Kitabı oku: «Dolmetschen in der Psychotherapie», sayfa 6

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4.1.1 Vergleich mit dem Konferenzdolmetschen: Faktor Professionalisierung

Die Betrachtung des Community Interpreting erfolgt häufig unter dem Blickwinkel des hoch entwickelten Konferenzdolmetschbereichs, wodurch die Defizite im Bereich Community Interpreting stark zu Tage treten: fehlende Standards, fehlende Zertifizierungsverfahren, fehlende Karrieremöglichkeiten, niedrige Löhne.1 Die Grenzen zwischen dem professionellen Dolmetschen und dem nichtprofessionellen oder natürlichen Dolmetschen sind fließend (Pöchhacker 2016: 23).

Bahadır ortet im Hinblick auf Professionalisierungsbestrebungen im Community Interpreting die Tendenz, das „Problematische“ dieses Kontexts „korrigieren“ zu wollen, und zwar in Anlehnung an das etablierte und anerkannte Berufsbild des Konferenzdolmetschers (2007: 218). Sie selbst zieht ebenfalls einen Vergleich zwischen dem Konferenzdolmetschen und dem Community Interpreting und spricht – polemisierend – von der „großen Schwester, die es geschafft hat“ (2007: 219), im Unterschied zum „enfant terrible“ Community Interpreting, das „weder drinnen noch draußen ist, die Tätigkeit des Simmelschen Fremden, eine Dazwischentätigkeit, weder so richtig Konferenzdolmetschen noch so richtig etwas Anderes“ (2007: 220). Die Professionalisierungsbestrebungen im Community Interpreting im Hinblick auf Standardisierungsverfahren, Formulierung von Normen und Bildung von Verbänden werden von Bahadır als ein sinnloses „Hinterher-Rennen“ charakterisiert. Einerseits ist es wohl tatsächlich vergeblich, im Asyl- und Migrationsbereich ähnliche Standards erreichen zu wollen wie im hochdotierten, hochfunktionalen und hochentwickelten Konferenzbereich (insofern hat Bahadır wohl nicht unrecht, wenn sie vom „sinnlosen Hinterher-Rennen“ spricht). Andererseits sind Professionalisierungsbestrebungen unbedingt zu begrüßen, da alle Beteiligten davon profitieren: die KlientInnen, die deutschsprachigen AbnehmerInnen der Dolmetschdienstleistung und die DolmetscherInnen selbst, denn ein höherer Grad an Professionalisierung führt zu mehr Selbstbewusstsein, einem breiteren Entscheidungsspielraum im Falle von berufsethischen Dilemmata und möglicherweise irgendwann auch zu höheren Honoraren und besseren Beschäftigungsverhältnissen. Was den letzten Punkt anbelangt, scheint sich derzeit im Sozialbereich jedoch keine solche Tendenz abzuzeichnen, wenn auch davon auszugehen ist, dass durch den Zustrom von Flüchtlingen der Asyl- und Migrationsbereich als solcher einen „Boom“ erleben wird bzw. derzeit bereits einen Boom erlebt; ob dies zu einer Erhöhung der Löhne in dem Bereich führen wird, bleibt abzuwarten bzw. zeichnet sich derzeit nicht ab.

„Community Interpreting takes the interpreter into the most private spheres of human life“ stellt Hale fest – im Unterschied zu Konferenzen und Geschäftsverhandlungen, bei denen politische Entscheidungen oder neueste wissenschaftliche Entdeckungen diskutiert werden (2007: 25). In einer schematischen Darstellung fasst Hale die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen dem Konferenzdolmetschen und dem Community Interpreting zusammen, wobei sie unter anderem Merkmale wie Sprachregister, Dolmetschmodus (simultan, konsekutiv, Flüsterdolmetschen, Vom-Blatt-Dolmetschen) berücksichtigt. Die Konsequenzen einer ungenauen Wiedergabe werden für das Konferenzdolmetschen als „mittelgradig“ eingestuft, bei Community Interpreting jedoch als „hochgradig“. Hale kritisiert die signifikant schlechtere Entlohnung im Community Interpreting, mit dem Hinweis darauf, dass bei Konferenzen die wichtigsten Entscheidungen ohnehin am Rande des Geschehens, ohne die DolmetscherInnen, gefällt würden, die DolmetscherInnen also eher Teil der Inszenierung seien als tatsächlich unabdingbar für die Verständigung; im Unterschied dazu wären die KlientInnen im Asyl- und Migrationsbereich gar nicht in der Lage, ohne die Hilfe der DolmetscherInnen zu kommunizieren, noch dazu, wo es z.T. um Angelegenheiten von großer Bedeutung für das weitere Schicksal der KlientInnen gehe. Hale zieht daraus die Schlussfolgerung:

This suggests that the onus on the community interpreter to perform a high quality job is much greater than a conference interpreter because of what is at stake. Yet community interpreters, with much greater demands than conference interpreters, recieve much lower pay and have little status as professionals. (Hale 2007: 33)

Dieser Aussage ist grundsätzlich zuzustimmen – die Arbeit der DolmetscherInnen im Kommunalbereich sollte auf jeden Fall besser entlohnt werden – und dennoch gibt es auch einen gewichtigen Einwand gegen die von Hale vorgebrachte Schlussfolgerung: Wie unter 3.3.2.3 festgestellt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass ein qualifizierter Konferenzdolmetscher die sprachlichen Herausforderungen im Bereich des Community Interpreting gut bewältigen kann. Der Umkehrschluss gilt jedoch nicht: die sprachlichen, kognitiven, terminologischen und arbeitstechnischen Anforderungen in der Dolmetschkabine können sehr hoch sein, auch dann, wenn die Dolmetschung bloß Teil einer „Inszenierung“ ist: Es ist die Aufgabe des Dolmetschers in diesem Moment, diese „Inszenierung“ aufrecht zu erhalten, und dazu benötigt er nun einmal das nötige Wissen und Können, sowie auch die nötige Erfahrung – das sind Faktoren, die man bei Community Interpreters nicht voraussetzen kann.

Eine Zusammenschau relevanter Faktoren des Community Interpreting ist bei Ahamer zu finden (2013: 53-140): Darin setzt sie sich kritisch mit der Problematik des Terminus „Community Interpreting“ in Theorie und Praxis auseinander und geht der Frage nach, wo „laienhaftes“ Dolmetschen aufhört und „professionelles“ beginnt. Ein Ausdruck der mangelnden Professionalisierung im Kommunaldolmetschen ist jedenfalls der Umstand, dass mitunter auch Kinder2 und Jugendliche zum Dolmetschen herangezogen werden – der Hauptgegenstand von Ahamers Untersuchung: Ahamer hat untersucht, wie jugendliche Migranten diese Aufgabe bewältigen, und kommt unter anderem zu folgenden Erkenntnissen: mehrsprachige Kommunikation in öffentlichen Institutionen wird in einem hohen Ausmaß von Kindern bestritten, und das Dolmetschen birgt für die betroffenen Kinder, ihre Eltern und die Institutionen Risiken in sich; zugleich kann das Dolmetschen eine Ressource für die Kinder und Jugendlichen sein, im Sinne der Sprachförderung und als ein positiver Impuls für die Persönlichkeitsentwicklung (2013: 368ff.). Bei psychotherapeutischen Gesprächen kommt es sehr selten vor, dass Familienangehörige als DolmetscherInnen eingesetzt werden, allerdings sind solche Einzelfälle nicht auszuschließen. Beispielsweise kommt es vor, dass in tschetschenischen Familien nicht alle Familienmitglieder der russischen Sprache in einem ausreichenden Maße mächtig sind, um sich über alle für sie relevanten Themen unterhalten zu können. Die Sprechfähigkeit kann auch durch körperliche Verletzungen oder angeborene Sprechschwierigkeiten beeinträchtigt sein – in solchen seltenen Fällen kann es vorkommen, dass eine Person nicht alleine die psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nimmt, sondern mit Hilfe eines nahestehenden Familienmitglieds, unter Umständen eines Jugendlichen. Die Präsenz von quasi zwei DolmetscherInnen im Raum erfordert viel Feingefühl seitens der PsychotherapeutIn aber auch seitens der DolmetscherIn, zum einen um sicherzustellen, dass die Wortmeldungen tatsächlich von derjenigen Person stammen, an welche die Fragen gerichtet wurden (und nicht etwa von dem ad-hoc als DolmetscherIn eingesetzten Familienmitglied), und zum anderen um eine Situation herzustellen, in der alle Beteiligten das Gefühl haben, sich im ausreichenden Maße Gehör verschaffen zu können.

Auch bei Kadrić et al (2005) ist eine Auseinandersetzung mit der Unterscheidung zwischen professioneller und unprofessioneller Translation zu finden (S. 21ff.). Es wird auf „eine schleichende und systematische Abwertung des Berufs“ (S. 21) hingewiesen, die unter anderem damit zu tun hat, dass zahlreiche Übersetzungen und Verdolmetschungen von Laien angefertigt werden, wodurch sich eine zunehmende Kluft zwischen dem Qualitätsanspruch professioneller TranslatorInnen und der Realität am Markt bildet. Die zunehmende Präsenz von Laien am Markt ist auf zwei Gründe zurückzuführen: Zum einen nehmen viele Auftraggeber an, eine Person, die eine Fremdsprache spricht, wäre automatisch imstande zu übersetzen oder zu dolmetschen.3 Zum anderen sind die Honorare im Asyl- und Sozialbereich für professionell ausgebildete DolmetscherInnen nicht attraktiv, da diese in anderen Kontexten wesentlich besser entlohnt werden. Dieses Dilemma ist schwer lösbar, da der Umstand, dass soziale und „helfende“ Berufe tendenziell schlecht entlohnt sind, dazu führt, dass ganze gesellschaftliche Segmente davon betroffen sind, sodass die DolmetscherInnen keine Ausnahme bilden.

Aus der Tatsache, dass der Dolmetscherberuf nicht geschützt ist und somit professionell ausgebildete DolmetscherInnen neben Laien am Markt vertreten sind und viele AuftraggeberInnen sich dieser Unterscheidung gar nicht bewusst sind, erwachsen Anforderungen an den Berufsstand:

Der Berufsstand spricht für sich und über sich, er stellt sich selbst dar, indem er seine Werte und Standards, seine Stärken und Kompetenzen, seine Überzeugungen und andere besondere Merkmale, die für den Berufsstand als Ganzes und Besonderes stehen, entwickelt und definiert. Durch die Möglichkeiten, sich als eigenständige und professionell agierende Berufsgruppe in der Gesellschaft zu positionieren und sich damit nicht zuletzt von den Laien klar zu distanzieren und zu unterscheiden, wird auch ein Beitrag zur öffentlichen Bewusstseinsbildung über den Beruf der Translatorin geleistet. (ebda., S. 25)

„Sich von den Laien klar zu distanzieren und zu unterscheiden“ ist eine nachvollziehbare und notwendige Forderung an einen professionellen Berufsstand, jedoch gilt es zu bedenken, dass in der Praxis – beispielsweise in den von mir untersuchten Traumabehandlungszentren – Laien und Profis Seite an Seite, als gleichberechtigte Mitglieder eines Teams arbeiten. In solchen Zentren ist es im Alltag nicht nur nicht möglich, „sich von den Laien klar zu distanzieren und zu unterscheiden“, es wäre auch nicht wünschenswert, da das Arbeitsklima massiv darunter leiden würde. Berechtigterweise kann man die Frage stellen: Ist es denn nicht ungerecht, dass ausgebildete DolmetscherInnen, die viel Zeit und Mühe in ihre Ausbildung investiert haben, gleich viel verdienen wie Laien? In der Praxis, also direkt vor Ort in den betreffenden Einrichtungen, würde eine solche Frage zahlreiche andere Fragen (nach der Qualitätskontrolle etc.) nach sich ziehen und für Sprengstoff sorgen. Eine Diskussion um eine unterschiedliche, ausbildungsbezogene Entlohnung innerhalb einer Einrichtung, in der die DolmetscherInnen in der Regel gegenseitig für einander einspringen, um Fehlstunden zu vermeiden, was im Grunde bedeutet, dass sie „die gleiche Arbeit“ leisten, bzw. dass ihnen die gleichen Aufgaben „zugemutet“ werden, oder, anders gesagt, dass ihre Arbeitsleistung den KlientInnen und den PsychotherapeutInnen gleichermaßen „zugemutet“ wird, müsste mit sehr viel Taktgefühl geführt werden, um die Entstehung einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ und einer daraus resultierenden „Neiddebatte“ unter den DolmetscherInnen innerhalb einer einzelnen Einrichtung zu verhindern.

4.1.2 Anforderungen an die DolmetscherInnen im Bereich Community Interpreting

Welche Anforderungen werden an die DolmetscherInnen im Kommunalbereich gestellt? – Diesem Thema widmet sich Pöchhacker ausführlich (2007: 237ff.), ausgehend von einer breit angelegten Studie in Wiener Gesundheits- und Sozialeinrichtungen. Die Anforderungen an die KommunaldolmetscherInnen unterscheiden sich nicht wesentlich von denen an die KonferenzdolmetscherInnen. Allerdings wird von KommunaldolmetscherInnen erwartet, dass sie gegebenenfalls eine aktivere Rolle einnehmen und, wenn nötig, ihren Beitrag zur Klärung von eventuell auftretenden Missverständnissen leisten. Ein Stichwort in diesem Kontext ist advocacy (Fürsprecherrolle), ein Begriff, der für Kontroversen sorgt (2007: 242).

Es stellte sich heraus, dass die wichtigste Anforderung seitens der NutzerInnen an die DolmetscherInnen „Diskretion und Verschwiegenheit“ ist, gefolgt von einem „absolut neutralen Verhalten“ (S. 248f.). Es ergibt sich insgesamt das Bild eines komplexen Aufgabenprofils, im Rahmen dessen die DolmetscherInnen nicht „nur“ dolmetschen sollen, sondern auch erklärend zusammenfassen, die Ausdrucksweise des medizinischen Personals vereinfachen und Fachbegriffe erklären sollen. Damit wird den DolmetscherInnen gewissermaßen die Verantwortung auferlegt, sicherzustellen, dass die KlientInnen (PatientInnen) auch tatsächlich alles verstehen.

Anderson räumt ein, dass der Dolmetscher als ein „man in the middle“ beiden KlientInnen gegenüber verpflichtet ist, allerdings sind diese Verpflichtungen nicht zwangsläufig miteinander kompatibel: „The interpreter’s role is always partially undefined“ (2002: 211), und zudem kommt es zu einem „role overload“, insofern als vom Dolmetscher häufig mehr erwartet wird als „nur“ zu dolmetschen. Anderson betont, dass der Dolmetscher mitunter Druck von beiden Seiten verspürt und mit der Situation umgehen muss, dass es nicht möglich ist, allen Beteiligten (einschließlich sich selbst) gerecht zu werden: „No matter what he does, one of them is apt to be displeased“ (2002: 211). Rollenkonflikte scheinen also vorprogrammiert zu sein, wobei die Rollenambiguität die Position des Dolmetschers einerseits schwächt, die Unentbehrlichkeit des Dolmetschers jedoch wiederum mit einer gewissen Macht einhergeht.

4.2 Das psychotherapeutische Setting: grundsätzliche Überlegungen

Alexieva unterscheidet dolmetscherunterstützte Gesprächssituationen je nach dem, welches Ziel beim Gespräch primär verfolgt wird, ob es also darum geht, Wissen auszutauschen, eine kollektive Entscheidung zu fällen (z. B. eine gemeinsame Strategie erarbeiten) oder konfligierende Zielvorstellungen zu diskutieren (2002: 229).

Das psychotherapeutische Setting lässt sich nicht eindeutig einer der gebotenen Kategorien zuordnen, jedoch bietet Alexievas Typologie ein brauchbares Schema, um die Eckpunkte der kommunikativen Situation in der psychotherapeutischen Triade zu beschreiben: Es findet ein Wissensaustausch statt, insofern als die PsychotherapeutIn durch gezieltes Nachfragen Informationen über das Leben und Erleben der KlientIn in Erfahrung bringt und sich das nötige Wissen aneignet, um Entscheidungen über das weitere Vorgehen im psychotherapeutischen Arbeiten zu treffen. Da eine stark ausgeprägte Machtasymmetrie der psychotherapeutischen Gesprächssituation immanent ist, erfährt die KlientIn nichts oder nur sehr wenig über das Leben der PsychotherapeutIn. Dennoch ist die KlientIn selbstverständlich nicht ausgeschlossen vom Wissenstransfer, da das gezielte Nachfragen der PsychotherapeutIn einen Prozess des Sich-selbst-besser-Kennenlernens initiiert: Indem die KlientIn auf die Fragen der PsychotherapeutIn eingeht (oder auch bewusst darauf verzichtet, diese wahrheitsgemäß zu beantworten), nähert er/sie sich den eigenen (belastenden) Inhalten und Erinnerungen, für die im Alltag wenig Raum zur Verfügung gestellt wird.

Die zweite Kategorie bei Alexieva, also die Erarbeitung einer gemeinsamen Strategie, trifft ebenfalls auf das psychotherapeutische Setting zu, auch wenn es sich, wie bereits erwähnt, um eine asymmetrische Gesprächssituation handelt. Jede Psychotherapie ist anders, und auch jede Therapiestunde ist anders. Es handelt sich um nicht wiederholbare, nicht standardisierte Gesprächssituationen, die keiner bestimmten Routine folgen, was aber nicht bedeutet, dass die Gespräche der Beliebigkeit preisgegeben oder dem Zufall überlassen werden. Die PsychotherapeutInnen kommunizieren – oder sollten es jedenfalls tun – auf eine reflektierte, bewusste Weise, während die KlientInnen keinem solchen Anspruch genügen müssen. Die Tatsache, dass es den PsychotherapeutInnen obliegt, das Gespräch zu lenken und gewissermaßen die Oberhand zu behalten, bedeutet nicht, dass der KlientIn eine passive Rolle zukommt. Vielmehr ist eine Therapie immer Ergebnis gemeinsamer Bemühungen von TherapeutIn und KlientIn gleichermaßen. Auch wenn eine Therapie kurz- oder langfristig der KlientIn Erleichterung verschaffen kann und soll, ist Erleichterung nicht das primäre Ziel einer Therapie; insofern ist es wichtig, auch für die DolmetscherIn, nachzuvollziehen, dass eine Therapie kein „Wohlfühlprogramm“ sein kann, auch wenn das Wohlbefinden und das Wohlfühlen der KlientIn selbstverständlich anzustreben sind. Zu einer Therapie gehören auch Irritationen und Konflikte, und es ist Aufgabe der DolmetscherInnen, diese zu transportieren und zu ermöglichen und dabei der Versuchung zu widerstehen, Unangenehmes „unter den Teppich zu kehren“ oder „glattzubügeln“. Um wieder auf Alexievas Typologie zurückzukommen, die therapeutische Strategie wird stets gemeinsam mit der KlientIn ausgearbeitet, oder, um es anders auszudrücken, eine Therapie kann niemals gegen den Willen und gegen den Widerstand der KlientIn erfolgen, sondern nur auf freiwilliger Basis und mit einer aktiven Beteiligung der KlientIn.

Was den dritten Aspekt bei Alexieva anbelangt, nämlich konfligierende Zielvorstellungen, so wurde bereits erwähnt, dass Irritationen und Konflikte durchaus Teil des psychotherapeutischen Settings sind. Unterschiedliche, geradezu entgegengesetzte Erwartungshaltungen (s. 4.2) an die DolmetscherInnen können ebenfalls für Konflikte sorgen.

Im Hinblick auf Alexievas Schema lässt sich festhalten, dass das psychotherapeutische Setting sich einer eindeutigen Kategorisierung entzieht. Die therapeutische Expertise, die sich zusammensetzt aus jahrelanger Ausbildung, intensiver Selbsterfahrung, eigener Praxis sowie laufender, qualifizierter, kollektiver Reflexion der eigenen Praxis im Rahmen von Supervisionen und Intervisionen, besteht gerade darin, für jede Klientin und jeden Klienten einen individuellen, eigens auf die jeweilige Lebenssituation und die jeweiligen psychischen Kapazitäten abgestimmten Zugang zu finden. Dieser Umstand erfordert von DolmetscherInnen ebenfalls Flexibilität, Einfühlungsvermögen und laufende Reflexionsfähigkeit.

Tribe & Morrissey weisen auf einen Zusammenhang zwischen Flüchtlingsstatus (also erzwungener Fluchterfahrung) und psychiatrischen Problemen hin (2003: 202). Kulturschock oder reaktivierte Inhalte und der Verlust von Identität und kulturellen Werten werden als Erklärungen für diese Korrelation herangezogen. Dank des Einsatzes von DolmetscherInnen ist es möglich, dass diese Menschen Zugang zu psychiatrischer und psychotherapeutischer Versorgung erhalten: „(…) interpreters may play an indispensable role in mental health assessments and in ensuring that access to mental health services is possible“ (2003: 204). Dabei ist zu bedenken, dass es fast überall in der Welt ein Stigma ist, psychische oder emotionale Probleme zu haben, dass aber die Idee eines Fachmanns oder einer Fachfrau, der/die für diesen Bereich zuständig ist, nicht überall verankert ist; stattdessen kann es ein älteres Familienmitglied, ein traditioneller Heiler, der Gemeinschaftsälteste oder ein Alternativmediziner sein, an den man sich in solchen Fällen wendet. Die Idee, dass man seine Gedanken und Gefühle einem Fremden anvertraut, ist Teil eines westlichen Konzepts von Psychotherapie und kann anderswo als befremdlich wahrgenommen werden und dazu führen, dass fremdsprachige PatientInnen es vorziehen, über körperliche Schmerzen und Symptome zu klagen, anstatt sich über ihre Ängste zu unterhalten (2003: 206). Vor diesem Hintergrund kann die Präsenz einer DolmetscherIn eine zusätzliche Aufwertung erfahren, denn die DolmetscherIn ist zumindest mit der Sprache der KlientIn vertraut und stellt somit einen Anknüpfungspunkt an Vertrautes dar.

Köllmann führt zwei wesentliche Punkte ins Treffen, in denen sich die Tätigkeit im psychotherapeutischen Setting von anderen Einsatzbereichen für DolmetscherInnen unterscheidet: Zum einen begleitet die DolmetscherIn in der Regel einen Therapieprozess über einen längeren Zeitraum hinweg, sodass eine vertrauensvolle Beziehung zwischen DolmetscherIn und PatientIn entsteht. Zum anderen sind die Themen, die in Therapiesitzungen zur Sprache kommen, häufig emotional sehr belastend, was in anderen Bereichen für gewöhnlich nicht der Fall ist, oder wovon zumindest nicht von vornherein auszugehen ist (2011: 55).

Bot beschreibt das Dilemma, mit dem eine ausgebildete und praktizierende Psychotherapeutin konfrontiert ist, wenn die gewohnte Dyade zu einer Triade erweitert werden muss:

As a psychotherapist I have been taught to word my interventions very carefully – the choice of words, tenses and mood each infuence the effect of the intervention. At the same time I have no idea what the interpreter is doing to my words – does he retain the therapeutic intention that I put in them or does he turn them into something completely different? Likewise, what happens to the words used by the patient? Pasychotherapists have also been taught of the importance of a therapeutic relationship. It has to be built up carefully between therapist and patient. At the same time I needed to deal with the situation that the interpreter could be ‚anyone‘ – so one session with a patient I would have one interpreter to assist us, whereas in the next session witht the same patient there would be another interpreter. How could I explain and justify this? (2005: 5)

Der Aufbau einer therapeutischen Beziehung – die Hauptaufgabe einer TherapeutIn – muss in diesem Fall also in enger Zusammenarbeit mit einer dritten Person erfolgen, von der nicht a priori davon ausgegangen werden kann, dass sie die Bereitschaft und/oder die Fähigkeit mitbringt, das Konzept einer therapeutischen Beziehung intellektuell und emotional nachzuvollziehen und in weiterer Folge aktiv mitzugestalten. Bot vergleicht die Arbeitsweise von DolmetscherInnen in der Psychotherapie mit anderen Kontexten: Polizeieinvernahmen, Gespräche mit Bewährungshelfern, Gespräche in der Notaufnahme, bei Gericht etc. Bei Konferenzen gäbe es allerdings wenig Interaktion zwischen DolmetscherIn, SprecherIn und dem Publikum. „Each of these situations is in some way similar and in other ways different from the situation that I studied“ (Bot 2005: 27).

Pinzker plädiert dafür, die triadische psychotherapeutische Gesprächssituation als ein eigenständiges Setting innerhalb der Psychotherapie zu betrachten und darauf zu verzichten, Vergleiche zur Dyade zu ziehen oder die Unsichtbarkeit der DolmetscherIn anzustreben. Maschinelle oder technische Modelle für die Rolle der DolmetscherIn sollten als Mythen entlarvt werden und einer offenen (auch ergebnisoffenen) personenbezogenen Grundhaltung gegenüber dem psychotherapeutischen Setting Platz machen (2015: 35ff.). Pinzker empfiehlt daher gerade NeueinsteigerInnen, „‚alten‘ Leitfäden“ kritisch zu begegnen, sich ganz bewusst auf die neue Konstellation Psychotherapeutin-Dolmetscherin-Klientin einzulassen und sich zunächst einzugestehen, dass man eben (noch) nicht weiß, „wie es geht“, in diesem Setting zu arbeiten:

Dies gilt es vielleicht zunächst einmal „nur auszuhalten“, ohne sofort nach „Leitfäden“ zu rufen oder sich an einen Dyade-Vergleich zu klammern. Es gibt keinen Vergleich. Es handelt sich um etwas Neues, sozusagen Beispielloses. Die Triade mit dem Einzelsetting ohne Dolmetscherin zu vergleichen oder aus ihm für die Arbeit in der Triade etwas „ableiten“ zu wollen, erscheint mir nicht zielführend, im Gegenteil, mit Blick auf das Datenmaterial, vielmehr hinderlich. (2015: 46)

Pinzkers Ansatz mag aus psychotherapeutischer Sicht geradezu radikal anmuten, es ist aber gerade eine solche Haltung, die sich als produktiv erweisen kann – offen für noch unbekannte Dynamiken, frei von Zwängen, sich an „alte Leitfäden“ zu halten, die den aus der triadischen Konstellation erwachsenden Komplikationen nicht ausreichend Rechnung tragen können.

Aus translationswissenschaftlicher Sicht ist die Präsenz der DolmetscherIn in einer triadischen Gesprächssituation so selbstverständlich, dass sie im Grunde keiner weiteren Erwähnung bedarf: Überall dort, wo eine DolmetscherIn anwesend ist und ihre Sprach- und Dolmetschkompetenz den GesprächspartnerInnen zur Verfügung stellt, findet eben ein dolmetschgestütztes Gespräch statt und ist somit für die Translationswissenschaft von Relevanz und von Interesse. Aus der Sicht der psychotherapeutischen Tradition und also der Psychotherapieforschung jedoch ist die Präsenz einer dritten Person geradezu ein revolutionärer Akt, in dem Sinn, dass eine solche Arbeitsweise Altbekanntes außer Kraft setzt und neue Denkweisen auf den Plan ruft. Diese Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung des triadischen psychotherapeutischen Settings aus der Perspektive der Translationswissenschaft einerseits und der Psychotherapieforschung andererseits gilt es bei der Beschreibung und Bewertung der Möglichkeiten und Grenzen eines solchen Settings zu bedenken.

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