Kitabı oku: «Fioria Band 3 - In Liebe und Hass», sayfa 2

Yazı tipi:

„Nicht nötig, mein Mann ist jeden Moment da“, winkte sie ab. „Es ist schon kurz nach fünf, du hast längst Feierabend, Mia.“

„Aber Herr Hana operiert doch noch den Feuerhund“, wandte ich ein und half ihr dabei, die benutzten Utensilien zusammenzuräumen.

Sie lächelte milde. „Du bist wirklich ein Schatz. Wie gut, dass wir dich haben.“

„Ich bin froh, dass ich hier arbeiten darf“, lachte ich.

Ich konnte kein Ranger mehr sein, doch umgeben von Animalia zu arbeiten, kam meiner Definition eines Traumjobs schon sehr nahe. Außerdem mussten Lloyd und ich Geld verdienen. Wir hatten zwar unsere Konten geräumt, aber unsere Ersparnisse reichten nicht ewig, erst recht nicht für Arztkosten, Miete, Strom, Wasser, Lebensmittel, Kleidung und was wir sonst alles brauchten.

Kurz nachdem wir alles aufgeräumt hatten, betrat Herr Hana das Zimmer. Der dunkelhaarige Mann, der kaum älter war als seine Frau, wirkte erschöpft. „Zeit für Feierabend ...“

„Ganz meine Meinung“, stimmte sie zu. „Mia, ab nach Hause. Du musst dich bestimmt auch ausruhen.“

Ich lächelte schief. „Ja, ich bin echt müde.“ Kein Wunder, ich arbeitete seit acht Uhr heute Morgen. Also fast zehn Stunden, was trotz Mittagspause ziemlich anstrengend war. „Bis morgen!“

„Bis morgen“, antworteten die beiden Animaliaärzte wie aus einem Mund.

Ich holte meine Handtasche hinter der Rezeption hervor und verließ die Praxis. Warme Luft hüllte mich ein, als ich ins Freie trat. Durch den Vorgarten, an einem kleinen Blumenbeet vorbei, gelangte ich zur Straße. Einige Animalia, sogenannte Farbfalter, flatterten um mich herum, manche setzten sich sogar auf meine Schultern.

„Leute, nicht so auffällig“, ermahnte ich sie, musste aber lächeln. „Sonst wird noch jemand misstrauisch.“ Wilde Animalia näherten sich Menschen nur selten, zu mir kamen sie aufgrund unserer Verbindung jedoch immer. Zum Glück hörten sie auf mich und flogen zum Blumenbeet zurück.

„Ständig umschwärmt, so kenne ich meine Mia“, lachte plötzlich eine wohlbekannte Stimme. „Na, musstest du heute länger arbeiten?“

Als ich meinen Freund entdeckte, strahlte ich übers ganze Gesicht. „Lloyd! Hast du auf mich gewartet?“

„Hab ich dir beim Frühstück doch gesagt“, entgegnete er.

Ich lief über den Gehweg zu ihm und umarmte ihn fest. Wie üblich trug er seinen blauen Mantel über den Arbeitsklamotten. Er war seit knapp zwei Monaten medizinischer Assistent. Immerhin für eine Sache hatte sich die Ausbildung meines Vaters gelohnt. Jeder Schattenbringer musste nämlich ein halbes Medizinstudium hinter sich bringen, sodass mein Freund problemlos im örtlichen Krankenhaus eine Anstellung gefunden hatte. Zwar mit gefälschten Papieren, aber er machte den Job gut.

„Die blonde Perücke irritiert mich immer noch total“, flüsterte er mir ins Ohr, als er meine Umarmung erwiderte.

„Zu Hause setze ich sie ab, genau wie die Kontaktlinsen“, antwortete ich leise. „Aber bei der Arbeit kann ich schlecht ständig eine Mütze tragen.“

Er schmunzelte und ließ mich los, um mir seine Hand zu reichen. „Schon klar. Dann ab nach Hause, Frau Ito.“

Ich verschränkte meine Finger mit seinen. „Gerne, Herr Ito.“

***

Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen. Der Himmel wurde immer dunkler, der Wind kälter. Ich hasste den Winter. Aber viel schlimmer fand ich, dass Lloyd schon seit einer Viertelstunde hier sein sollte. Hoffentlich war ihm nichts passiert ... Und hoffentlich entdeckte mich niemand am nördlichen Stadtrand von Windfeld. Die wenigen Passanten beachteten mich kaum, ich stand an der Bushaltestelle, damit sich niemand darüber wunderte, dass ich so lange wartete.

Endlich spürte ich, wie sich ein Flugvogel näherte. Es war Lloyd, der direkt neben mir auf dem Gehweg landete. „Entschuldige, es hat länger gedauert.“

Sofort fiel ich ihm um den Hals. „Ich hab gedacht, dir wäre was passiert!“

Er drückte mich an sich. „Nein, alles okay. Tut mir leid, dass ich dir Sorgen gemacht habe. Aber jetzt können wir los.“

Als ich ihn losließ, musterte ich ihn kurz. Wie ich trug er nun einen Rucksack, außerdem seinen blauen Mantel. „Hast du alles?“

„Und ob“, bestätigte er und zog zwei laminierte Karten aus der Hosentasche.

„Was ist das?“, wunderte ich mich, als er mir eine davon gab. Mir klappte der Mund auf. Das war ein gefälschter Ausweis für mich! „Mia Ito“, las ich.

„Ich dachte, es wäre einfacher, die Vornamen zu behalten“, erklärte er und zeigte mir seinen. „Sonst nennen wir uns versehentlich bei unseren gewohnten Namen und andere Leute werden misstrauisch.“

„Clever“, murmelte ich. „Du bist also Lloyd Ito?“

„Genau. Es ist das Einfachste, wenn wir als verheiratetes Paar gelten“, erklärte er. „Vor allem wenn unser Nachwuchs kommt.“

Ich nickte. Richtig zu heiraten stand sowieso außer Frage, solange wir als Verbrecher gesucht wurden und unsere richtigen Namen – Mia Sato und Lloyd Sakai – nicht benutzen konnten.

„Woher hast du die bloß? Und das so schnell? Und warum bin ich auf dem Foto blond?“

Er grinste schief. „Das Foto hab ich am Computer bearbeitet, weil dich deine echten Haare sofort verraten würden. Eine Perücke treiben wir schon auf.“

„Okay ... Und woher hast du die Ausweise jetzt?“, wiederholte ich und steckte meinen in den Geldbeutel.

„Ich hab ein paar Beziehungen spielen lassen“, erzählte er. „Hat manchmal doch Vorteile, in der Unterwelt aktiv gewesen zu sein. Sebastian kennt jemanden, der jemanden kennt, der mit solchen Ausweisen handelt.“

„Dein bester Freund hat innerhalb von drei Stunden falsche Ausweise aufgetrieben?“, vergewisserte ich mich fassungslos.

Da musste er lachen. „Eigentlich hat’s keine zwei Stunden gedauert. Sebastian ist genial. Er hat geahnt, dass ich ihn darum bitten würde. Hat schon alles vorbereitet und einen riesigen Rabatt rausgehandelt.“

„Wow“, flüsterte ich. Ich kannte und mochte Sebastian, doch das überraschte mich wirklich. Er war selbst ein Schattenbringer, stand jedoch loyal zu seinem besten Freund Lloyd. Und er war mit einer alten Grundschulfreundin von mir zusammen, mit Arisa.

Diese hatte ich nach meinem Wechsel auf die Ranger-Schule völlig aus den Augen verloren. Kürzlich hatte ich sie endlich wiedergesehen, sie studierte inzwischen, um Journalistin zu werden. Doch wahrscheinlich traf ich weder sie noch Sebastian in absehbarer Zeit.

„Die Ausweise sollten dabei helfen, eine Wohnung und neue Jobs in Renia zu finden“, äußerte sich Lloyd und riss mich damit aus meinen Gedanken.

„Auf jeden Fall. Also ... fliegen wir jetzt los?“, erkundigte ich mich zaghaft.

Er biss sich auf die Unterlippe. „Nicht ganz. Ich würde gerne noch einen Abstecher machen. Ich kann nicht abhauen, ohne meinen Eltern die Wahrheit zu sagen. Ich will nicht, dass sie es von den Rangern erfahren. Oder von deiner Mutter. Ich will es ihnen selbst erzählen.“

Meine Augen weiteten sich. „Nico und Fiona hab ich völlig vergessen. Klar besuchen wir sie noch! Die beiden bekämen einen Herzinfarkt, wenn du einfach verschwindest.“

Seine Eltern waren die besten Freunde meiner Eltern, dadurch hatten Lloyd und ich uns auch kennengelernt. Sie wussten nichts von seinem wahren Job, sie glaubten, er wäre ein Ranger. Und bevor meine derzeit hysterische, erschütterte Mutter den beiden alles sagte, sollte Lloyd es lieber selbst tun.

Er nahm meine Hände. „Dann ab nach Färnau zu meinen Eltern.“

„Und danach ab in unser neues Leben“, ergänzte ich und küsste ihn.

Er lächelte. „Wir schaffen das schon.“

***

Lloyd schloss die Tür unseres kleinen Reihenhauses auf. Ich lächelte die Farbfalter in unserem Vorgarten an, dann folgte ich ihm ins Innere.

Nachdem ich die Tür geschlossen hatte, hängte ich meine Handtasche an die Garderobe und seufzte: „Ich bin erledigt. Und ich hab Hunger.“ Der Fußweg von der Praxis zum Haus dauerte keine zehn Minuten, doch ich hatte jetzt schon das Bedürfnis, mich aufs Sofa zu legen.

„Was hältst du von Pizza?“, schlug Lloyd vor, der seinen Mantel ebenfalls an einen der Haken hängte. „Bestellen wir eine, dann müssen wir nicht kochen.“

„Ich glaube, das ist heute genau das Richtige“, stimmte ich zu. „Mir tut alles weh, vor allem der Rücken. Das zusätzliche Gewicht bringt mich um“, lachte ich und umschlang meinen Bauch. „Rufst du bei der Pizzeria an? Dann kann ich mich umziehen.“

Er ging schon zum Telefon, das im Wohnzimmer stand. „Na klar, mach ich.“

Ich küsste ihn auf die Wange. „Danke, du bist ein Schatz.“ Dann ging ich die Treppe hoch und ins Badezimmer.

Dieses Reihenhaus war klein, doch es hatte alles, was wir brauchten. Ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, ein Esszimmer, eine Küche, ein Bad, und das alles auf zwei Stockwerken.

Ich wusch mir die Hände, nahm die Kontaktlinsen heraus und blinzelte. Im Anschluss lief ich in Lloyds und mein Schlafzimmer, ging um das Doppelbett herum und hängte meine Perücke über den Halter neben dem Kleiderschrank. Ich öffnete meinen Zopf, schüttelte die Haare und schlüpfte in ein frisches T-Shirt und eine bequeme Sporthose.

Bevor ich den Raum verließ, kam mein Freund herein, um sich ebenfalls umzuziehen. „Die Pizza kommt, für dich eine vegetarische.“

„Super, danke!“ Da ich mit den Fiorita verbunden war, brachte ich kein Fleisch herunter, das ja von geschlachteten Animalia stammte. „Ich freue mich schon total aufs Essen.“

„Ihr freut euch schon beide, was?“, lachte Lloyd und tauschte seine blauen Klamotten gegen ein Hemd und eine Jeans.

„Oh ja“, kicherte ich. „Wollen wir fernsehen, bis die Pizza kommt?“ Gemeinsam schlenderten wir die Treppe hinunter ins Wohnzimmer.

„Sehr gerne. Hauptsache, Elly klingelt nicht schon wieder.“

Ich grinste schief. „Die nervigste Nachbarin der Welt. Wobei sie echt nett ist, jedenfalls im Vergleich zu ihrem ätzenden Mann.“

„Ich verbringe den Abend trotzdem lieber mit dir. Da muss ich kein Theater spielen“, wandte er ein.

Wir setzten uns zusammen aufs Sofa, Lloyd legte einen Arm um meine Schultern und ich kuschelte mich an ihn. „Ich bin auch am liebsten einfach nur mit dir zusammen.“

Er küsste mich auf die Stirn und griff zur Fernbedienung. „Endlich zu Hause“, seufzte er erleichtert.

Ich lächelte ihn an. Endlich in Sicherheit.

Kapitel 2

Renia

„Es ist viel zu eng hier. Gehen wir raus, Mia! In den Wald“, rief Celeps aufgeregt und flog so schnell um mich herum, dass mir schwindlig wurde, als ich versuchte, ihm mit den Augen zu folgen. Der kleine grüne Waldgeist war so lebhaft und gut gelaunt wie immer, sehr erfrischend.

„Das geht nicht“, seufzte ich und lümmelte mich tiefer ins Sofa. „Weißt du doch. Wenn ich auch noch in den Wald laufen müsste, bevor ich dich rufe, könnte ich dich nicht lange in Fioria halten.“

„Verrückt, dass dich die Schwangerschaft so schwach macht“, jammerte er.

„Ich hätte auch lieber mehr Kraft, aber langsam gewöhne ich mich daran“, erzählte ich. „Hier drinnen wäre es sowieso zu eng, um alle 14 Geister und die 13 Dämonen zu rufen.“

„Das stimmt“, lachte Celeps und flatterte so schnell mit seinen durchsichtigen Flügeln, dass er wirkte, als würde er in der Luft stehen. „Was machst du heute Abend denn noch?“

„Lloyd und ich sind bei den Nachbarn zum Essen eingeladen. Und was hast du vor?“, erkundigte ich mich.

„Ich muss mich im Wald bei Brislingen um einige Bäume kümmern. Denen geht es nicht gut.“ Er flatterte wieder um mich herum. „Das ist schlimm!“

Als er mein Heimatdorf erwähnte, senkte ich den Blick. „Oh.“

„Ich grüße die Animalia im Wald von dir“, versprach er.

Ich streckte meine Hände nach ihm aus und drückte den kleinen Geist sanft an mich. „Danke.“

Da betrat Lloyd das Wohnzimmer. „Mia, bist du so weit? Elly und Burkhard warten bestimmt schon auf uns.“

Ich nickte. „Klar. Celeps, wir sehen uns.“

„Unbedingt!“

„Tschüss, Celeps“, verabschiedete sich auch Lloyd von ihm.

Der Waldgeist setzte sich kurz auf seine Schulter, bevor er mit einem hellen Lichtblitz verschwand.

Mein Freund reichte mir seine Hand. „Kommst du?“

Ich ließ mich von ihm auf die Beine ziehen. „Schon lustig, vorgestern haben wir noch darüber geredet, dass Elly vielleicht an unserer Tür klingelt, und dann lädt sie uns prompt für heute zum Essen ein.“

„Wir haben es verschrien“, lachte er. „Und zwei Stunden Theater schaffen wir schon.“

„Wir spielen jeden Tag stundenlang bei der Arbeit Theater“, merkte ich an.

Lloyd reichte mir meine Jacke und schlüpfte in seinen eigenen Mantel. Wir hatten uns ein wenig schick gemacht, wobei mich mein kugeliger Bauch ziemlich nervte. Ich fühlte mich wirklich fett. Und dass Elly immer so einen Wirbel um meine Schwangerschaft machte, nervte noch viel mehr. Aber gut, Augen zu und durch, um der guten Nachbarschaft willen. Immerhin hatte uns die Frau sehr dabei geholfen, uns in Renia zurechtzufinden.

„Sitzt meine Perücke richtig?“, fragte ich, als wir vor der Tür vom Nachbarhaus standen.

Lloyd nickte. „Perfekt.“

Ich klingelte, als uns die pummelige, schwarzhaarige Nachbarin auch schon öffnete. „Mia! Lloyd! Meine Lieben, kommt doch rein!“, rief sie und drückte uns der Reihe nach.

„Danke, Elly“, keuchte ich unter ihrem festen Druck.

„Oh nein, tue ich dir weh?“, fragte sie entsetzt und ließ mich los. „Ich will ja nicht, dass eurem süßen, kleinen Kind was passiert.“

„Alles okay“, beruhigte ich sie.

Sie strich ihr geblümtes Kleid zurecht und strahlte mich an. „Ein Glück. Dann ab ins Esszimmer, ihr kennt den Weg ja. Das Essen ist angerichtet.“

„Ist Lloyd da?“, rief eine kindliche Stimme, gefolgt von schnellen Schritten. Im nächsten Moment stand der zwölfjährige Junge auch schon bei uns. „Lloyd!“

„Hi, Quirin“, begrüßte mein Freund ihn und schlug bei ihm ein. „Alles klar bei dir?“

„Und ob! Ich hab morgen schulfrei“, erzählte der schlaksige Junge.

„Klingt sehr gut“, kommentierte Lloyd, während wir ins Esszimmer gingen.

„Hallo, Mia“, begrüßte mich Quirin nun ebenfalls. „Du bist dicker geworden.“

„Quirin, das sagt man nicht zu einer schwangeren Frau!“, ermahnte Elly ihn sofort und legte schnell einen Arm um mich. „Mia, du siehst hinreißend aus, wirklich! Du strahlst richtig!“

„Schon gut, ist alles in Ordnung“, wimmelte ich sie ab und zwang mich zu einem Lächeln. Als würde ich es einem Zwölfjährigen übel nehmen, wenn er ehrlich zu mir war. „Schön, dich zu sehen, Quirin.“ Der Junge grinste mich an, bevor er weiter mit Lloyd plauderte.

Als wir das Esszimmer betraten, erhob sich Ellys Mann Burkhard von seinem Stuhl, um uns die Hand zu reichen. „Guten Abend.“

„Ebenso“, antwortete Lloyd.

Ich nickte dem Mann nur zu. Ich fand den Oberschullehrer ehrlich gesagt sehr anstrengend und erschreckend ernst ‒ sogar äußerlich. Er trug immer Anzug und Krawatte, hatte ganz kurze Haare und eine Brille. Ich fragte mich oft, wie es seine Frau mit ihm aushielt.

„Bedient euch“, forderte Elly uns auf, nachdem wir uns hingesetzt hatten. „Es gibt vegetarisches Risotto mit Gemüse aus unserem eigenen Garten.“

„Wow, das sieht lecker aus“, freute ich mich. „Und vielen Dank, dass es extra was Vegetarisches gibt.“

„Nicht doch, meine Liebe, das mach ich gerne“, lachte sie.

„Mama sagt immer, wenn jemand schwanger ist, soll man Rücksicht nehmen“, äußerte sich Quirin.

Ich seufzte leise. Elly war lieb, aber diesbezüglich auch ein wenig eigen. „Sei still beim Essen, wenn dich niemand zum Reden auffordert“, verlangte Burkhard. „Und iss.“

„Ja, Papa“, murmelte der Kleine eingeschüchtert.

Lloyd und ich tauschten einen betrübten Blick. Es ging wieder los ...

„Setz dich gerade hin, Quirin“, fuhr der Lehrer fort.

„Ja, Papa“, wiederholte sein Sohn.

Elly räusperte sich. „Wie ... wie läuft es denn in der Arbeit, Mia?“

„Gut“, begann ich zu erzählen. „Es gibt immer was zu tun in der Praxis. Vor allem Frau Hana hat endlos viele Aufgaben für mich.“

„Dabei wollte sie dich erst gar nicht einstellen“, lachte meine Nachbarin. „Wie gut, dass sie ihre Meinung geändert hat.“

Lloyd lächelte. „Wenn man erst mal sieht, wie Mia mit Animalia umgeht, muss man sie einfach in einer Animaliaarztpraxis einstellen.“

„Das hat Frau Hana auch gesagt“, bestätigte ich. „Sie meinte, sie wollte nie eine Assistentin, aber ich wäre echt praktisch. Es war mein Glück, dass es gerade einen Notfall gab, als ich mich in der Praxis vorgestellt habe.“

„Was für einen Notfall?“, fragte Quirin.

„Hör auf zu zappeln“, ermahnte ihn sein Vater.

„Ja, Papa ...“

„Da war ein aggressives Nekota, das Herrn Hana verletzt hat“, erzählte ich und lächelte den Jungen aufmunternd an. „Ich konnte es beruhigen.“

Quirin grinste. „Ich hätte auch gern ein Nekota. Oder einen Feuerhund.“

„Hier gibt es keine Hausanimalia“, brummte Burkhard.

„Ja, Papa, ich weiß.“

„Kann ich dich nach dem Essen kurz mit Elly und Burkhard allein lassen?“, flüsterte Lloyd mir zu. „Ich würde gerne eine Runde mit Quirin spielen.“

„Mach das“, antwortete ich leise. „Der arme Kerl braucht dringend etwas Spaß ... Dafür halte ich die zwei in Schach.“

Lloyd spielte öfter mal mit Quirin, entweder draußen oder an der Spielkonsole. Der Junge unternahm wahnsinnig gerne etwas mit meinem Freund, was mich nicht wunderte, wenn ich mir anschaute, wie seine Eltern mit ihm umgingen.

„Und wie läuft es bei deinem Job, Lloyd?“, erkundigte sich Elly. „Es muss doch grässlich sein im Krankenhaus! Immer diese Verletzten!“

„Ähm, mir gefällt die Arbeit“, antwortete er. „Nur der Schichtdienst ist manchmal etwas blöd.“

„Falls du mal nicht zu Hause sein kannst, Mia aber Hilfe braucht, dürft ihr euch jederzeit bei mir melden“, bot sie an.

Ich nickte ihr zu. „Lieb von dir.“

„So, wer will Nachtisch? Ich habe Schokoladencreme gemacht.“

„Ich!“, rief Quirin.

„Rede leiser“, verlangte sein Vater.

„Ja, Papa ...“

Es dauerte nicht lange, bis Lloyd und Quirin zum Spielen ins Zimmer des Jungen gingen und ich mit dessen Eltern allein am Tisch zurückblieb.

„Kann ich dir noch eine Portion Schokoladencreme anbieten, Mia, meine Liebe?“

„Ja, gerne“, stimmte ich zu. „Für Süßigkeiten habe ich derzeit eine Schwäche.“

„Waren es letzte Woche nicht noch Chips?“, kicherte sie, als sie meine Schale auffüllte.

„Das ändert sich ständig“, gestand ich.

„So ging es mir auch. Aber das Schlimmste waren meine Launen“, erinnerte sich Elly.

„Das kannst du laut sagen“, meldete sich Burkhard zu Wort.

„Ich habe mich so oft entschuldigt, dass ich dir diesen Föhn an den Kopf geworfen habe, Schatz“, jammerte sie.

Ich musste mich wirklich zusammenreißen, um bei der Vorstellung nicht lauthals zu lachen. Ich fand, Elly dürfte Burkhard ruhig öfter mal was an den Kopf werfen, und wenn es nur Worte waren. Denn dieser Mann glaubte tatsächlich, er hätte die Weisheit mit Löffeln gefressen und dürfte sich darum alles erlauben. Neulich hatte er Lloyd sogar unterstellt, dumm zu sein. Ausgerechnet demjenigen, der sein Abitur schon mit 14 gemacht hatte. Mit 14! Lloyd war vieles, aber ganz bestimmt nicht dumm. Und mir hatte dieser Blödmann vorgeworfen, nicht rechnen zu können, weil ich mich im Datum geirrt hatte. Darüber könnte ich mich immer noch aufregen.

Schnell schaufelte ich mir ein paar Löffel der Nachspeise in den Mund, um mich abzulenken. Es war wirklich schwierig, ein guter Nachbar für diese schräge Familie zu sein ...

„Hast du heute in den Nachrichten gesehen, was im Bezirk der Ranger los ist?“, wechselte Elly das Thema. „Wirklich erschreckend, nicht wahr?“

Unwillkürlich schluckte ich schwer. „Ähm, nein, das habe ich nicht verfolgt ... Ich will auch ehrlich gesagt nicht wissen, was da passiert.“

„Kein Wunder, nachdem du und Lloyd vor diesem Krieg geflohen seid. Eine gute Entscheidung“, lobte sie mich. „Im Bezirk der Ranger kann man doch keine Familie mehr gründen.“

„Die wirtschaftlichen Entwicklungen sind bedenklich“, äußerte sich Burkhard. „Es ist nicht mal absehbar, ob sich der Krieg vielleicht noch auf die äußeren Provinzen ausweitet. Wie konnte sich überhaupt diese Verbrecherorganisation unter dem Schutz der ach so tollen Ranger gründen?“

„Ja, wirklich!“, stimmte Elly ihm zu. „Ein Glück, dass es in Renia noch sicher ist. Sollen die Ranger doch machen, was sie wollen.“

Betrübt blickte ich auf den Esstisch. Ich wünschte, die Geschehnisse in meiner Heimat wären mir wirklich so egal, wie ich immer behauptete.

„Aber sag mal, hast du morgen nicht einen Arzttermin?“, fragte Elly.

Erstaunt über den abrupten Themenwechsel nickte ich. „Ja, Ultraschall und alles. Ich hab mir extra den Tag freigenommen und Lloyd hat seine Schicht getauscht, damit er dabei sein kann. Dafür muss er dann die Nachtschicht machen.“

„Ihr seid so ein schönes Paar“, seufzte die pummelige Frau. „Bestimmt werdet ihr gute Eltern. Und ihr könnt immer auf uns zählen.“

Ich lächelte gerührt. „Lieb von dir, Elly. Das wissen wir doch.“ Auch wenn wir unsere Nachbarn bezüglich unserer Identitäten belügen mussten, war es schön, ein paar Kontakte hier zu haben. Das schätzte ich wirklich.

„Mia, spielst du mit uns?“, rief plötzlich eine helle Stimme und Quirin rannte herbei. „Ich brauch deine Hilfe, um Lloyd zu besiegen!“

Ich schmunzelte und stand auf. „Na klar, zusammen machen wir ihn fertig!“

„Hör auf, zu rennen und zu schreien, Quirin“, ermahnte ihn Burkhard.

„Ja, Papa ...“

Als ich dem Ehepaar den Rücken kehrte, verdrehte ich die Augen. Der Junge tat mir wirklich leid. Gemeinsam mit Quirin ging ich in sein Zimmer, wo Lloyd an der Spielkonsole saß.

„Nicht mal mit Unterstützung kannst du gewinnen“, lachte mein Freund.

Quirin grinste breit. „Abwarten!“

„Genau, Lloyd, pass lieber auf“, warnte ich ihn.

Der Junge holte ein weiteres Kissen, damit ich mich ebenfalls direkt vor den Bildschirm setzen konnte. Lloyd stand sogar auf, um mir beim Hinsetzen zu helfen. Beherzt griff ich nach einem Gamepad. „Los geht’s!“

Erst nach über einer weiteren Stunde verabschiedeten wir uns von unseren Nachbarn. Elly hatte mir ein paar Essensreste mitgegeben, damit wir morgen nicht kochen mussten. Burkhard reichte uns mit ausdruckslosem Gesicht die Hand. Quirin sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen, weil wir gingen.

„Bitte versprich mir, dass wir niemals solche Eltern werden!“, schnaubte ich später im Bett und drehte mich zu Lloyd um.

„Also, sollte ich mit unserem Kind so schrecklich umgehen, wie Burkhard es mit Quirin macht, verpass mir bitte eine Ohrfeige“, brummte er und legte einen Arm um mich.

„Solange ich das nicht ignoriere, wie es Elly tut, wirst du eine Ohrfeige von mir bekommen“, versprach ich lachend und schmiegte mich an ihn.

Er strich mir durchs Haar. „Wir werden schon nicht so“, beruhigte er mich und griff an mir vorbei, um das Nachttischlicht auszumachen. „Erst recht nicht, nachdem wir unsere Nachbarn live erlebt haben.“

„Das hoffe ich doch“, seufzte ich und schloss die Augen. „Sag mal, kann ich dich was fragen?“

„Klar, was denn?“

„Ich wollte dich mit dem Thema eigentlich in Ruhe lassen, aber es geht mir nicht aus dem Kopf“, gestand ich.

„Muss ich mir Sorgen machen?“, entgegnete er.

„Nein, nein“, antwortete ich schnell. „Ich wollte nur wissen, warum du ... nicht schon früher gegen die Schattenbringer rebelliert hast, nachdem dich mein Vater in die Organisation gezwungen hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du nur brav seine Befehle befolgt hast.“ Das passte einfach nicht zu Lloyd.

Kurz blieb es still im dunklen Zimmer. „Hm. Schwer zu sagen“, flüsterte mein Freund dann. „Am Anfang war ich echt eingeschüchtert und hab mich nicht getraut, was zu unternehmen. Ich meine, ich war 14 und völlig überfordert mit der Situation. Danach bin ich sauer geworden und wollte mich wehren, aber Erik hat mir gedroht. Er wollte mir und meinen Eltern was antun, falls ich ihm nicht gehorchen sollte.“

„Aber Fiona und Nico sind doch seine Freunde!“, wandte ich entsetzt ein.

Lloyd drückte mich etwas fester an sich. „Seine Organisation ist und bleibt aber das Wichtigste für ihn. Ich war eine Gefahr, denn ich war nicht völlig loyal und hätte ihn jederzeit verraten können. Und damit ich das nicht tue, hat er meiner Familie gedroht und mich so tief in die Verbrechen der Schattenbringer hineingezogen, dass ich nicht mehr rauskam. Darum hat er mich zum zweiten Chef gemacht. Die Lage war echt ... vertrackt.“

Ich schluchzte laut auf. „Dieses verdammte Monster! Wenn ich ihn je wiedertreffen sollte, werde ich ihn ...“

„Ganz ruhig, Mia“, unterbrach er mich und legte mir seinen Zeigefinger auf die Lippen. „Reg dich nicht auf. Wir wollten das Thema doch sowieso ruhen lassen. Denk lieber an morgen.“

Ich lächelte schief. „Ja, morgen wird schön.“ Nach Ellys heutiger Bemerkung hatte ich mir allerdings ganz automatisch schon wieder Gedanken um die Ranger und Schattenbringer gemacht. Selbst mit so vielen Kilometern Abstand kam ich nicht völlig von meiner Heimat los. Aber je länger wir in Renia lebten, umso mehr würde die Vergangenheit in Vergessenheit geraten. Hoffentlich.

„Ich freue mich auch schon drauf“, bekannte Lloyd. „Spätes Frühstück, dann zum Arzt und in den Park. Jetzt sollten wir schlafen, sonst sind wir morgen völlig erschöpft. Und ich muss die Nachtschicht durchhalten.“

„Ja, stimmt“, flüsterte ich. „Gute Nacht.“ Ich streckte mich ein wenig, um Lloyd zu küssen. „Ich liebe dich.“

„Ich dich auch“, antwortete er und strich mir sanft über den Rücken. „Schlaf gut, Mia.“

Und während ich in seinen Armen lag, verdrängte ich langsam die Sorgen, die mich von Neuem ergriffen hatten, bis ich endlich einschlief.

„Habe ich schon mal erwähnt, dass ich deine Pfannkuchen liebe?“, lachte Lloyd und schob sich eine weitere Gabel davon in den Mund.

„Nur ungefähr zehnmal heute Morgen“, entgegnete ich amüsiert und griff zur Erdbeermarmelade, um meinen Pfannkuchen damit zu bestreichen.

„Ich sollte mehr üben“, grübelte er plötzlich. „In der Küche bin ich immer noch ziemlich mies ...“

„Deine Nudeln mit Soße sind aber hervorragend“, lobte ich ihn. „Und Pizza kriegst du inzwischen auch hin.“

Er grinste. „Besser als früher, ja. Das Spülen übernehme ich heute.“

„Oh, super!“, freute ich mich. „Dann kann ich Shadow rufen. Danke!“

„Ist doch das Mindeste für so ein gutes Essen“, meinte er und sammelte unsere inzwischen leeren Teller ein. „Viel Spaß mit Shadow.“

Ich stand auf und nickte. „Danke. Komm einfach ins Wohnzimmer, wenn du fertig bist.“

Ich setzte mich aufs Sofa und legte meine Hände über meinen dicken Bauch. Leise seufzte ich, bevor ich tief durchatmete und Shadows Melodie anstimmte. Das Lied von der tiefen Finsternis und dem kleinen, kaum merklichen Licht. Es dauerte nicht lange, bis ich mich schwach fühlte. Ich hatte das Lied nicht mal bis zum Ende gesungen, da erschien der Schattenkreis mitten im Raum. Das Dämonenoberhaupt schwebte heraus und fixierte mich mit seinen schwarz umrandeten weißen Augen. „Hallo Shadow!“

„Hallo Mia“, antwortete er und streckte einen seiner nebligen Arme nach mir aus. Sein ganzer Körper bestand aus Nebel, der um eine stabile Mitte waberte. Doch wenn man genauer hinsah, ließen sich seine Arme und sein Kopf recht gut erkennen. Als der Dämon seine Hand auf meine Schulter legte, wurde alles um mich herum schwarz. Shadow war eben der Herr über die Finsternis.

„Du freust dich“, stellte ich über unsere Verbindung fest. „Ist etwas passiert?“

„Ich habe neue Briefe für dich“, erzählte er und ließ mich los, sodass die Farben um mich herum zurückkehrten. „Einen aus Windfeld und einen aus Färnau.“

Augenblicklich strahlte ich übers ganze Gesicht. „Wirklich? Melodia und Fiona haben geschrieben?“

„So ist es“, bestätigte er und reichte mir zwei Umschläge. „Celeps holte die Briefe gestern ab und gab sie mir.“

„Wahnsinn!“, jubelte ich und sah die Kuverts begeistert an. Mithilfe der Fiorita hatten wir einen Weg gefunden, ohne das Wissen der Ranger miteinander zu kommunizieren. So konnten wir uns immerhin manchmal austauschen. „Mal sehen, was sie schreiben.“

Der Dämon grinste breit. „Ich dachte mir, dass es dir Freude bereiten würde. Wie geht es dir ansonsten?“

„Ich fühle mich fett“, lachte ich.

„Und du bist besorgt“, ergänzte er. „Du kannst es vor mir nicht verbergen.“

„Ich weiß“, flüsterte ich. Unsere Verbindung verriet mich jedes Mal.

„Wir würden dir erzählen, wenn es eine wichtige Entwicklung im Krieg gäbe“, versprach er. „Genieße im Moment den Abstand, den du dazu hast.“

„Ich kann nicht anders, als mich um meine Freunde zu sorgen. Und ich frage mich, wie es meiner Mutter geht“, gestand ich.

Shadow zögerte kurz. „Über deine Freunde hat dir Melodia sicher in ihrem Brief berichtet. Bei Cassandra gibt es keine Veränderung.“

„Also isoliert sich Mama immer noch?“, murmelte ich.

Der Dämon nickte. „Sie hat den Schock noch nicht überwunden. Dein Vater versucht täglich, mit ihr zu reden, doch sie weigert sich.“

„Immerhin das ist vernünftig“, brummte ich. „Mit Papa würde ich auch nichts zu tun haben wollen.“ Um mich nicht in Rage zu reden, öffnete ich den Brief von Melodia. „Gibt es bei euch Fiorita was Neues?“

„Nur das Übliche. Luna ist ein wenig gestresst“, fiel ihm ein. „Ihr Bruder Sol streikt und kümmert sich nicht mehr um das Sonnenlicht, darum muss sie mal wieder Mond und Sonne lenken.“

Ich schloss die Augen. „Sol, reiß dich zusammen“, dachte ich. „Und ärgere deine Schwester nicht so.“