Kitabı oku: «Verkörperter Wandel», sayfa 4

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Pranidhana und Regulation

Pulsation erfolgt immer innerhalb eines Kontinuums, zwischen schnell und langsam, stark und schwach, gespannt und entspannt etc. Sie ist Bestandteil von zum Teil lebensnotwendigen Regulationsprozessen, die entweder unbewusst ablaufen oder gezielt beeinflusst und harmonisiert werden können. Wenn der Körper in einem Aspekt seines Pulsierens anhält und erstarrt, werden wir krank, oder die Starre an sich ist bereits Ausdruck einer Krankheit.

Eine mögliche psychologische Ursache für chronisch eingeschränkte Pulsation ist, dass verschiedene als unpassend oder bedrohlich eingestufte Gefühle an ihrer Entstehung und in ihrem Ausdruck gehindert werden. Dies geschieht beispielsweise durch die Kontraktion oder Erschlaffung der Muskulatur. Wilhelm Reich prägte dafür den Begriff der Muskelpanzerung (Reich 1971).

Auf diese Weise werden etwa Gefühle wie Angst in der Muskulatur des Nackens eingefroren – die Angst sitzt uns sprichwörtlich im Nacken. Der »Kloß im Hals« ist häufig Ausdruck von blockiertem Schreien, Weinen oder Sprechen; zurückgehaltene Wut kann zu Verspannungen im Bereich der Schulterpartie oder im Kiefer führen etc. (Boadella 1991). Die Literatur der Körperpsychotherapie beschreibt diese Phänomene sehr detailliert.

In bestimmten Situationen kann ein Organismus oder ein ganzes System einzelne Pulsationsfelder einschränken oder sogar aussetzen. Dies ist sinnvoll, wenn auf diese Weise übergeordnete Systeme geschützt werden können. So gibt es in massiv bedrohlichen Situationen drei grundsätzliche Reaktionsmuster. Das erste besteht darin, sich der Gefahr im Kampf zu stellen, das zweite, sich ihr durch Flucht zu entziehen. Scheint beides unmöglich, fällt der Körper in das dritte Muster, eine Art Starre. Bei einer Traumatisierung bleibt, selbst wenn die Gefahr vorüber ist, die Muskelpulsation reduziert und eingefroren im Überlebensmodus. Gefühle werden nur noch eingeschränkt wahrgenommen.

Peter Levine interpretiert die körperliche Starre traumatisierter Menschen als eingefrorene Flucht- oder Kampfbewegungen. Er ermutigt seine Patient*innen, ihrem Körper aufmerksam zu folgen und sich den erstarrten Reaktionen bis zum Ende hinzugeben. Dabei entstehen häufig unwillkürliche Entladungen wie Zittern, Kälte, Schaudern, Hitzewellen etc. Die sich dabei wieder entfaltende gesunde Pulsation der Muskulatur hat eine signifikante Erhöhung der Lebensqualität zur Folge (Levine 2011).

Diese Art der Entladung ist jedoch nur heilsam, wenn der oder die Betroffene ausreichend psychisch stabil ist und sich in einer sicheren Umgebung befindet. Andernfalls kann das Reaktivieren dieser Energie zu einer Retraumatisierung führen.

In der yogapsychologischen Körperarbeit versuchen wir durch ­Pranidhana, die Hingabe an die Pulsationsmuster der Muskulatur und der Atmung, eine Freisetzung unterdrückter, gebundener Emotionen zu fördern. Erst das ungehemmte Zulassen der Pulsation von Muskulatur und Atmung ermöglicht uns, lebendige Körperlichkeit wieder tief zu erleben. Starre beschreibt dagegen stets das Einfrieren von Schwingungsfähigkeit. Dabei spielt es keine Rolle, um welche Ebene der Pulsation es sich handelt.

Grün: Rajas, Mitgefühl und Annahme – Die emotionale Ebene

Die Farbe Grün steht in unserem Bild für das Gefühl, das subjektive Erleben. Ursprünglich bedeutet Rajas »der gefärbte Raum«. Eine treffende Beschreibung für das, was Emotionen tun: Sie färben den Raum unserer Wahrnehmung. Zugleich sind Gefühle auch immer Träger von Handlungsenergie. So verkörpert Rajas in der Sankhya-Philosophie ­Leidenschaft, Bewegung und Aktivität.

Aber Gefühle sind viel mehr. Sie sind wesentlicher Bestandteil unserer Kommunikation, notwendige Unterstützung beim Erkennen gesellschaftlicher Normen und fungieren als Impulsgeber und Motivation für spontane Reaktionen oder längerfristig angelegte Handlungen. Erst die Gefühle ermöglichen uns ein tiefes Erleben von Realität. Zugleich können sehr starke Gefühle (Cittavrittis) auch Realität vortäuschen.

Die Fähigkeit, ein breites Spektrum unterschiedlicher Gefühle empfinden zu können, ist ein Aspekt psychischer Gesundheit. Erst wenn Gefühle häufig in einem unangebrachten Kontext auftauchen, sich nicht angemessen regulieren lassen oder eine Intensität erreichen, die durch die auslösende Situation nicht gerechtfertigt ist, muss man von psychischer Erkrankung sprechen.

Eine wesentliche Voraussetzung für angemessenes emotionales Schwingen ist Karuna, das Mitgefühl. Mitgefühl ist die Fähigkeit, eigene Gefühle mit denen anderer in Resonanz zu bringen – wie bei einer stummen Saite eines Musikinstruments, die durch einen anderen Klang in Resonanz gebracht wird, zu schwingen beginnt und dadurch denselben Ton erklingen lässt. Dafür braucht es die Fähigkeit, eigene Gefühle, wann immer sie auftauchen, erkennen und annehmen zu können. Denn unbekannte, unterdrückte und nicht zugelassene Gefühle können nicht angemessen mitschwingen. Sie klingen entweder verzerrt und treffen so den Ton des Gegenübers nicht oder bleiben stumm. Daher fühlen wir uns ohne die Fähigkeit, Mitgefühl zu empfinden, auch in Gesellschaft anderer Menschen einsam.

Das griechische Verb agapan, von dem sich der Begriff Agape ableitet, wird oft als »selbstlose Liebe« übersetzt. Agape beschreibt eine metaphysische Beziehung zwischen Menschen, die das Erkennen und Begleiten des anderen mit einschließt. Diese Nächstenliebe ist die höchste christliche Tugend neben Glaube und Hoffnung (1 Kor 13.13).

In einem zentralen Abschnitt des Yogasutra empfiehlt Patanjali die beständige Praxis (Abhyasa) mit Freundlichkeit und Liebe (Maitri), Ermutigung und Mitfreude (Mudita), Geduld (Upeksha) und Mitgefühl (Karuna). Diese Qualitäten zu üben, versetze uns in die Lage, die eigene Psyche so zu beruhigen, dass wir unser wahres Wesen erkennen würden.

Auch im Buddhismus gehören liebende Güte (Metta), Mitfreude (Mudita), Gleichmut (Upeksha) und Mitgefühl (Karuna) zu den vier Grundtugenden. Im Buddhismus werden diese Tugenden Brahmaviharas genannt, was übersetzt »die vier himmlischen Verweilzustände« bedeutet. Was für eine schöne Einladung!

Zu den fünf Tugenden des Konfuzianismus gehört neben Rechtschaffenheit, Gewissenhaftigkeit, Ehrlichkeit und Gegenseitigkeit auch die Liebe im Sinne mitfühlender Menschlichkeit. Damit betonen die großen Weltreligionen die grundlegende Bedeutung des Mitgefühls.

Mitgefühl versetzt uns in die Lage, mit anderen Menschen einen transpersonalen Raum zu schaffen und zu teilen. Mit dem Jesuswort »Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen« (Mt 18.20) ist die Bewusstseinstiefe der Liebe gemeint, die auf eine auslösende Ursache oder persönliche Betroffenheit verzichtet und die Erfahrung von »Nicht-getrennt-Sein« bzw. »Heilsein« schafft. Auf diese Weise geht sie über das persönliche Erleben hinaus. Wenn wir fähig sind, uns mit dieser annehmenden Liebe zu begegnen, heilt sie vorhandene Brüche. Was vorher fragmentiert war, darf nun ganz, heil und gesund sein.

Liebevolle Annahme jenseits von Identifikation

Identität entsteht durch den selbstreflexiven Prozess von inneren und äußeren, aktuellen und gespeicherten Erfahrungen. Wie eine Spinne weben wir uns zwischen diesen Erfahrungen ein Netz, in dessen Zentrum wir sitzen.

Entwickelte personale Identität besteht nicht nur aus den Inhalten unserer Erfahrung, sondern auch aus den ­Schwingungsmustern zwischen ihnen. Man könnte sagen, dass gesunde Identität pulsiert, denn Gefühle strömen in unseren emotionalen Resonanzraum, breiten sich aus und verklingen wieder. So betrachtet, bleibt Identität beweglich, frei und schwingungsfähig im Gegensatz zur Identifikation, die an den Erfahrungen festhält.

Es ist nicht nötig, sich mit Gefühlen im Sinne von »Ich bin ängstlich« zu identifizieren, denn damit legen wir uns fest, und unsere Identität verhärtet sich. Zunehmend setzen wir uns dann aus verschiedenen Facetten wie »Ich bin mutig, friedlich, faul, feige oder wütend« zusammen.

Wenn sich Teile dieses Selbstbildes widersprechen oder sich unsere Persönlichkeit weiterentwickelt, nehmen wir das als Konflikt wahr. Um diesen zu lösen, verleugnen wir situativ unpassende Seiten und stellen scheinbar angemessene heraus. Eine andere Möglichkeit besteht darin, sich aus augenscheinlich gut funktionierenden Anteilen eine feste ­Persönlichkeit zu erschaffen. Dieser Typ mag stabiler sein als der erste, doch sein emotionaler Resonanzraum ist starr und seine Schwingungsfähigkeit vermindert.

Im Yoga sprechen wir hier von Samyoga, der Verbindung des Sehers (Drashta, Purusha) mit dem Gesehenen und Erfahrenen (Drishya, ­Prakriti). Diese Identifikation wird als Ursache des menschlichen Leides betrachtet (Yogasutra 2.17).

Dabei ist es durchaus möglich, eine Erfahrung wie »Ich fühle mich ängstlich« anzunehmen, ohne sich deshalb auf »Ich bin ängstlich« festlegen zu müssen. Drashta erkennt im Selbstmitgefühl die Erscheinungen von Prakriti, ohne sich mit ihnen identifizieren zu müssen. So steht »Ich fühle mich mutig« nicht länger im Widerspruch mit »Ich fühle mich schüchtern«. Beides sind Pole eines lebendigen Kontinuums.

Vom Standpunkt einer bewussten, schwingungsfähigen Identität aus bedeutet Mitgefühl haben, bei sich selbst sein zu können. Diese ­Haltung der mitfühlenden Annahme ermöglicht es uns auch, mit anderen zu fühlen. Gefühle bedrohen uns also nicht länger oder widersprechen einander, sondern erscheinen als aufsteigende und abebbende Wellen in unserem Bewusstsein.

Um mit anderen Menschen mitzufühlen, ist es notwendig, unsere eigene Identität und unsere Bedürfnisse zurückstellen zu können. Diese Qualität ist nah an der unverfälschten Quelle (Purusha). Persönliche Färbung (Rajas) schränkt die Mitgefühlsfähigkeit ein. Wenn wir mit starken Wertungen von »richtig« und »falsch« identifiziert sind, kann nicht genügend Raum für die Gefühle unserer Mitmenschen entstehen.

Lautet beispielsweise ein Glaubenssatz von uns »Man sollte immer glücklich sein«, macht er es uns unmöglich, authentisches Mitgefühl für die Trauer anderer zu empfinden. Auch ein Beziehungsbedürfnis kann dem Mitgefühl blockierend gegenüberstehen: Wenn wir eine Person sehr mögen und ihre Nähe schätzen, wird es uns schwerfallen, sie mitfühlend in ihrem Bedürfnis nach Abstand und Unabhängigkeit zu unterstützen.

Für die Entwicklung von Mitgefühl brauchen wir also eine gewisse Durchlässigkeit, sowohl der eigenen Identität als auch unserer Bedürfnisse.

Blau: Sattva, Achtsamkeit und Bewusstheit – Die geistige Ebene

Sattva steht im Sankhya für das lichtvolle, reine und geistige Prinzip. Stärker noch als bei den beiden anderen Farben, die für den Körper und das Gefühl stehen, benötigen wir für den von Blau repräsentierten »Geist« eine klare Definition. Oft wird Geist mit Psyche gleichgesetzt, wobei diese auch Gefühle einschließt.

Um den Geist von den Emotionen abzugrenzen, definieren wir ihn hier als kognitive Fähigkeit wie Denken, Wahrnehmung, Gedächtnis, Problemlösung und Lernen. Dabei kennt der Geist jenseits seiner Inhalte und Fähigkeiten eine große Anzahl verschiedener Zustände und Verfassungen wie Ruhe, Klarheit und Konzentration oder auch Zerstreuung, Sprunghaftsein etc.

In welchem Zusammenhang stehen nun Bewusstsein bzw. Gewahrsein und Geist? Wir erinnern uns: In der indischen Sankhya-Philosophie entsteht der Mensch durch die Begegnung zwischen Purusha, dem göttlichen Bewusstsein, und Prakriti, dem Wahrnehmbaren. Zunächst entwickelt sich dabei eine Art intuitive Weisheit (Buddhi), in der sich das reine Licht des Bewusstseins erstmals der Welt zeigt. Daraus ergibt sich wiederum das Identifikationsvermögen (Ahamkara), das unterscheiden und trennen kann. Aus dieser Funktion entwickelt sich dann der Geist (Manas), auf den die Empfindungen der Wahrnehmungsorgane projiziert werden, der Entscheidungen trifft und reagiert (Unger/­Hofmann-Unger 1999).

Im Folgenden verstehe ich universelles Bewusstsein, wie Brahman im Vedanta oder Purusha in der Sankhya-Philosophie, als Grundlage des persönlichen Bewusstseins, des Selbst (Atman). Universelles Bewusstsein ist der beseelende Stoff, der Materie überhaupt erst erschafft und belebt. Wenn wir universelles Bewusstsein als »das Eine-ohne-ein-Zweites« verstehen, erfahren wir es in uns selbst als das Sein, die Existenz oder, wie oben angesprochen, im »Ich bin«. Dieser Urgrund drückt sich in uns dann weiter als Pulsation (Körper), Mitgefühl (Emotion) und Achtsamkeit (Geist) aus, die sich schließlich untereinander mischen. So steht diese Trinität für einen erfahrbaren Ausdruck des universellen Bewusstseins.

Achtsamkeit ist jener Teil der Wahrnehmung, der vom Wissen begleitet wird, dass wir wahrnehmen. Sie ist frei von Urteil und Bewertung und demnach bewusste, urteilsfreie Wahrnehmung.

Der indische Lehrer Nisargadatta Maharaj sagt: »Durch die uneingeschränkte Akzeptanz von Allem, was möglicherweise auftaucht und somit ganz einfach vorhanden ist, bestärken Sie alles Tieferliegende, an die Oberfläche zu kommen und dadurch Ihr Leben und das Bewusstsein mit seinen eingeschlossenen Energien zu bereichern. Das ist die grenzenlose Wirkung des Gewahrseins« (Maharaj 1996).

Gewahrsein ist das Tor zur transpersonalen Dimension des Geistes (Gemsemer 1997). Denn im Gewahrsein erscheinen uns die Dinge nicht mehr isoliert, sondern als Aspekte des universellen Bewusstseins. Im Dzogchen, einer Tradition des tibetischen Buddhismus, ist Rigpa der Begriff für Intelligenz, die »innerste Natur des Geistes«. Er steht für reines Gewahrsein jenseits aller Begrenzung, durch das man zum Zustand der Allwissenheit und Erleuchtung gelangt. Doch auch diese hohe Form von Intelligenz ist ohne Mitgefühl nicht in der Lage, ihr gesamtes Potenzial zu entfalten.

Wahrnehmung jenseits von Wertung

Wie wir gesehen haben, ist es eine entwickelte Fähigkeit des Geistes, sich über Dinge bewusst zu sein, ohne über sie urteilen zu müssen. Das bedeutet, sie als Ganzes erleben zu können – und damit auch den ihnen innewohnenden Aspekt des universellen Bewusstseins.

Eine andere Fähigkeit des Geistes besteht darin, zu beurteilen und zu werten. Sie teilt die Welt auf in Kategorien wie alt und neu, hilfreich und nutzlos, hässlich und schön etc. Zum Teil handelt es sich dabei um notwendige Orientierungsmuster, die uns helfen, uns in der Welt zurechtzufinden. Je stärker wir aber pauschal wertende Kategorien wie »gut« oder »schlecht« kreieren, umso starrer werden die Identität und Bindung (Samyoga), die daraus hervorgehen. »Gut« oder »schlecht« sind keine Kategorien des Selbst. Das Selbst pulsiert völlig unabhängig zwischen den inneren und äußeren Bedürfnissen.

In Krisen werden solche Bewertungen häufig zu einem dysfunktionalen Wertesystem zusammengefügt. Das bedeutet, dass immer weniger unmittelbar erfahren, betrachtet und gefühlt wird. Stattdessen dominiert ein selektiver Blick, der Menschen und Dinge, Gefühle und Gedanken in Kategorien aus vorgefertigten Meinungen und alten Erfahrungen einsortiert. Die Dominanz solcher »Voreinstellungen« führt zu einer Verformung und Verfärbung der Realität (Cittavritti). Wir sehen die Welt nicht, wie sie ist, sondern durch die Brille unserer vorgefassten Meinungen. Die Gestalttherapie bezeichnet das als »Ego-Prozess«: »Das bin ich, und das bin ich nicht.«

Schwierig wird es, wenn scheinbar »schlechte« Gefühle in uns aufsteigen, die nicht zu unserer »guten« Identität passen. Diese »unpassenden« Seiten werden dann mithilfe verschiedener Abwehrmechanismen vor der eigenen Identität verborgen. Wir entziehen sie unserem Gewahrsein. Allerdings wird unsere Selbst-Wahrnehmung damit unvollständig, und was wir in unserm Inneren nicht kennen, verstehen wir auch nicht in der äußeren Welt. Im ersten Schritt sind wir uns selbst fremd geworden, im zweiten Schritt entfremden wir uns von der Welt. Je länger ein solches (Persönlichkeits-)System existiert, umso starrer und unbeweglicher wird es.

Aus der Perspektive einer integrativen Yogapsychologie steht Sattva nicht für ideale Eigenschaften wie Reinheit und Licht. Sattva steht vielmehr für die geistige Fähigkeit und Bereitschaft wertfreier, achtsamer Wahrnehmung und Erkenntnis.

Weiss: Sat-cit-ananda

Sat-cit-ananda beschreibt im Sanskrit das Wesen von Brahman: die attributlose, unendliche, transzendente Realität sowie den Urgrund von Materie, Energie, Zeit und Raum. Der Begriff setzt sich aus drei Wörtern zusammen:

1 Sat (der Körper – »Rot«) bezeichnet den reinen Zustand des Seins, der Existenz an sich. Sat ist der unpersönliche Ausdruck des Lebens und damit Grundlage jeder Pulsation.

2 Cit (der Geist – »Blau«) bezeichnet das unpersönliche Bewusstsein, das reine Gewahrsein, die Grundlage von Achtsamkeit. Wir erfahren Cit, wenn sich Achtsamkeit in seinem eigenen Licht durchdringt.

3 Ananda (das Gefühl – »Grün«) bedeutet Freude oder Glückseligkeit. Dieses Gefühl der Wonne entsteht, wenn allumfassendes Mitgefühl in sich selbst eintaucht, von sich erfüllt und umgeben ist. »Lebenskraft, Liebe und Bewusstsein sind von der Essenz her alle eins« (Maharaj 2009).

Zen-Meister Samy schreibt: »Sambhogakaya, der Körper der Glückseligkeit, ist das im Selbst verweilende Selbst, das Selbst, das sich am Selbst erfreut. Es ist das Selbst im Urgrund seiner grenzenlosen Offenheit und seines Geheimnisses. Das Selbst ist in seinem Körper, seinem Geist, seiner Seele zuhause, es ist in die Natur, wie auch in die Kultur eingebettet« (Samy 2005).

Eine holistische Perspektive
MAP: Eine Karte der Orientierung

Wie wir gesehen haben, können wir Körper, Gefühle und Geist grundsätzlich als interagierende Felder unserer Existenz betrachten. Jedes Feld hat ein eigenes, herausragendes Potenzial: die Pulsation, das Mitgefühl und die Achtsamkeit. Dabei ist die Pulsation nicht nur für den Körper relevant, sondern auch für das emotionale und geistige Feld. Genauso brauchen wir das Mitgefühl für unsere Körperlichkeit und unseren Geist sowie die Achtsamkeit für unseren Leib und unsere Emotionen. Das Potenzial einer Ebene befruchtet und bereichert somit jene der anderen.


Aus den Interaktionen zwischen den Ebenen und ihren Erlebenspotenzialen ergeben sich neun Felder. Jedes von ihnen bietet uns eine verlässliche Orientierung auf dem Weg in ein ganzheitliches, selbstreguliertes und integriertes Leben. Zugleich ermöglichen die Felder ein erstes Verständnis eventuell vorhandener Blockaden und des betroffenen Lebensbereichs. Zu den neun Feldern, ihren Potenzialen und Aufgaben gehören:

1 Sich dem Körper, seinen Bedürfnissen und Impulsen hingeben: Aus dieser Fähigkeit entsteht Vertrauen in das Wissen des eigenen Körpers sowie die Freiheit, seinen lebendigen und spontanen Ausdruck zuzulassen. Das ist die Grundvoraussetzung, um uns im eigenen Körper zu Hause fühlen zu können – eine Erdung in unserer organischen und muskulären Existenz. In den Bereichen Atmung und Bewegung können wir dies besonders deutlich erfahren.

2 Den Körper, seine Bedürfnisse und Impulse annehmen: Das setzt ein warmes, akzeptierendes Einfühlungsvermögen voraus. Dabei geht es nicht darum, unsere Bedürfnisse und Impulse rücksichts- und bedingungslos auszuleben, sondern vielmehr darum, ihr Erscheinen absichtslos anzunehmen.

3 Unsere Bedürfnisse wahrnehmen: Um unseren Körper bewusst wahrnehmen zu können, müssen wir offen für unser sinnliches Erleben sein, jenseits von Wertung. Auf dieser Grundlage wird es möglich, einzelne Empfindungen den ihnen zugrundeliegenden Bedürfnissen zuzuordnen. Dieses Feld ist die Voraussetzung für unser Körperbewusstsein.

In den ersten drei Orientierungsfeldern geht es um jede Form innerer, spontaner und mitunter triebhafter Impulse, wie beispielsweise um den Bereich der Sexualität und um die Fähigkeit zur Hingabe an die lustvollen, mit dem Atem verbundenen Rhythmen des Körpers. Entsprechend lassen sich in diesen Feldern auch Formen von sexuellen Blockaden oder einer insgesamt eingeschränkten Impulsqualität nachvollziehen.

Menschen, die sich von ihrer Körperlichkeit abgespalten erleben, finden in der Auseinandersetzung mit dieser Ebene Ressourcen für die Arbeit mit ihren kognitiven oder emotionalen Blockaden. Allein die Möglichkeit, den Körper bewusst und jenseits von Leistungsansprüchen, Wertung und einer dadurch vielleicht belasteten Sexualität zu erleben, ist für viele Menschen neu und befreiend. Wenn es uns zunehmend gelingt, unsere Körperlichkeit freundlich wahrzunehmen und anzunehmen, können wir allmählich wieder Vertrauen in die eigene Existenz finden und sie stabilisieren.

Die Felder vier bis sechs sind:

1 Die eigenen Gefühle zulassen: Im engl. Wort emotion, »Gefühl«, steckt motion, »Bewegung«. Denn jedes Gefühl ist ein Impulsgeber für Handlungen bzw. Ausdruck eines inneren Zustands. In Kontakt mit Achtsamkeit und Mitgefühl entsteht die Fähigkeit zu gesunder Pulsation in sozialen Beziehungen. Auch hier spielen die Qualitäten Hingabe und Regulation eine wesentliche Rolle.

2 Die eigenen Gefühle annehmen: Gefühle annehmen bedeutet, auch für schwierige, scheinbar unpassende, unangenehme oder sogar schmerzhafte Gefühle eine grundsätzliche Akzeptanz zu entwickeln. Eine dysfunktionale Identifikation bestünde, wenn wir uns stark mit einem aufkommenden Gefühl wie etwa Mut identifizierten, da es uns anschließend schwerfallen würde, ein »gegenteiliges« Gefühl wie Angst anzunehmen. Eine funktionale Identifikation jedoch unterstützt uns in diesem Feld dabei, Mut zu erlernen, wenn er uns als Ressource bislang fehlte.

3 Die eigenen Gefühle wahrnehmen: Das Wahrnehmen von Gefühlen ist die Voraussetzung für emotionale Klarheit. Es schafft in Verbindung mit Hingabe und Annahme den Zugang zu verdrängten oder verleugneten Gefühlen. Hier liegen häufig große Ressourcen verborgen. Eine Bedingung dabei ist, dass wir lernen, aufkommende Gefühle nicht zu werten.

Unsere Gefühle wahrnehmen, annehmen und zulassen zu können, ist eng verbunden mit der Impulsqualität unseres Körpers. Die Felder vier, fünf und sechs beschreiben die Ebene der sozialen Beziehung mit allen Themen von Unter- und Übergrenzung, Abhängigkeit und Autonomie.

Das Wahrnehmen tiefer Emotionen ist Voraussetzung für ein erfülltes Lebensgefühl. Menschen, die nach Sinn in ihrem Leben suchen, leiden häufig darunter, sich leer und abgetrennt zu fühlen. Hintergrund ist dabei nicht selten ein eingeschränkter Zugang zur Emotionalität. Um mit der eigenen Tiefe in Kontakt zu kommen, brauchen wir das gesamte Spektrum unserer Gefühle; wir müssen lernen, sie wertfrei wahr- und anzunehmen.

Das ist auch eine Voraussetzung für befriedigende soziale Beziehungen. Denn das Wahrnehmen der eigenen Bedürfnisse ermöglicht das pulsierende Vor und Zurück, die Regulation von Nähe und Distanz in sozialen Kontakten.

Die letzten drei Felder sind:

1 Eigene Gedanken und innere Bilder zulassen: Geistige Inhalte zuzulassen, ermöglicht uns, kreative Gedanken und innere Bilder zu verwirklichen. Dieses Feld erlaubt uns, Visionen zu entwickeln. Wenn wir es zulassen, können wir aus den scheinbar chaotischen Tiefen des Unbewussten äußerst inspirierende und unterstützende Orientierung erhalten.

2 Eigene Gedanken und innere Bilder annehmen: Selbst zunächst befremdlich oder bedrohlich erscheinende Gedanken sind, richtig verstanden, Teil eines heilsamen Wachstumsprozesses. Erst die Bereitschaft, eigene Gedanken anzunehmen, ermöglicht die Entfaltung ihres unbewussten Potenzials.

3 Eigene Gedanken und innere Bilder wahrnehmen: Gedanken wahrnehmen bedeutet, ein Bewusstsein für unsere häufig unbewusst ablaufenden Gedankenprozesse zu haben. Das ist die Voraussetzung, frei von einschränkenden Gedankenmustern und Glaubenssätzen zu sein.

Die Felder sieben, acht und neun bilden die geistige Dimension des Menschen ab. Hier geht es um Kreativität und Inspiration wie künstlerische Schaffenskraft oder Visionen zukünftiger Lebensgestaltung. Wenn dieser »Kanal« offen ist, reicht unsere Kreativität weit über bewusste Geistesinhalte hinaus.

Ein freier, offener Geist schöpft aus der Gesamtheit seiner bewussten und unbewussten Inhalte. Selbst normale Alltagsgedanken können dieses Potenzial haben. Plötzlich auftauchende, mitunter abwegig erscheinende Gedanken ermöglichen uns, etwas über unsere Seelenlage zu erfahren. Solche Einblicke tauchen noch unzensiert von der Wertungskontrolle auf. Aber auch wenn die Inhalte anscheinend nicht zu uns passen und die Neigung entsteht, sie zu verurteilen und abzulehnen, ist es hilfreich, sie zuzulassen, zu verstehen und ihre Motivationen anzunehmen. Eine zu rigide Wertungsinstanz verhindert den geistigen Ausdruck unserer Seele.

Mithilfe dieser neun Felder ist es uns möglich zu erkennen, wo wir in unserer Entwicklung stehen, wo eventuelle Schwierigkeiten liegen und wie wir Zugang zu geeigneten Ressourcen finden, die uns helfen können, diese Schwierigkeiten zu lösen. In den neun Feldern findet sowohl unsere persönliche als auch spirituelle Dimension ihren Ausdruck. Zudem erweitert die Praxis mit den Orientierungsfeldern das Vertrauen in unser Selbst, denn sie gründet sich in seinen Qualitäten Mitgefühl, Achtsamkeit und Pulsation.

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