Kitabı oku: «Besonderes Verwaltungsrecht», sayfa 7
[97]
Instruktiv Hess.VGH, NJW 1989, 1500 zur Klage eines Anwohners auf Versetzung einer von der Gemeinde unmittelbar vor seinem Haus installierten Straßenlaterne. Vgl auch OVG NRW, NWVBl. 1994, 418 = OVGE 44, 1: auf Beseitigung einer Schulturnhalle gerichtete Leistungsklage wegen Nichteinhaltens der baurechtlichen Abstandsfläche (analog § 1004 BGB); ferner Bd.Wtt.VGH, NVwZ 1993, 285 zur Verneinung eines öff.r. Widerrufsanspruchs gegen eine Gemeinde bei unrichtiger, aber nichtöffentlich aufgestellter Tatsachenbehauptung des Bürgermeisters.
[98]
Vgl des Weiteren BGH, NJW 2000, 2810 – „Zwangsversteigerung“; OLG Hamm, NWVBl. 1992, 448 („Cranger Kirmes“); OLG Koblenz, NVwZ-RR 2003, 617 („Hochwasserschutz“) und unten Rn 285.
[99]
Vgl BGH, NVwZ 1986, 504 f zum Einvernehmen nach § 36 BauGB sowie BGHZ 106, 323 = DVBl. 1989, 504 ff (m. Anm. Papier) u. BGHZ 109, 380 zur Bauleitplanung auf Altlastenverdachtsflächen.
Teil I Kommunalrecht › § 2 Verfassungsrechtliche Gewährleistungen der kommunalen Selbstverwaltung
§ 2 Verfassungsrechtliche Gewährleistungen der kommunalen Selbstverwaltung
Inhaltsverzeichnis
I. Garantien im Grundgesetz
II. Garantien in den Landesverfassungen
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Fall 2: „Die Gleichstellungsbeauftragte“
§ 5 II GO NRW bestimmt, dass in kreisangehörigen Städten und Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern sowie in kreisfreien Städten hauptamtlich tätige Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen sind[1]. Die kreisangehörige Gemeinde G in NRW mit 12 000 Einwohnern verweist auf ihre schlechte Haushaltslage und möchte zusätzliche Ausgaben für die von ihr nunmehr wohl neu einzurichtende Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten vermeiden. Sie argumentiert, dass diese Norm sie unzulässig in ihrer durch die Selbstverwaltungsgarantie in Art. 28 II GG und Art. 78 II Verf. NRW verbürgten Organisations-, Personal- und Finanzhoheit beschränke.
Wie wäre über eine von der Gemeinde G fristgerecht beim Verfassungsgerichtshof für das Land NRW eingelegte Verfassungsbeschwerde zu entscheiden? Rn 71, 88 f
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Verfassungsrechtliche Gewährleistungen der kommunalen Selbstverwaltung finden sich in unserer bundesstaatlichen Ordnung sowohl innerhalb des Grundgesetzes – und hier namentlich im zweiten Abschnitt (Art. 20 ff GG: „Der Bund und die Länder“) – als auch in den Landesverfassungen[2]. Die grundgesetzlichen Bestimmungen sind dabei als Mindestgarantien zu verstehen, die durch Landesverfassungsrecht ergänzt und erweitert werden können.[3] Nicht nur auf Bundesebene (u. Rn 84 ff.), sondern vielfach auch auf Landesebene (u. Rn 87) steht den Kommunen zur Durchsetzung dieser Gewährleistungen gegenüber dem Gesetzgeber verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz im Wege der Kommunalverfassungsbeschwerde zur Verfügung.
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Von vorrangigem Interesse für die Kommunen ist vor diesem Hintergrund die Interpretation der jeweiligen landesverfassungsrechtlichen Garantien, die in entsprechenden Verfahren den Prüfungsmaßstab für die Landesverfassungsgerichte bilden[4]. Die Interpretation der landesverfassungsrechtlichen Normen hat sich nach Auffassung des BVerfG aber weitestgehend am materiellen Gewährleistungsgehalt des Art. 28 II GG zu orientieren[5], die deshalb im Folgenden im Vordergrund stehen sollen.
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Vorab ist noch darauf hinzuweisen, dass durch den Ende 2009 in Kraft getretenen Lissabonner Vertrag die kommunale Selbstverwaltung erstmalig im europäischen Primärrecht festgeschrieben worden ist (s. bereits Rn 10). Art. 4 II 1 EUV enthält die bemerkenswerte Aussage, dass die Union die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten achtet, „die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt“[6]. Zudem werden die regionale und lokale Ebene ausdrücklich noch in Art. 5 III EUV – der Bestimmung über die Subsidiarität – erwähnt. Ob mit diesen ausdrücklichen Normierungen eine Positionsstärkung der Kommunen in der EU einhergeht, wird jedoch nach wie vor kontrovers diskutiert[7].
Teil I Kommunalrecht › § 2 Verfassungsrechtliche Gewährleistungen der kommunalen Selbstverwaltung › I. Garantien im Grundgesetz
I. Garantien im Grundgesetz
1. Institutionelle Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung (Art. 28 II 1 GG)
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Den Gemeinden muss gemäß Art. 28 II 1 GG das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln[8]. Diese Garantie ist keine grundrechtliche Gewährleistung.
Gegen ein solches Verständnis des Art. 28 II GG sprechen bereits
– | die vorgenannte systematische Stellung innerhalb des Staatsorganisationsrechts und damit (anders als die Vorgängervorschrift des Art. 127 WRV) außerhalb des Grundrechtskataloges, |
– | das (im Folgenden noch zu behandelnde) Fehlen einer individuellen Bestandsgarantie für Gemeinden, |
– | der Schutzzweck der Grundrechte (Schutz des Bürgers gegenüber dem Staat, nicht aber Schutz von Verwaltungssphären), |
– | dass zum Schutz der gemeindlichen Selbstverwaltung nicht die Verfassungsbeschwerde (Art. 93 I Nr 4a GG) einschlägig, sondern eine eigene sog. Kommunalverfassungsbeschwerde (Art. 93 I Nr 4b GG) geschaffen worden ist (dazu Rn 84). |
Sie verkörpert vielmehr eine institutionelle Garantie[9], d.h. die Verbürgung einer komplexen öffentlich-rechtlichen Einrichtung mit den ihr typischerweise zugehörenden, sie essenziell prägenden, weitgehend historisch überlieferten, funktionalen und institutionellen, rechtlichen und politisch-soziologischen Gehalten in generalklauselartiger Umschreibung[10].
Neben dieser institutionellen Rechtssubjektsgarantie, die als staatsorganisatorisches Aufbauprinzip den Bestand, also das „Ob“ der Gemeinden als Glied im gestuften Staatsaufbau innerhalb der Länder (vgl auch Art. 106 IX GG) sichert[11], umfasst Art. 28 II GG auch eine objektive Rechtsinstitutsgarantie, welche das „Wie“ und „Was“ der Selbstverwaltung betrifft, indem er einen bestimmten Aufgabenkreis („Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“) und die eigenverantwortliche Wahrnehmung („in eigener Verantwortung“) dieser Aufgaben garantiert.[12] Zusammengenommen ist damit ein Schutz der Rechts- und Organisationsform als solcher mit ihren als zentral verstandenen Komponenten gewährleistet, nicht jedoch der individuelle Bestand einzelner Gemeinden. Angesichts der dritten Garantieebene des Art. 28 II GG, der subjektiven Rechtsstellungsgarantie, haben konkret betroffene Kommunen jedoch eine rechtsschutzfähige Position bei Angriffen auf ihr Selbstverwaltungsrecht. Derartige Gefährdungen des Selbstverwaltungsrechts können unter verschiedenen Vorzeichen entstehen:
a) Existenzvernichtung einzelner Gemeinden (Bsp.: territoriale Neugliederung)
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Da Art. 28 II 1 GG die Gemeinde grundsätzlich nicht individuell, sondern nur institutionell gewährleistet, wäre die einzelne Gebietskörperschaft nicht gegen ihre Auflösung gesichert. Angesichts des Stellenwertes der kommunalen Selbstverwaltung innerhalb der verfassungsrechtlichen Wertordnung haben jedoch das BVerfG und die Landesverfassungsgerichte zur Effektuierung der Garantie übereinstimmend betont, die Existenz der bestehenden Gemeinden stehe nicht etwa zur freien Disposition des Gesetzgebers, wenn nur hinreichend viele kommunale Körperschaften übrig blieben. Vielmehr bedürfe eine Neugliederung gegen den Willen der betroffenen Gebietskörperschaften, die ohnehin nur durch Gesetz erfolgen könne, der sachlichen Legitimation in Ansehung des öffentlichen Wohls, wie dies auch einfachgesetzlich in den Gemeindeordnungen seinen Niederschlag gefunden hat (vgl Art. 11 II 1 Nr 1, 2 bay.GO; § 11 I 1 m.v.KVerf.; § 24 I NKomVG; § 17 I GO NRW). Im Rahmen dieses Gemeinwohlvorbehalts sind maßgebliche verfassungsrechtliche Direktiven die Anhörungspflicht, das rechtsstaatliche Übermaßverbot und das hieraus abgeleitete Abwägungsgebot[13]. Hiergegen wird jedenfalls dann verstoßen, wenn[14]
– | keine rechtzeitige und hinreichende Anhörung der betroffenen Gemeinden stattgefunden hat, |
– | der Gesetzgeber die maßgebliche Ausgangslage mangelhaft ermittelt hat oder in wesentlichen Punkten von unzutreffenden Annahmen ausgegangen ist, |
– | die Entscheidung offensichtliche Mängel bei den zugrunde liegenden Erwägungen, Wertungen und Prognosen erkennen lässt, |
– | die Belastungen und Beeinträchtigungen für die neugegliederten Gebietskörperschaften und ihre Einwohner außer Verhältnis zu den Vorzügen der Neuordnung stehen (sog. Schaden-Nutzen-Bilanz), |
– | bei umfassenden Neuordnungsprogrammen, wenn ohne hinreichende Begründung das zugrunde liegende System verlassen wurde (sog. Systemtreue oder Systemgerechtigkeit). |
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Da kommunale Neugliederungen einen Eingriff in gewachsene selbstständige Gemeinwesen, die ihren Bürgern lokale politische Identifikation vermitteln, darstellen, müssen sie zudem dem Anspruch der Dauerhaftigkeit genügen[15]. Zu beachten ist jedoch, dass dem Gesetzgeber bei der strukturellen Neugliederung ein politischer Gestaltungsspielraum eingeräumt wird, der nach ständiger Rspr. nur eine eingeschränkte verfassungsrechtliche Kontrolle der im Wege der kommunalen Verfassungsbeschwerde angegriffenen Neugliederung zulässt[16].
b) Aufgabenentzug oder organisatorische Ingerenzen bzgl aller Gemeinden
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Die Gewährleistungen des Art. 28 II 1 GG beziehen sich auf alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (Grundsatz der Universalität oder Allzuständigkeit des kommunalen Wirkungskreises). Dies wird regelmäßig einfachgesetzlich bekräftigt, indem etwa bestimmt wird, die Gemeinden seien „in ihrem Gebiet die ausschließlichen Träger der gesamten öffentlichen Aufgaben, soweit Rechtsvorschriften nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen“ (vgl § 2 II NKomVG; s. auch § 2 GO NRW, Art. 6 I bay.GO).
aa) Entscheidender Anknüpfungspunkt ist dabei die räumliche Komponente: Der Schutz gilt solchen Bedürfnissen und Interessen, „die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen; auf die Verwaltungskraft der Gemeinde kommt es hierfür nicht an“[17]. Erfasst sind damit nur die eigenen gemeindlichen Angelegenheiten, nicht aber übertragene, genuin staatliche Aufgaben. Nun ist aber nicht zu verkennen, dass im Zuge zunehmender Forderungen nach Gleichwertigkeit resp. Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse (vgl Art. 72 II, 106 III 4 Nr 2 GG), gesteigerten Umweltbewusstseins, fortschreitender Motorisierung und Mobilität der Einwohner[18] Wanderungsprozesse stattgefunden haben und stattfinden, die das Verständnis dessen, was zu den kommunalen Agenden zu zählen ist, in der zeitlichen Entwicklung durchaus beeinflusst haben. Die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft bilden damit keinen ein für alle Mal feststehenden Aufgabenkreis[19]; können mithin nicht enumerativ für alle Zeit bestimmt werden.
Bei der Einschätzung der örtlichen Bezüge einer Aufgabe und ihres Gewichts kommt dem Gesetzgeber angesichts der konstatierten Vielzahl maßgeblicher Faktoren ein Einschätzungsspielraum zu. Er darf dabei auch typisieren, d.h. „er braucht nicht jeder einzelnen Gemeinde und grundsätzlich auch nicht jeder insgesamt gesehen unbedeutenden Gruppe von Gemeinden Rechnung zu tragen“[20].
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bb) Gleichwohl besteht Anlass zu betonen, dass der örtliche Bezug auch für gesetzgeberische Maßnahmen nach wie vor den dominanten Beurteilungsfaktor darstellt[21], der in der Gegenwart namentlich unter dem Stichwort der gemeindlichen Verbandskompetenz thematisiert wird. Insbesondere bei der Hochzonung von Verwaltungsaufgaben von der Gemeinde- auf die Kreisebene hat der Gesetzgeber „den verfassungsgewollten prinzipiellen Vorrang einer dezentralen, also gemeindlichen, vor einer zentral und damit staatlich determinierten Aufgabenwahrnehmung zu berücksichtigen“[22]. Bemerkenswert ist dabei die auf die Entstehungsgeschichte gegründete Bekräftigung seitens des BVerfG im Rastede-Beschluss, dass die gemeindlichen Aufgaben nicht über den herkömmlich gesicherten Bestand hinausgehen[23], eine Einsicht, die namentlich bei der aktuellen Diskussion um die Grenzen der Kommunalwirtschaft nicht aus dem Blickfeld geraten sollte, wenn – notwendige – Dynamisierungen Gefahren nicht nur für traditionelle privatwirtschaftliche Aktionsfelder, sondern auch für die essenzielle Rückbindung an die örtliche Dominanz der Aufgabenstellung heraufbeschwören.
Zwar hat das BVerfG in einer frühen Entscheidung die Aussage getroffen, die Gemeinde sei als hoheitlich handelnde Gebietskörperschaft darauf beschränkt, sich mit Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises zu befassen[24]. Es würde allerdings einen Fehlschluss bedeuten, daraus zu folgern, außerhalb hoheitlich zu bewältigender Agenden, namentlich auf dem Wirtschaftssektor, dürfte eine Gemeinde räumlich unlimitiert agieren[25]. Seinerzeit ging es allein um die Problematik, inwieweit es einer kommunalen Körperschaft gestattet wäre, Stellungnahmen zu verteidigungspolitischen Fragen, deren Lösung in der Kompetenz des Bundes lag und liegt, abzugeben, was unter Verweis auf die Überörtlichkeit der Aufgabe grundsätzlich verneint wurde. Die gemeindliche Verbandskompetenz ist durch Art. 28 II GG, also nicht nur bei hoheitlichen Aufgaben, sondern insgesamt auf das örtliche Wirkungsfeld beschränkt, soweit nicht in befugter Weise überörtliche staatliche Angelegenheiten zur Wahrnehmung vor Ort zugewiesen worden sind[26]. So hat der VerfGH Rh.-Pf. im Zusammenhang mit novellierten Vorschriften des Kommunalwirtschaftsrechts deutlich herausgestellt:
„Aus der Sicht der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie ist kommunales Wirtschaftsengagement niemals privatautonomes Handeln, sondern zweckgebundene Verwaltungstätigkeit. Die öffentliche (kommunale) Verwaltung bleibt auch dann Verwaltung, wenn sie wirtschaftet.“[27]
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cc) Soweit es um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft geht, was also jeweils sorgfältiger Prüfung bedarf[28], ist den Gemeinden das Recht zuerkannt, diese „in eigener Verantwortung“ (Art. 28 I 1 GG) zu regeln. Ihnen ist damit verbrieft, für die Aufgabenbewältigung nach ihrem eigenen Ermessen sachliche und zeitliche Prioritäten festzulegen. Zu beachten ist jedoch, dass dieser Ermessensspielraum bei pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben (Rn 200) auf die konkrete Art der Durchführung (das „Wie“) beschränkt ist.
Die zentralen Bereiche der gemeindlichen Eigenverantwortlichkeit wurden herkömmlicherweise durch ein Bündel sog. Gemeindehoheiten gekennzeichnet, das sich in der Übersicht wie folgt darstellt:
Übersicht 1:
Die sog. Kommunalhoheiten

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Im Einzelnen geht es dabei um folgende Gewährleistungsgehalte, die sich jedoch nicht immer trennscharf voneinander abgrenzen lassen:
– | Gebietshoheit ist die Befugnis, im Gemeindegebiet gegenüber jeder Person und jeder Sache, die sich in diesem befindet, rechtserhebliche Handlungen vorzunehmen und Hoheitsgewalt auszuüben[29], |
– | Organisationshoheit ist die Befugnis zur Ausgestaltung der internen Organisation, genauer: die Befugnis, für die Aufgabenwahrnehmung Abläufe und Entscheidungszuständigkeiten festzulegen (s. u. Rn 70)[30], aber auch die Organisation nach außen, also die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Kommunen Selbstverwaltungsaufgaben zu bewältigen (Unterfall der „Kooperationshoheit“)[31], |
– | Personalhoheit bezeichnet die Befugnis zur Auswahl, Anstellung, Beförderung und Entlassung der Angestellten und Beamten[32] der Gemeinde[33], |
– | Satzungshoheit bezeichnet die Befugnis, die eigenen Angelegenheiten durch (orts-)rechtliche Bestimmungen mit Wirkung für die Gemeindeeinwohner verbindlich zu regeln (vgl Art. 28 II 1 GG: „… in eigener Verantwortung zu regeln“, hierzu u. Rn 217 ff)[34]. |
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– | Finanzhoheit meint das Recht auf eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines geordneten Haushaltswesens[35], Soweit Art. 28 II 3 GG klarstellt, dass die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung von der Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst sind, wird den Gemeinden nicht ausdrücklich ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf eine aufgabenangemessene kommunale Finanzausstattung zuerkannt.[36] Allerdings lässt die Wendung zumindest die Einsicht erkennen, dass das Recht auf Selbstverwaltung nur dann effektiv wahrgenommen werden kann, wenn den Gemeinden eine auf ihre Selbstverwaltungsaufgaben bezogene Finanzausstattung zur Verfügung steht.[37] Das BVerfG hat das Bestehen eines solchen Anspruchs bislang ausdrücklich offen gelassen,[38] doch haben bereits mehrere Landesverfassungsgerichte im Rahmen der ihnen zustehenden Kompetenz zur Auslegung der Gewährleistungen der kommunalen Selbstverwaltung im Landesverfassungsrecht einen solchen Anspruch auf aufgabenangemessene Finanzausstattung anerkannt.[39] Das BVerwG[40] und die Literatur stimmen diesem Ergebnis weitgehend zu.[41] Auch in Ansehung eines Vorbehalts der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Landes[42] gehört als unterste Grenze zum unantastbaren Kernbereich (u. Rn 63) eine finanzielle Mindestausstattung, welche die einzelne Gemeinde in die Lage versetzt, alle ihr zugewiesenen (staatlichen) Pflichtaufgaben und ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zu erfüllen.[43] Eine „Steuerhoheit“ der Gemeinden besteht in Ansehung der grundgesetzlichen Finanzverfassung (vgl Art. 104a ff GG) allenfalls noch in rudimentärer Form (s. Rn 92 ff). Auch Art. 28 II 3 GG garantiert den Gemeinden kein originäres Steuererfindungsrecht[44], wohl aber gehört zu den bereits erwähnten Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle (Art. 28 II 3, 2. HS GG, s. auch Rn 92, 96). Bei den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern – Beispiele: Vergnügungs-, Betten-, Zweitwohnungs- oder Hundesteuer – stehen den Kommunen nur von den Ländern abgeleitete Befugnisse zu (vgl Art. 105 IIa, 106 VI 1 GG). |
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– | Planungshoheit schließlich meint die Befugnis, über die Ordnung und Gestaltung der Bodenentwicklung im Gemeindegebiet, namentlich in Ansehung der baulichen Nutzung, eigenverantwortlich entscheiden zu können[45]. Gegen eine ihr Gebiet betreffende überörtliche Planung kann sich eine Gemeinde daher unter Berufung auf die Planungshoheit wehren, wenn eine eigene hinreichend konkrete, nicht notwendig verbindliche Planung hierdurch gestört wird und diese Störung nachhaltig ist oder wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung der Gemeinde entzieht[46]. Dem Schutzbereich der kommunalen Selbstverwaltung ist als Teil der kommunalen Planungshoheit nicht etwa nur die Bauleitplanung zuzuordnen, sondern auch die Landschaftsplanung. Die Vorschriften über den Braunkohlenplan im Landesplanungsgesetz NRW genügen aber den an entsprechende normative Eingriffe (vgl dazu noch unten Rn 62) zu stellenden Anforderungen[47]. |
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dd) In dieser Auflistung (Rn 55 ff) nicht angesprochen, für die kommunale Eigenverantwortlichkeit aber ebenfalls von besonderem Gewicht, ist die gemeindliche Betätigung in der Daseinsvorsorge[48] und auf dem wirtschaftlichen Sektor. Bei dem auf Forsthoff[49] zurückgehenden Begriff der Daseinsvorsorge handelt es sich freilich um eine eher deskriptive, soziologisch grundierte Formel zur Beschreibung öffentlicher Leistungsverwaltung (s. auch Rn 195)[50], die nur geringe Konturenschärfe besitzt und darum auch als wenig tauglich zur trennscharfen Abgrenzung des kommunalen Betätigungsfeldes von privatwirtschaftlichen Aktionsbereichen erscheint.
Im Blick sind dabei zB Kommunikation, Verkehrsdienstleistungen, Gas-, Wasser- und Stromversorgung, Abfall- und Abwasserentsorgung, stationäre Krankenversorgung, Sparkassen (vgl Rn 330), Bildungs- und Kultureinrichtungen. Im Rahmen der gesetzlichen Neuordnung des Eisenbahnwesens bestimmt § 1 I des Gesetzes zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs[51] ausdrücklich: „Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge.“ So denn auch § 1 I des Regionalisierungsgesetzes NRW[52], das in § 3 für die Planung, Organisation und Ausgestaltung des ÖPNV im Grundsatz die Kreise und kreisfreien Städte als Aufgabenträger bestimmt und dabei die Aufgabendurchführung im Wesentlichen als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe bezeichnet.
Schließlich hat das BVerfG die Wahrnehmung kommunaler Versorgungsfunktionen in öffentlich-rechtlicher Form bereits einmal als „wirtschaftliche Betätigung“ im weiteren Sinne bezeichnet und diesbezügliche normative Regelungen dem Kompetenztitel „Recht der Wirtschaft“ (Art. 74 I Nr 11 GG) zugeordnet[53].
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Als vorentscheidend für die hier zu diskutierende verfassungsrechtliche Absicherung kommunaler Tätigkeitsfelder dürfte sich darum die spezifische Eigenart und Qualität der jeweiligen Aufgabe erweisen, um die es geht.
Erbitterte Auseinandersetzungen wurden mancherorts um die Zuständigkeiten für die Durchführung der Energieversorgung über Strom- und Gasnetze auf örtlicher Ebene geführt (Stichwort: Re-Kommunalisierung)[54]. Nach BVerwGE 98, 273 (275 f) – „MEAG“ – gehört die Entscheidung über die Durchführung der örtlichen Energieversorgung zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Die Durchführung dieser Versorgung selbst ist hingegen seit jeher „durch ein plurales Nebeneinander von privaten, kommunalen und gemischtwirtschaftlichen Unternehmensformen“ (zu ihnen noch Rn 304 ff) gekennzeichnet (so BVerwG, aaO). Das für die Sachmaterie auf nationaler Ebene maßgebliche Energiewirtschaftsgesetz gilt schließlich unterschiedslos für alle Energieversorgungsunternehmen ohne Rücksicht auf Rechtsformen und Eigentumsverhältnisse (vgl die Legaldefinition in § 3 Nr 18 EnWG[55]). Meinungsunterschiede hatte es so naheliegenderweise nach der deutschen Einheit auch mit Blick auf die Stromversorgungsstruktur in den neuen Ländern (Streit um die Gründung von Stadtwerken)[56] gegeben.
Eine gemeindliche Wasserversorgung[57] ist laut Hess.VGH, RdE 1993, 143 (144) nur dann erforderlich, wenn der Bedarf der Einwohner nicht bereits auf andere Weise – nämlich durch Wasserlieferung bereits bestehender fremder, dh nicht von der Gemeinde eingerichteter Versorgungsunternehmen – befriedigt wird; s. aber auch unten Rn 239 u. Rn 242 zu einem weiten kommunalpolitischen Ermessen. Im Krankenhauswesen etwa umfasst für die Kommunen die Aufgabe der Versorgung ihrer Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern zum einen die – subsidiäre – Vorhaltung eigener Krankenhäuser und zum anderen die Mitwirkung an der Krankenhausfinanzierung[58].
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Traditionell nicht zu den Angelegenheiten des durch Art. 28 II GG geschützten Wirkungskreises zählte die Einrichtung von Fernmeldelinien – so BVerwGE 77, 128 (132) –, die gemäß § 1 des Telegraphenwegegesetzes aus dem Jahre 1899 seit jeher Aufgabe der Post war. Nichtsdestoweniger reklamierten die Gemeinden für Telekommunikationsleitungen trotz nach der Postprivatisierung erfolgter Fortschreibung der kostenlosen Wegenutzung (vgl §§ 68 ff TKG) eigene Gestaltungsbefugnisse[59], blieben aber vor dem BVerfG erfolglos[60]. §§ 68, 69 TKG, die allein die Wegenutzung regeln, entziehen jedenfalls den Gemeinden keine Aufgaben mit relevantem örtlichen Charakter.
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Die Selbstverwaltungsgarantie schützt die Kommunen auf dem Feld der Daseinsvorsorge – soweit nicht eine Monopolisierung durch Anschluss- und Benutzungszwang zulässig ist – nicht vor privater Konkurrenz[61] (dazu noch unten Rn 313 ff).
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ee) Einschränkungen des eigenverantwortlich zu führenden kommunalen Aktionsfeldes sind nicht völlig ausgeschlossen, bedürfen aber der gesetzlichen Grundlage („im Rahmen der Gesetze“ in Art. 28 II GG).
Gesetze in diesem Sinne sind alle Außenrechtsnormen, also Bundes- und Landesgesetze, aber auch Rechtsverordnungen, soweit sie auf einer mit den Anforderungen des Art. 80 I 2 GG oder entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Regelungen in Einklang stehenden gesetzlichen Ermächtigung beruhen. Begrifflich umfasst ist auch das EU-Primärrecht sowie das Sekundärrecht, wenn es, wie bei EU-Verordnungen, selbst unmittelbare Geltung beansprucht[62].
Der Gesetzesvorbehalt umfasst dabei nicht nur die Art und Weise der Erledigung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, sondern ebenso die gemeindliche Zuständigkeit für diese Angelegenheiten[63]. Es wäre jedoch mit dem Gewicht der verfassungskräftigen Selbstverwaltungsgarantie unvereinbar, wollte man diese gewissermaßen zur Disposition des einfachen Gesetzgebers stellen. So hatte bereits der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich im Jahre 1929 (zu Art. 127 WRV) bekräftigt, die Landesgesetzgebung dürfe dieses Recht weder aufheben noch die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten auf Staatsbehörden übertragen, und weiter:
„Sie darf die Selbstverwaltung auch nicht derart einschränken, dass sie innerlich ausgehöhlt wird, die Gelegenheit zu kraftvoller Betätigung verliert und nur noch ein Schattendasein führen kann“ (RGZ 126, Anh. S. 14 ff [22]), eine Formulierung, die sich das Bundesverfassungsgericht in seiner ersten Stellungnahme zur Reichweite des Art. 28 II GG zu Eigen gemacht hat (BVerfGE 1, 167 [174 f]).
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ff) In konsequenter Fortführung dieses Grundgedankens sah die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung stets einen „Kernbereich“ der gemeindlichen Selbstverwaltung als verfassungsfest und vor jeglicher gesetzlicher Einwirkung gesichert an[64]. Gewährleistet war den Gemeinden damit entsprechend traditioneller Sichtweise (vgl Rn 49) ein Bestand typischer, als essenziell erkannter Aufgaben. Maßgebliche Leitlinie für die Bewertung ist danach das charakteristische Erscheinungsbild der deutschen Gemeinde. Aufschluss darüber, welche Aufgaben hierzu gehören, kann zunächst eine historische Betrachtung (oben Rn 5) mit Blick auf den traditionellen gemeindlichen Aufgabenbestand geben. Aber auch jüngere, den Gemeinden nach der Gesetzeslage zugewachsene oder von ihnen auf Grund eigenen Entschlusses übernommene Angelegenheiten können inzwischen zu diesem zentralen Aktionsfeld gehören.
Ein Beispiel hierfür bildet die bereits angesprochene Planungshoheit in Gestalt satzungsmäßiger Festlegungen hinsichtlich der Bodennutzung durch Bebauungspläne, die heute durchweg zu den essenziellen gemeindlichen Agenden gezählt wird, in dieser Form aber erst 1960 durch den Erlass des BBauG seine konkrete Ausprägung gefunden hat[65].
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Hierauf hat das BVerfG wieder zurückgegriffen, als es den Gesetzgeber für gebunden erachtete, „die überkommenen identitätsbestimmenden Merkmale – den sog. Wesensgehalt – der gemeindlichen Selbstverwaltung zu beachten; was herkömmlich das Bild der gemeindlichen Selbstverwaltung in ihren verschiedenen historischen und regionalen Erscheinungsformen durchlaufend und entscheidend prägt, darf weder faktisch noch rechtlich beseitigt werden“[66].
Zu diesem Kernbereich oder Wesensgehalt der gemeindlichen Selbstverwaltung gehört nach der Rspr des BVerfG freilich „kein gegenständlich bestimmter oder nach feststehenden Merkmalen bestimmbarer Aufgabenkatalog, wohl aber die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen“[67]. Damit wird nicht mehr an der traditionellen Sichtweise festgehalten werden, der zufolge unantastbare örtliche Handlungszuständigkeiten immer schon dann anzunehmen waren, wenn entsprechende „Gemeindehoheiten“ tangiert waren. Solche Hoheiten (vgl Rn 55 ff) dürften damit nicht mehr kompetenzkonstituierend wirken, sondern lediglich indiziellen Charakter besitzen[68].