Kitabı oku: «Verkörperter Wandel», sayfa 6

Yazı tipi:

Annehmendes Gewahrsein: Das Selbst

Es ist es notwendig, dass sich Körper, Gefühle und Gedanken in der achtsamen Annahme des Mitgefühls verbinden. Denn aus der Mitte dieser drei entspringt jenes Leben, das der Depressive bisher so schwer zulassen konnte. »Dann stellen wir fest, dass wir gut für uns sorgen können, indem wir einfach alles, was wir gerade empfinden, in unserem Gewahrsein annehmen und bejahen – in einem Gewahrsein, das von Qualitäten wie Güte, einer sanften Aufgeschlossenheit und Interesse an allem durchdrungen ist, was sich in uns selbst zeigt, was immer es auch ist« (Williams et al. 2009).

Diese Art von Gewahrsein beschreibt den Begriff des Selbst, wie ich ihn verwende: Das Selbst sorgt für sich selbst, wenn wir nur bereit sind, uns dem, was innerhalb und außerhalb von uns geschieht, achtsam und mitfühlend hinzugeben. »Wir müssen auf unsere inneren Forderungen und Beweggründe hören und sie erkennen. Wir müssen berührt sein und uns hingezogen fühlen, für das, was uns wichtig ist zu sorgen« (Samy 2005).

Es ist die Verbindung all der voneinander getrennten Impulse, die aus der Depression zurück in das Leben und Erleben führt. Dabei sind es Mitgefühl, Achtsamkeit und die wiedergewonnene Pulsation des Körpers, die dazu befähigen, diesen Weg zu gehen.

Wie dieses Beispiel zeigte, sind die Blockadefelder und damit Wertung, Identifikation und Kontrolle maßgeblich an Entstehung und Aufrechterhaltung von Störungen wie der Depression beteiligt. Durch mangelndes Mitgefühl, unangemessene Wertung und Kontrolle wird die gesunde Entwicklung aller grundlegenden Bereiche des menschlichen Seins behindert.

Der Körper mit seinen Bedürfnissen und Impulsen ist davon ebenso betroffen wie das Feld der Emotionen und des Geists. Um einen Mangel an Mitgefühl, Achtsamkeit und Hingabe zu kompensieren, entwickelt das Kind, entsprechend seinem Alter und seiner Kompetenz, unterschiedliche Strategien. Wie wir gesehen haben, kann Depression ein Ausdruck oder eine Folge einer solchen Strategie sein.

Wenn wir aber lernen, wieder wahrzunehmen, ohne zu werten, anzunehmen, ohne anzuhaften, und uns dem Leben hingeben, weil wir in seine Lebendigkeit vertrauen, werden sich Achtsamkeit, Mitgefühl und Pulsation entfalten.

Ängste

Neben der Depression sind verschiedene Formen von Angst die am weitest verbreiteten psychischen Störungen. Angst hat viele unterschiedliche Erscheinungsformen, sie kann einzelne Objekte, Lebensbereiche oder den gesamten Alltag betreffen.

Um den Dreiklang der Qualitäten Achtsamkeit, Mitgefühl und Pulsation vertiefen zu können, gehe ich im Folgenden auf ein verbindendes Element aller Angststörungen ein. Das hilft uns, eine ganzheitliche Perspektive einzunehmen, die die Bedeutung der drei essenziellen Qualitäten verdeutlicht.

Blockademechanismen und blockierte Qualitäten
Blockademechanismus: Wertung – blockierte Qualität: Achtsamkeit

»Es gibt viele verschiedene Formen der Angst, aber es gibt auch etwas, das sich wie ein roter Faden durch alle Störungen der Angst zieht: Personen mögen nicht, was sie denken oder fühlen. In der Folge stürzen sie sich in Verhalten, das ihre Angst einflößenden Gedanken und Gefühle vermeiden soll« (Eifert/Forsyth 2009). Da wir uns mit der Angst beschäftigen, liegt es nahe, mit den Emotionen zu beginnen.

Gefühle sind eine zentrale Grundlage unserer Verhaltens- und Reaktionsmuster. Aber wie wir anhand der Depression sehen konnten, ist dieses System anfällig für Verzerrungen durch kognitive Interpretationen, Wertungen und Kontrollmechanismen. Auch bei der Angststörung führen kognitive Schemata zu einer verzerrten Wahrnehmung und Bewertung der äußeren und inneren Welt. Das führt dazu, dass Erleben, Situationen, Menschen oder Gegenständen ein unangemessenes Gefahrenpotenzial unterstellt wird. Die Welt liegt dann unter dem Mantel von Maya, der Täuschung; die eigentliche Realität wird nicht mehr erkannt.

Blockademechanismus: Identifikation – blockierte Qualität: Selbstannahme

Wenn wir uns mit einem Gefühl identifizieren, um es anschließend zu vermeiden, richtet sich diese Vermeidung gegen den Ausdruck des eigenen Selbst. »Manchmal fühlt sich das Ich-mich-mein so bedroht, dass eine überwältigende Panik alles zu sein scheint, was noch vorhanden ist. Die Vernichtung des Selbst, die Auslöschung von Ich-mich-mein, ist die zwanghafte Besorgnis des Moments« (Brantley 2006).

Patanjali verwendet im Yogasutra den Begriff Abhinivesha für diese elementare Angst:

»Abhiniveśa (die unbegründete Angst) kommt von selbst, ohne dass ein äußeres Objekt zum Anstoß nötig wäre, und bewegt sogar weise und erwachte Menschen« (Sriram 2006).

Yogasutra 2.9

Die daraus resultierenden Vermeidungsimpulse sind Ausdruck eines ausgeprägten Vertrauensverlustes, sowohl in das eigene Selbst als auch und gegenüber der Welt. Dabei wird die innere und äußere Welt in bedrohliche und nicht bedrohliche Anteile aufgespalten. Anschließend wird versucht, die als gefährlich gewerteten Anteile zu kontrollieren. Diese Kontrollversuche verhärten die Identität und machen sie zunehmend rigide. Ein Teufelskreis beginnt: Einer rigiden Identität wird die lebendige Welt immer fremd und unberechenbar erscheinen, was wiederum das Bedürfnis nach Kontrolle und Sicherheit verstärkt.

Blockademechanismus: Starre – blockierte Qualität: Pulsation

Willi Butollo führt Angst unter anderem auf Blockaden von Gefühlen, Erfahrungszuständen, Bedürfnissen, Körperwahrnehmungen und Gedanken durch Tabuisierungen in der Entwicklung eines Menschen zurück (Butollo 2003). Das bedeutet, dass die betreffende Person erleben musste, wie der Ausdruck ihres Selbst in der Welt nicht willkommen war. Stattdessen wurde er bewertet und abgelehnt.

Aus der schmerzhaften Zurückweisung von Bedürfnissen, Gedanken und Gefühlen geht der Wunsch hervor, ihr Erscheinen vorherzusagen oder zu kontrollieren. Aus der Undurchführbarkeit dieses Bestrebens ergeben sich dann neue negative Gefühle, ausgeprägte Sorgen und eine übertriebene Wachsamkeit gegenüber den angstauslösenden Faktoren. Man vermutet, dass die generalisierte Angststörung vor allem durch diesen Kreislauf aufrechterhalten wird.

Diese Kontrolle können wir auch auf der Ebene des Körpers beobachten. Zunächst aktiviert die Angst unsere Handlungsbereitschaft. Anschließend unterdrücken wir die entstandenen Handlungsimpulse, weil wir ihre negativen Folgen fürchten. Zentrale körperliche Angstsymptome wie Herzklopfen, ein Anstieg des Blutdrucks und schnelle Atmung werden damit nicht in Aktivität umgesetzt. Stattdessen richtet sich die Energie gegen das eigene Selbst.


Die Überwindung der Blockaden
Karuna: Mitgefühl entwickeln und Desidentifikation erreichen

Akzeptanz verbindet aus Sicht der Akzeptanz-Commitment-Therapie (ACT), ein jüngerer Ansatz der kognitiven Verhaltenstherapie, Gegenwartsorientierung mit den Qualitäten Mitgefühl (Karuna), Güte (Maitri), Offenheit (Upeksha) und Bereitwilligkeit (Mudita) (Eifert/Forsyth 2009).

Diese Eigenschaften sind in der Begleitung von Menschen mit einer Angststörung von größter Bedeutung. Denn die Schwierigkeiten der Betroffenen, sich im Kontakt mit anderen Menschen angemessen wahrzunehmen, kann auch in der Beziehung zwischen Klient*in und Begleiter*in zur Entstehung von Verunsicherung und Angst führen. So braucht es bei der Begleitung ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen, Verständnis, Mitgefühl und Unvoreingenommenheit. Noch mehr als in jeder Alltagsbeziehung wird hier authentisches Mitgefühl zum Prüfstein nachhaltigen, unterstützenden Kontakts. Nicht zuletzt deshalb, weil fast immer in der Vergangenheit bestimmte Beziehungserfahrungen das Vertrauen des/der Klient*in verletzt oder missbraucht haben. Das Erleben einzelner Gefühle ist für ihn/sie unerträglich geworden.

In der Begleitung muss daher ein Beziehungsraum zur Verfügung gestellt werden, der es dem/der Klient*in ermöglicht, sich auch jenen Gefühlen hinzugeben, die er/sie über sehr lange Zeit gemieden hat. »Es ist (vorübergehend) notwendig, auch sehr unangenehme Gefühle wie Einsamkeit, Ohnmacht, Versagen, innere Leere ertragen zu können, um aus diesen Gefühlen heraus, gleichsam im Hier und Jetzt der lebendigen Erfahrung, neue Ausdrucksmittel zu entwickeln« (Butollo 2003).

Um diesen schwierigen Prozess zu unterstützen, entwickelte Jeffrey Brantley, der auch mit der MBSR-Methode arbeitet, eine Haltung von Achtsamkeit und Meditation für den Umgang mit Angst. »Es ist ein wichtiger Teil Ihrer inneren Reise, in der Meditation zu lernen, voller ­Mitgefühl sich selbst gegenüber präsent zu bleiben, während Sie den Schmerz von Angst, Furcht und Panik ertragen. Wenn Sie durch Meditation lernen, angesichts von Schmerz und Furcht weich und offenen Herzens zu bleiben, werden Sie auch erfahren, was es bedeutet, nicht von ihnen beherrscht zu werden« (Brantley 2006).

Doch Akzeptanz kann nicht einfach gelehrt oder vorgetäuscht werden. »In solchen Fällen ist es sehr wahrscheinlich, dass bei Ihnen und Ihren Klienten im Verlauf der Therapie Nicht-Akzeptanz in subtiler Form auftreten wird« (Eifert/Forsyth 2009). Nicht-Akzeptanz als eine Form der Abwehr verstärkt wiederum den Angstkreislauf und behindert eine konstruktive Entwicklung. Der/die Klient*in muss ausreichend Vertrauen und Sicherheit erleben, um Gefühle, Bedürfnisse und Gedanken, die er/sie als fremd empfindet, anzunehmen und zugleich die Funktion negativer Erwartungsgefühle zu erkennen.

Das sind wichtige Voraussetzungen, um die Mechanismen der Identifikation aufzudecken: »(…) durch das Durchbrechen der Identifikation mit den furchterregenden Gedanken unterstützt die Achtsamkeit die natürliche Fähigkeit der höheren kortikalen Zentren, die Situation im richtigen Zusammenhang zu sehen und richtig zu interpretieren« (Brantley 2006).

Drashta: Achtsamkeit im Umgang mit den eigenen Gefühlen entwickeln

Auch in der ACT geht es um »(…) Einüben von achtsamer Akzeptanz und Bereitschaft zum Durchleben unerwünschter Körperwahrnehmungen, Gedanken und Gefühle während Angst und sonstiger emotionaler Zustände. (…) Die Akzeptanz- und Achtsamkeitshaltung der ACT kann als ein Weg verstanden werden, die Verschmelzung von Ereignissen oder Erfahrungen mit der Bewertung solcher Erfahrungen zu entschmelzen, zu lockern oder zu entwirren« (Eifert/Forsyth 2009). Je besser wir die Angst und ihre Symptome kennenlernen und verstehen, umso leichter wird es, gleichzeitig die gesunde Angst anzunehmen und wieder als Teil von uns zu erleben.

Aus der Perspektive der Yogapsychologie geht es also darum, die Erregungsmuster unserer Psyche (Cittavrittis) zu erkunden und zu verstehen. Die Praxis hat zum Ziel, dass der/die Übende bzw. der/die Klient*in erkennt, wann und wie er/sie die Realität verzerrt und sie nur einseitig oder falsch wahrnimmt.

Die Bedeutung des Körpers: Lernen, sich der Pulsation hinzugeben

Da die Kontrollmechanismen der Angst die Hingabe an Gefühle beeinträchtigen, haben sich bei der Behandlung von Angststörungen naheliegender Weise auch Entspannungsmethoden bewährt. »Personen mit Panikstörungen reagieren auf ihre eigenen intensiven und gutartigen Erregungsempfindungen (zum Beispiel Empfindungen des Herzschlags, Schwitzen), indem sie dagegen ankämpfen und sich ihnen wiedersetzen, als ob sie bedrohlich oder gefährlich wären und unter keinen Umständen auftreten dürften« (Eifert/Forsyth 2009).

Entspannungsmethoden können dabei unterstützend wirken, somatische Kontroll- und Angstreaktionen, die durch Bewertungen und Identifikationen entstanden sind, zu identifizieren und sie allmählich aufzugeben. Hier bietet das Yoga ein breites Anwendungsspektrum. Durch das Erleben des essenziellen Gehaltenseins, das wir erfahren, wenn wir uns der Entspannung und natürlichen Pulsation überlassen, entsteht neues Vertrauen in das Leben.

Annehmendes Gewahrsein: Das Selbst

Ein derartiges entspanntes Vertrauen bedeutet gleichwohl nicht, passiv zu bleiben. Im Gegenteil: Es ist die notwendige Voraussetzung, um die eigenen Bedürfnisse in der Welt zu vertreten. Diese Aktivität, das Handeln und Behaupten ist Ausdruck gelebter Selbst-Annahme und die Rückkehr in ein integriertes, verbundenes Leben.

Wie jedes Leiden hebt auch die Angst die Wunden unserer Fragmentierung hervor. Sie konfrontiert uns mit Identifikationen, Wertungen und Kontrollen, die wir lernen müssen aufzugeben, damit sich unser Ich dem Selbst anvertrauen kann. Auf diese Weise betrachtet, ist Angst nicht länger etwas, was uns behindert: Sie ist das Tor, das wir durchschreiten müssen, wenn wir über uns selbst hinausgelangen wollen.


Teil II


Integrative Yogapsychologie: Das Absolute und das Konkrete

What You Gonna Say to the Real Me?

1976 in West-Berlin änderte sich mein Leben tief und nachhaltig.

Als Kind wohnte ich mit meiner Familie am Rand von West-Berlin, Frontstadt des Kalten Krieges. Von meinem Fensterplatz in der Grundschule konnte ich weit über den Mauerstreifen blicken, wo die bewaffneten Soldaten der Nationalen Volksarmee patrouillierten. Die weltpolitische Lage war drückend. Der deutsche Herbst war am Heraufziehen. Ulrike Meinhof nahm sich in Stammheim das Leben und wurde auf einem Friedhof in Berlin, unweit unseres Hauses, beerdigt.

Mein Vater arbeitete als Regisseur beim Film, während meine Mutter bei meinem Bruder und mir zu Hause blieb. Damals war die Rolle der Hausfrau noch üblich und angesehen. Nach dem Tod meines Großvaters wohnte auch meine Großmutter bei uns. Die Zimmer des alten Hauses waren großzügig dimensioniert und die stets geöffneten Türen eine ernst gemeinte Einladung, der gerne gefolgt wurde. In meiner Erinnerung sind diese Räume erfüllt von den Stimmen spielender Kinder aus der Nachbarschaft, laut und ausgelassen. Am Wochenende fuhren wir an den Wannsee zum Baden oder gingen am Kudamm ins Kino, um Bugsy Malone zu sehen. Das Leben erschien mir geborgen und sorglos.

Ich erinnere mich an keinen konkreten Auslöser. Von einem Tag zum nächsten war es da. Nicht theoretisch, sondern ganz nah, real und unmissverständlich: »Ich werde sterben! Meine Eltern werden sterben! Alles vergeht!« Meine Angst war übermächtig und drängte alles andere in den Hintergrund. Mit neun Jahren hatte ich keine Ressourcen, um diese Erfahrung zu regulieren. Nächtelang lag ich weinend wach. Ich fühlte mich ohnmächtig und ausgeliefert. Auch meine Eltern waren hilflos. Alle Versuche, mich zu beruhigen, blieben erfolglos.

Der Blick hinter den Schleier der oft banalen, aber auch sicheren Alltagsoberfläche machte mich untröstlich. In der Katha-Upanischad, einem Kapitel der indischen Upanischaden, bittet der junge Nachiketa den Tod selbst, Yama, ihn als Schüler zu akzeptieren. Nach einer Prüfung hält Yama ihn für geeignet, und es folgt ein zentraler Dialog der vedischen Literatur. Doch ich war nicht Nachiketa!

Es war die Zeit, in der David Bowie im Château d’Hérouville nahe Paris die erste Hälfte seines Albums Low einspielte. Der Musikjournalist Simon Reynolds schrieb später, Low klinge wie »eine implodierende Aggression«. Bowie war am Ende und verbarg es nicht, sondern drückte es kreativ und stimmungsvoll aus. Erfüllt von verschiedensten Ängsten, wiederkehrenden psychotischen Episoden und körperlich völlig ausgezehrt, begab er sich nach West-Berlin. An seiner Seite Iggy Pop, dem es nicht besser ging.

Mit all seinen künstlerischen Häutungen war Bowie das eigene Selbst abhandengekommen. Unter der letzten Schicht schien nichts mehr zu kommen. »Ich hatte Angst um mein Leben«, wird er später über diese Zeit sagen. In Berlin wollte er sich nicht mehr neu erfinden, sondern finden. »Under the cool, under the cool and under the ball. What you gonna say to the real me, to the real me«, heißt es in What in the World. Die atmosphärische Dichte von Low würde mich später noch lange begleiten.

Erschrocken und verstört saß ich in einem dunklen, holzgetäfelten Institut für klinische Psychologie. Es gab Tests und Gespräche, aber weder Befund noch Therapie. Eine gemeinsame Sitzung mit beiden Eltern lehnte mein Vater ab. Der Tod und die Angst blieben bei mir. Sie überforderten und forderten heraus. Mich selbst zu finden, zu verstehen und anzunehmen, würde die Aufgabe der kommenden Jahrzehnte werden. Würde es mir möglich sein, mit Yama an meiner Seite diese abgründige Vernichtungsangst zu überwinden? Viele Jahre war es das nicht, und es galt noch in etliche Abgründe zu schauen.

Bowie wohnte mittlerweile ganz in der Nähe zusammen mit Iggy Pop und der Fotografin Esther Friedmann in der Berliner Hauptstraße 155. Beide Musiker waren in diesen Monaten außerordentlich produktiv. Beinahe zeitgleich mit der Produktion des Albums Low nahm Bowie mit James Osterberg, wie Iggy Pop im wahren Leben heißt, The Idiot und anschließend Lust for Life auf. Titel, Cover und Musik zeigten klar, in welche Richtung es nun ging. Was bei The Idiot noch wunderbar cool, abgegrenzt und dunkel gewesen war, wurde auf Lust for Life kraftvoll, erdig und lebendig. Der bleiche Iggy bekam ein wenig Farbe!

Das galt auch für Bowie. Direkt nach einer Tour mit Iggy Pop und dem Abschluss der Aufnahmen zu Lust for Life machte er sich an die Arbeit für sein Album Heroes. Charles Shaar Murray schreibt dazu: »Bei Heroes ging es um den Sieg über einen Geisteszustand« (Jones 2018). Heroes war die Aufrichtung aus Low. So heißt es im Song Blackout: »Get me to the doctor. Get me off the streets. (Get some protection). Get me on my feet. (Get some direction).« Aber wie sollte ich das machen? Wie mich in meinem Selbst aufrichten, auf die Beine kommen, meine Richtung finden?

Bowie verließ die Stadt zwei Jahre später als jemand, der sich gefunden hatte. Seine Zeit der andauernden Verwandlungen war vorbei. Meine Reise nahm eine gegenläufige Bewegung. Ich entwarf und verlor mich in verschiedenen Versionen meines Selbst; versuchte angestrengt, jemand zu sein, der ich nicht war, und vermied denjenigen, der ich war. Ich taumelte zwischen Selbstentwertung und Selbstüberschätzung. Niemals wich dabei die Angst von meiner Seite.

Was ich nicht begriff, war das Naheliegende: die Erkenntnis, wer ich war – und bin. Manche der langen und verschlungenen Wege, das Ausweichen, die Häutungen mögen im Nachhinein wie vertane Zeit wirken. Aber das waren sie nicht. Denn es geht im Leben nicht um den kürzesten Weg, sondern um den ganz eigenen: das Entdecken unseres Wesens, unseres Selbst (Svabhava). Und um die Hingabe an dieses Selbst, an seine Bestimmung, seine Bedürfnisse sowie unsere Treue zu ihm: Svadharma. Hier beginnt sich die Angst endlich zu verwandeln. Denn das sterbliche Ich verliert auf dem Weg an der Seite des wahren Selbst an Bedeutung.

Kleshas in der Entwicklungspsychologie

Es ist nicht leicht, das enge Ich, den Teil, mit dem wir uns in der Regel identifizieren, vom weiten Selbst zu unterscheiden. Worin besteht seine Aufgabe? Das Ich tritt auf die Bühne, wenn wir uns bedroht fühlen. Wenn etwas in körperlicher oder seelischer Hinsicht zu viel, zu wenig oder falsch ist. Im Ich verdichten wir die eigene Existenz. Aus dieser Kompression behaupten wir unsere Bedürfnisse gegenüber der konkreten Welt.

Das Selbst dagegen wird nicht durch Angst und Mängel generiert. Es ist der Zugang zum Da-Sein. In ihm fühlen wir unser Recht zu sein, ohne es beweisen oder bestätigen zu müssen, verbunden sowohl nach innen als auch nach außen, Selbst-verständlich und Selbst-sicher. Dieser Selbst-Wert geht nicht aus einem Vergleich hervor. Er muss sich nicht erhöhen oder andere erniedrigen. Das Ich wird durchlässig, wenn es mit dem Selbst verbunden wird. Es entsteht eine Öffnung in den transpersonalen Raum des Absoluten, jenseits von Angst.

Yogapsychologie ist die Verbindung zwischen dem Absoluten und dem Konkreten: Yoga befasst sich mit der Verwirklichung des Absoluten, während die Psychologie nach Lösungen von Problemen im Konkreten sucht. In der integrativen Yogapsychologie schafft das eine die Voraussetzung für das andere. Sie versucht, unsere Verstrickungen im Konkreten zu lösen, um uns dem Absoluten anvertrauen zu können.

Im Folgenden möchte ich Patanjalis Modell der Kleshas mit der Charakteranalyse nach Wilhelm Reich verbinden, um das eine im anderen sichtbar zu machen. Beginnen wir mit dem Modell der Kleshas.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

₺1.005,03