Kitabı oku: «Glauben - Wie geht das?», sayfa 2

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Teil A
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Der Hinweg
zum Christentum


I. Die Perspektive des Menschen

Der Mensch kommt ganz nackt zur Welt. Er ist nicht gefragt worden, ob er leben will. Niemand ist gefragt worden. Er muss dieses Leben leben, ob er will oder nicht. Er kann sich das Leben auch nehmen. Mancher tut dies, weil er mit ihm nicht zurechtkommt. Die meisten Menschen nehmen das Leben aber an. Zunächst hat der Mensch keine Wahl. Er wird ins Leben hingeworfen, er ist der Geworfene, wie Heidegger sagt. Der junge Mensch ist hilflos und auf andere Menschen angewiesen. Er kommt viel zu früh auf die Welt. Er ist eine physiologische Frühgeburt9. Das heißt, er müsste aufgrund seiner Komplexität etwa zwei Jahre im Mutterbauch heranreifen, um einigermaßen „fertig“ für die Geburt zu sein.

Aber er kommt bereits nach neun Monaten auf die Welt. Daher ist er ganz unreif. Die Mutter und die Eltern müssen ihm helfen, zu überleben und ins Leben zu finden. Zum Überleben und zum Leben genügt es auf Dauer nicht, ihm nur zu essen zu geben. Jemand muss mit dem Kind sprechen und es anschauen. Ein Kind, das zwar ernährt wird, aber mit dem niemand spricht und das von niemandem berührt wird, stirbt. Der Mensch braucht Zuwendung, Gespräch, Kontakt, Liebe. Im Laufe seines Lebens sollte der Einzelne vom rein physischen Überleben zu einem eigenen Leben kommen und letztlich zu einem Leben in Fülle. Dieser Weg vom Überleben zum wirklichen Leben ist ein langer Reifungsprozess.

Der Mensch kommt zunächst vom Du der Eltern her zum Ich. Die Eltern haben ihn gezeugt. Das Kind kommt vom anderen Menschen her zum Leben, es wird ernährt und lernt vom anderen. Es wird angesprochen und ant-wortet. Es spricht selbst zunächst nicht und später aus der Perspektive des Du: „Paul Auto putt macht.“ Erst dann kommt das Kind langsam vom Du zum Ich, vom Du-sagen zum Ich-sagen. Es wird angesprochen und angeblickt. Es ant-wortet und blickt zurück. Es ist ein Gegen-worter und ein Gegen-blicker. Es bekommt mehr und mehr Ver-ant-wort-ung und hat ein Ant-litz („litz“ heißt blicken, also gegen-blicken). Auch die Mutter hat ein Antlitz, ein Gesicht. Mutter und Kind blicken einander an. Ein Dialog beginnt: von Ant-litz zu Antlitz, von Angesicht zu Angesicht, von Wort zu Gegen-Wort (Ant-Wort). Mit diesem Dialog wird das Kind schrittweise in das Phänomen der Beziehung eingeführt, es wird zu einem sozialen Wesen herangebildet und sozialisiert. Es kann nur in der Gruppe überleben, allein ist es verloren.

Das Kind reift heran, lernt laufen und sprechen, es lernt, sich in die Gemeinschaft einzufügen. Bei den ersten Versuchen, das Laufen zu lernen, ist es noch unsicher. Es fällt hin und steht wieder auf. Der Schmerz des Hinfallens lässt es aufmerksamer werden. Es will den Schmerz vermeiden und lernt so durch Übung und mehr Aufmerksamkeit das Laufen. Später lernt es Lesen und Schreiben, auch das oft durch Versuch und Irrtum. In all diesen Lernprozessen muss es sich mit dem Leben, mit sich selbst, den Eltern und mit anderen Kindern auseinandersetzen. Es stellt viele Fragen und wird immer wieder in Frage gestellt. Wenn es gut geht, bekommt es vernünftige Antworten und eine gute Atmosphäre, in der auch seine religiösen Fragen Platz haben. Oft aber bekommen Kinder keine Antworten und ihr Fragen endet. Sie hören einfach auf zu fragen. Wenn keine Antworten von den Eltern kommen, kommen sie entweder von anderen Menschen oder aus dem Internet. So versucht der junge Mensch, sich in der Welt zurechtzufinden. Er baut sich langsam „seine eigene Welt“.

Die Welt scheint in der virtuellen Welt des Internet grenzenlos zu sein. Im konkret vollzogenen Leben treten aber immer wieder Grenzen auf. Der Mensch erfährt sie schmerzlich. Er bekommt die Endlichkeit und Unvollkommenheit immer wieder zu spüren. Neben Glück und Freude erfährt er Krankheit, Leid, Mühsal, Scheitern, Tod. Angesicht dieser Erfahrungen stellt der junge Mensch oft schon früh die großen Warum-Fragen: Warum gibt es dieses Leid, warum Krankheit, warum Tod, warum überhaupt etwas und nicht vielmehr Nichts. (Leibniz) Warum gibt es mich, und was ist der Sinn meines Lebens?10 Wenn der junge Mensch Glück hat, können ihm seine Eltern darauf einige Antworten geben oder kluge Rückfragen stellen. Oft aber gehen die Fragen ins Leere. Manchem wird das Fragen auch abgewöhnt.

In der Pubertät kommen andere Fragen hinzu. Während kleinere Kinder noch nach Antworten für das ganze Leben suchen und die großen „Warum-Fragen“ stellen, geht es jetzt um ganz alltägliche Dinge: Wann bekomme ich ein Handy, wie komme ich durch die Schule, wie ist das mit der ersten Liebe und wann kann ich den Führerschein machen? Später kommen andere Fragen hinzu: Wie finde ich den richtigen Beruf und den richtigen Lebenspartner? Der Mensch als Wesen der Frage ist ständig vom Leben herausgefordert und infrage gestellt. Er kann nach allem fragen, ist auf das ganze Sein hin offen, ja er kann sogar sich selbst zur Frage werden. „Ich bin mir zur Frage geworden“, so hat es Augustinus in einer wichtigen Umbruchsphase seines Lebens formuliert.

2. Die Fragen des Menschen

Schon das kleine Kind hat Fragen. Es schaut neugierig in die Welt. Es will die Welt erkunden. Es tastet sich voran. Es fasst die Gegenstände an, be-greift sie. Später will es die Welt geistig begreifen. Es will die Welt und sich selbst verstehen lernen. Ein heranwachsendes Kind sucht nach etwas und weiß vielleicht noch gar nicht wonach. Es hat ein Problem, das es nicht lösen kann. Es stößt auf ein Wort, das es aufhorchen lässt, oder auf ein Ereignis, das sein Leben verändert. Es wird herausgefordert, auf das Geschehene zu reagieren. Es wird von etwas bewegt, über das es nachdenken möchte.

Vielleicht nimmt es später ein Buch zur Hand, um Antworten zu finden. Es ist neugierig geworden. Es schlägt das Buch auf und liest: Wort für Wort, Kapitel für Kapitel, das ganze Buch. Womöglich findet es Antworten. Vielleicht wendet es sich auch gelangweilt ab. Das Buch ist nichts für mich. Es findet darin nicht, was es sucht. Was sucht es eigentlich? Oft weiß es das nicht genau. Irgendetwas bewegt sein Herz. Aber was ist das? Was bewegt den (jungen) Menschen im Innersten, was bringt in ihm eine Saite zum Klingen? Welche Fragen sollen ihm beantwortet werden? Immerhin: Irgendetwas löst in ihm eine innere Bewegung aus. „Movere“ heißt bewegen, so entsteht ein Motiv.

Ein anderer Mensch hört gerne Musik. Er merkt, dass ihn das innerlich anspricht. Manchen bewegt ein schöner Sonnenuntergang, ein Bild, ein Gespräch, ein Wort. Und dann ist da die erste Liebe, welch ein wunderbares Gefühl. Die Welt steht einem offen, es gibt keine Grenzen mehr. Mancher ist aber auch durch nichts zu bewegen. Er ist tot und abgestorben. Null Bock auf nichts. Da ist nur der trübe Alltag, Schule, Arbeit, Pflichterfüllung. Da bewegt sich nichts, da ist alles grau. Wie kommt man da heraus? Wie kann das Leben bunt werden? Wie kann das Leben lebendig, farbig und spannend werden? Wer gibt Antwort auf diese Fragen? Die Eltern, die Schule, der Staat? Mit jedem Tag tauchen neue Fragen auf, vielleicht wird alles immer grauer, vielleicht geht aber auch jemandem ein Licht auf, etwas leuchtet ihm ein, ein erstes inneres Verstehen, es wird heller. So kommen neue Herausforderungen, neue Probleme, neue Fragen. Irgendwie muss man damit fertigwerden. Das Leben geht weiter. Das Leben lässt einen nicht in Ruhe. Die Zeit kann niemand anhalten.

Es kann auch sein, dass ein Kind mit seinen Eltern durch die Stadt geht und fragt, was diese eigenartigen Gebäude mit den hohen Türmen sind. Es bemerkt womöglich, dass sie anders aussehen als normale Häuser. Vielleicht fragt es, wer da wohnt. Manchmal lernt es etwas davon in der Schule. Das könnte im Geschichtsunterricht sein, in Religion oder in einem anderen Fach. Vielleicht sagt ihm jemand, dass dies eine Kirche ist, vielleicht auch eine Synagoge, eine Moschee. Was aber ist eine Kirche, eine Synagoge, eine Moschee? Haben diese Gebäude etwas mit Religion zu tun? Was ist überhaupt Religion? Religion interessiert mich nicht, sagen viele. Sind es nicht Gebäude aus alter Zeit ohne Bedeutung für die Gegenwart? Sie gehören zur Kultur des Landes. Braucht man sie oder soll man sie nicht besser abreißen?

Wahrscheinlich sind die Fragen, die sich den Menschen stellen, überall auf der Welt ähnlich: Wie finde ich mein Glück, wie gelingt mein Leben, warum ist die Welt so ungerecht, wieso gibt es Krankheit und Leid, warum gibt es so viele Tränen, wie steht es mit dem Tod, warum zerbricht meine Liebe, wieso gibt es nichts Bleibendes? Wie steht es mit der Beziehung zum Mitmenschen, zu den Eltern, zur ersten Liebe. Wie verdiene ich viel Geld, wie finde ich einen guten Beruf, wie einen guten Lebenspartner. Neben all diesen Fragen gibt es aber auch das Staunen über die Welt. Das Staunen über die Größe des Kosmos und des Weltalls, das seit 13 Milliarden Jahren existiert und sich nach wie vor ausdehnt. Es gibt auch das Staunen über einen Organismus, über einen Grashalm, der mittels Photosynthese Sonnenlicht, Wasser und CO2 in Stärke (Zucker) verwandeln kann. Grüne Pflanzen sind eine der Grundlagen des Lebens und gewaltige chemische „Fabriken“.

Alles Philosophieren beginnt mit dem Fragen, dem Staunen über die Welt oder mit dem Verzweifeln am eigenen Leben. In früheren Zeiten war es wohl eher das Staunen über die Schönheit und Größe der Natur. „Ho anthropos“ ist der griechische Begriff für Mensch. „Anthropos“ heißt frei übersetzt: das Wesen, das schaut und staunt über die Großartigkeit der Welt. Heute ist es vielleicht eher der Zweifel, die Leere oder gar die Verzweiflung, die den Menschen nachdenken und philosophieren lässt.

So versucht der Mensch, sein Leben schrittweise zu bewältigen. Eines scheint deutlich zu sein: Es gibt eine Vielfalt der Zugänge zum Leben, jeder ist dort in seine Umgebung hineingeworfen und muss nun damit zurechtkommen. Aber sowohl das Schöne als auch die Grenzerfahrungen, die der Mensch macht, führen ihn über seine kleine Welt hinaus. In dem Maße er die Grenze als Grenze und das Endliche als endlich erkennt, ist er mit seinem Geist implizit schon darüber hinaus. Er steht schon in einem anderen, einem „absoluten Raum“, sonst könnte er die Grenze gar nicht als Grenze und das Endliche gar nicht als endlich erkennen. (Hegel)

Der Mensch denkt über das Leben nach. Er fragt, warum die Dinge so sind. Dies ist eine Art zu philosophieren. Insofern ist jeder Mensch ein Philosoph. Der eine ist es mehr, der andere weniger. Der eine fragt nach dem Unerklärlichen, der andere nimmt es als gegeben hin. Der eine „muss“ nachdenken und will die Dinge verstehen, der andere versteht gar nicht, warum man sich so viele Gedanken macht. Er will das Leben einfach leben und genießen. Antworten auf die Fragen geben die Eltern, die Schule, die Universität, die Philosophie, die Wissenschaften, die Religionen, vielleicht auch die Theologie.

3. Der Mensch und seine Alltagserfahrungen

Es verbindet offensichtlich alle Menschen miteinander, dass sie bestimmte Erfahrungen in ihrem Leben machen. Das sind Alltagserfahrungen, Erfahrungen von Freude und Trauer, von menschlichen Begegnungen, überschwänglichem Glück sowie Erfahrungen von Verzweiflung und Angst. All diese Erfahrungen betreffen den Menschen in seiner ganzen Existenz, es sind existenzielle Erfahrungen. Sie treffen den Menschen in seinem Zentrum, sie gelangen mitten ins Herz. Es sind Erfahrungen, die mit der Totalität seines Lebens zu tun haben. Spätestens hier geht es ums Ganze. Da kann es vorkommen, dass jemand vor Glück nicht weiß, wohin er damit gehen soll. Oder jemand ist verzweifelt und will nur noch sterben. Er weiß nicht ein noch aus, gibt alles aus der Hand und will nur noch aus diesem Leben verschwinden. Die schon erwähnte Philosophie der Grenzerfahrungen zeigt, wie der Mensch an seine Grenze stößt und nicht weiterweiß. Entweder er bringt sich um oder er ändert sein Leben und seine Einstellung zu ihm.

Es kann auch sein, dass jemand überwältigt ist von der Schönheit eines Sonnenunterganges, der Faszination der Musik, der unglaublichen Dynamik einer Liebe. Es kann sein, dass er das alles einfach hinnimmt, es kann aber auch sein, dass er anfängt, darüber nachzudenken, was das alles bedeutet, was da auf ihn zukommt, und wie das alles zu erklären ist. Er macht sich Gedanken, er schreibt etwas auf. Diese Erfahrungen tauchen im Menschen auf. Es sind Erfahrungen des inneren Friedens, der Freude und der Lebensdynamik, aber auch der Zerrissenheit, der inneren Getriebenheit und der Unruhe. Ganz vorsichtig fragt jemand seinen Nachbarn, ob er diese Erfahrungen kennt. Niemand will allein sein mit seinen Erfahrungen. Plötzlich sind da mehrere mit ähnlichen Erfahrungen, man tauscht sich aus. Irgendwann schreibt jemand diese Erfahrungen auf. Sie könnten auch für andere Menschen interessant sein. Vielleicht tritt in diesen Erfahrungen etwas Grundsätzliches zutage, was viele Menschen betrifft. Sind diese Erfahrungen verallgemeinerbar?

Manch einer fragt sich, ob es rein innerweltliche Erfahrungen sind oder ob sich in diesen Erfahrungen auch eine ganze andere Dimension zeigt, die das Menschliche übersteigt. Es gibt Erfahrungen, die über die menschliche Fassungskraft hinausragen und die der Mensch womöglich nicht versteht. Einzelne Menschen oder gar ein ganzes Volk bringen ihre Lebenserfahrungen mit dem Wirken einer absoluten oder personalen Macht in Verbindung. Sie glauben, dass manche Erfahrungen nicht anders erklärbar sind als mit dem Wirken des Absoluten, mit dem Handeln Gottes. Und das haben sie aufgeschrieben.

So sind die Heiligen Bücher der Religionen entstanden und so auch die Bücher des Alten und Neuen Testamentes, die Bücher des Judentums und des Christentums. Die Frage ist, ob in diesen Büchern nur menschliche Erfahrungen und Gedanken aufgeschrieben sind, die die Menschen von damals betrafen, oder ob es denkbar ist, dass diese Erfahrungen allgemeingültig sind und in ihnen so etwas wie ein göttlicher Geist zu entdecken ist. Ob dem Menschen in diesen Schriften etwas entgegenkommt, das er sich selbst so nicht ausdenken kann und das seinen Horizont übersteigt.

4. Die Sehnsucht nach Liebe

Ein Phänomen, das immer wieder die Fassungskraft des Menschen übersteigt, ist jenes der Liebe. Liebe ist zunächst Antwort auf das zuerst Geliebtwerden. Das Kind wird von der Mutter und den Eltern geliebt und lernt so ganz langsam, was Liebe ist. Es wird angesprochen und spricht zurück, es wird angeblickt und blickt zurück, es wird angenommen und kann langsam lernen, sich auch selbst anzunehmen. Es ist zunächst ganz passiv und kann zum Geliebtwerden nichts beitragen. Geliebtwerden meint hier idealerweise ein Angenommensein, ein zur Entfaltung-gebracht-Werden und nicht durch den Egoismus der Eltern in der Selbstwerdung Blockiertwerden. Mit zunehmendem Alter muss sich das Kind zu diesem Angenommensein und Geliebtwerden verhalten. Es kann sich positiv oder negativ dazu stellen, es kann die Liebe annehmen oder sie ablehnen. Wenn es geliebt wird, ist das positive Antwortengeben auf das Geliebtwerden das „Normale“. Es ist einfach ein Zulassen ohne Widerstand. Die Ablehnung des Geliebtwerdens erfordert eher einen Kraftaufwand. Der Mensch muss sich aktiv dagegen auflehnen. Er stemmt sich gegen etwas, was da ist, er weist aktiv etwas zurück was ihm „gratis“ entgegenkommt.

Ist er nicht geliebt worden, kennt er das Gefühl des grundsätzlichen Angenommenseins nicht und es fällt ihm schwer, später eine neue Liebe zuzulassen, die er nicht kennengelernt hat. Angesichts des Nicht-geliebt-worden-Seins spürt er implizit, dass es eigentlich anders sein sollte. Also auch der Entzug von Geliebtwerden und Angenommensein weist darauf hin, dass es eigentlich so etwas wie Liebe geben sollte. Jeder Mensch kann im Laufe seines Lebens solche Erfahrungen des Nicht-geliebt-Werdens machen, aber er kann die Erfahrungen des Geliebtwerdens auch noch nachholen und so nachträglich etwas empfangen, was ihm nicht von Anfang an entgegengebracht worden ist.

Das Kind lebt vom Du und vom Angenommensein durch den anderen. Jeder Mensch ist daher in seiner Biografie zunächst der Angesprochene, der Angeblickte, der Geliebte. Er wird angesprochen, bevor er selbst sprechen kann, er wird angeblickt, bevor er zurückblicken kann, er ist der Geliebte, bevor er lieben kann. Allerdings ist dieses Geschehen ein ständiger Dialog, und dieser Dialog verläuft nicht so sehr in einer zeitlichen Abfolge des zunächst Geliebtwerdens und des späteren Zurückliebens, sondern in einer ständigen Wechselwirkung mit unterschiedlichen Rollen.

So stellt sich die Frage, ob man vom innerweltlichen Geliebtwerden und Angenommensein zurückschließen kann auf ein letztes Geliebtwerden und Angenommensein. Dieses Angenommensein sollte im Raum des Absoluten vollkommener und bleibender sein als das innerweltliche. Es sollte die reine Liebe sein ohne Mängel, ohne Fehler, ohne Zurückweisung und Enttäuschung, ohne Zerbrechen und ohne Ende. Denn innerweltliche Liebeserfahrungen haben immer auch mit den schmerzlichen Erfahrungen des Abnehmens der Liebe, des Zerbrechens der Liebe und dem Scheitern von Beziehungen zu tun. Diese schmerzlichen Erfahrungen bringen den Menschen zur Reife, sie zeigen ihm die Endlichkeit der Welt sowie die eigene Fehlerhaftigkeit. Aber implizit wünscht sich doch jeder Mensch, dass es nicht so sein sollte, dass es einen Zustand geben sollte, in dem eine tiefe Liebe nicht mehr zerbricht, dass Beziehungen gelingen und aller Streit ein Ende hat. Er sucht den Raum des Geborgenseins und Angenommenseins, des Nicht-mehr-Zerbrechens und des Nicht-mehr-enden-Könnens. Es ist die Sehnsucht nach einer Liebe, die bleibt und nicht mehr untergeht.

Ob es diese letzte absolute Liebe gibt, kann der Mensch von sich aus nicht wissen. Er kann sie sich wünschen, er kann sie in den Himmel und in „Gott“ hineinprojizieren, aber er kann nicht wissen, ob es diese letzte Liebe „wirklich“ gibt. Ob es sie gibt, kann dem Menschen nur von ihr selbst her gezeigt werden. Sie selbst muss sich zeigen und offenbaren. Sie muss aus der Verborgenheit in die Ent-borgenheit heraustreten. Sie muss da sein und sich ent-decken lassen. Das heißt, dass die Decke der Verdeckung und Verborgenheit weggezogen werden muss hinein in die Ent-deckung und Unverborgenheit. Diese letzte Liebe muss sich zeigen und entdeckt werden. Das griechische Wort für Unverborgenheit heißt „aletheia“. Dies wird im Deutschen übersetzt mit „Wahrheit“. Liebe hat etwas mit Entdeckung, mit Unverborgenheit und mit Wahrheit zu tun. Liebe ist ein Geschehen zwischen Personen. Auch die letzte Liebe muss daher personalen Charakter haben. Gott ist die Liebe, heißt es im ersten Johannesbrief (1 Joh 4, 16b).

Die Wahrheit ist in einem bestimmten Sinn ebenfalls ein dialogisches und personales Geschehen. Wahrheit hat man nicht, sondern Wahrheit ereignet sich und tritt im Vollzug des Lebens aus der Verborgenheit ans Licht. Dieses Sich-Zeigen ist ein Prozess, ein Weg. Dieser Prozess ereignet sich im persönlichen Leben und auch in der Weltgeschichte. Die Wahrheit zeigt sich aus der Sache und aus dem Vollzug heraus. Wahrheit bewahrheitet sich im Vollzug. Die Wahrheit hat also auch einen personalen Aspekt und einen Aspekt des Prozesses und des in Erscheinung-Tretens. „Ich bin die Wahrheit“ heißt es im Johannesevangelium (Joh 14, 6). Aus christlicher Sicht ist die Wahrheit personal und lebendig, sie zeigt sich im Vollzug.

5. Die Suche nach dem Absoluten

Liebe ist großartig, aber Liebe wird auch enttäuscht. Im Enttäuscht-Werden und im Vertrauensbruch liegt eine tiefe Kränkung. Jemand ist vom besten Freund enttäuscht worden, womöglich wurde er sogar bewusst getäuscht oder verraten. Dieser Schmerz sitzt tief. Nach einer solchen Erfahrung können manche Menschen oft lange Zeit kein neues Vertrauen aufbauen oder bleiben gar ein Leben lang misstrauisch. Ist aber der akute Schmerz zur Ruhe gekommen, kann trotz allen Enttäuscht-Seins und in allem Zerbrochenen die Sehnsucht nach dem Nicht-enttäuscht-Werden, nach dem Unzerbrechlichen und nach dem Absoluten aufkeimen.

Wenn gesagt wurde, dass der Mensch das Endliche nur deshalb als endlich erkennen kann, weil er schon im Raum des Absoluten steht, dann gilt dies in ähnlicher Weise für das hier Gesagte. Angesichts der Endlichkeit, des Mangels und der Fehlerhaftigkeit menschlichen Handelns erkennt der Mensch, dass es so nicht sein sollte. Er spürt intuitiv, dass es anders sein könnte, dass der Mensch dem anderen vertrauen können sollte, dass eine Liebe gelingen könnte und ein Vertrauen nicht immer gebrochen werden muss. Bezog sich die erste „Absolutheitsausrichtung“, (dass der Geist immer schon auf das Absolute ausgerichtet ist), auf das Erkennen, die Wahrheit und die theoretische Vernunft im Sinne Kants, bezieht sich die hier beschriebene Ausrichtung auf das Absolute im Bereich der Ethik und des Handelns des Menschen. Das Absolute zeigt sich indirekt auch hier im Bereich der praktischen Vernunft im Sinne Kants. Es geht um die Miterfahrung des Absoluten im Fehlerhaften des Handelns. Auch der Mangel weist indirekt auf das Positive und Absolute hin, sonst könnte man den Mangel nicht als Mangel erkennen. Im Hintergrund scheint das Gute, sogar das absolut Gute auf.

Die Intuition sagt dem Menschen, dass all das Negative, das Mangelhafte, das Böse nur die eine Seite des Lebens sein kann, und dass all das, was ihm widerfahren ist, nicht in Ordnung ist, und dass es so nicht sein sollte. Angesichts dieser Erfahrung dieses Nicht-sein-Sollenden beginnt die Suche nach dem Darüber-Hinaus. Das Enttäuscht-Werden, das Zerbrechliche, der Schmerz und das Leid kann doch nicht alles gewesen sein. Da muss es doch noch etwas ganz anderes geben. Vielleicht wird später einmal alles anders, im Jenseits, drüben, nach dem Tod. So ist manch religiöser Glaube entstanden. Aber das hilft zunächst nichts für das Leben, diese Vertröstung auf das Jenseits. Damit macht man es sich zu leicht. Dennoch bleibt etwas Richtiges daran. Die Erkenntnis, dass die Welt ungerecht ist weist darauf hin, dass es so etwas wie eine ausgleichende Gerechtigkeit geben muss (wie immer sie aussieht).

Nicht wenige religiöse Vorstellungen funktionieren so, dass man den Menschen auf die Zeit nach dem Tod vertröstet. Der Schurke und der Verbrecher können doch nicht ungestraft davonkommen, und der „Gute“ muss doch belohnt werden. Das innerweltliche Gutsein lohnt sich ja oft nicht, der Böse und der Rücksichtslose kommen viel besser durchs Leben, der Gute hat oft das Nachsehen. Dieses Ungleichgewicht muss irgendwie ausgeglichen werden, dass es dem Guten dann im Jenseits besser geht und der Böse bestraft wird. Sicher ist daran etwas Richtiges, aber es muss differenziert werden.

Schon im Judentum ging es um Fragen der (ausgleichenden) Gerechtigkeit, und auch im Christentum wird danach gefragt, ob nach dem Tod ein Ausgleich für das irdische Leben stattfindet. Der Blick ins Jenseits ist verständlich, aber er birgt die Gefahr, dass man sich in dieser Welt nicht um die Gerechtigkeit und das Gute kümmert. Der Mensch wird auf das Jenseits vertröstet, aber es geht zunächst um das Leben in dieser Welt. Selbst wenn es kein Leben nach diesem Tod geben sollte, bleibt die Suche des Menschen nach dem Guten bestehen. Ob es das Gute gibt, kann er zunächst nur aus seinen innerweltlichen Erfahrungen heraus beurteilen. Er kann in all dem innerweltlich Schlechten das Gute finden, in all dem Vertrauen-Brechenden auch das Vertrauen-Schenkende.

Es gibt offensichtlich auch dieses Gute und Vertrauen-Schenkende, es gibt Menschen, die es verkörpern, aber es ist oft leise und leicht zu übersehen. Und es gibt dieses Gute indirekt als den Aufschrei gegen das Böse, Schlechte, Verräterische, Vertrauen-Brechende. Innerweltlich wird es allerdings immer endlich bleiben. Es bleibt die Frage, ob es in all dem innerweltlich Guten einen Hinweis gibt auf das Gute an sich – und was dieses Gute an sich sein könnte. Die Suche nach dem Absoluten bleibt.

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
362 s. 5 illüstrasyon
ISBN:
9783990401989
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