Kitabı oku: «Das lange 19. Jahrhundert», sayfa 3

Yazı tipi:

Napoleon war nach diesem Coup in aller Munde. Er war der jugendliche Draufgänger, den Frankreich brauchte, um gegen die Übermacht der Feinde zu bestehen. Aber der junge Korse war auch innenpolitisch zur wichtigsten Figur der französischen Politik aufgestiegen. Nach seiner Rückkehr aus Italien sollte es gegen den letzten ernstzunehmenden Gegner in Europa, gegen England, gehen. Im Oktober 1797 stellt er eine Armee zur Überquerung des Ärmelkanals zusammen, das Unternehmen musste aber wegen der Übermacht der britischen Flotte wieder eingestellt werden. Am 19. Mai 1798 startete Napoleon eine Expedition nach Ägypten mit dem Ziel, den britischen Zugang nach Indien zu blockieren. Eine Niederlage gegen die britische Flotte unter Admiral Nelson machte die Aussichtslosigkeit des Unterfangens schnell klar, dennoch zog der Korse weiter und eroberte Gaza und Jaffa. Aber anders als in Italien wurde er im Nahen Osten nicht als Befreier, sondern als Ungläubiger und Eindringling gesehen. Das Ziel der Expedition – die Unterwerfung von Teilen Ägyptens, um England den Weg nach Indien zu versperren – erreichte er nicht. Während Napoleon im Nahen Osten kämpfte, eroberten die alliierten Gegner im Zweiten Koalitionskrieg die beiden französischen Satellitenstaaten in Oberitalien zurück und stellten dort die alte Ordnung wieder her. Allein die Tatsache, dass die Koalitionäre untereinander zerstritten waren und die Koalition sich 1799 wieder auflöste, verhinderte weitere militärische Attacken gegen Frankreich.

Putsch in Frankreich

Nachdem Napoleon die Aussichtslosigkeit seiner ägyptischen Mission erkannt hatte, verließ er seine Truppen und segelte unter dramatischen Umständen nach Frankreich zurück. Dort war die innenpolitische Situation nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten und einer bei den Wahlen im Frühjahr 1799 gestärkten radikal-demokratischen Opposition aus den Fugen geraten. Es schien für einige Wochen, als könnte es zu einer erneuten jakobinischen Herrschaft kommen. In der Nacht des 9. November 1799 schlug Napoleon sich auf die Seite jener, die diesen Umschwung verhindern wollten. In einem Handstreich besetzte er die französische Hauptstadt und zwang die Angehörigen der gesetzgebenden Organe, die geltende Verfassung abzuschaffen und ihn als „Ersten Konsul“ eines Dreierkollegiums einzusetzen. Einen Monat später veröffentlichte er eine republikanische Verfassung, die ihm zunächst für zehn Jahre, später auf Lebenszeit diktatorische Vollmachten übertrug. Am 15. Dezember 1799 proklamierte Napoleon das Ende der Revolution:

„Die Verfassung ist auf den wahren Grundsätzen der repräsentativen Regierung, auf den heiligen Rechten des Eigentums, der Gleichheit und der Freiheit gegründet. Die Gewalten, die sie errichtet, werden stark und fest sein, so wie sie es sein müssen, um die Rechte der Bürger und die Interessen des Staates zu garantieren. Bürger, die Revolution hält an den Grundsätzen fest, die an ihrem Anfang standen. Sie ist beendet.“

Napoleon Bonaparte war auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner Macht. Zwar war er einerseits der Totengräber der Revolution, solange er aber andererseits ihre Ziele und Errungenschaften nicht antastete, konnte er sich der Unterstützung der Franzosen sicher sein. Zu seinen ersten Amtshandlungen gehörten Steuersenkungen und die Modernisierung der Verwaltung. Mit dem „Code Napoleon“ - oder auch Code Civil - hatte er das erste Bürgerliche Gesetzbuch verfassen lassen, das bald darauf zum Vorbild für andere europäische Rechtssyste-me wurde. Zudem gelang es dem gerade mal 30Jährigen in den kommenden Monaten sowohl Frieden mit der katholischen Kirche zu schließen, als auch die Streitigkeiten mit Österreich beizulegen. Anarchie und Chaos verschwanden aus dem öffentlichen Leben ebenso wie Guillotine, Willkürherrschaft und Rechtsunsicherheit. Noch nie in seiner Geschichte war Frankreich so mächtig wie zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Napoleon herrschte über das größte Reich, das seit Karl dem Großen zwischen Rhein und Atlantik, zwischen der Nordsee und Italien existiert hat. Ruhm und Wohlstand, den er den Franzosen bescherte, sein offensichtlich unbezwingbares militärisches Genie und sein politisches Geschick im Umgang mit den europäischen Gegnern ließen Vergleiche aufkommen. War nicht Napoleon der wahre Nachfolger Karls des Großen, der vor tausend Jahren das römisch-deutsche Kaiserreich als europäische Supermacht etabliert hatte? Folgte Napoleon nicht in direkter Linie den großen Cäsaren des Imperium Romanum? Nicht die deutschen Kaiser, die sich seit Jahrhunderten bemüht hatten in die Fußstapfen des großen Franken zu treten, waren die legitimen Erben, sondern er - der „Erste Konsul“ des revolutionären Frankreichs. Napoleon umgab sich als Imperator und „Erster Konsul“ mit Senatoren und Präfekten und erweckte tatsächlich so den Eindruck, Frankreich sei das dritte römische Reich. Vom Beginn seiner Regentschaft war der Hang zu Selbstherrlichkeit und Arroganz zu sehen. Beides sollte Napoleon erst in ungeahnte Höhen des Ruhms und der Anerkennung führen, um ihn dann in ebensolche Tiefen stürzen zu lassen.

Kaiserreich

Der nächste Akt fand am 2. Dezember 1804 statt. Mit einer pompösen Feier in der Kathedrale von Notre Dame krönte er sich selbst zum französischen Kaiser und begründete das erbliche Kaisertum der Familie Bonaparte. Papst Pius VII. durfte bei der Inszenierung der kaiserlichen Macht Napoleons nur zuschauen. Waren es früher die Päpste gewesen, die die weltlichen Herrscher gekrönt und damit der gottgewollten Ordnung den geistlichen Segen gegeben hatten, waren sie nun allenfalls noch Zaungäste. Napoleon signalisierte damit die neuen Vorzeichen: Das Sagen in einem säkularisierten Europa hat fortan der französische Kaiser, der Rest musste sich unterordnen. Der Pomp der Selbstinszenierung verfehlte die beabsichtigte Wirkung nicht, denn sie vermittelte den Anschein, als folge den absolutistischen Monarchen des Ancien Régime ein republikanischer Führer, der Frankreich in eine glorreiche Zukunft führen könne. Mit der Kaiserkrone auf dem Kopf und dem Elan einer erfolgreichen Revolution im Rücken machte sich Napoleon nun daran, die bestehende Ordnung zwischen den europäischen Völkern aufzubrechen. Viele Bürger in Europa unterstützten die Ideale der Französischen Revolution. Viele Untertanen der „alten“ Völker Europas erlagen der Magie des Rufes nach „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“, den sich die Französische Revolution auf die Fahnen geschrieben und auch tatsächlich durchgesetzt hatte. Der französische Kaiser nutzte das aus und ließ sich überall dort als Überbringer der neuen Ordnung huldigen, wo die absolutistischen Monarchien Reformen verschlafen hatten. Das Ziel seiner Politik, die zwischen 1804 und 1814 Europa in Atem halten sollte, war eine europäische Einheit unter französischem Protektorat. Kurz vor seinem Tod, verbannt auf der Insel St. Helena im Südatlantik, offenbarte er die europäischen Ambitionen seiner Politik. Er habe, diktierte er, „alle Völker, die geographisch zu einer Nation gehörten“, wieder zusammenführen wollen. Auch wenn dieser Aspekt nicht die wichtigste Erklärung seiner Politik war, dürfte die europäische Idee vermutlich ein Teil seiner politischen Überzeugungen gewesen sein.

Das Ende des „Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation“

Der Weg zum europäischen Superstaat unter französischer Flagge wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch eine Entscheidung erleichtert, die die deutschen Fürsten Ende Februar 1803 in Regensburg bei der letzten Sitzung des „immerwährenden Reichstags“ des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation fällten. Ausgangspunkt des „Reichsdeputationshauptschlusses“ war der Frieden von Lunéville, den am 9. Februar 1801 Frankreich und der römisch-deutsche Kaiser Franz II. unterzeichnet hatten. Darin wurden Frankreich umfangreiche Gebiete am linken Rheinufer zugesprochen. Deutsche Fürsten wurden enteignet und sollten bei späterer Gelegenheit im Rechtsrheinischen entschädigt werden. Beim Reichstag in Regensburg wurden die Bestimmungen des Friedens von Lunéville umgesetzt. Leidtragende war - ähnlich wie in Frankreich - die Kirche. Sie verlor, abgesehen von Mainz sämtliche geistlichen Fürstentümer. Die ehemaligen Reichsstände wurden – mit wenigen Ausnahmen wie etwa Frankfurt, Bremen, Hamburg oder Augsburg – den benachbarten Fürstentümern zugeschlagen. Die erloschenen Kurwürden der Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier gingen auf Württemberg, Baden und Hessen-Kassel über. Von diesem politischen Geschacher, profitierten vor allem Preußen, Bayern, Baden und Württemberg. Sie waren zwar am linksrheinischen Ufer enteignet worden, konnten aber nun sowohl ihre Staatsgebiete erweitern und ihre Einwohnerzahlen steigern.

Wichtiger aber waren die Auswirkungen auf das Zusammenspiel der Mächte innerhalb des Deutschen Reichs. Denn nach der Entscheidung der deutschen Fürsten auf dem Regensburger Reichstag im Februar 1803 war die machtpolitische Konstruktion des „Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation“ auf den Kopf gestellt. Der Zusammenhalt der geistlichen Fürsten und der in aller Regel loyalen Reichsstände ging ebenso verloren wie die das politische System stützende Reichskirche. Der antiklerikale Kurs, den Napoleon auch in Frankreich eingeschlagen hatte, beschleunigte den Untergang der Reichskirche in Deutschland, wodurch obendrein dem Kaiser eine wichtige innenpolitische Stütze genommen war. Im Laufe der kommenden Jahre verloren weitere kleinere Fürstentümer ihre Eigenständigkeit, so dass innerhalb kurzer Zeit aus einigen Hundert kleiner und kleinster Territorien eine überschaubare Zahl von mittelgroßen Staaten wurde. Mit dem „Reichsdeputationshauptschluss“ war eine Entwicklung angestoßen, die drei Jahre später zum Ende des „Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation“ führte. Am 12. Juli 1806 gründeten nämlich Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt, Nassau, Kleve-Berg und einige weitere Fürstentümer mit dem Erzkanzler Reichsfreiherr Karl Theodor von Dalberg den Rheinbund, der unter französischem Protektorat stand. Die Bundesmitglieder erklärten konsequenterweise am 1. August ihren Austritt aus dem Deutschen Reich und fungierten bei einem Friedensschluss am Ende des dritten Koalitionskrieges als eigenständige Völkerrechtssubjekte. Beim endgültigen Todesstoß für das „Heilige Römische Reich deutscher Nation“ musste Napoleon ein wenig nachhelfen, denn Kaiser Franz II., der bereits seit zwei Jahren als Franz I. Österreich regierte, legte erst nach der ultimativen Drohung eines französischen Einmarsches in Österreich am 6. August 1806 die römisch-deutsche Kaiserkrone nieder und erklärte das Reich für aufgelöst.

Fast tausend Jahre hat das „Heilige Römische Reich“ die Geschichte Europas geprägt. Anfangs war es getragen von der Idee, eine Fortsetzung des untergegangenen Imperium Romanum könne den in der Bibel prognostizierten Untergang der Welt verhindern. Aber im Verlauf der Jahrhunderte erwies sich dieser „Dachverband“ als ungeeignet, das machtpolitische Gegeneinander von Territorialfürsten und kaiserlicher Zentralgewalt aufzulösen. Das „Heilige Römische Reich“ wirkte altmodisch und schwerfällig, hatte keine eigene Macht, war auf die Zusammenarbeit mit den Landesfürsten angewiesen und war schließlich als Klammer über den inneren Gegensätzen eines bunten, europäischen Vielvölkergemisches gescheitert. Dem offenen Machtkampf zwischen Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland war das „Heilige Römische Reich deutscher Nation“ ohnehin wehrlos ausgeliefert. Aber das Ende des Reichs bedeutete den von Napoleon initiierten Anfang der neuzeitlichen deutschen Geschichte (Nipperdey, 1984).

Mit dem Eintritt in das französische Protektorat „Rheinbund“ wählten die deutschen Fürsten das kleinere Übel, denn der Verlust ihrer Unabhängigkeit wurde durch die Modernisierung ihrer Länder mehr als ausgeglichen. Viele Einwohner der Fürstentümer waren von den Ideen der Revolution begeistert oder standen ihnen zumindest wohlwollend gegenüber. Als nun in den Rheinbundstaaten Verfassungen nach französischem Vorbild erlassen, die Staatsverwaltungen neu organisiert und der Code Napoleon als bürgerliches Gesetzbuch eingeführt wurden, kam das den meisten Menschen entgegen. Fortan war das Zivilrecht zum ersten Mal einheitlich und vollständig geregelt. Das Gewohnheitsrecht, das mitunter von Ort zu Ort variieren konnte, wurde durch dauerhafte, eindeutige, für jeden geltende und für jeden verständliche Regeln abgelöst. Die Errungenschaften der Französischen Revolution galten jetzt auch in Deutschland: Die Freiheit der Person, die Gleichheit vor dem Recht, die Trennung von Kirche und Staat und die Garantie des Eigentums. Zudem wurden das Agrar-, Bildungs-, Wirtschafts-, Steuer- und Finanzwesen grundlegend reformiert. Die Okkupation deutscher Gebiete auf der linken Rheinseite hat vielen Menschen geschmerzt. Aber der Schmerz wurde durch den Import der Ideale der Französischen Revolution gelindert, was einen enormen Modernisierungsschub für die Länder des Rheinbundes, dem bis 1808 beinahe alle deutschen Staaten außer Österreich und Preußen angehörten, mit sich brachte. Dennoch wich die anfängliche Begeisterung für die neue Ordnung im Verlauf des 10jährigen französischen Protektorats dem Gefühl einer zunehmend als Bedrohung empfundenen Besatzung.

Denn für Napoleon stand der Export der Revolutionsideale erst an zweiter Stelle. Das war der Köder, mit dem er die Nachbarn darüber hinwegtäuschen konnte, dass er ihr Land als Auf- und Durchmarschgebiet für seine Großmachtspläne benötigte. Der „Rheinbund“ war eine lose Föderation. Alle Versuche, die Mitglieder straffer zu organisieren, scheiterten am Widerstand der größeren Südstaaten. So blieb der „Rheinbund“ ein französisches Protektoratsgebiet, das enorme Rekrutierungen zu leisten hatte: 1808 wurden bei einer Bevölkerung von 14,6 Millionen Einwohnern 119.000 Soldaten für die französische Armee ausgehoben. Das musste mit modernen Verfassungen belohnt werden, die eine Rückkehr unter die „preußische Willkürherrschaft“ ausschlossen (Nipperdey, 1984). Deshalb waren die Rheinbundstaaten fortschrittlicher als die beiden anderen „Deutschländer“ Österreich und Preußen. Trotzdem war die deutsche Mitte des Kontinents mit dem Ende des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation zur Verfügungsmasse der sie umgebenden Großmächte geworden. Die politische Strategie des französischen Kaisers war dabei ebenso klug wie einfach: das unter seinem Protektorat stehende dritte Deutschland sollte Bollwerk und Gegengewicht zu den anderen Deutschen in Preußen und Österreich sein, mit denen Frankreich nach der Neuordnung der Verhältnisse in der Mitte des Kontinents um die Vorherrschaft im restlichen Europa streiten wollte.

Französische Hegemonie in Europa

Der erste Stolperstein auf dem Weg zu einem franko-europäischen Superstaat war Österreich. Napoleon beschäftigte sich mit der Planung einer Invasion Großbritanniens, als es dem englischen Außenminister William Pitt „dem Jüngeren“ gelang, ein europäisches Bündnis gegen den Franzosen zusammen zu bringen. Hastig brachte Napoleon seine Truppen nach Süddeutschland, wo er das überraschte österreichische Heer am 20. Oktober 1805 nach einigen kleineren Schlachten zur Kapitulation zwingen konnte. Dem Sieg zu Lande folgte am 21. Oktober 1805 aber in der Schlacht von Trafalgar eine vernichtende Niederlage zur See gegen die britische Flotte unter Admiral Horatio Nelson. Damit war zwar die englische Vorherrschaft über die Weltmeere gesichert, aber Napoleons Elan blieb ungebrochen. Keine drei Wochen später marschierte er kampflos in Wien ein. Von dort organisierte er die Auseinandersetzung mit Russland und Österreich. Die Schlacht gegen eine russisch-österreichische Koalitionsarmee fand am 2. Dezember 1805 im südmährischen Austerlitz statt. Der Sieg, den Napoleon in dieser so genannten „Dreikaiserschlacht“ davontrug, ließ seinen Ruhm ins Unermessliche steigen.

Im Frieden von Preßburg, den Österreich am 26. Dezember 1805 unterzeichnen musste, ging die Neuordnung Europas im Sinne einer französischen Hegemonie weiter. Tirol und Vorarlberg, Augsburg und Passau gehörten fortan zu Bayern, Vorderösterreich wurde zu Gunsten Badens und Württembergs aufgeteilt, Venetien, Istrien, Cattaro und Dalmatien gehörte zum neu geschaffenen Königreich Italien, dessen König Napoleon seit dem 26. Mai 1805 selbst war. Als „Entschädigung“ bekam Österreich Salzburg und Berchtesgaden. Franz I. musste nicht nur das neue französische Kaisertum, sondern auch die Gründung der Königreiche Bayern und Württemberg anerkennen. Sein politischer Handlungsspielraum war ohnehin eingeschränkt, denn Napoleon herrschte als französischer Kaiser und italienischer König in unmittelbarer Nähe des österreichischen Kaisers. Nach der Flurbereinigung bei den Nachbarn westlich des Rheins und der Machtdemonstration gegenüber Österreich ging die Neuordnung Europas in Preußen, das seit 1797 von dem als Zauderer bekannten König Friedrich Wilhelm III. regiert wurde, weiter. Der preußische König sah die geostrategischen Veränderungen in Europa mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn Preußen hatte beim „Reichsdeputationshauptschluss“ zwar große Gebiete im Nordwesten des Deutschen Reichs bekommen, gleichzeitig aber sorgte sich Friedrich Wilhelm III. vor einer Abhängigkeit von Frankreich und schmiedete erfolgreich eine Koalition mit Russland und Sachsen. So gestärkt forderte der Preußenkönig ultimativ den Rückzug der Franzosen vom rechten Rheinufer und die Auflösung des soeben beschlossenen Rheinbunds. Aber Friedrich Wilhelm III. hatte sich verkalkuliert, denn Napoleon schlug zusammen mit Louis-Nicolas Davoût ein preußisch-sächsisches Heer in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 so vernichtend, dass der Krieg nach nur einem Tag mit der sofortigen Kapitulation wieder beendet war.

Die königliche Familie floh aus Berlin, Königin Luise versuchte mit großem persönlichem Einsatz den französischen Kaiser zur Milde zu bewegen. Ihr Engagement brachte ihr zwar große Anerkennung bei der preußischen Bevölkerung ein, nützte aber nichts. Napoleon marschierte am 27. Oktober 1806 unter dem Jubel einer großen Menge in Berlin ein, während Friedrich Wilhelm III. das Friedensdiktat des französischen Kaisers erwartete. Im Frieden von Tilsit, den Napoleon in zwei Verträgen mit Russland und Preußen anschließend aushandelte, wurde Osteuropa in eine französische und eine russische Interessenssphäre aufgeteilt, während Preußen auf den Status einer unbedeutenden Mittelmacht reduziert wurde. Ursprünglich wollte Napoleon Preußen gänzlich auslöschen. Aber in den Verhandlungen mit dem russischen Zaren Alexander gab er sich mit einer entscheidenden Schwächung zufrieden. Friedrich Wilhelm III. musste alle Besitzungen westlich der Elbe und jene Gebiete abtreten, die Preußen in den drei polnischen Teilungen zwischen 1772 und 1795 annektiert hatte. Die preußische Armee wurde auf 40.000 Soldaten reduziert. Damit war Preußen de facto aus dem Konzert der europäischen Großmächte ausgeschieden. Napoleon machte fortan gemeinsame Sache mit dem Zaren, was sich in der Kontinentalsperre gegen England ausdrückte, die unmittelbar vor den Friedensverhandlungen von Tilsit schon Ende 1806 verkündet worden war. Seit der verheerenden Niederlage in der Schlacht von Trafalgar ein Jahr zuvor, hatte Napoleon versucht, England durch einen Handelskrieg zu bezwingen. Jetzt sollte es eine Kontinentalsperre richten, die von Norwegen bis Südspanien sämtliche Handelsrouten auf die Insel blockierte. Um Schaden durch den ausfallenden Handel mit England von Frankreich anzuwenden, wurden vor allem die Rheinbundstaaten herangezogen. Je länger dieser Zustand andauerte und je größer die Opfer wurden, die Frankreich verlangte, desto stärker wurde der Widerstand in der Bevölkerung. Eine der Folgen der Kontinentalsperre war das Erstarken der anti-französischen, nationalen Bewegung in Deutschland.

Preußen war zerschlagen, spielte im europäischen Machtpoker keine Rolle mehr. Der deutsche Rheinbund war französisches Protektorat und Russland machte gemeinsam mit Frankreich Front gegen England. Um alle europäischen Küsten unter Kontrolle zu haben und die Insel hermetisch abzuriegeln, marschierten französische Truppen in Portugal und Spanien, in den Niederlanden, in Norddeutschland und in den Kirchenstaat ein. 1810 stand Europa von Portugal im Westen über Spanien, die Balearen, Korsika und das Königreich Italien im Süden, über Kroatien, Österreich, dem Großherzogtum Warschau und dem Königreich Preußen im Osten sowie den Königreichen Dänemark und Norwegen im Norden unter französischer Herrschaft. Der europäische Kontinent war aufgeteilt zwischen Frankreich und Russland, das an seiner westlichen Grenze von Finnland über Estland und Lettland bis nach Bessarabien reichte und von Tauroggen bis Galizien eine gemeinsame Grenze mit dem französischen Imperium hatte.

Reformen in Preußen

Nach anfänglichem Zögern entschloss sich der preußische König 1807 zu Reformen. Friedrich Wilhelm III. war nach der Niederlage gegen Napoleon ein geschlagener Mann. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma schien in einer reformerischen Radikalkur zu bestehen. Die preußischen Reformen waren nicht vergleichbar mit denen der Revolution in Frankreich. Sie waren nicht Ergebnis einer Souveränitätserklärung durch das Volk oder eines Staatsstreichs. Sie entstanden in den Köpfen der Reformer als Mittel zum Zweck. Preußen sollte wieder machtvoll und wehrhaft werden, dazu waren umfassende Veränderungen unerlässlich. Gemeinsam mit einer Gruppe von Reformern machten sich Heinrich Reichsfreiherr vom Stein und Karl August Graf von Hardenberg daran, den preußischen Staat zu modernisieren. Dabei schreckten sie nicht davor zurück, die Errungenschaften der französischen Revolution zu übernehmen. Die nach den beiden benannten „Stein-Hardenbergschen Reformen“ seien ein „Griff in das Zeughaus der Revolution“, hieß es kritisch. Aus dem preußischen Söldnerheer wurde ein Volksheer, dessen große Wirkungskraft man bei der französischen Armee hatte bewundern können. Der veraltete Ständestaat und die Leibeigenschaft der Bauern wurden abgeschafft. Die Staatsverwaltung wurde umstrukturiert, eine Städte- und Justizreform durchgeführt, „Judenemanzipation“ und Gewerbefreiheit verkündet sowie ein Ministerkollegium eingeführt. Höhepunkt war eine Bildungsreform, die dem Staat gut ausgebildete und den Prinzipien des Humanismus verpflichtete Beamte zuführen sollte. Napoleon beobachtete diese Entwicklung mit Sorge, da er die mittelfristige Wirkung solcher Reformen aus Frankreich nur allzu gut kannte. Sein Statthalter in Preußen beobachtete den Reformprozess und die Reformer genau und zog sie - wenn es sein musste – aus dem Verkehr. Dennoch konnte Napoleon die Reformen, die in wenigen Jahren Preußen modernisierten, nicht verhindern.

Derweil machten sich zu Beginn des zweiten Jahrzehnts die Konsequenzen der Kontinentalsperre gegen England bemerkbar. Die Länder des Rheinbundes litten unter den ökonomischen Zwängen, die dieser in ihren Augen „totale Krieg“ mit sich brachte. Dadurch dass es an jenen Waren mangelte, die bisher aus England importiert wurden, war der Krieg auch auf den zivilen Bereich der Bevölkerung ausgeweitet worden. Die Not wurde noch größer, weil die eigenen Produkte nicht mehr nach England exportiert werden durften. Die Konsequenz war ein blühender Schmuggel über Nord- und Ostsee, Dänemark und Schweden. Bis nach Frankfurt oder Leipzig führten die Schmugglerrouten, die vor allem überseeische Kolonialwaren nach Deutschland brachten. Bestechung und Korruption blühten und öffneten immer neue Wege, verbotene Waren ins Land zu holen. Die französische Reaktion ließ nicht lange auf sich warten und steigerte den Hass gegen die Besatzer weiter: französische Truppen übernahmen die Überwachung der deutschen Küstenstreifen, 1810 annektierte Napoleon Holland und wenn das alles nichts half, dann wurden englischen Waren mit derartig astronomischen Zöllen belegt, dass sie unerschwinglich wurden (Nipperdey, 1983).

Ähnliche Schwierigkeiten ergaben sich auch für Russland. Zar Alexander fand zum einen zwar Gefallen daran, neben Napoleon der mächtigste Herrscher auf dem europäischen Kontinent zu sein. Zum anderen aber war die russische Wirtschaft auf die Einfuhr englischer Erzeugnisse angewiesen. Der Export nach England und die Einfuhr von Textilien, Kaffee oder Tee und Tabak waren gestoppt. Das führte einerseits zu Problemen in der eigenen Wirtschaft und andererseits zu einem drastischen Rückgang der Steuereinnahmen aus diesen Geschäften. Ende 1810 verschlechterte sich das Verhältnis Alexanders zu Napoleon durch die Verlegung von französischen Divisionen an die russische Grenze, was den Zaren veranlasste, die Kontinentalsperre gegen England aufzuheben und die russischen Häfen für englische Waren wieder zu öffnen. Eigentlich hätte die eigenmächtige Handlung des russischen Zaren Napoleon signalisieren müssen, dass der Höhepunkt seiner Herrschaft über Europa vorbei war. Stattdessen aber löste die Nachricht aus Moskau einen lautstarken Tobsuchtsanfall des französischen Kaisers aus, dem wüste Beschimpfungen des „russischen Weichlings“ folgten.

Unmittelbar nach dem russisch-französischen Zerwürfnis begannen beide Seiten, sich auf einen Krieg vorzubereiten, der im Juni 1812 mit dem Marsch der „Grande Armée“ nach Moskau auch begann. Es war die größte Truppenbewegung der Geschichte, die Napoleon gegen Russland ins Werk setzte. Seine eigenen Möglichkeiten überschätzend führte er fast eine halbe Million Soldaten nach Russland. Die russische Armee unter der Führung von General Michail Kutusow ließ die Franzosen ins Leere marschieren, indem sie sich immer weiter ins Landesinnere zurückzog und den Franzosen die Versorgungslinien abschnitt. Vor Moskau kam es am 7. September 1812 zur Schlacht von Borodino, mit fast 30.000 Toten oder Verwundeten auf französischer Seite. Die Schlacht endete mit einem Pyrrhussieg für Napoleon. Der Schriftsteller und Schlachtenmaler Albrecht Adam hat das Ende der Schlacht von Borodino miterlebt:

„Bluttriefend schleppten sich die Soldaten aus dem Kampfe, an vielen Stellen war das Feld mit Leichen bedeckt; was ich an Verwundungen und Verstümmelungen an Menschen und Pferden an diesem Tag gesehen, ist das Grässlichste, was mir je begegnete, und lässt sich nicht beschreiben.“

Mitte September 1812 erreichte Napoleon Moskau, einen Tag später zündeten Russen die Stadt an. Ein an den Zaren gerichtetes Waffenstillstandsabkommen blieb einen Monat lang unbeantwortet, so dass Napoleon Ende Oktober 1812 entnervt aufgab und angesichts des beginnenden Winters den Rückzug seiner Truppen anordnete. Der harte Winter und andauernde Überfälle durch russische Kosakenverbände brachten den Invasoren hohe Verluste bei. Nach der Schlacht an der Beresina Ende November 1812 verließ Napoleon seine Truppe und flüchtete nach Paris zurück. Am Ende der Expedition nach Russland war die „Grande Armée“ nahezu vollständig aufgerieben, nur 45.000 Soldaten sahen die französische Hauptstadt wieder.

Europa gegen Napoleon

Die Kunde von der Niederlage der französischen Armee und dem Rückzug des als unbesiegbar geltenden Napoleon verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Europa. Preußen hatte für den Russlandfeldzug Soldaten abstellen müssen, die von General York befehligt wurden. Jener General York unterzeichnete am 30. Dezember 1812 ein Waffenstillstandsabkommen mit den russischen Befehlshabern, das nur für seine preußische Armee galt. Diese „Konvention von Tauroggen“ überstieg die Kompetenz des Generals, der aber den zu erwartenden Zorn des preußischen Königs in Kauf nahm. Fünf Tage später schrieb er einen Brief an Friedrich Wilhelm III. und forderte ihn darin zum Handeln gegen den geschwächten französischen Kaiser auf. Wohl selten hat ein Brief eine derartige Wirkung erzielt, denn er war der Startschuss zur Befreiung des Kontinents von der Hegemonie Frankreichs. Zwei Monate später veröffentlichte der preußische König den Aufruf „An mein Volk“ und appellierte dabei an das erwachende Nationalgefühl der Deutschen:

“Brandenburger, Preußen, Schlesier, Pommern, Litauer! Ihr wisst, was Ihr seit fast sieben Jahren erduldet habt, Ihr wisst, was Euer trauriges Los ist, wenn wir den beginnenden Kampf nicht ehrenvoll enden. Erinnert Euch an die Vorzeit, an den großen Kurfürsten, den großen Friedrich. (…) Es ist der letzte entscheidende Kampf, den wir bestehen für unsere Existenz, unsere Unabhängigkeit, unseren Wohlstand; keinen anderen Ausweg gibt es, als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang.“

Der Aufruf zeigte Wirkung. Überall strömten Freiwillige zusammen, von einer Welle nationaler Erregung erfasst organisierten Soldatenfrauen patriotische Kaffeekränzchen und tauschten ihre goldenen Eheringe gegen schmucklose Eisenringe, auf denen die Parole eingraviert war „Gold gab ich für Eisen. 1813“. Der „Aufruf an mein Volk“ versetzte Preußen und Deutsche gleichermaßen in einen nationalen Taumel, Freiwilligenverbände marschierten durch die Straßen, verbreiteten das Gefühl des nationalen Widerstands und signalisierten den französischen Besatzern: dieses Volk ist in Waffen! „Deutschland steht auf! Der preußische Adler erweckt in allen treuen Herzen durch seine kühnen Flügelschläge große Hoffnung“, schrieb der 22jährige Dichter Theodor Körner an seinen Vater. Als er kurz danach auf dem „Feld der Ehre“ sein Leben hingab, hatte die nationale Bewegung ihren ersten Märtyrer. Der Aufruf des preußischen Königs traf auf fruchtbaren Boden, denn die rigoros auf die Durchsetzung französischer Interessen gerichtete Politik Napoleons hatte bei vielen Deutschen nationale Gefühle geweckt. Dieser Stimmungswandel war auch in Spanien oder Portugal bemerkbar, wo sich die alten Reichsstände erhoben und den Widerstand gegen die französische Armee organisierten.