Kitabı oku: «Die wilde Reise des unfreien Hans S.», sayfa 2

Yazı tipi:

Die Knappen konnten sich von ihrem kärglichen Lohn in der Regel keine Prostituierten leisten. Die paar Silberpfennige, die Hans unregelmäßig von seinem Herrn erhielt, sparte er eisern. Er leistete sich nur das Nötigste. Sein einziger Luxus waren Papier und ein Silberstift zum Schreiben und Zeichnen. Wenn er dann mit einundzwanzig endlich seinen Ritterschlag erhalten würde, bräuchte er jeden Pfennig, um sich die kostspielige Rüstung und ein gutes Pferd zu leisten. Josef hatte in der vorigen Woche den Vorschlag gebracht, doch einmal die Huren zu besuchen, die den Kriegertross begleiteten. Josef lockte damit, er habe da eine namens Baba aufgetrieben, die bereit sei, es für zwei Pfennig zu machen. Zwei für sie beide, also ein Pfennig pro Mann. Das sei doch ein Angebot. Das musste auch Hans zugeben. Auf der anderen Seite war es so billig, dass er argwöhnte, es müsse einen Haken geben. Doch er beschloss, einen Pfennig zu investieren in das, was er bisher nur vom Hörensagen kannte. Der Haken war, dass es sich bei besagter Baba, die in einem zerlumpten Zelt ganz am Rande des Lagers ihre Dienste anbot, um eine zahnlose alte Vettel handelte, bei der Hans Josef nur zu gerne den Vortritt ließ. Als er an der Reihe sein sollte, beschloss er spontan, es sei doch besser, seine Unschuld noch ein wenig zu behalten. Zudem wies er darauf hin, dass vor dem Zelt schon die Nächsten ungeduldig warten würden. Was Josef, da man nun schon für zwei gezahlt hatte und da sich die Alte weigerte, den einen Pfennig wieder rauszurücken, mit einem Achselzucken kommentierte und sich noch einmal auf die welke Baba legte. Mit der alten Baba zog Josef seitdem Hans bei jeder Gelegenheit auf. Hans hatte eine Zeitlang versucht, Josef klarzumachen, dass er ihm noch einen Pfennig schulde, doch Josef ließ das nicht gelten, denn zweimal sei mit der alten Baba ausgemacht gewesen und Punkt.

Während sie hinter dem Felsen die Frauen beobachteten, hielt sich Josef nicht zurück, selbst für sein Vergnügen zu sorgen. Hans, eher in Sorge, dass sie entdeckt würden, wusste aus der Erfahrung mit der alten Baba, dass es nicht lange dauern würde. Ein Rascheln schreckte ihn auf. Er drehte sich in der Hocke um. Nur wenige Schritte neben ihnen tauchte eine junge Frau aus dem Gebüsch auf und richtete sich die Röcke. Sie war besser gekleidet als die meisten Wäscherinnen. Hans starrte sie an, sie starrte Hans an. Sie zog die Augenbrauen kraus, ihr Blick verfinsterte sich, Ekel umspielte ihren Mund, und ihre Wangen färbten sich puterrot. Trotzdem war sie das schönste Mädchen, das Hans jemals gesehen hatte. Er schüttelte leicht den Kopf und sah sie flehend an. Bitte, schrei nicht! Sie wischte sich die Hände am Rock und drehte sich zu Seite. Mit schnellen Schritten verschwand sie wieder hinter den Büschen.

»Puh«, signalisierte Josef, dass er fertig war.

»Hast du das Mädchen gesehen?«, flüsterte Hans aufgeregt.

»Ein Mädchen?«, gluckste Josef. »Mach die Augen auf, da sind eine Menge.«

»Nein, die hier war. Die eben hier im Busch neben uns gebieselt hat.« Er spähte über den Felsen. Das Mädchen schlenderte eben zu den Frauen am Fluss. Sie setzte sich auf einen Felsen und machte keine Anstalten, sich mit der Wäsche zu befassen. Sie drehte den Kopf und sah herauf, lachte kurz, dachte aber offensichtlich nicht daran, die Burschen zu verpfeifen. »Die da, meine ich.«

»Die?« Josef schnalzte mit der Zunge. »Alle Achtung. Die hast du dir ausgesucht. Du stellst sie dir also beim Bieseln vor, soso. Hans, du bist doch ein ganz Versauter.«

»Und du bist ein blöder Idiot«, brummte Hans und machte sich auf den Rückweg.

Als Hans und Josef ins Lager zurückkamen, war plötzlich alles anders. Zwei Wochen Belagerung bedeutete für die Kreuzritter zwei Wochen exzessiven Plünderns des Umlands – irgendwie musste man sich ja verpflegen und auch bei Laune halten. Manch stolzer Ritter versank tagelang in einem Rausch aus Alkohol und Sex. Nur Sigismund, der feige Ungar, verdarb regelmäßig die gute Laune, denn seine Späher hatten schon vor Tagen ein gewaltiges türkisches Heer ausgemacht. Tatsächlich zog Bayezid I., nicht umsonst mit dem Beinamen ›der Blitz‹ gesegnet, mit einer riesigen Armee in einem Gewaltmarsch von Adrianopel über den Schipkapass gen Nikopolis. Serbische Ritter unter Bayezids Verbündetem Stefan Lazarewitsch hatten sich angeschlossen. Auch die Bewohner von Nikopolis hatten die für sie gute Nachricht erhalten und feierten mit lauter Musik. Marschall Boucicaut hingegen hatte langsam die Faxen dicke von der Schwarzmalerei der Ungarn. Die Musik in der Stadt, ließ er verkünden, sei eindeutig ein Zeichen für die baldige Kapitulation. Und überhaupt würde er sofort jedem die Ohren abschneiden lassen, der mit den unhaltbaren Gerüchten von nahenden Türken die Moral der Kreuzfahrer zu untergraben wage.

Die Moral zu untergraben hatte Enguerrand de Coucy zwar nicht im Sinn, er dachte sich aber, dass die Späher des Ungarnkönigs vielleicht doch nicht völlig unnütze Lügenbolde waren, und nahm einige Hundert Ritter sowie Bogenschützen mit sich auf eine Erkundungstour. Sie mussten nicht weit reiten, da stießen sie auf eine Vorhut der großen Armee. In mehreren Scharmützeln töteten Coucys Leute so viele Feinde wie möglich und zogen sich schnell nach Nikopolis zurück. Marschall Boucicaut sah ein, dass Ohrenabschneiden nun nicht mehr weiterhelfen würde. Das ganze Lager war in hellsten Aufruhr versetzt.

Die Knappen beschlossen, ein wenig für den Ernstfall zu trainieren. Ausgerüstet mit Schild, Eisenhut, Kurzschwert und Streitkolben stellten sie sich einander. Hans hielt sich gut gegen Josef, der nie taktisch überlegt vorging. Sie markierten ihre Schläge zwar nur, doch Verletzungen passierten häufig. Hans hatte den Sieg so gut wie sicher, da wurde er etwas unachtsam, und Josef stellte ihm ein Bein. Hans landete mit dem Gesicht voran im Matsch. Josef vollführte einen Siegestanz, und Hans erntete das spöttische Gelächter der Umstehenden.

»Du kämpfst gut«, sagte jemand zu Hans, als der sich den Weg durch die Zuschauer bahnte, um seine Waffen irgendwo abzulegen und sich zu säubern.

»Danke. Hat nur nichts gebracht.« Hans drehte sich um. Vor ihm stand der sehr blonde Franzose, der ihm beim Baden zugenickt hatte. »Oh, du? Du sprichst meine Sprache?«

»Ja, ein wenig.« Der Blonde hatte unglaublich blaue Augen und einen harten Akzent, der nach allem möglichen, aber nicht nach Französisch klang. »Ich bin Yorick, Yorick van Nazareth aus Flandern, das liegt an der Nordsee.«

»Hans, Johannes Schiltberger aus München, das liegt in Bayern.« Die Nordsee sagte ihm nichts, wohl aber Nazareth. »Nazareth? Das ist doch im Heiligen Land!«

Yorick lachte. »Ja, aber bei uns in Flandern gibt es auch ein Nazareth. Da kommen ich und mein Herr her. Mein Herr ist Arjen van Nazareth.«

»Kenn ich nicht. Mein Herr ist Leinhart Richartinger.«

»Kenn ich nicht«, antwortete Yorick. Die beiden lachten. Hans wusste schon da, dass er einen neuen Freund gefunden hatte. Sie mochten sich, wenn auch die Konversation sich durchaus mühsam gestaltete. Sie merkten jedoch schnell, dass sie sich passabel unterhalten konnten, wenn sie langsam und deutlich sprachen. Mehr als einmal stellte Hans fest, dass er flämische Worte, die Yorick unbewusst einflocht, durchaus verstand. Sie verabredeten sich für den Abend. Josef reagierte zwar zunächst ablehnend auf den Neuzugang, doch Max war schnell angetan von Yorick, denn der konnte gut singen und lobte Max für seine Fingerfertigkeit auf der Laute. Gemeinsam zogen sie los und suchten ein Zelt oder Lagerfeuer, an dem was los war, egal, ob Bayern, Schweizer, Franzosen oder Flamen, irgendwann stellte Sprache keine Barriere mehr dar. Wenn Max mit der Laute zu spielen begann, setzten schnell Trommeln, Drehleiern oder Sackpfeifen mit ein. Es wurde gelacht und getanzt. Schließlich sollte es der letzte Abend vor dem großen Tag sein.

Am großen Tag, dem 24. September 1396, berief König Sigismund den Kriegsrat ein. Seiner Strategie nach sollten die Walachen unter Mircea dem Alten den ersten Angriff führen, weil sie neben den Ungarn die Einzigen waren, die bereits Kampferfahrung mit den Türken gemacht hatten und außerdem schnell und wendig waren. Dank Mirceas Guerillataktik hatten die Walachen den Osmanen schon manche Niederlage beschert. Unsinn, brauste da der Graf d’Eu wütend auf, und fand dabei den Applaus von Marschall Boucicaut: Nur seine Männer seien in der Lage, einen vernünftigen Angriff zu führen. Ihm gebühre die Ehre, als Erster in die Schlacht zu reiten. Absoluter Unsinn, mischte sich nun Johann Ohnefurcht ein, klein und mager wie er war, hätte man ihn in Bayern ein Krischperl genannt. Es gäbe nur einen, der für den Angriff geeignet sei, und zwar ihn mit seinen Burgundern und Flamen! Er, und nur er allein, habe das Vorkampfrecht.

Nein, so hatte sich König Sigismund das nicht vorgestellt.

Ein absurdes Streitgespräch später fanden es die Franzosen dann letztlich besser, sich zusammenzutun und gemeinsam gegen den Ungarn und seine zusammengewürfelte Truppe aus Walachen, Siebenbürgen, Deutschen, Dänen, Schotten, Kastiliern und sonstigen Front zu machen. Johann Ohnefurcht stellte sich hinter den Grafen d’Eu.

König Sigismund fügte sich seufzend. Er gab Befehl, dass sich seine Truppen sofort kampfbereit machen sollten. Die Kreuzritter, völlig überrascht und meist ebenso betrunken, krabbelten aus den Huren- und Spielzelten und suchten einen ersten Adrenalinkick, indem sie unter den Gefangenen, die sie bisher gemacht hatten, ein Massaker anrichteten.

Sigismund zog sich mehr verzweifelt denn wütend von allen zurück. Es war ganz und gar nicht der große Tag geworden. An diesem Abend feierte niemand mehr.

2 Das Schlachten

Bei Tagesanbruch am 25. September im Jahre des Herrn 1396 schickte Sigismund seinen Marschall zu Johann Ohnefurcht mit der Bitte, ihm noch zwei Stunden Zeit zu gewähren. Er wolle seine Späher ausschicken, um möglichst viele Informationen über Stärke und Lage des Feindes zu gewinnen. Der Burgunder, unterstützt vom kampferprobtesten aller Kreuzritter, dem immerhin schon fünfundfünfzigjährigen Admiral Jean de Vienne, der im zarten Alter von neun Jahren erstmals an einer Schlacht teilgenommen hatte, hätte dem fast zugestimmt, wenn nicht der Graf d’Eu dem jungen Prinzen die wahren Absichten Sigismunds klargemacht hätte. Der Ungarnkönig, so d’Eu, sei ein ganz durchtriebener, denn mit dieser Aktion wolle dieser nur die Siegeslorbeeren für seine Ungarn einstreichen. Er, d’Eu, sei nun das Taktieren dieser Schwächlinge leid. Er ließ den Admiral de Vienne wissen, dass Kreuzzüge eben nichts für zaudernde alte Männer seien, die ihre größte Zeit längst hinter sich hatten.

In den frühen Morgenstunden hing noch dichter Nebel im Donautal. Die Sonnenstrahlen färbten den Himmel rot-orange, der Herbst kündigte sich an. Hans war schon vor Sonnenaufgang wach. Die Pferde herrichten, Rüstung und Waffen bereiten. Es entging ihm nicht, dass sein Herr Leinhart absolut nüchtern war, als er ihm die Rüstung anlegte. Leinhart hatte zwar viel verzockt in seinem Leben, aber seine teure Rüstung hatte er nie aufs Spiel gesetzt. Viele andere Ritter konnten sich keine komplette, topmoderne Plattenrüstung leisten und kamen noch mit Kettenhemd, Brustpanzer und Topfhelm, wie es in den vergangenen Jahrzehnten üblich war. Nicht Leinhart Richartinger. Hans hatte alles pflichtbewusst in Schuss gehalten, darum dauerte das Anlegen keine Stunde. Platte für Platte zurrte er mit den Lederriemen am Körper seines Herrn fest. Erst das Beinzeug – Diechlinge an den Oberschenkeln, Kniekacheln, Beinröhren für die Unterschenkel und Eisenschuhe, dann der Brustpanzer und das Rückenteil mit den Gesäßreifen, danach Armkacheln aus Mäusel und Muschel, Achseln für die Schulterpartie, Ober- und Unterarmröhren, Ellenbogenkacheln, Panzerhandschuhe und, darauf war Leinhart besonders stolz, denn es war das Neueste vom Neuen, auch Schwebescheiben zum Schutz der Achselhöhlen. Dann noch die Schamkapsel für den Genitalbereich, die sich manch Ritter – wie beispielsweise Leinhart Richartinger – zur Betonung seiner Männlichkeit gerne besonders groß und vorstehend schmieden ließ. Für eine kurze Unterbrechung sorgte der Geistliche, der in ihr Zelt kam, um mit ihnen zu beten. Schnell ein Vaterunser und dann das Abendmahl. Der Pfarrer segnete sie flüchtig und eilte weiter, er und seine Kollegen hatten noch viele Zelte vor sich.

Zuletzt legte Hans seinem Herrn das Kragenteil um und setzte ihm den Helm auf. Dann kam der mitunter schwierigste Teil, den Herrn auf das gesattelte Pferd zu hieven. Doch der Herr hatte einen wirklich guten Tag, half mit und saß bald aufrecht. Hans reichte Lanze und Schild, dann ritt sein Herr zu den anderen Bayern, die sich bei Sigismunds Banner sammelten. Hans schnappte sich Eisenhelm, Schild und seine Waffen, sprang auf sein Pferd und ritt hinterher. Wer wusste schon, was kommen würde. Die Franzosen hatten angekündigt, die Sache hier schnell zu klären. Immerhin hatte sich der Nebel gelichtet.

Mit Nikopolis im Rücken zogen die französischen Ritter und Bogenschützen den Türken entgegen, die im Süden von der Anhöhe herunterstürmten. Die Schlacht gestaltete sich etwas unübersichtlich. Zunächst gelang es den Franzosen, die türkische Frontlinie zu durchbrechen. Die türkischen Fußtruppen und die leichte Reiterei konzentrierten sich auf die Pferde der Angreifer, hackten deren Beine ab und schlitzten ihnen die Bäuche auf. Dann zogen sie sich schnell hinter die Bogenschützen zurück. Die Ritter, ihrer Pferde beraubt, sahen sich in der ungewohnten Position, nun zu Fuß zu kämpfen. In ihren schweren Rüstungen stapften sie keuchend den Hügel hinauf. Zwanzig bis dreißig Kilo wog so eine Rüstung. Durchaus machbar für einen Mann. Das Problem war oft nicht das Zusatzgewicht, sondern die brutale Hitze, die sich im Panzer entwickelte. Manche Edelfrau hatte die Nachricht vom Heldentod ihres Gatten in der Schlacht bekommen, stellte ihn sich von Lanzen durchbohrt sterbend vor, doch in Wahrheit war er einem Hitzeschlag oder Herzinfarkt erlegen.

Schwer atmend oben auf dem Plateau, da waren sich alle sicher, würden sie nur fliehende Türken sehen. Doch oben auf dem Plateau wartete Bayezids Überraschung: ausgeruhte Sipahi-Reiter. Begleitet von der ohrenbetäubenden Kakofonie aus Kriegstrompeten, Pauken, dem Trommeln der Pferdehufe und »Allah ist groß«-Rufen stürzten sich die Sipahis mit eingelegten Lanzen auf die Kreuzritter. Admiral Jean de Vienne, dem als Ältesten die Ehre zuteilgeworden war, das französische Banner zu tragen, obwohl bald schwerst verwundet, kämpfte wie ein Bär, während er alle verfluchte, die nicht auf Sigismund hatten hören wollen! Er versuchte immer wieder, eine geordnete Kampfformation aufzustellen. Abgehackte Arme, Beine und Köpfe flogen. Doch Vienne konnte nicht lange die Kampfmoral seiner Männer aufrechterhalten. Er fiel. Und mit ihm viele Edle wie Jean de Carrouges, Philippe de Bar oder Odard de Chasserin.

Burgunderprinz Johann Ohnefurcht hielt sich noch ein Weile, vor allem dank der Kampfkraft seiner persönlichen Leibgarde, die ihn schützend in die Mitte genommen hatte. Bis auch die Leibgarde am Ende ihrer Kräfte war. Die überlebenden Männer warfen die Waffen weg und sich selbst auf den Boden als Zeichen der Kapitulation. Johann Ohnefurcht, klein und mager von Statur, ließ sich zitternd vom Pferd gleiten und rollte sich am Boden ein, den tödlichen Streich erwartend. Ein türkischer Hauptmann nickte wohlwollend, gab seinen Männern ein Handzeichen. Ohnefurcht wurde aufgelesen, gefesselt und als Gefangener fortgebracht.

Unten im Tal starrten entsetzte Deutsche, Ungarn, Johanniter, Walachen und Siebenbürgen auf das, was sich nun den Hügel hinunter auf sie zu ergoss – ein wilder Haufen aus strauchelnden französischen Rittern, die sich verzweifelt ihrer Rüstungen zu entledigen versuchten, um schneller laufen zu können. Dazwischen eine Stampede von zum Teil verwundeten reiterlosen Pferden. Dahinter Tausende türkische und serbische Reiter, die Säbel und Schwerter wie Sensen schwingend. Mit ihnen rollte ein Regen aus abgeschlagenen Körperteilen und Blut den Hang hinunter.

Walachen und Siebenbürgen desertierten und flohen.

Angeführt von König Sigismund und dem Großmeister der Johanniter versuchten die restlichen Kreuzritter in einem Akt der Verzweiflung, gegen die Osmanen anzutreten. Hans wartete bebend vor Adrenalin bei den anderen Knappen. In seinen Ohren rauschte es. Vorhin, als sie aufgesessen hatten, hatte Max noch »Bis ans Ende der Welt!« gerufen. Ob nun Max oder Josef oder Yorick in seiner Nähe waren, ob sie ritten, kämpften oder schon tot waren, in diesem Moment dachte Hans nicht einmal an sie. Mit Tunnelblick blieb er ganz auf seinen Herrn konzentriert. Hans spürte kaum, wie ein türkischer Pfeil seine linke Schulter durchbohrte, denn das Pferd des Herrn schien schwer verletzt und würde nicht mehr lange durchhalten. Ein Lanzenstoß traf Leinhart Richartinger so hart, dass er vom Pferd, inzwischen mit blutigem Schaum vorm Maul, stürzte. Hans gab seinem Pferd die Sporen. Links die Kriegskeule, rechts das Schwert, das Pferd lenkte er mit dem Druck seiner Beine. Hieb mit Schwert und Keule nach allem, was türkisch aussah. Da. Sein Herr am Boden. Stand auf. Ein Schwerthieb traf Hans Schiltberger am linken Oberschenkel, doch es gelang ihm, seinen Herrn auf sein Pferd zu ziehen. Als Leinhart fest im Sattel saß und die Lanze wieder in die Halterung legte, sprang Hans ab. Er schnappte sich ein herrenloses Pferd, dem Zaumzeug nach türkisch, und ritt damit zurück zu den Knappen. Keule links, Schwert rechts. Wie viele Feinde er erwischte, zählte er nicht mit. Er zog sich am linken Oberarm den Axthieb eines Franzosen zu, der, vom Schlachten wahnsinnig geworden, in seiner wilden Panik nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden konnte.

Etwas riss Hans aus seinem Tunnel. Flachsblonde Haare links neben ihm. Yorick ging zu Boden, ein Türke über ihm, das Schwert zum tödlichen Hieb gehoben. Hans durchbohrte den Angreifer mit seinem Kurzschwert, zog Yorick hinter sich auf das Pferd und preschte zurück. Der Flame klammerte sich zitternd an ihn und weinte tränenlos. Weil Yorick nicht loslassen wollte, überlegte Hans, ihn vom Pferd zu stoßen, damit er sich wieder um seinen Herrn kümmern konnte. Doch wo war sein Herr? Dort, der Helm, der Federbusch, triumphierend hochgehalten von einem Türken. Blut tropfte und rann an dem siegreich hochgestreckten Arm entlang. Johannes Schiltberger aus München hatte keinen Herrn mehr.

Das Gemetzel fand schließlich ein Ende, als Sigismund einsah, dass seine Mannen von serbischen Panzerreitern und türkischen Sipahis in die Zange genommen waren. Der ungarische König und der Johannitergroßmeister suchten ihr Heil in der Flucht – mit ihnen Tausende Ritter, Fußsoldaten, Knappen und Bogenschützen. Die Gaukler, Huren, Pfaffen, Wäscherinnen, Köche und Marketender – kurz der ganze Begleittross aus nicht waffenfähigen Männern hatte schon längst das Weite gesucht. Mit sorgenvollen Gesichtern hatten sie den Rückzug der Franzosen beobachtet, und als die Walachen unter Mircea dem Alten davonrannten, war das auch für sie das Startsignal, den Eseln und Ochsen die Peitsche zu geben. Die Karren hatte man sicherheitshalber ohnehin schon gepackt. Ein paar, von den Fliehenden für völlig verrückt erklärte, Geistliche blieben zurück, weil sie es für ihre gottgegebene Pflicht hielten, den Verwundeten später Trost zu spenden.

Getrieben von den Türken schwappte die Welle der Flüchtenden ans Donauufer. Wer kein Boot bekam, versuchte zu schwimmen, um irgendwie die Schiffe der Venezianer zu erreichen. Viele ertranken elendiglich. Selbst wer ein Schiff erreicht hatte, konnte sich der Rettung nicht sicher sein. Die Edelmänner von Rang hatte man noch an Bord gelassen, dann die erste Welle von weiteren Männern, aber als die Kapitäne ihre Schiffe für voll hielten, gaben sie die Order aus, die Verzweifelten zurück ins Wasser zu stoßen. Und wenn das nicht mehr half, allen, die sich an die Reling klammerten und nicht freiwillig losließen, einfach die Hände abzuhacken.

Diejenigen, die durch die Donau zum anderen Ufer schwammen, mussten sich nun zu Fuß durchschlagen. Ihre Hoffnung, sich die Rückreise halbwegs komfortabel gestalten zu können, zerschlug sich, sobald sie die ersten Siedlungen erreichten. Die desertierten Walachen hatten auf ihrem Rückzug ganze Landstriche verwüstet und geplündert. Zu Bettlern degradiert, zogen die Männer entkräftet durch die Wälder. Von Wegelagerern ihrer letzten Habseligkeiten beraubt, verhungerten die meisten. Zu den Glücklichen, die tatsächlich den entbehrungsreichen, monatelangen Weg nach Hause schafften, gehörte der einundzwanzigjährige Wittelsbacher Pfalzgraf Rupert Pipan. Nur noch in Lumpen gehüllt und komplett ausgezehrt, erreichte er im Januar 1397 sein Schloss in Amberg. Seine Gattin Elisabeth von Sponheim-Kreuznach fiel bei seinem Anblick in Ohnmacht und versenkte sich nach dem Wiedererwachen sofort ins Gebet, um für die Rettung zu danken und um schnelle Genesung zu bitten. Rupert Pipan starb nur wenige Tage später an Entkräftung.

Später am Tag ließ sich Sultan Bayezid in Begleitung seiner Söhne über das Schlachtfeld führen. Gelegentlich befahl er seinen Männern, einen Leichnam umzudrehen, doch den Gesuchten fand er nicht. Bayezid gab schließlich die Hoffnung auf, sein ärgster Feind König Sigismund sei gefallen.

Als die Nacht sich über Nikopolis legte und die Sieger in ihr Lager zurückgekehrt waren, öffneten sich die Tore der Stadt. Erst huschten nur ein paar Gestalten heraus, dann mehr und mehr. Zerlumpte Bettler ebenso wie angesehene Handwerker, noble Bürger mit pelzverbrämten Krägen ebenso wie Markthändlerinnen, Geistliche ebenso wie Kinder. Wie Nachtmahre wateten sie gebückt im Mondlicht durch den blutgetränkten Matsch zwischen den zerfetzten Menschenkörpern umher und rafften alles an sich, was sie für wertvoll oder wiederverwertbar hielten. Natürlich hatten die türkischen Truppen sich bereits genommen, was sie wegtragen konnten, doch für die ausgehungerten Städter gab es genug. Wer Glück hatte, fand vielleicht noch einen kostbaren Ring – und wenn die Hand des Toten zu verkrampft war, um ihn abzuziehen, dann schnitt man eben den Finger ab. Den Kindern drückte man Messer in die Hand, damit sie von den gefallenen Pferden Fleisch mit nach Hause bringen konnten. Endlich wieder satt essen.

Am nächsten Morgen ließ Bayezid alle Gefangenen antreten. Zu seiner Überraschung erkannte er darunter den französischen Ritter Jacques de Helly, der einst unter Bayezids Vater Murat gedient hatte. Er ließ Helly zu sich kommen und befahl ihm, die Edlen und Prinzen zu identifizieren. Coucy, Bar, d’Eu, Gui de la Tremoille, Johann Ohnefurcht und einige weitere fanden sich bald separiert von den anderen. Man würde sie für hohe Lösegelder ihren Familien zurückgeben. Bayezid befahl den Edlen, das nun Folgende von Anfang bis zum Ende anzuschauen.

Alle anderen Gefangenen mussten sich nackt ausziehen, dann fesselte man ihre Hände, band sie in Dreier- oder Vierergruppen zusammen, und ließ sie vor den Sultan treten. Sie mussten vor dem Sultan knien, dann schlugen ihnen die Henker die Köpfe ab. Männer standen bereit, die Leichen wegzutragen, damit nachgerückt werden konnte. Hunderte, Tausende. Das Schlachten dauerte vom ersten Hahnenschrei bis zum Spätnachmittag.

Hans Schiltberger betete zum heiligen Johannes, seinem Namenspatron, schließlich war er am Johannistag, am 24. Juni, geboren. Früher hatte er zur Muttergottes gebetet, aber die Gebete waren ihm nutzlos erschienen, offenbar erhörte sie ihn nicht. Seit er zu Johannes betete, fühlte er sich wohler. Die Schmerzen waren nach der Schlacht wie eine Welle über ihn hereingebrochen. Seinen linken Arm konnte er nicht mehr bewegen, und durch die Beinverletzung humpelte er. Die anderen drei Männer, mit denen er an einem Seil zusammengebunden war, kannte er nicht. Was mit seinen Freunden war, wusste er nicht. Er sah nicht hin, was vorne vor sich ging, wie sich Männer erbrachen und einnässten, wie Kopf um Kopf rollte. Er wurde weitergezerrt, den Henkern immer näher. Einmal gab es eine kurze Unterbrechung, denn Johann Ohnefurcht hatte unter den Gefangenen Marschall Boucicaut entdeckt. Er warf sich dem Sultan zu Füßen und bat um Boucicauts Leben, was Sultan Bayezid großzügig gewährte.

In der Gruppe vor Schiltberger war der bayrische Ritter Hans Greiff, der als einer der wenigen sich traute, seine Stimme zu erheben. »Gehabt euch wohl«, rief Greiff, »wenn jetzt unser Blut vergossen wird, so sind wir nach Gottes Wille Kinder des Himmels vor dem Herrn!«

Als seine Gruppe schließlich an der Reihe war, durch Blut, Kotze und Pisse zu waten und sich hinzuknien, fühlte Hans eine unendliche Ruhe. Er war schon immer fatalistisch gewesen. Er war bereit, sollte kommen, was kommen musste. Kinder des Himmels. Das wars dann also mit dem Ende der Welt.

Womit er nicht rechnete, war, dass ihm kein Hieb die ewige Ruhe beschwerte, sondern ein Hieb seine Ruhe zerriss: Seine Fesseln wurden zerschnitten. Man ließ ihn aufstehen, und Hans hob fragend den Blick. Vor ihm stand ein prächtig gekleideter türkischer Edelmann, Süleyman Chelebi, der älteste Sohn Bayezids. Was der sagte, begriff Hans erst später. Süleyman kontrollierte die Gefangenen und sortierte alle Burschen unter zwanzig Jahren aus. Die durften dem Ehrenkodex nach nicht getötet werden. Heulend vor Freude und Erschöpfung brachte man Hans zu den anderen Knappen, wo man notdürftig seine Wunden versorgte und ihm ein knielanges einfaches Leinenhemd zum Anziehen gab.

Am späten Nachmittag versammelten sich die türkischen Generäle und wichtigsten Berater und bedrängten Sultan Bayezid, das Töten zu beenden. Es sei genug Rache geübt worden, wenn er weitermache, würde ihn der Zorn Gottes treffen. Bayezid ließ sich erweichen und ordnete an, alle Überlebenden vorzuführen. Dann wählte er aus ihnen seinen Anteil aus und überließ die anderen denen, die sie gefangen hatten. Johannes Schiltberger zählte zu den Gefangenen des Sultans. Die Toten ließ Bayezid nicht beerdigen, sondern auf dem Plateau zu einem Haufen schichten, um sie den Raben und Füchsen zu überlassen.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
612 s. 5 illüstrasyon
ISBN:
9783940839541
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок