Kitabı oku: «Glauben - Wie geht das?», sayfa 3

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6. Das Absolute – Was ist das?

Fragen nach dem Absoluten können philosophisch und theologisch beantwortet werden. Die philosophische Frage könnte lauten: Wie finde ich im Relativen des Lebens so etwas wie das Absolute. Geht das überhaupt, dass man im Relativen das Absolute findet? Zwei Zugänge wurden schon beschrieben. Der erste war der, dass der Geist des Menschen immer schon auf das Absolute ausgerichtet ist, da der Mensch das Endliche nur dann als endlich erkennen kann, wenn er schon im Raum des Absoluten steht. Sonst könnte er das Relative nicht als relativ erkennen. Der zweite war der, dass der Mensch angesichts des Schlechten, Bösen und Ungerechten implizit eine Ahnung hat, dass es doch das Gute und Gerechte geben müsste. Und drittens zeigt sich gerade angesichts dieser Ahnung etwas über die Struktur der Welt.

Denn diese Welt ist asymmetrisch gebaut: Die Lüge ist die Abweichung von der Wahrheit, und nicht umgekehrt. Das Unglück ist die Abweichung vom Glück, die Ungerechtigkeit ist die Abweichung von der Gerechtigkeit, und nicht umgekehrt. Ohne dass der Mensch genau wissen muss, was die Wahrheit, was das Glück oder was die Gerechtigkeit ist, nimmt er doch unbewusst am Positiven Maß, um sich zu orientieren. Er bezeichnet das Positive als Wahrheit und den Mangel als Lüge, er ist auf der Suche nach dem Glück und erkennt vor diesem Hintergrund sein Unglück. Er empfindet etwas als ungerecht, und das kann er nur, weil er eine Ahnung von Gerechtigkeit hat. Ohne das implizite Maßnehmen am Positiven kann der Mensch sich in der Welt nicht zurechtfinden. Er kann nicht von Lüge zu Lüge und vom Bösen zum Bösen fortschreiten. Natürlich gibt es das leider in der Welt, aber jeder sieht sofort ein, dass es so nicht sein sollte. Daher ist das Böse als Mangel an Gutem beschrieben worden. (Thomas von Aquin) Man müsste es wohl noch zuspitzen: Das Böse ist das pervertierte Gute, es kommt oft unter dem Anschein des Guten, verdreht die Dinge, zieht seine Kraft aus dem Guten und wendet sich gegen den Menschen. Daher ist es so bedrohlich und zerstörerisch.

Letztlich ist in allem Endlichen und Falschen doch das Richtige und Absolute still und unbemerkt implizit anwesend. Es ist irgendwie da, man kann es aber nicht genau fassen. Man kann sekundär darauf reflektieren, dass es die Gegenwart und Anwesenheit eines unausgesprochenen Horizontes ist, der in all den Bewertungen, die der Mensch vornimmt, gegenwärtig ist. So hat das Absolute auch einen Hang zum Bleibenden. Der Mensch möchte den Moment des größten Glückes festhalten. Er weiß, dass es wieder vergeht, aber er möchte es festhalten, er möchte, dass es bleibt, am liebsten ewig: „Möcht ich zum Augenblicke sagen, verweile doch, du bist so schön“, heißt es bei Goethe; und bei Friedrich Nietzsche: „Alle Lust will Ewigkeit.“

Das Absolute will Ewigkeit, der Mensch findet immer wieder ein Stück Ewigkeit in der Zeit, das Absolute weist hin auf diese Ewigkeit, es ist eine Art Zeitlosigkeit und Raumlosigkeit. Es ist einfach da, still und unbemerkt, implizit in den Dingen und im Relativen. Es ist anwesend und da, scheu und zerbrechlich, geradezu verborgen und hilflos, aber es ist da. Und es ist anders da als ein Baum oder ein Mensch. So ist das Absolute zunächst in den Phänomenen versteckt „da“ und man muss es eigens ans Licht holen, um es zu erkennen. Es ist still und unaufdringlich. Man muss sich ihm ausdrücklich zuwenden.

Neben der Suche nach dem Absoluten in den Dingen hat der Mensch auch immer gesucht nach dem Absoluten hinter dieser Welt, hinter den sichtbaren Dingen oder jenseits des Todes. Es kann die Vorstellung sein, dass in der Welt Kräfte wirken, die der Mensch nicht erklären kann. Es könnten Engel und Dämonen am Werk sein, Schicksalsmächte und Dunkles, vielleicht auch ein guter Gott. Es kann die Vorstellung einer ausgleichenden Gerechtigkeit im Jenseits sein, die Auffassung von der Unsterblichkeit der Seele, jene von der Auferstehung von den Toten oder vom Paradies, es kann die Auffassung von Wiedergeburt oder Reinkarnation sein. All dies sind Vorstellungen, die über das Innerweltliche und den Tod hinausgehen, sind der Blick ins Unendliche und absolute Sein. Offensichtlich liegt im Menschen und in den Dingen dieses Streben nach dem „Darüber hinaus“.

So stellt sich die Frage nach dem Finden des Absoluten in den Dingen und nach dem Finden des Absoluten jenseits von den Dingen. Die Suche nach dem Absoluten in den Dingen ist dem Menschen indirekt möglich (das Absolute im Relativen, das Unsichtbare im Sichtbaren, das Unendliche im Endlichen, das Gute im Bösen), die Suche nach dem Absoluten, das explizit als Grund der Welt in dieser Welt auftritt, kann der Mensch zwar unternehmen, aber er wird keine endgültigen Antworten bekommen. Es ist die Frage, wie der Mensch „wissen“ kann, ob es dieses Absolute hinter allem und als Grund von allem geben kann, ob da etwas Größeres ist oder nicht vielmehr nichts.

Die Frage ist auf einen ersten Blick nicht schwer zu beantworten: Denn das, was den Menschen und seine Erkenntnis übersteigt, kann er zunächst nicht wissen. Das ist ja genau das Problem, dass er etwas erahnt von einer anderen Dimension, die er nicht ausdrücklich erkennen kann. Er sehnt sich nach etwas ganz Anderem, von dem er nicht weiß, ob es das gibt. Wie aber bekommt er Zugang zu dem, was er nicht kennt und von dem er nicht genau weiß, ob es das gibt? Dieses „Jenseitige“ übersteigt die Erkenntnisfähigkeit des Menschen, da es ja gerade mehr sein soll als all das, was der Mensch aus sich heraus in dieser endlichen Welt erfassen kann. Hier gibt es wohl nur eine einzige Lösung: dass dieses Jenseitige sich von sich aus zeigen muss, dass es in Erscheinung treten muss. Es muss sich von sich her zeigen, sonst kann der Mensch nicht wissen, ob es das gibt. Anders gefragt: Gibt es neben der Erscheinungsweise des Absoluten in den Phänomenen auch noch eine ganz andere Erscheinung des Absoluten im Relativen, die sich explizit zeigt und aus der Verborgenheit hervortritt? Kann der letzte Grund von allem sich ausdrücklich in dieser Welt zeigen? Bevor auf diese Frage eingegangen wird, sollen noch andere Fragen des Menschen auf der Suche nach dem Absoluten und dem Unerklärlichen behandelt werden.

7. Der Mensch auf der Suche nach dem Unerklärlichen

Neben der Suche nach dem Absoluten hat das Denken der Menschen immer schon versucht, das Unerklärliche zu erklären. „Der Mensch strebt von Natur aus nach Erkenntnis“, so heißt es im ersten Satz der Metaphysik von Aristoteles. Und das ist gut so, könnte man sagen. Der Mensch will verstehen, wie die Welt funktioniert, welche Kräfte in ihr wirken und was die Welt im Innersten zusammenhält. (Goethe) Er sucht Erklärungsmodelle für die Welt. Mit seinem Geist versucht er, die Natur zu verstehen. Er will einerseits wissen, wie sie funktioniert, und andererseits will und muss er sie gestalten. Er gestaltet Natur, um von ihren Gewalten nicht zermahlen zu werden.

Aber über diese Naturbeherrschung hinaus will er sein Denken und Fühlen auch ausdrücken in Musik, Wort, Bild, Skulptur und Gebäuden. Er schafft Kultur. Er denkt nach über den Tod, er wird mit Fragen konfrontiert, die er nicht lösen kann, es bleibt immer ein Rest des Unerklärlichen. Auch im Bereich moderner Naturwissenschaften tauchen mit einer beantworteten Frage 20 neue Fragen auf. Das Nichtwissen wird mit jedem Wissen größer. Es steigt nahezu exponentiell. Das Leben und seine Interpretationen entziehen sich dem vollständigen Zugriff.

Da man lange Zeit in der Geschichte keine naturwissenschaftlichen Erklärungen für Naturphänomene hatte, hat man oft Göttergeschichten „erfunden“, die das Unerklärliche und Unverständliche irgendwie erklärbar und „fassbar“ machen. Man findet diese Göttergeschichten in Mythen und Mythologien. Womöglich sind aber auch diese „Geschichten“ nicht nur aus der menschlichen Perspektive erfunden worden, sondern es wirkte in ihnen schon ein anderer (göttlicher) Geist. Religionen sind keine reine Philosophie.11 Allerdings kann man argumentieren, dass wohl auch in einer platonischen oder aristotelischen Philosophie bereits ein göttlicher Geist gewirkt hat. Bereits an dieser Stelle stellt sich die Frage, wie der Begriff der Religion zu definieren ist (was hier nicht geleistet werden kann) und wie menschliches und göttliches Wirken zusammenwirken.

So war man auf der Suche nach dem Unerklärlichen und belegte dieses mit Göttergestalten. Denn hatte man das Unerklärliche erst einmal personifiziert und einen Götternamen dafür gefunden, konnte man diese Götter anbeten, ihnen etwas opfern und sie gnädig stimmen. Sollten Göttergestalten für die Kräfte der Natur stehen, kann man die zerstörerischen oder erhaltenden Kräfte in der Natur besser „bändigen“. Mit Hilfe der Opfer für die Götter konnte man sie selbst und damit auch die Natur „gnädig stimmen“ und ihrer besser „Herr“ werden. Man konnte Rituale entwickeln für die Anbetung oder das Opfer für die Götter.

Diese Zeiten der vielen Götter sind in der westlichen, naturwissenschaftlich geprägten Welt weithin vorbei, wenngleich sich auch im Christentum noch Relikte dieser Vorstellungen finden. Heute versucht man das Unerklärliche mit Hilfe der (Natur-)Wissenschaften zu erklären. Man stellt bestimmte Hypothesen auf und versucht diese mit naturwissenschaftlichen Methoden zu bewahrheiten (verifizieren) oder abzulehnen (falsifizieren). Die alten Göttergestalten, die Platzhalter für das Unerklärliche waren, sind in den Hintergrund getreten. Bestimmte Gottesvorstellungen sind von den Naturwissenschaften verdrängt worden. Viel Unerklärliches ist erklärbar geworden. Wenn naturwissenschaftliche Erkenntnisse derartige Gottesvorstellungen zurückdrängen, dann scheinen sich Gottesvorstellungen im Lauf der Zeit zu ändern. So lief es auch in der Geschichte. Von Naturreligionen über die „Vergöttlichung“ von Unerklärlichem verlief die Geschichte über den Vielgötterhimmel des Hinduismus, der in anderer Weise auch in der griechischen Philosophie und im Umfeld des Volkes Israels zu finden war, hin zum Eingottglauben des Volkes Israel.

Die Suche nach dem Unerklärlichen ragt auch über den Tod hinaus. Der Tod ist für den Menschen dunkel und undurchdringlich, er weiß nicht, was dahinter ist. Gleichzeitig ragt der Mensch mit seinem Denken über den Tod hinaus, aber er bekommt von drüben keine Antwort. Das Dunkel des Todes wird nicht erhellt. Allein die menschlichen Gedanken ragen darüber hinaus und machen sich Vorstellungen vom Jenseits. Angesichts der Endlichkeit und des Todes entsteht auch das Nachdenken über ein Leben nach dem Tod.

Und wiederum sind es die Religionen, die nicht nur über das Unerklärliche in der Welt und über ihre Gottesvorstellungen reflektieren, sondern auch über ein Weiterleben nach dem Tod: in Asien im Zusammenhang mit Reinkarnationsideen, im Judentum im Kontext mit Vorstellungen einer ausgleichenden Gerechtigkeit für die Ungerechtigkeiten dieser Welt (die Jenseitsvorstellungen entwickeln sich im Volk Israel erst relativ spät in den Makkabäerbüchern), im Christentum über ein Sein bei Gott in Form einer leiblichen (nicht körperlichen!) Auferstehung, im Islam mit Paradiesvorstellungen. Im Folgenden soll nun zusammengefasst werden, ob sich aus dem bisher Dargestellten einige plausible Gottesvorstellung entwickeln lässt und sich richtige von falschen Gottesvorstellungen trennen lassen.

8. Annäherungen an plausible Gottesvorstellungen

Wenn man die Suche des Menschlichen nach dem Absoluten, seine Suche nach dem Unerklärlichen, seine Sehnsucht nach Bleibendem, seine Sehnsucht nach Liebe und Angenommensein und seine Sehnsucht nach Unzerstörbarem über den Tod hinaus zusammendenkt, kann man versuchen, sich heranzudenken an Gottesvorstellungen, die für ihn einigermaßen plausibel sind. Mancher Mensch setzt einfach voraus, dass es einen Gott „gibt“. Aber woher weiß er das? Schafft er sich nicht seinen Gott nach seinem Bild? Erfindet er nicht einen Gott nach den Kriterien, die seiner Sehnsucht entsprechen? Vielleicht sind diese Vorstellungen auch Ausdruck davon, dass er mit dem Leben nicht zurechtkommt und Angst hat vor dem Leben oder dem Tod? Möglicherweise will er auch jemanden verantwortlich machen für das Chaos und das Leid in der Welt?

Wie kommt der Mensch von seinem erfundenen und gedachten Gott zum „wahren“ Gott? Wie kommt er von dem Gott, den er selber projiziert hat, (Feuerbach) zu jenem Gott, der „wirklich“ da ist, der „existiert“,12 und der das Sein im Innersten zusammenhält? Wie schafft er den Überstieg aus seiner menschlichen Perspektive hinein in jenen Raum, der wirklich der Raum Gottes selbst ist? Kann der Mensch überhaupt in jene andere Dimension Gottes hineinkommen, so dass er tatsächlich von Gott her auf die Welt schaut? Anders gefragt: Wie kann „Gott“ den Menschen hinüberziehen auf seine Seite, sodass der Mensch von dort her die Welt und die eigene Existenz betrachtet?

Die erste Frage nach Gott geht – so hatten wir schon gesagt – vom Menschen aus. Es ist die philosophische Frage nach dem Absoluten. Die zweite Frage ist, ob es dieses Absolute gibt und wie dieses Absolute in dieser Welt „da“ ist. Die dritte Frage ist, wie man es findet. Die vierte, ob das Absolute indirekt da ist oder direkt, ob es personal ist, apersonal oder sächlich. Diese Fragen wurden bisher schon teilweise beantwortet. Die zentrale Frage aber ist, ob es denkbar ist, dass dieses Absolute über das indirekte und implizite Dasein in den Dingen auch explizit selbst in Erscheinung treten und mit dem Menschen Kontakt aufnehmen kann.

Kontakt aufnehmen mit dem Menschen kann nur ein Wesen, das mindestens die „Ausstattung“ des Menschen hat: Es muss Geist, Vernunft, Verstand und möglichst auch Gefühl und Gespür haben. Es müsste ein personales Gegenüber sein, das von sich selbst sagen kann, welche Eigenschaften es besitzt. Es müsste sich in einem ersten Schritt dem Menschen zeigen und bekannt geben, dass es da ist und als personales Gegenüber in Erscheinung tritt. Zweitens müsste es über das Bekenntnis seines Daseins hinaus auch etwas über sein So-sein aussagen, nämlich wie es ist, ob es gut oder böse, barmherzig oder unbarmherzig, liebend oder strafend ist. Es müsste schrittweise sein Innerstes preisgeben. Es müsste sich offenbaren. Sonst wären es wieder nur menschliche Projektionen.

Wenn man die Frage stellt, ob dieses Absolute abstrakt oder konkret, implizit oder explizit ist, ob es sächlich ist wie ein Schicksal, personal mit bestimmten Eigenschaften oder apersonal, dann kann man zunächst auf die Sprache rekurrieren, denn diese stellt nur eine gewisse Auswahl zur Verfügung: Ich, du, er, sie, wir, ihr, sie sind personale Pronomina, die für Personen stehen, „es“ ist ein sächliches Pronomen wie zum Beispiel „das Schicksal“. Das Apersonale als dritte Möglichkeit könnte man als die Öffnung auf das nichtthematisierte Personale bezeichnen. Wenn man in den Meditationen des Zen-Buddhismus leer werden soll und sich gerade nicht einem Du zuwendet wie in einem Gebet (das auch sehr still und ohne Worte sein kann), dann kann dieses Leer-Werden Raum schaffen für das Sein und eine unthematisierte Öffnung darstellen auf ein nicht thematisiertes „Du“.

An dieser Stelle kann der Mensch sich offensichtlich entscheiden, was ihm plausibel erscheint. Er kann an eine Schicksalsmacht glauben, die er nicht beeinflussen kann und die alles Mögliche bewirken kann in dieser Welt, Gutes und Böses, Krankheit und Gesundheit, Glück und Unglück, Heil oder Unheil. Er kann sich auch durch das Leer-Werden einem apersonalen Sein öffnen, das da anwesend ist und alles durchwirkt. Er kann dieses Sein und den Grund allen Seins aber auch mit einer personalen Macht verbinden, die gut ist. Ob es diese Macht gibt, ob sie gut ist und ob sie die Wahrheit ist, kann man indirekt erschließen, letztlich wissen kann man es erst, wenn diese „Macht“ sich selbst dem Menschen zeigt. Das Gute müsste sich als der Gute in der Welt zeigen.

So entwickelt sich hier ein Dialog: Der Mensch kann seine Plausibilitäten durchgehen: ob es plausibler ist, an irgendein höheres unberechenbares Wesen zu glauben, das hinter allem steht, an ein Du, das denkt und einen Willen hat – oder an etwas Apersonales oder an ein Nichts. Und wenn er sich entschließt, zum Beispiel an ein personales Du zu glauben, das es gut mit dem Menschen meint, das seiner Sehnsucht nach Liebe, Geborgenheit, Sinnfindung und Ewigkeit entgegenkommt, dann kommt es offensichtlich nur noch darauf an, dass dieses Du, das der Mensch sich erhofft, ihm auch tatsächlich aus der göttlichen Welt entgegenkommt. Dieses letzte Gute müsste alles innerweltlich Gute übersteigen und Urheber all des Guten sein.

Selbst wenn der Mensch an nichts glaubt, wird er sich doch schwertun, zu leugnen, dass – wie schon ausgeführt – man sich am Positiven orientieren muss, um das Negative als negativ zu erkennen, und am Absoluten, um das Relative als relativ zu verstehen. So zeigen sich schon aus einer innerweltlichen Logik bestimmte Asymmetrien und legen bestimmte Attitüden des Absoluten nahe. Es gibt schon in dieser Welt Hinweise, dass nicht alles gleich gültig ist, dass es Unterschiede und Orientierungsmöglichkeiten für eine Ausrichtung in der Welt gibt. Wenn der Mensch auf der Suche nach dem Absoluten ist, legen sich Werte wie Wahrheit und Güte, Lebensbejahung und Sinnfindung, Logik des Geistes sowie Personalität mit Vernunft und Willen für dieses Absolute nahe. Inwieweit ein apersonales Denken das personale überragen kann, soll hier nicht diskutiert werden. So verhält sich der Mensch in allem, was er tut, irgendwie zu diesem absoluten Horizont des Seins unabhängig davon, ob dieser Horizont sich seinerseits zeigt.

Dieser unthematische Horizont, der immer da ist, muss eigens thematisiert werden. Damit tut der Mensch sich schwer, denn seine Weltinterpretation ist heutzutage weithin eine naturwissenschaftliche. Aus dieser „Welterklärungsformel“ versucht er sein Leben zu verstehen. Und zu dieser Welterklärung gehört manchmal auch die Frage nach Gott. Aber hier wird es schon schief. Denn hier wird Gott zu etwas Zusätzlichem zur Welt gemacht statt ihn zu sehen als denjenigen, der in allem anwesend ist. Er ist in allem anwesend „da“ und gleichzeitig jenseits von allem, er ist der Grund von allem. So muss der Mensch vor allem an seinen Gottesbildern arbeiten. Denn den Gott, den es in der Vorstellung des Menschen „gibt“, den gibt es womöglich gar nicht. Wenn es Gott als Gott gibt, dann ist dieser anders als die Vorstellung des Menschen von ihm. Die Projektion des Menschen aus seiner Perspektive in Gott hinein kann immer nur zu einem „Übermenschen“ führen, niemals aber zu dem Gott als Schöpfer, Grund und innerste Mitte dieses unglaublichen Universums vorstoßen.

So wie sich Gottesbilder in der Geschichte immer wieder ändern, so ändern sich auch die Gottesvorstellungen in der Biografie des Einzelnen. Man müsste herausarbeiten, in welchen Lebensphasen welche Gottesbilder auftauchen. Vielleicht sind es zunächst ganz kindliche und naive Gottesbilder, dann kritische Hinterfragungen, dann unbewusste und unreflektierte Übernahmen von Gottesvorstellungen der Eltern, aus der Tradition, schließlich vielleicht durchreflektierte und für sinnvoll erachtete, aufgeklärte Gottesvorstellungen, oder auch totale Ablehnungen. Bei Letzterem muss man fragen, welcher Gott oder welche Gottesvorstellungen eigentlich abgelehnt werden. Meistens wird ein Gott abgelehnt, den der Mensch sich selbst gemacht hat und den es gar nicht gibt. Oft gibt es auch die Haltung des „Ich weiß nicht“ (Agnostiker) oder des „Es-ist-mir-egal“ bis hin zu der Äußerung, dass Menschen sagen: „Wir glauben nicht an Gott, wir sind auch keine Atheisten, wir sind einfach ganz normal.“

9. „Falsche“ und „richtige“ Gottesvorstellungen

So kann man zusammenfassend noch einmal nach richtigen und falschen Gottesbildern Ausschau halten. Es war von den Projektionen des Menschen die Rede, dass er sich einen Gott nach seinem Bild entwirft. Dasselbe Phänomen gibt es auch zwischen Menschen. Der Mensch macht sich ein Bild vom anderen. Wenn er sich aber ein Bild vom anderen macht, kann er diesen anderen nie als den wirklich anderen erfassen. Er wird ihn immer nur so sehen, wie er ihn sich durch seine eigene Brille vorstellt. So findet keine wirkliche Begegnung statt. Begegnung heißt, sich immer wieder vorgefertigte Bilder korrigieren zu lassen, dadurch seine Vorstellungen vom anderen abzubauen und den anderen langsam als den wirklich anderen zu erkennen.

Diese Projektionen geschehen auch im Verhältnis des Menschen zu Gott. Mit den vorgefertigten Gottesbildern wird man aber Gott nie als Gott erkennen lernen. Ein gute religiöse Erziehung sollte darauf abzielen, beide Projektionen im Laufe des Lebens langsam abzubauen: die Projektion des eigenen Bildes in den anderen Menschen hinein, das dem anderen als dem anderen niemals gerecht werden kann, und die Projektion in Gott hinein, die nie Gott als Gott erreicht und oft nur einen Götzen hinterlässt. Daher heißt es schon im Alten Testament: „Du sollst dir kein Bild von Gott machen.“ (Ex 20, 4) Und an anderer Stelle: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege“ (Jes 55, 8), und: „So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.“ (Jes 55, 9)

Ohne Bilder kommt der Mensch aber nicht aus, er lebt in Bildern und Vorstellungen. Es ist daher eine lebenslange Aufgabe, sich immer wieder von diesen Bildern zu verabschieden: Man muss sich die Bilder vom Mitmenschen, aber auch von Gott immer wieder korrigieren lassen. Max Frisch hat herausgearbeitet, dass es das Ende der Liebe ist, wenn der Mensch sich ein Bild vom anderen Menschen macht und ihn in dem Sinne „feststellt“. Die Feststellung: „So bist du eben“, ist das Ende der Liebe.13 Es ist – meint Frisch –, gerade so, dass wir von dem Menschen, den wir lieben, am wenigsten sagen können, wer er ist. Wir lieben ihn einfach. Das Ende der Liebe ist dann gekommen, wenn wir meinen, sagen zu können, wer der andere ist: So bist du eben. Ich bin mit dir fertig.

Liebe hat also etwas mit der Schwebe des Lebendigen zu tun, mit dem Nicht-ganz-fassen-Können des anderen Menschen, dem Nicht-ganz-erfassen-Können von sich selbst und letztlich auch mit dem nicht Erfassen-Können des Göttlichen. Diese Schwebe des Lebendigen muss man aushalten lernen. Es ist geradezu wie das Gehen oder Schweben über das Wasser ohne feste Haltestricke. Diese Schwebe hat etwas zu tun mit der Dynamik des Lebens, mit dem Sich-Entwickeln, dem Weiter-Streben, dem Sich-Übersteigen, dem je neu Entdecken und Entdeckt-Werden. Diese etwas verunsichernde Entdeckungsreise gelingt wiederum nur mit einer festen inneren Anbindung an den Grund allen Seins und in einer festen Verankerung im Absoluten, in dem, den die Christen Gott nennen, der innerlich Halt und Stand bietet trotz aller Veränderungen.

Gerade die Liebe soll versuchen, die Veränderungen mitzugehen und die selbstgemachten Bilder vom anderen langsam abzubauen. Sie soll sich bemühen, den anderen Menschen, der diese Veränderung durchmacht, aber auch den Unbekannten, mehr und mehr zu entdecken und zu „verstehen“. Auch sich selbst soll der Mensch durch all die Veränderungen hindurch besser verstehen lernen. Das Eigenartige ist: Wenn man zum Beispiel ein fröhlicher Mensch ist, dann wird man auf Dauer dieser fröhliche Mensch nur bleiben, wenn man sich innerlich immer wieder verändert und weiterentwickelt. Menschen sagen: Bleib, wie du bist. Daran ist etwas richtig: Man soll so fröhlich bleiben, wie man ist, aber das geht nur, wenn man sich innerlich verändert, weiterwächst und mit dem Lauf des Lebens mitgeht.

Was für Menschen gilt, gilt auch in ganz anderer (analoger) Weise für den letzten Grund des Seins. Der Mensch soll sich kein Bild von Gott machen, da Gott sonst immer in die kleine Welt des Menschen gepresst wird. Ein solches Gottesbild kann Gott nicht Gott sein lassen, sondern macht eine Karikatur aus ihm. Aus falschen Gottesbildern kommen viele „Atheismen“. Viele Atheisten kämpfen gegen selbstgemachte, verzerrte und falsche Gottesbilder. Sie lehnen einen Gott ab, den es nicht gibt. Sie wenden sich von einem Gott ab, den sie sich selbst zusammengebaut haben. Dieser „Gott“ hat mit dem „wahren“ Gott nichts zu tun. Denn den Gott, den es gibt, gibt es nicht, so ähnlich hat es Dietrich Bonhoeffer formuliert. Dieser Gott, den es gibt, ist jener Gott, von dem wir uns ein Bild gemacht haben, der so in der Welt vorkommen soll wie ein Baum oder ein Mensch, und den es so geben soll, wie wir ihn gerne hätten. Er soll verdinglicht werden, damit man ihn gebrauchen kann. Er soll dem menschlichen Willen gehorchen. Gerade so aber kommt Gott in der Welt nicht vor.

Er ist zunächst der Namenlose, der Jahwe des Judentums, dessen Namen man nicht aussprechen und von dem man sich kein Bild machen soll. Er ist das verschwebende Schweigen, das sich langsam beginnt zu zeigen, sich zu äußern und in die Öffentlichkeit tritt. Vielleicht kann man im Schweigen des Zen-Buddhismus eine Ahnung von diesem schweigenden Gott bekommen. Später wird er sich in der Gestalt eines Menschen zeigen.

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22 aralık 2023
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