimme klang ruhig, aber nicht glücklich.
Auch Jakob wirkte nicht froh. Er starrte zu Boden. „Wie viel Zeit bleibt uns denn noch? Wann gehst du?“
„Wenn wir die Schattenbringer dingfest gemacht haben. Wie ausgemacht“, antwortete ich leise. Daraufhin schnaubte Jakob, stand auf und verließ die Umkleide. Verdutzt blickte ich ihm nach. „Was ... was hat er denn jetzt?“
Ulrich seufzte. „Ich vermute, ihm gefällt der Gedanke nicht, dass du uns bald verlassen wirst. Aber ihm ist klar, dass du nicht ewig als Mann verkleidet hier arbeiten kannst, ohne dass wir alle Schwierigkeiten bekommen. Darum weiß er nicht, was er sagen soll.“
Betrübt sah ich den dunkelblonden Stationsleiter an. „Ich will ja gar nicht weg. Es bleibt mir nur keine andere Wahl.“
Mein Gegenüber stand auf. „Das wissen wir. Mach dir keine Sorgen. Wir müssen uns nur an den Gedanken gewöhnen, bald ohne Takuto Matsui zu arbeiten.“ Er reichte mir seine Hand. „Gehen wir zum Essen.“ Ich griff danach und ließ mich von ihm auf die Beine ziehen. „Glaub mir, wir würden dich zu gern bei uns behalten“, merkte Ulrich an, bevor er die Tür zum Hauptzimmer der Zweigstelle öffnete.
„Aber sollte ich auffliegen, werdet ihr suspendiert“, flüsterte ich erstickt.
Er klopfte mir auf die Schulter. „Jetzt müssen sowieso erst mal die Schattenbringer aufgehalten werden. Dann sehen wir weiter.“
Ich nickte. „Hast recht.“ Im Stillen setzte ich hinzu: „Aber mit Jakob sollte ich trotzdem mal reden.“
Das Abendessen verlief ruhig, wir diskutierten darüber, wie der Vorsitzende wohl hieße und warum niemand etwas davon wüsste.
„Ich meine, er ist der führende Politiker Fiorias. Er leitet die Organisation der Ranger“, lachte Lasse. „Aber niemand weiß, wie er heißt.“
„Wahrscheinlich hat er einen schrecklich peinlichen Namen“, kicherte Melodia.
Ich aß den Rest meines Salats. „Wir müssten ihm mal den Ausweis klauen, um seinen Namen herauszufinden.“
„Meinst du, du Jungspund schaffst das?“, fragte Viktor amüsiert.
Ich schmunzelte und stand auf. „Abwarten. Jetzt gehe ich erst mal ins Bett. Ähm, Jakob, wolltest du nicht auch in dein Zimmer? Gehen wir zusammen?“
Mein Kollege sah mich verwundert an, verstand jedoch den Wink und nickte. „Klar. Gute Nacht, alle zusammen.“
Gemeinsam verließen wir die Zweigstelle, frischer Wind empfing uns. Ein paar Sekunden sagte niemand etwas, dann räusperte ich mich. „Wegen vorhin ...“
„Vergiss es einfach“, unterbrach er mich schnell. „Ich hab übertrieben.“
„Nein, Jakob, ich will nicht, dass du dich meinetwegen schlecht fühlst. Warum bist du einfach abgehauen?“, erkundigte ich mich vorsichtig.
„Weiß nicht“, murmelte er. „Ich will die Schattenbringer schnappen, wirklich, aber die Aussicht, dass du dann kündigst, gefällt mir nicht. Beschissene Situation. Du bist schon seit über zwei Jahren bei uns.“
„Nicht annähernd so lange wie die anderen Windfeld-Ranger“, merkte ich an und blieb vor dem Eingang des Appartementwohnhauses stehen.
„Trotzdem.“ Er schnaubte. „Du ... du bist eben eine besondere Kollegin für mich. Und obwohl du wegen deiner Identität gelogen hast, gehörst du zum Team! Es wäre ... anders, wenn du weg wärst.“
Gerührt sah ich ihn an. „Danke, Jakob. Danke für deine Freundschaft und deine Loyalität. Du bist auch ein besonderer Kollege für mich.“
Er lächelte schief. „Ähm ... danke.“
„Und genau darum muss ich irgendwann verschwinden“, griff ich das Thema wieder auf. „Sonst sitzen du, Ulrich, Melodia und Haru echt in der Tinte.“
„Vielleicht hätten wir besser nie herausgefunden, wer du wirklich bist.“ Er fuhr sich durchs dunkle Haar. „Dann könntest du bleiben.“
„Aber ich bin irgendwie froh, wenigstens euch vier nichts mehr vormachen zu müssen“, entgegnete ich und zupfte an meiner Uniformjacke. „Bei euch kann ich ich selbst sein. Das bedeutet mir viel.“
Jakob umarmte mich. „Immerhin ein Vorteil“, lachte er. „So, ich lege mich jetzt hin. Tut bestimmt mal ganz gut, mir nicht die halbe Nacht mit den anderen um die Ohren zu schlagen. Schlaf gut.“
„Du auch“, antwortete ich.
Er lächelte mich an, dann verschwand er im Gebäude. Auch ich schmunzelte. Jakob war inzwischen für mich wie der große Bruder, den ich nie hatte. Mal wütend, mal beleidigt, aber stets fürsorglich und liebenswert.
Kurz blickte ich zum recht dunklen Himmel, der nur noch an wenigen Stellen von orangefarbenen Streifen durchzogen war. Danach eilte ich in mein Zimmer und duschte mich. Das warme Wasser tat richtig gut. Ich wickelte mich in ein Handtuch und föhnte meine schulterlangen Haare. Mein Handy lag währenddessen am Rand des Waschbeckens, damit ich Lloyds Anruf nicht verpasste. Hoffentlich meldete er sich bald. Dann wanderte mein Blick zum Spiegel. Ich verzog das Gesicht, als ich meine wahre Augen- und Haarfarbe sah. Doch gerade als ich mir wieder einmal dachte, wie ätzend mein auffälliges Äußeres war, schickte mir Shadow dank unserer Verbindung eine Mahnung.
Ich kicherte. „Danke, Shadow. Ich weiß es ja, dass ich so aussehen muss. Und ich akzeptiere es.“ Ich war mir sicher, dass mich das Dämonenoberhaupt hören konnte oder zumindest meine Gefühle verstand.
Nachdem ich den Föhn zurück ins Regal gelegt hatte, schlüpfte ich in meinen Schlafanzug und schlurfte zum Bett. Auf dem Weg dorthin klingelte mein Handy. Sofort hob ich ab. „Hallo?“
„Hi“, meldete sich mein Freund. „Du warst ja schnell dran. Hast du schon auf meinen Anruf gewartet?“
„Ein bisschen“, gab ich ertappt zu.
Er lachte. „Ungeduldiges Ding. Na, alles klar? Wie war dein Nachmittag?“
„Ganz gut. Und deiner? Hat mein Vater gemerkt, dass du verschwunden warst?“
„Nein, alles super“, beruhigte er mich. „Nur der Flug war turbulent.“
Ich ließ mich aufs Bett fallen und lächelte. „Hauptsache, du bist nicht abgestürzt, du Anfänger“, neckte ich ihn.
„Ich? Niemals. Mir passiert nichts“, wies er meine spöttische Bemerkung zurück. „Was machst du gerade?“
Es tat richtig gut, seine Stimme zu hören und entspannt zu plaudern. Bis spät in die Nacht redeten wir. Beinahe wäre ich mit dem Handy am Ohr eingeschlafen, dann erst verabschiedeten wir uns voneinander.
„Und du musst noch deine E-Gitarre abholen“, murmelte ich.
„Bei Gelegenheit“, stimmte er zu. „Außerdem müssen wir mindestens einen halben Tag einplanen, wenn wir zu dir nach Hause gehen. Deine Mutter wird uns nicht weglassen, bevor wir nicht mit ihr gegessen und geredet haben.“
„Oh ja“, lachte ich. „Bei Gelegenheit dann also ...“
„Gute Nacht, Mia“, flüsterte er.
„Ich liebe dich.“
„Ich dich auch.“
„Schlaf gut“, wisperte ich noch, bevor ich auflegte.
Ich räumte nicht mal mehr das Handy weg, sondern rollte mich bloß auf die Seite, zog die Beine an, deckte mich zu und schlief ein.
„Takuto ist zu spät! Takuto ist zu spät!“, neckte mich Lasse, als ich während des Frühstücks völlig abgehetzt in die Zweigstelle stürmte.
„Ja, ja“, keuchte ich und setzte mich an den Tisch. „Ich hab meinen Wecker nicht gehört. Aber es ist nur eine Viertelstunde.“
„Du hast nichts verpasst“, beruhigte mich Melodia und reichte mir einen Teller, auf dem sich Toastbrot stapelte. „Toast?“
„Zu gerne, danke“, stimmte ich zu. Weil Mark mit am Tisch saß, ergänzte ich: „Du bist einfach ein Schatz.“
Melodia kicherte. „Für dich doch immer, mein Lieber.“
„Könnt ihr nicht endlich ein Paar werden und uns das Theater ersparen?“, maulte Riku und raufte sich das braune Haar. „Seit zwei Jahren flirtet ihr ohne Ende, langsam reicht es!“