Kitabı oku: «Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 5», sayfa 3
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Wie das Christkind zum Christkind wurde
Der Leiter des Waisenhauses taufte das kleine Mädchen, das ihnen jemand am 24. Dezember auf die Türschwelle legte, auf den Namen Christina. Man wusste nicht, woher es kam, und da niemand einen Anspruch auf das kleine Wesen vermeldete, blieb es einfach dort.
Schreckliche Zustände herrschten in dem Waisenhaus, es war für alles zu wenig Geld da und unter den Kindern regierte das Gesetz der Straße. Wer sich nicht wehren konnte, ging unter. Es war keine Seltenheit, dass den Kleineren von den Größeren das Essen geraubt wurde, und man vermochte sich gar nicht vorzustellen, wie oft sich jemand sein Recht durch rohe Gewalt verschaffte.
Doch trotz all der Kälte und Gefühllosigkeit um sich herum wuchs Christina zu einem hübschen und außerordentlich freundlichen jungen Mädchen heran. Sie besaß goldblondes, langes Haar und in allen Farbschattierungen funkelnde Augen.
Sie war von sanftem, gütigem Charakter und vor allem für die Kleineren und Schwächeren hatte sie ein großes Herz. Und Schwache gab es im Kinderheim leider genügend.
Am 24. Dezember wurde immer ihr Geburtstag gefeiert. Ach, welch trügerischer Ausdruck! Man konnte wohl kaum von einer Feier sprechen – es gab weder Kuchen noch wurde ein Geburtstagslied gesungen.
Nicht einmal das heilige Weihnachtsfest wurde in irgendeiner Form gewürdigt. Es bestand einzig darin, dass alle Kinder unter Androhung von Stockschlägen an diesem Tag in die Kirche gehen mussten, auch diejenigen, die sonst nie gingen. Christina hingegen nahm stets gerne an der heiligen Messe teil und saß immer in der vordersten Reihe.
Für sie war das Weihnachtsfest etwas Großes und Heiliges und es betrübte sie, dass es außer ihr niemand besonders wertschätzte.
An Christinas elftem Geburtstag und somit ihrem elften Weihnachtsfest im Kinderheim wurde gegen Mittag auf einmal die kleine Luisa vermisst.
Luisa war erst drei Jahre alt und immer sehr ungebärdig, weil sie grade erst ins Waisenhaus gekommen war. Sie hatte dunkle Korkenzieherlocken und braune Knopfaugen.
Christina liebte dieses kleine Mädchen mehr als alle anderen, weil sie Luisas Mut bewunderte und oft davon träumte, gemeinsam mit ihr anderswo glücklicher zu sein als hier. „Wir müssen sie suchen“, flehte Christina den Heimleiter an. „Es friert draußen und sie wird es nicht lange überleben.“
Der Heimleiter warf einen genervten Blick auf die Uhr. Seine Dienstzeit endete in einer Viertelstunde und er freute sich schon darauf, Weihnachten im Kreis seiner Familie zu verbringen. Die Waisenkinder waren ihm herzlich egal und das kleine, ungehorsame Mädchen ein besonderer Dorn im Auge, weil Luisa ständig für Unruhe sorgte, indem sie die anderen aufwiegelte.
„Nein“, entschied er. „Sie ist wider besseres Wissen davongelaufen, sie ist selbst schuld. Keiner meiner Mitarbeiter wird am Weihnachtstag in der Kälte herumrennen und ein Kind suchen, das ohnehin besser gar nicht mehr auf der Welt wäre.“
Christina spürte, wie die Tränen in ihr hochstiegen, und floh verzweifelt aus dem Zimmer. Sie konnte die kleine fröhliche Luisa einfach nicht im Stich lassen!
Über die grausamen Worte des Heimleiters war sie schockiert. Heute war doch Weihnachten. Das Fest der Liebe, wie es überall geschrieben stand. Und dieser Mann meinte, es wäre besser, wenn ein dreijähriges Kind tot wäre! Sie packte sich in warme Kleidung und schwor sich, alles zu tun, um hier hinauszukommen. Wenn sie nur Luisa retten konnte.
Rund um das Waisenhaus war ein großer See und daran angrenzend ein dunkler Wald. Es schneite heftig, und Christina hatte Mühe, in den Schneeflocken etwas zu erkennen. Die bittere Kälte schnürte ihr den Atem ab und sie merkte, wie die äußere Kälte auch in ihr Herz vordrang. Die Menschen waren so schlecht. Immer ging es nur um Geld und Macht, niemals um Güte oder innere Werte.
Als sie das kleine Mädchen dann liegen sah, erfroren in der Kälte, da brach sie in so heftige Tränen aus wie nie zuvor. Sie befanden sich direkt neben einer Kapelle, und Christina zog den leblosen kleinen Körper hinein.
„Gott“, schluchzte sie vorwurfsvoll. „Warum nur tust du so etwas? Warum muss heute, am Weihnachtstag, ein Kindchen sterben? Warum schätzen die Leute das Weihnachtsfest nicht? Warum sind die Menschen so böse und denken nur an sich?“
Sie erwartete keine Antwort und war umso überraschter, als auf einmal eine tiefe Stimme zu ihr sprach.
„Mein Kind, ich … ich weiß es auch nicht“, die Stimme erstarb und Christina sah auf einmal einen von Licht umfluteten grauhaarigen älteren Mann auf sie zutreten, von dem ein inneres Leuchten ausging.
„Du bist der liebe Gott“, erkannte sie und war wie vom Donner gerührt.
„Richtig“, sprach der Grauhaarige und streckte die Hände nach der kleinen Luisa aus. „Ich nehme sie jetzt mit in den Himmel“, erklärte er und streckte daraufhin auch Christina die Hand hin.
Christina schluckte ein paar Mal. „Du meinst, ich darf auch mit?“, fragte sie und wusste, dass sie sich nichts mehr als das wünschte. Hier auf der Erde hatte sie absolut niemanden und im Himmel würde sie bestimmt von Liebe und Wärme umgeben sein.
Gott lächelte. „Ja“, sagte er. „Weißt du, ich hab schon ganz lange nach jemandem mit einer reinen Seele gesucht, der das Weihnachtsfest liebt und sich darum kümmert, dass die Menschen es wertschätzen und nicht nur mit Geschenken und Äußerlichkeiten verschwenden. Ich glaube, dass du für diese Aufgabe geboren wurdest, Christina“, er betrachtete sie nachdenklich.
Seit Jahren beobachtete er Christinas Wirken und war jeden Tag aufs Neue von ihrer inneren Güte überrascht gewesen. Wenn es überhaupt jemand schaffen konnte, die Menschen wieder zu mehr Liebe und Herzlichkeit zu bewegen, dann dieses junge Mädchen, das mit seiner inneren wie äußeren Schönheit geradezu für die Aufgabe geschaffen schien.
Christina griff nach Gottes Hand und spürte, wie zum ersten Mal bei der Berührung mit einem anderen Wesen Wärme durch sie floss.
„Das würde ich gerne tun“, sagte sie und fühlte sich schrecklich aufgeregt. „Was werden denn meine Aufgaben sein?“, fragte sie dann mit ein wenig bangem Herzen.
Der liebe Gott lächelte. „Wenn du mitkommst, wirst du das Christkind sein. Die Kinder werden ihre Geschenke von dir bekommen und sich darauf freuen, dass du kommst.
Vorher werden sie dir Wunschzettel schreiben. Du kannst frei entscheiden, welche Geschenke sie bekommen und welche nicht. Sie werden von dir hören und wissen, dass es dich gibt, aber sehen dürfen sie dich nie.“
Christina lächelte glücklich. Das Christkind! Was für ein wundervoller Name, grade für sie, die Weihnachten so sehr liebte!
„Danke“, flüsterte sie und griff nach der ausgestreckten Hand. Und dann ging sie mit ihm, mit Gott, und ließ die kalte Winterlandschaft hinter sich. Sie würde alles tun, um ihrer neuen Aufgabe gerecht zu werden und um den Kindern künftig ein schönes und friedvolles Weihnachtsfest zu bescheren.
Katharina Männl wurde 1980 in Linz geboren und studierte Medizin. Seit 2011 arbeitet sie in ihrer Heimatstadt als Assistenzärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Seit ihrem 16. Lebensjahr verfasst sie kurze Geschichten. In nächster Zeit werden einige davon auch in Anthologien des net-Verlages veröffentlicht.
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Der Wunschzettel
Lieber Weihnachtsmann,
mein Name ist Hannes, ich bin schon fast zehn Jahre alt. Seit drei Jahren schreibe ich dir einen Wunschzettel mit all dem Spielzeug, das ich mir wünsche.
Ich hoffe, dass du nicht so arg böse mit mir bist, da ich mich bis jetzt noch nie für die vielen schönen Geschenke bedankt habe. Lass dir aber sagen, dass ich mir immer die größte Mühe gegeben habe, dir meine Wünsche darzulegen.
Du erinnerst dich bestimmt noch an den ersten Wunschzettel. Ich konnte noch nicht so gut schreiben, und da ich unbedingt jedes Missverständnis vermeiden wollte, habe ich dir ein Bild von dem Spielzeugtraktor gemalt und vorsichtshalber noch den richtigen Spielzeugtraktor aus dem Katalog ausgeschnitten. Doppelt hält besser, sagt mein Papa immer.
Das Jahr darauf habe ich mir ein Modellauto, ein Feuerwehrauto und ein Fahrrad gewünscht. Ich gebe zu, dass das doch etwas zu viel verlangt war. Schließlich habe ich nicht bedacht, dass du alle Geschenke durch den Kamin schieben musst. Bestimmt wärst du stecken geblieben. Auch an deine Rentiere habe ich nicht gedacht. Die Armen müssen ja über die ganze Welt fliegen, und die ist ja ganz schön groß. Über das Modellauto habe ich mich aber sehr gefreut, vor allem weil Papa die gesamten Weihnachtsferien mit mir gespielt hat. Das Fahrrad hat mir dann der Osterhase gebracht. Das war wirklich sehr nett von dir, dass du meinen Wunschzettel an den Osterhasen weitergeschickt hast.
Bei meinem Wunschzettel im Jahr darauf habe ich mir wirklich die allergrößte Mühe gegeben. Gewünscht habe ich mir ein Computerspiel, einen Fußball und ein Buch über Autos. Ja, ich weiß, wahrscheinlich dachtest du, dass ich aus dem Vorjahr gar nichts gelernt habe. Aber die Geschenke waren sehr klein.
Außerdem habe ich für jedes Rentier eine Karotte mit einer Schleife drum mitgeschickt. Damit sie auch wirklich genug Kraft haben, über die ganze weite Welt zu fliegen. Ich habe alle drei Geschenke bekommen und war wirklich sehr zufrieden mit meinem Wunschzettel.
Dieses Jahr, lieber Weihnachtsmann, wünsche ich mir etwas ganz anderes. Mein Papa und ich müssen Weihnachten alleine feiern. Mama geht es nicht gut. Sie ist schwer krank und musste zur Kur fahren. Ich habe wirklich große Angst davor, dass wir nun alle Weihnachten immer ohne Mama feiern müssen. Deswegen wünsche ich mir, dass meine Mama wieder gesund wird und Weihnachten wie durch ein Wunder doch noch mit Papa und mir feiern kann.
Ich werde dir auch nie wieder einen Wunschzettel schreiben und alle meine Spielsachen an arme Kinder verschenken, nur bitte, lieber Weihnachtsmann, mache meine Mama wieder gesund. Sie ist immer sehr traurig, kann gar nicht mehr lachen, und dabei habe ich mir immer solche Mühe gegeben, aber es hat nie etwas gebracht.
Papa sagte dann immer zu mir, dass Mama müde sei und viel Ruhe bräuchte. Das hat mich sehr traurig gemacht, ich wollte ihr wirklich helfen, aber ich habe es nicht geschafft. Bitte probiere du es, lieber Weihnachtsmann. Mama muss einfach wieder gesund werden und wieder lachen können.
Sie hat das schönste Lachen auf der ganzen Welt. Sehr laut lacht sie, dass sich immer alle zu ihr umdrehen. Aber mir ist das egal, ich war immer sehr froh, meine Mama so fröhlich zu sehen. Vielleicht kannst du zu ihr einen kleinen Weihnachtsengel senden, der mit seinen Flügeln ihre Füße kitzelt, dann wird sie bestimmt lachen.
Sie mag Engel sehr gerne. Als ich noch klein war, hat sie mir zu Weihnachten immer Engelsgeschichten erzählt und hat immer vor dem Einschlafen zu mir gesagt: „Träume was Süßes, mein kleiner Weihnachtsengel, kuschel dich in eine Wolke, zähle die Sterne und schwebe ins Land der Träume.“
Dein Hannes
Sandra Melcher wurde 1988 geboren. Ihr Studium des Bachelor of Education in Germanistik, Sport- und Bildungswissenschaften hat sie 2008 aufgenommen. In ihrer Freizeit liest und schreibt sie gerne, spielt Klavier und treibt Sport. Bisher veröffentlichte sie jeweils eine Kurzgeschichte in der Anthologie „Das Land der Schirmlinge“ des P & B-Verlages und in der Anthologie „Wie aus dem Ei gepellt ... Band 2“ von Papierfresserchens MTM-Verlag.
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Wolle, das Weihnachtsschaf
Der Winter nahte und in dieser Nacht schliefen alle Schafe im Stall. Wirklich alle? Nein, ein kleines Lämmchen drehte sich im Stroh von einer auf die andere Seite und konnte nicht einschlafen. Ärgerlich stand Wolle auf und ging ans Fenster. Dicke, schwere Wolken flogen vorbei und es sah aus, als trügen sie eine Menge Schnee in ihren Bäuchen. Plötzlich raschelte etwas im Stroh, und Wolle sprang erschrocken zur Seite.
„He, was soll das? Du kannst dich doch nicht einfach auf meine Mütze stellen!“ Ein kleiner Zwerg kam schimpfend aus dem Stroh geklettert. Wütend schlug er die zerknitterte blaue Haube aus und setzte sie wieder auf seinen Kopf. Vorsichtig schnupperte Wolle an ihm. „Hihi, lass das. Das kitzelt!“, lachte der Zwerg.
„Wer bist du?“, fragte Wolle neugierig.
„Ich heiße Grim Breithut und bin auf dem Weg zum Weihnachtsmann.“ Stolz streckte der Zwerg die Brust raus, nahm einen Brief aus der Tasche und las ihn Wolle vor: „Lieber Grim, für die Spielzeugfabrik brauche ich unbedingt noch ein paar Helfer. Bitte komm so schnell es geht zum Nordpol. Der Weihnachtsmann.“
Wolle staunte. „Du bist ein Freund vom Weihnachtsmann?“
Mit leuchtenden Augen erzählte der Zwerg von seinem letzten Jahr am Nordpol und wie viel Spaß es gemacht hatte, in der Spielzeugfabrik zu arbeiten. „Immerzu singen wir Weihnachtslieder und bauen die schönsten Sachen, die du dir vorstellen kannst: Puppen und Teddys, Eisenbahnen und Bauklötze. Dann wird alles eingepackt und mit Schleifen und glitzernden Bändern verziert.“ Als die ersten Sonnenstrahlen den Himmel rosa färbten, sagte Grim: „So, jetzt muss ich aber weiter.“
Wolle schaute sich um. Die anderen schliefen noch, nur der kleine Zottel blinzelte ihr zu. Doch Wolle hatte keine Lust, den ganzen Winter über im Stall zu stehen und trockenes Heu zu essen. Leise fragte sie: „Darf ich vielleicht mit dir gehen?“ Wolle und Grim schlüpften durch einen Spalt ins Freie und machten sich gemeinsam auf die lange Reise zum Nordpol.
Ihr Weg führte über Wiesen und Felder, und Wolle hüpfte aufgeregt zwischen den letzten duftenden Kräutern herum. Grim verstaute sie in einem kleinen Beutel. „Das wird ein köstliches Abendessen“, meinte der Zwerg und legte noch ein paar Beeren und Nüsse hinzu. Die Freunde wanderten, bis die Dämmerung hereinbrach, dann machten sie Rast an einem kleinen Bach und tranken das klare Wasser. Dazu aßen sie die Leckereien, die sie am Tag gesammelt hatten.
„Ach, wie herrlich“, schwärmte Wolle, „frische Wiesenkräuter und saftige rote Hagebutten ... Das schmeckt viel besser als das Heu, das wir vom Schäfer bekommen.“ „Mmh.“ Grim nickte und zerkaute mit lautem Knacken die letzte Haselnuss. Nach dem Essen kuschelte sich der Zwerg müde in Wolles Fell und schlummerte ein. Doch Wolle wälzte sich unruhig herum. Sie lag unbequem auf dem hart gefrorenen Boden, ihr war kalt und sie zitterte.
In der Ferne heulte ein Wolf und Wolle fürchtete sich vor ihm. Sie drückte sich noch tiefer unter den ausladenden Strauch und dachte an ihre Familie und die Freunde zu Hause. Die wärmten sich gegenseitig und waren im Stall geschützt vor dem kalten Winterwind und fremden Tieren.
Als Wolle und Grim am nächsten Morgen erwachten, war die Welt unter einer dichten Schneedecke versteckt. Wie Puderzucker legte sie sich über Bäume und die Erde und machte alles weiß. Auf ihrer Reise zum Nordpol hinterließen die Freunde nun tiefe Spuren im Schnee und machten sich einen Spaß daraus, die Hügel herunterzurutschen. Vergnügt liefen sie, bis es Abend wurde, dann suchten sie sich wieder einen Unterschlupf für die Nacht.
In der Höhle war es warm und trocken, und auch vor Wölfen brauchte Wolle keine Angst zu haben. Aber ihr Magen knurrte wie ein hungriger Bär, und als Grim in den Beutel schaute, war der leer. „Vor lauter Schnee haben wir nichts Essbares gefunden. Morgen müssen wir nach Wurzeln graben“, beschloss der Zwerg und legte sich in Wolles Fell. Schon hörte sie ihn leise schnarchen und wunderte sich, dass er ohne einen Happen zu essen einschlafen konnte.
Wolle hingegen träumte vom Heu, das sie im Stall bekamen: große Ballen mit würzigem Duft und genug für alle. Und dann trank sie bei ihrer Mama die leckere, warme Milch und kuschelte sich in ihre weiche Wolle. Sie wäre jetzt gerne bei ihr. Mit diesem Gedanken schlief Wolle ein.
Am nächsten Morgen weckte Grim sie mit Wurzeln und Hagebutten. „Es ist nicht mehr weit bis zum Weihnachtsmann“, tröstete er Wolle, als sie ihm von ihrem Heimweh erzählte. Die beiden durchquerten einen tiefen Wald mit riesigen Tannen, deren dünne Spitzen bis in den Himmel ragten. Als die ersten Sterne am Firmament erstrahlten, erreichten Wolle und Grim eine Lichtung, auf der ein wunderschönes Häuschen mit winzigen Fenstern stand.
In seinem Inneren leuchtete flackernder Kerzenschein, und Grim flüsterte: „Wir sind da.“ Die schwere Tür knarrte, und der Weihnachtsmann trat heraus. Mit seinem weißen Rauschebart und dem roten Anzug sah er genauso aus, wie Wolle ihn sich vorgestellt hatte. Er begrüßte die beiden herzlich und war erfreut, dass sie ihm in der Spielzeugfabrik helfen würden. Nachdem sie sich gestärkt hatten, machten sich Wolle und Grim an die Arbeit. „Es gibt viel zu tun, und am Heiligen Abend, wenn alle Geschenke verteilt sind, feiern wir ein großes Fest“, verkündete der Weihnachtsmann allen Helfern.
Grim und die anderen Zwerge hüpften aufgeregt zwischen Spielzeugautos und Bilderbüchern herum und konnten den Heiligen Abend kaum erwarten.
Nur Wolle wurde mit jedem Tag trauriger. Sie vermisste ihre Mama und stellte sich vor, ohne sie Weihnachten zu feiern. „Das möchte ich nicht!“, gestand sie dem Weihnachtsmann. Am Weihnachtsabend, als alle Geschenke fertiggestellt und verpackt waren und der goldene Schlitten mit seinen stolzen Rentieren vor dem Haus stand, sagte der Weihnachtsmann: „Ich möchte euch von Herzen danken und freue mich auf die gemeinsame Feier. Doch von Wolle, unserm kleinen Weihnachtsschaf, müsst ihr euch nun verabschieden.“
Überrascht schaute Wolle auf. Die Zwerge tuschelten und Grim versteckte ein Lächeln hinter seinem breiten Hut. Der Weihnachtsmann fuhr fort: „Wolle, für dich habe ich ein besonderes Geschenk. Du darfst in meinem Schlitten mitfahren und wirst an Weihnachten zu Hause sein.“
Wolle strahlte vor Freude und war gar nicht mehr verärgert, dass sie den Winter im Stall verbringen sollte. Mit dem riesigen Sack voller Geschenke auf der Rückbank machten sie sich auf die Heimreise. Schon bald konnte Wolle die Wiese erkennen, auf der sie im nächsten Frühjahr weiden würde, und dahinter lag ihr Stall.
Von draußen hörte sie das Blöken der anderen Schafe, und als der Schlitten landete, kamen sie aufgeregt angelaufen. Wolle und der Weihnachtsmann verteilten die Geschenke an die Schäfchen, die sie in der Spielzeugfabrik hergestellt hatten: Stifte und Papier, bunte Bälle und Teddys aus Plüsch. Das kleinste Lämmchen, Zottel, bedankte sich bei Wolle und sagte: „Ich habe mir die Holzeisenbahn so sehr gewünscht, aber am meisten freue mich, dass du wieder da bist.“
Gemeinsam bauten sie die Spielzeugbahn im Heu auf, und als Wolle von ihrem Spiel aufschaute, winkte ihr der Weihnachtsmann zum Abschied zu. Wolle feierte das schönste Weihnachtsfest, das sie sich vorstellen konnte. In dieser Nacht kuschelte sich Wolle in das weiche Fell ihrer Mama und schlief mit dem glücklichen Gefühl ein, zu Hause zu sein.
Anke Königshoven wurde 1981 geboren. Sie lebt mit ihrem Mann und den drei Kindern im nördlichen Emsland. In ihrer Freizeit absolviert sie ein Fernstudium der Kinder- und Jugendliteratur an der Schule des Schreibens in Hamburg. Demnächst erscheint ihre Kurzgeschichte „Zauber des Meeres“ in der Anthologie „Strandzeit“ des Freunscht Media-Verlages.
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Der große Weihnachtswunsch
Marleen saß an ihrem Schreibtisch vorm Fenster und kaute auf einem Stift herum. Draußen war es bewölkt und der Herbst hatte die Natur noch fest im Griff. Wie sollte sie so in Weihnachtsstimmung kommen und ihren Wunschzettel an den Weihnachtsmann schreiben?
Sie bezweifelte auch stark, dass bei solch einem ekligen Wetter der Advents- und Weihnachtspostdienst des Weihnachtsmannes arbeiten würde. „Ich jedenfalls würde bei solchem Wetter keine Wunschzettel einsammeln“, dachte sie. Sie schaute auf ihr Bücherregal und ließ den Blick an ihm entlang gleiten, bis er bei einem Buch stoppte. In diesem wurde erzählt, wie zwei Männer in 80 Tagen um die Welt reisten, weil einer von ihnen eine Wette abgeschlossen hatte. Marleen hatte es nicht gelesen, dazu war sie noch zu jung, aber ihre Mutter hatte ihr viele Abende aus dem Buch vorgelesen, und sie hatte ständig etwas über die Länder wissen wollen.
„Oh ja, das wünsche ich mir mehr als alles andere. Ich möchte die große weite Welt sehen.“ Marleen schrieb eilig ihren Wunsch auf, zerknüllte das Papier dann wieder und schrieb es noch einmal sauber und ordentlich auf. „Der Weihnachtsmann soll das ja auch lesen können.“
Marleens Zunge steckte zwischen den Vorderzähnen, so sehr strengte sie sich an, denn so gut konnte sie noch nicht schreiben. Dann klebte sie noch ein paar weihnachtliche Aufkleber auf den Brief, steckte ihn in den Briefumschlag und legte ihn auf einen Teller mit selbst gebackenen Keksen. Ihre Mutter hatte ihr gesagt, dass es sehr anstrengend für die Wichtel sei, überall die Weihnachtspost abzuholen, und da wären sie dankbar für ein paar Kekse und etwas zu trinken.
So stellte sie noch eine Kanne Tee und ein paar kleine Becher dazu. Danach räumte sie ihr Zimmer auf, denn sie wusste, dass die Wichtel auch eine Zimmerinspektion machten, wenn sie schlief. Sie wollte den Wichteln zeigen, dass sie gut mit ihren Geschenken umging und jedes von ihnen verdient hatte. Und natürlich, dass sie brav war. Sobald sie fertig war, ging sie hinunter in die Küche, wo ihre Mutter bereits dabei war, das Abendbrot zu machen.
Aus dem Ofen drang der herrliche Duft von Keksen. Ihre Mutter hatte mit dem ersten Advent offiziell die Weihnachtsbackstube für eröffnet erklärt, und auf der Arbeitsplatte stapelten sich nun die Keksdosen.
„Na Maus, hast du deinen Wunschzettel fertig geschrieben?“ Marleen nickte eifrig, während sie sich ein Vanillekipferl genüsslich in den Mund stopfte.
„Ja, habe ich und es ist nur ein einziger Wunsch.“ Die Eieruhr klingelte, und ihre Mutter öffnete die Backofentür.
„Erzählst du ihn mir oder darf ich es nicht wissen?“ Sie zog die Backhandschuhe an und holte das Blech heraus.
„Ich habe mir eine Weltreise gewünscht.“ Es schepperte, und das Blech lag auf dem Boden.
„Was ist denn hier los? Alles okay mit euch?“ Ihr Vater stand atemlos in der Tür.
„Jaja, alles gut, mir ist nur das Backblech aus den Händen gerutscht.“ Ihre Mutter fegte hastig die Keksbruchstücke zusammen. „Marleen hat ihren Wunschzettel fertig. Sie wünscht sich nur eine einzige Sache.“
Der Vater nickte zustimmend. „Sehr löblich, Marleen. Andere Kinder sind nicht so bescheiden.“
Ihre Mutter lachte auf. „Sie hat den Wunsch, eine Weltreise zu machen.“ Ihr Vater schaute Marleen an, als hätte sie gerade gesagt, sie hätte einen Frosch verspeist.
„Marleen, aber so ein Wunsch ist eine teure Sache. Wenn Du das gerne haben möchtest, dann bedeutet das aber, das die anderen Kinder weniger bekommen.“
Darüber hatte sich Marleen überhaupt keine Gedanken gemacht. Das wollte sie nun auch wieder nicht. Es musste schrecklich sein, an Weihnachten keine Geschenke unter dem Tannenbaum vorzufinden.
„Nun, wir essen jetzt erst mal zu Abend und dann kannst du ja noch mal drüber nachdenken.“ Ihre Mutter stellte ihr einen Becher mit Kakao hin, und sie aßen und sprachen über Marleens Wunsch.
„Vielleicht können wir ja unseren nächsten Urlaub mal in England verbringen. Würde dir das gefallen, Marleen? Oder vielleicht Dänemark oder Italien.“ Ihr Vater schaute sie an.
„Ja, aber dann habe ich wieder ein Problem“, sagte Marleen.
„Welches?“
Marleen ließ den Kopf sinken und stütze ihn in ihre Hände. „Ich weiß dann wieder nicht, was ich mir wünschen soll.“ Ihre Mutter schnitt ein paar Gurkenscheiben und legte sie ihr auf den Teller.
„Ich kann das gar nicht glauben. Jedes Kind hat doch Unmengen an Wünschen.“
Marleen seufzte. „Okay, ich denke noch mal drüber nach. Darf ich aufstehen?“ Ihr Vater rückte auf seinem Stuhl beiseite, sodass sie vorbeikonnte, um die Treppe hoch in ihr Zimmer zu gehen. Auf der letzten Treppenstufe jedoch sah Marleen etwas und erschrak. Dort lagen Krümel, Kekskrümel. „O nein, noch nicht, ihr seid doch viel zu früh!“
Sie stürmte in ihr Zimmer. Dort stand der Teller, ein paar angeknabberte Kekse noch drauf, die Becher benutzt und … der Brief war weg. Rasch blickte sie sich um, eilte zum Fenster und öffnete es. Es schneite dicke, große Flocken und eine erste Schicht hatte alles weiß eingepudert. Dann rannte Marleen die Treppe wieder hinunter und in die Küche. „Mama, Papa, darf ich noch kurz raus? Bitte, bitte, sie waren schon da und haben meinen Brief abgeholt. Ich muss ihn zurückholen, vielleicht sind sie ja noch bei Tim und Jasmin oder Anna.“
Ihre Mutter schaute auf die Uhr. „Es ist bereits neunzehn Uhr, Marleen.“
„Bitte!“ Sie flehte ihre Mutter an.
„Na gut, aber nur eine halbe Stunde, und du nimmst Ben mit. Es ist dunkel draußen.“ Marleen zog sich rasch an, griff nach der Taschenlampe und Bens Leine auf der Kommode, dann verließen sie gemeinsam das Haus. Marleen versuchte angestrengt, im Schnee eine Schlittenspur zu erkennen, doch vergeblich. So ließ sie sich von Ben ziehen, der an jedem Baum und Strauch schnupperte und nieste, sobald er Schnee einatmete. So merkte sie nicht, wie sie auf einmal in dem nahe an ihr Grundstück angrenzenden Wald stand.
Sie ging weiter, die Taschenlampe auf den Boden gerichtet. Auf einmal sah sie etwas aus dem Augenwinkel aufblitzen und schaute in die Richtung, aus der es kam. Dort blinkte doch was in verschiedenen Farben. Sie zog Ben mit sich, bis sie zu einem Baum kam. Aber es war kein gewöhnlicher Baum, er war mit vielen verschiedenen farbigen Kugeln geschmückt. Dann leuchteten plötzlich kleine Lichter auf.
Marleen erschrak, denn es waren keine Kerzen, sondern viele kleine Wichtel mit Laternen in der Hand, die in den Zweigen auf dem Baum saßen. Einer deutete auf eine goldene Kugel neben ihm. Sie schaute hinein, und als wäre sie in die Kugel eingesogen worden, spürte sie auf einmal warme Luft.
Hinter ihr schritten Dromedare entlang und der Wüstensand wehte ihr ins Gesicht. Die Sonne blendete sie, so bedeckte Marleen sich ein wenig die Augen und konnte Pyramiden entdecken. „Ägypten!“ Kaum hatte sie das gesagt, stand sie wieder vor der Kugel. Ein weiterer Wichtel deutete auf eine grüne Kugel. Auch dort schaute sie hinein.
Sie spürte den frischen Frühlingswind und sah all die unglaublich hohen Bäume vor sich, ein Wald voll riesiger Bäume. Sie sah einen Fluss, an dem eine Bärin mit ihren Jungen Fische fing. „Kanada!“
Wieder deutete ein Wichtel auf eine weitere Kugel, und Marleen hörte die Glocke Big Ben.
So verstrich die Zeit, und ehe sie sich versah, hörte sie die Rufe ihrer Eltern. Sie schaute die Wichtel erschrocken an, doch die hielten ihre Finger vor die Lippen.
„Darf ich wiederkommen und in die anderen Kugeln gucken?“ Ein Wichtel schwang seine Laterne, und in der Luft stand in goldenem Licht geschrieben: die nächsten 80 Tage.
Nadine Gerhardt wurde 1976 in Hamburg geboren. Sie lebt mit ihrem Mann in Schleswig-Holstein. Die staatlich geprüfte Betriebswirtin arbeitet als Teilprojektleiterin (ERP-System-Einführung). In ihrer Freizeit liest und zeichnet sie viel und hört gerne Musik. Mit dem Schreiben hat sie eine neue Möglichkeit gefunden, ihrer Kreativität Ausdruck zu verleihen.
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