Kitabı oku: «Schattenschwestern», sayfa 4

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Mona

Ein letztes Mal drückte ich mein Gesicht gegen Aidans Hals, spürte seine Wärme auf meiner kalten Haut und atmete seinen mittlerweile so vertrauten Geruch ein. Es war nur eine einzige Schulstunde, die uns voneinander trennen würde: Biologie. In der Schule wurden drei Naturwissenschaften unterrichtet, von denen man mindestens eine belegen musste. Da Aidan mitten im Schuljahr an unsere Schule gewechselt hatte, konnte ihm der Direktor nur noch einen freien Platz in Chemie oder Physik anbieten. Aidan hatte sich für Physik entschieden. Sobald ich davon erfahren hatte, hatte ich ebenfalls in seinen Kurs wechseln wollen, doch weder der Direktor noch Liam hatten ein Einsehen gehabt. Liam hatte mich sogar ausgelacht mit den Worten Du wirst es überleben. Lass dem Jungen etwas Freiraum, du erdrückst ihn noch mit deiner Liebe!

So war das nicht! Ich wusste, dass Aidan mich gern an seiner Seite hatte, am liebsten vierundzwanzig Stunden des Tages. In unserer Beziehung gab es keine Zweifel. Wir vertrauten einander blind.

Beim Klingeln der Schulglocke löste sich Aidan sanft von mir und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. Obwohl die Schule noch fremder sein musste als für mich, war er trotzdem der Stärkere von uns beiden. „Nur eine Stunde“, erinnerte er mich flüsternd und streichelte mir aufmunternd über die Wange.

„Sechzig Minuten“, murmelte ich.

„Dreitausendsechshundert Sekunden und in jeder werde ich an dich denken“, lächelte Aidan, was mich ebenfalls zum Lachen brachte. Hätte uns jemand belauscht, hätte er vermutlich genervt mit den Augen gerollt. Aber niemand der anderen wusste wie angsteinflößend diese Menschenmassen für jemanden war, der noch nie eine Schule besucht hatte. Das ständige Getuschel, die lauten Stimmen, Geschrei, Gekreische, Gekicher – manchmal wollte ich mir am liebsten die Hände auf beide Ohren pressen.

Es klingelte zum zweiten Mal. Aidan ließ nun endgültig meine Hand los und eilte davon. Ich ging in die entgegengesetzte Richtung und schaffte es gerade noch rechtzeitig in den Biologieraum. Winter und Dairine saßen in einer der mittleren Reihen. Ein Platz war noch bei ihnen frei, doch keine von ihnen sah zu mir auf, sodass ich es nicht wagte mich zu ihnen zu setzen. Winter war sicher froh, wenn sie mich so wenig wie möglich sehen musste. Unsicher ließ ich mich auf einen Platz in der hintersten Reihe gleiten. Die beiden Mädchen, die dort bereits saßen, blickten zuerst mich und dann einander überrascht an. Sie flüsterten irgendetwas, was ich nicht verstehen konnte, aber sicher mit mir zu tun haben musste. Ich legte mein Biologiebuch auf den Tisch und ließ meine Haare wie ein Vorhang vor mein Gesicht fallen.

Der Lehrer betrat den Raum und öffnete die Tafel. Die Leber, ihre Beschaffenheit und ihre Funktion standen auf dem Lehrplan. Wir schlugen die Biologiebücher auf und bekamen Aufgaben, die wir lösen sollten. Ich versuchte mich auf das zu konzentrieren, was ich las, aber es fiel mir schwer. Plötzlich räusperte sich das Mädchen neben mir.

„Du bist die Cousine von Mr. Dearing, richtig?“

Zögerlich drehte ich mich zu ihr um und nickte.

„Wohnst du bei ihm?“, fragte sie weiter und drehte dabei eine ihrer blonden Locken um ihren Finger.

„Ja“, antwortete ich, wobei meine Stimme ein kaum hörbares Piepsen war.

„Vielleicht könnten wir uns nach der Schule ja mal bei dir treffen“, schlug sie nun vor und zwinkerte dabei ihrer Freundin zu, die mich frech angrinste. Ich wusste, dass es keiner der beiden um mich ging, sie suchten lediglich eine Möglichkeit an Liam heranzukommen. Alleine die Vorstellung von den beiden Mädchen in dem Anwesen unserer Familie, verursachte mir eine Gänsehaut. Sie würden diesen magischen Ort mit all seinen quietschenden Dielen, staubbedeckten Möbeln und Spinnenweben nicht zu schätzen wissen. Es wären Eindringlinge in meinem Zuhause. Gleichzeitig fürchtete ich mich davor, was mit den Mädchen passieren würde, wenn sie einen Fuß über die Schwelle setzen. Winter war die Erste gewesen, die das Anwesen wieder lebendig verlassen hatte.

„Liam mag keine Gäste“, antwortete ich ausweichend, worauf die Beiden zu kichern begannen.

„Liam“, flötete die Blondine, als wäre sein Name Teil eines Songs. „Er wirkt nicht gerade wie ein Einsiedler. Bist du sicher, dass das nicht eher an dir liegt?“, fragte sie mich direkt.

„Warum fragt ihr ihn nicht selbst?“

„Warum direkt so unfreundlich?“

Ich wusste nicht, wie ich aus dieser Situation wieder herauskommen sollte. Meine Hände wurden feucht und begannen zu zittern, sodass ich sie unter dem Tisch verstecken musste. Ein drückender Schmerz legt sich auf meine Stirn und mein Magen begann zu rebellieren. „Ich wollte nicht unfreundlich sein“, entschuldigte ich mich kleinlaut.

„Schreibst du mir eure Adresse auf?“ Sie schob mir ein leeres Blatt über den Tisch zu. Ich starrte es an, als sei es eine giftige Schlange. Das Anwesen war mein Zuhause. Dort hatte niemand etwas zu suchen. Alles sträubte sich in mir dagegen, nach meinem Stift zu greifen und die Adresse zu notieren.

„Nein“, drang es plötzlich lauter als beabsichtigt aus meinem Mund. Meine Stimme war fest, was mich selbst am meisten überraschte. Auch die anderen Schüler drehten sich zu uns herum. Meine Kopfschmerzen waren kaum noch zu ertragen.

Die beiden Mädchen starrten mich ungläubig an, bevor sich ihr Blick verfinsterte. Sobald die Aufmerksamkeit nicht länger auf uns lag, zischte mir die Blondine zu: „Das war ein großer Fehler! Glaub mir, niemand will mich zur Feindin haben.“

Ich wollte sie weder zur Feindin, noch zur Freundin haben. Im Grunde wollte ich gar nichts mit ihr zu tun haben.

Als der Lehrer die Aufgaben einsammelte, war mein Blatt beinahe leer. Trotzdem war ich unendlich erleichtert diese schreckliche Stunde überstanden zu haben. Eilig packte ich meine Schulsachen zusammen, um aus dem Unterrichtsraum flüchten zu können. Doch plötzlich standen Winter und Dairine vor mir. Beide machten besorgte Gesichter.

„Was hat Wendy zu dir gesagt?“, fragte Winter und musste damit die Blondine meinen.

„Nichts“, wehrte ich ab.

Dairine lachte. „Irgendetwas muss sie doch gesagt haben, so wie du sie angeschrien hast.“

„Sie wollte die Adresse von unserem Anwesen“, gab ich schließlich zu.

Winter schien eins und eins miteinander zu kombinieren, denn ihr Mund formte sich zu einem erbosten Strich. „Unglaublich! Nicht nur, dass sie ihm in der Schule wie läufige Hündinnen nachrennen, jetzt wollen sie ihn auch noch Zuhause belagern.“

Dairine schmunzelte bei Winters wütenden Worten, aber sagte nichts. Stattdessen klopfte sie mir auf die Schulter. „Du hast ihr die richtige Antwort gegeben! Wird Zeit, dass jemand Wendy in ihre Schranken verweist. Sie ist ein Miststück!“

Obwohl ich unter ihrer Berührung zusammenzuckte, entspannte ich mich etwas bei ihren Worten.

Winter sah mich nicht an, als sie mir vorschlug: „Setz dich doch beim nächsten Mal zu uns!“ Es musste ihr schwerfallen und ich wusste nicht, ob sie es sagte, weil sie ein netter Mensch war und Mitleid mit mir hatte, oder weil sie sich mit mir wieder vertragen wollte. Als ich nichts antwortete, blickte sie mir doch in die Augen: „Wir sind doch immer gut miteinander ausgekommen.“

Ich lächelte sie zaghaft an. Sie fehlte mir. „Das wäre toll.“

Gemeinsam verließen wir den Biologieraum. Erst als Aidan uns entgegenkam, trennten sich unsere Wege wieder. Aidan schloss mich zur Begrüßung in seine Arme. „Wie war Bio?“

„Ganz okay“, antwortete ich ihm. Meine Antwort bezog sich allerdings mehr auf die letzten Minuten. „Und Physik?“

„Großartig“, schwärmte er. „Die Schule ist so viel besser als die Unterrichtsstunden in Velvet Hill. Wir haben sogar ein Experiment gemacht!“ Ich konnte ihm seine Begeisterung ansehen. Im Gegensatz zu mir empfand er den Schulbesuch nicht als lästige Pflicht, sondern als ein Stück zurückgewonnene Freiheit. Es bot für ihn eine gelungene Abwechslung zu dem tristen Alltag in der Klinik. Unsere Hände verschränkten sich miteinander, als wir zur Cafeteria gingen.

Mit unseren Tabletts suchten wir uns etwas abseits einen Platz, wo wir ungestört reden konnten. Kaum, dass wir saßen, nährte sich uns jedoch eine Gruppe bestehend aus drei Personen. Eine von ihnen war Wendy. Sie lächelte mich an, als wären wir beste Freundinnen und blieb genau vor unserem Tisch stehen. „Dürfen wir uns zu euch setzen?“, fragte sie freundlich. Ihre Drohung schien sie vergessen zu haben. Ehe ich hätte widersprechen können, nickte Aidan gutmütig.

„Danke“, flöteten die drei Mädchen im Chor und ließen sich neben uns nieder.

„Aidan, wie kommt es, dass du mitten im Jahr an unsere Schule gewechselt bist?“, fragte Wendy scheinbar interessiert. Aidan zögerte mit seiner Antwort. Ich wusste, dass er gerne die Wahrheit gesagt hätte, da er sich nicht dafür schämen wollte wer er war, aber er war klug genug, um stattdessen zu sagen: „Meine Eltern sind umgezogen!“

Auch wenn Aidan in Velvet Hill mehr Kontakte zu Gleichaltrigen geschlossen hatte als ich, war er im Umgang mit unseren Mitschülern deutlich unerfahrener. Er versuchte in jedem das Gute zu sehen und verstand nicht, dass es manchen nur darum ging sich über andere lustig zu machen.

„Und wie gefällt es dir in Wexford?“, fragte Wendys schwarzhaarige Freundin.

„Ich habe noch nicht viel außer der Schule gesehen“, gestand Aidan.

„Und wie habt ihr euch dann kennengelernt?“, lachte Wendy mit einem herablassenden Blick in meine Richtung. „Lass mich raten. Übers Internet?“

Aidan schüttelte den Kopf. Hilfesuchend blickte er mich an, doch ich war nicht so schlagfertig wie Dairine oder Winter. Anstatt Wendy zu antworten, fragte ich Aidan: „Wollen wir spazieren gehen?“

Ich hatte meinen Teller nicht einmal angerührt, worauf Wendy mich sofort ansprach: „Haben wir dir irgendetwas getan? Wenn man neu an einer Schule ist, sollte man wenigstens versuchen Freundschaften zu schließen.“

Ihre Freundin beugte sich vertraut zu Aidan und raunte: „Hat sie dir erzählt, dass sie mit ihrer Pflegeschwester in der Psychiatrie war? Du kennst doch sicher Winter, oder? Sie hat im Kunstunterricht letztes Jahr versucht ihre eigene Schwester zu erwürgen!“

Aidan war sichtlich überfordert mit der Situation. „Ich mag Winter“, erwiderte er kleinlaut.

„Ihre Schwester ist eine Mörderin!“, erinnerte ihn Wendy. „Wenn ich dir einen guten Rat geben darf, suche dir neue Freunde!“ Sie beugte sich etwas näher zu ihm. „Es gibt viele Mädchen, die auf geheimnisvolle Typen stehen.“

Das war zu viel! Ich hatte das Gefühl etwas würde in meinem Inneren explodieren. Nicht nur, dass Wendy mich vor Aidan versuchte schlecht zu machen, nun flirtete sie auch noch mit ihm. Ich stieß mich mit einem Ruck vom Tisch ab, sodass dieser bedrohlich wackelte und die Getränkedosen dabei umfielen. Die Mädchen kreischten erschrocken auf. Ihre grellen Stimmen stachen wie Dolche in meinen Kopf.

„Spinnst du?“, fauchte Wendy, während sie versuchte sich die Cola von ihrer weißen Bluse zu wischen. Sie schmiss die leere Dose wütend in Richtung meines Gesichts. Ich wich ihr aus, bevor ich beide Hände flach auf den Tisch schlug. Wendy ließ sich von mir nicht einschüchtern und erhob sich ebenfalls. Wir fixierten einander wie zwei Raubtiere, bevor sie aufeinander losgehen.

„Psycho!“, zischte sie.

Meine Faust landete direkte auf ihrer Nase, die ein leises Knacken von sich gab, bevor Blut wie eine Fontäne aus ihr hervorschoss. Es war, als würde mich die dunkelrote Farbe nur noch wütender machen und sich völlig über mein Bewusstsein legen.

„Niemand beleidigt mich“, schrie ich sie an. Obwohl ich spürte wie mein Mund sich bewegte, hatte ich nicht das Gefühl, dass er meinem Willen gehorchte. Meine Stimme hörte sich so fremd an. Ich schien auf nichts von dem, was passierte, mehr Einfluss zu haben. Mein Körper und meine Stimme agierten alleine und alles was ich tun konnte, war zuzusehen – völlig willenlos.

Andere Schüler kamen angelaufen, um mich von Wendy zu zerren, doch niemand schaffte es. Aidan verdrehte die Augen und begann am ganzen Körper zu zittern. Ich spürte wie ich völlig aus meinem Körper verdrängt wurde.

Endlich gelang es Lucas Mona von der blutüberströmten Wendy herunterzuziehen. Er schüttelte sie an beiden Schultern. „Was ist los mit dir“, schrie er sie verständnislos an, wobei der Schrecken ihm ins Gesicht geschrieben stand. Monas Augen waren leer und ausdruckslos. In dem Moment hechtete Aidan an ihre Seite.

Die ist doch gemein gefährlich!“, brüllte eine von Wendys Freundinnen und deutete anklagend auf Mona. Auch Winter und Dairine waren hinzugekommen.

Das gibt ein Gespräch bei Mr. Sutherland“, meinte Dairine besorgt.

Ich hole Liam!“, rief Winter und rannte los. Niemand von ihnen verstand, was mit der sonst so ruhigen Mona geschehen war. Sie hatte Wendy angegriffen und verletzt. Wenn sie ganz viel Pech hatte, würde der Direktor sie sofort der Schule verweisen.

Sie steht völlig neben sich. Bevor sie mit dem Direktor sprechen kann, muss sie erstmal auf die Krankenstation“, entschied Aidan und zog Mona an sich. Lucas und Evan gingen voraus, um ihnen einen Weg durch die aufgebrachte Schülermeute zu bahnen, während Dairine Mona von der anderen Seite stützte.

Ich saß mit hängendem Kopf und feuchten Fingern seit einer guten halben Stunde vor dem Direktor. Er warf mir vor, dass ich ein Mädchen schwer verletzt hätte und er so etwas an seiner Schule nicht dulden könnte. Das Dumme war nur, dass ich mich an nichts davon erinnern konnte. Der einzige Beweis dafür, dass er die Wahrheit sprach, war das getrocknete Blut unter meinen Fingernägeln. Liam saß auf dem Stuhl neben mir.

„Mr. Sutherland, meine Cousine hat es nicht leicht. Ihre Eltern sind beide tot und ihre Großmutter ist erst vor kurzer Zeit gestorben. Sie geht zum ersten Mal auf eine öffentliche Schule“, versuchte er mich zu verteidigen.

„Ich bedauere ihr Schicksal, aber das ist keine Entschuldigung! Ich muss die Sicherheit der anderen Schüler gewehrleisten können.“

Wenn er mich der Schule verwies, würde ich Aidan nicht mehr sehen können. Verzweifelte Tränen stiegen mir in die Augen und ich blickte flehend den Direktor an. „Es tut mir leid“, schluchzte ich.

„So etwas wird bestimmt nicht noch einmal vorkommen“, versicherte Liam.

Mr. Sutherland schüttelte unnachgiebig den Kopf. „Ich kann bei ihr keine Ausnahme machen, nur weil ihr Cousin zufällig als Lehrer an unserer Schule unterrichtet.“

„Dann suspendieren Sie Mona für eine Woche, um ein Zeichen zu setzen, aber verweisen Sie das Mädchen bitte nicht direkt der Schule. Sie tut sich schwer Freundschaften zu schließen. Hat nicht jeder eine zweite Chance verdient?“

Der Direktor machte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck und schien mit sich zu ringen. Er warf mir einen prüfenden Blick zu. „Du befindest dich doch noch in Therapie, oder?“

Ich nickte eilig. Als ich zuletzt die Schule verlassen hatte, war es auf meinen Wunsch hin geschehen und nicht weil ich irgendetwas verbrochen hatte.

„Nun gut“, seufzte Mr. Sutherland und erhob sich aus seinem Stuhl. Er reichte Liam seine Hand. „In einer Woche kann sie wieder zur Schule kommen, aber nur auf Ihre Verantwortung hin. Kümmern Sie sich um Ihre Cousine und sorgen Sie dafür, dass so etwas nicht noch einmal passiert, sonst werde ich über eine Kündigung nachdenken müssen.“

Liam schenkte ihm sein freundlichstes Lächeln, als er ihm die Hand schüttelte. „Sie werden es nicht bereuen!“

Mr. Sutherland reichte mir zum Abschied ebenfalls die Hand. „Denk darüber nach, was du getan hast und ich erwarte, dass du dich bei Wendy entschuldigst, sobald du sie das nächste Mal siehst. Haben wir uns verstanden?“

„Ja, Sir“, erwiderte ich kleinlaut, während mir Tränen über die Wangen rannen. Wie sollte ich eine Woche ohne Aidan aushalten? Aber am meisten quälte mich, dass ich etwas getan haben sollte, woran ich nicht die geringste Erinnerung hatte. Das Letzte, was ich wusste, war, dass Wendy sich zu Aidan gebeugt hatte. Danach war ich angeblich auf sie losgegangen.

Liam legte beschützend seinen Arm um meine Schultern, als er mich aus dem Zimmer des Direktors führte. Kaum, dass die Tür hinter uns zufiel, wich sein verständnisvoller Gesichtsausdruck einem wütenden Funkeln in seinen Augen. Er führte mich zu seinem Auto, um mich nach Hause zu fahren. Der Motor heulte auf, als er mit quietschenden Reifen vom Parkplatz schoss.

„Was ist in der Cafeteria passiert?“, brüllte er, wobei er sich am Lenkrad festklammerte, als würde er es auseinanderreißen wollen.

„Ich weiß es nicht“, schluchzte ich verzweifelt.

„Das kannst du jemand anderem erzählen! Du hättest das Mädchen beinahe in Stücke gerissen!“

„Sie hat sich an Aidan rangemacht!“

Liam lachte ungläubig auf. „Ist das alles? Was würdest du tun, wenn Aidan dich betrügt? Einen Massenmord begehen?“

„Aidan würde mich niemals betrügen!“, schrie ich aufgebracht, auch wenn ich genau wusste, dass es nicht das war, worauf Liam hinausgewollt hatte.

„Dann verstehe ich nicht, warum du so ausrastest!“ Er sah mich scharf an. „Ist etwas in meiner Abwesenheit passiert, von dem ich nichts weiß?“

Ich dachte an die vielen verunglückten Versuche ihn wiederzubeleben. Jedes Mal war die schwarze Magie in meinen Körper gefahren und hatte sich wie Gift in mir ausgebreitet. Es war nicht das erste Mal, dass ich die Kontrolle verloren hatte. Aber sonst war ich nur in Ohnmacht gefallen und hatte niemandem etwas angetan. Zumal ich in der Schule keinen Zauber gewirkt hatte.

„Alles hat seinen Preis“, murmelte ich leise.

Liam fuhr zu mir herum. „Was soll das heißen?“

„Du bist doch derjenige, der mich gezwungen hat schwarze Magie zu benutzen!“, warf ich ihm vor. „An unseren Händen klebt Blut! Vielleicht hast du eine neue Chance im Leben bekommen, aber ich nicht!“

„Kannst du dich bitte deutlicher ausdrücken?“ Er war immer noch wütend, aber ich hörte auch die Sorge in seiner Stimme.

„Wer einmal mit der Finsternis in Berührung gekommen ist, kann sie nicht so einfach wieder von sich abschütteln.“

„Ich weiß, dass du zusammengebrochen bist, als du mich wieder ins Leben zurückgerufen hast. Ist dabei noch mehr passiert?“

Ich wünschte ich hätte ihm darauf eine Antwort geben können, aber ich wusste es selbst nicht. Irgendetwas hatte sich in mir verändert.

Eliza

„Besuch für dich!“, rief der diensthabende Polizist, als er die Tür zu meinem Zimmer aufschloss. Das war bereits das dritte Mal innerhalb weniger Tage. Überrascht hob ich die Augenbrauen. „Wer ist es?“

Er legte mir die Handschellen nach Vorschrift an. „Ein Junge.“

Irritiert sah ich ihn an. Am ehesten hätte ich mit Rhona gerechnet, immerhin war sie meine Anwältin. Über Winter hätte ich mich am meisten gefreut, aber mit einem Jungen hätte ich definitiv am wenigsten gerechnet. „Hat er seinen Namen nicht gesagt?“

„Bestimmt hat er das, aber ich habe ihn mir nicht gemerkt. Hast du eine Ahnung wie viele Namen ich den ganzen Tag lese und höre? Es reicht, wenn ich mich an die wichtigen erinnern kann.“

Er führte mich durch den Flur. Je näher wir dem Besucherraum kamen, umso nervöser wurde ich. Lucas und ich waren getrennt und er hatte mir klar und deutlich zu verstehen gegeben, was er von mir hielt. Liam hasste mich, was ich ihm nicht verübeln konnte. War er nun gekommen, um sich mein Leid persönlich anzusehen? Für ihn musste es eine Genugtuung sein, dass ich letztendlich dort gelandet war, wo ich seiner Ansicht nach sicher hingehörte.

Die Tür wurde geöffnet und ich erstarrte. Er stand vor dem Tisch und sah hoffnungsvoll in meine Richtung. Sein dunkelblondes Haar fiel ihm ins Gesicht, während er mit den Händen fest seine graue Mütze umklammert hielt.

„Willst du nicht reingehen?“, forderte mich der Polizist ungeduldig auf. Ein Teil von mir wollte flüchten und so tun, als hätte ich diesen Augenblick nur geträumt. Aber der andere Teil wollte erfahren, warum Lucas sich doch dazu entschlossen hatte mich zu besuchen. Es war der hoffnungsvolle Teil.

Zögerlich trat ich ein. Lucas ließ seine Mütze auf den Tisch fallen und lief mir entgegen. Er schloss mich in seine Arme, ehe ich hätte reagieren können. Sein Haar strich über meine Wangen und mein Gesicht schmiegte sich wie von selbst gegen seine muskulöse Brust. Die Berührung war so selbstverständlich, dass sie mir die Tränen in die Augen trieb. In der Haft war ich zu einer wahren Heulsuse mutiert. Meine Stärke hatte ich an der Tür zusammen mit meiner Kleidung abgegeben.

Der Polizist schnalzte laut mit der Zunge. „Keine Berührungen!“, erinnerte er uns etwas verlegen. Lucas küsste meine Stirn, bevor er sich von mir löste. Meine Hand ließ er jedoch nicht los, auch nicht als wir uns an den Tisch setzen. Als der Polizist nichts sagte, erwiderte ich seinen Händedruck.

Ungläubig sah ich in sein vertrautes Gesicht. Er hatte dunkle Schatten unter den Augen, aber ansonsten sah er genauso aus, wie ich ihn in meinen Träumen immer vor mir gesehen hatte. Meine Hände kribbelten vor Verlangen meine Finger über jeden Zentimeter seiner Haut gleiten zu lassen.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du mich besuchen würdest“, gestand ich ihm mit zittriger Stimme. So froh ich auch war, dass er mir nun gegenüber saß, so wenig verstand ich es auch. Lucas hatte sich von mir abgewandt und das zu Recht. Was hatte seine Meinung geändert? War er nur aus Mitleid hier? Seine Berührung und seine leuchtenden Augen sprachen eine ganz andere Sprache.

„Wie konntest du je daran zweifeln?“, fragte er kopfschüttelnd und streichelte mir mit dem Daumen über die Hand. Diese zärtliche Berührung jagte mir einen Schauer über den Rücken.

„Ich habe schreckliche Dinge getan“, flüsterte ich schuldbewusst.

„Jeder Mensch macht Fehler, das macht uns erst einzigartig“, versuchte Lucas mir Mut zu machen. Er beugte sich etwas näher zu mir. „Ganz egal, was passiert, ich werde immer zu dir halten. Das weißt du hoffentlich, oder?“

Seine Worte waren wie heiße Schokolade für meine wundes Herz. Sie flossen durch meinen Körper und wärmten mich von innen heraus, aber wenn ich ehrlich war, machten sie keinen Sinn. Lucas hatte mich verlassen. Er hatte nichts mehr mit mir zu tun haben wollen.

„Ich hätte von Anfang an auf dich hören sollen“, entschuldigte ich mich bei ihm. „Aber ich war blind vor Sorge um Winter!“

Er streichelte mir über die Wange. „Alles wird gut“, versicherte er mir beruhigend. Ich sah ihm in die Augen und wurde den Verdacht nicht los, dass irgendetwas nicht stimmte. Lucas war immer auf meiner Seite gewesen und er hatte mir alles verziehen, aber Mord war für ihn keine Option gewesen. Er hatte sich zum ersten Mal gegen mich gestellt, aber selbst das hatte mich nicht aufhalten können. Anstatt seine Warnung ernst zu nehmen, hatte ich mich in die Arme von Will geflüchtet. Bei der Erinnerung an unseren Kuss wurde mir schwer ums Herz. Als hätte Will meine Gedanken gelesen, tauchte er plötzlich hinter Lucas auf und winkte mir frech zu. Erschrocken zuckte ich zusammen.

„Ich hoffe ich störe euch nicht“, sagte Will scheinheilig.

Ich wollte ihn anschreien, dass er verschwinden sollte, aber ich wusste, dass weder Lucas noch sonst irgendjemand ihn sehen konnte. Also biss ich die Zähne zusammen und versuchte ihn zu ignorieren, in der Hoffnung, dass er dann wieder verschwinden würde. Ich lenkte meine Aufmerksamkeit erneut auf Lucas und lächelte ihn versöhnlich an. „Kannst du mir irgendwann verzeihen?“

Lucas lachte sein warmes Lachen, das von seinen Augen bis in meinen Bauch floss. „Es gibt nichts, was ich dir verzeihen müsste. Eliza, ich liebe dich!“

Will brach in schallendes Gelächter aus und tat so, als sei er eine Marionette, die an Fäden hängt. Wütend funkelte ich ihn an.

„Warum fragst du ihn nicht nach mir?“, forderte er mich auf. Ich schüttelte kaum merklich den Kopf, da kam er näher und stellte sich direkt hinter mir. Ich spürte seine Anwesenheit wie die Kälte einer Glasscheibe. „Merkst du nicht, dass er sich gar nicht erinnern kann?“

Auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, so musste ich Will Recht geben. Lucas benahm sich eigenartig. Ich drückte seine Hand etwas fester. „Ich liebe dich auch!“ Eindringlich sah ich ihm in die Augen. „Weißt du warum ich hier bin?“

Lucas legte seine Stirn in Falten. „Warum fragst du mich das? Natürlich weiß ich, was die Polizei dir vorwirft!“

„Dann sag es mir!“

„Sie behaupten du hättest Will umgebracht!“

Sie behaupten. Lucas wusste ganz genau, dass es nicht nur eine Behauptung war. Er kannte die Wahrheit. Mir wurde kalt, trotzdem musste ich Gewissheit haben. „Weißt du, was mit Mona passiert ist?“

Sorgenfalten legten sich auf sein Gesicht. „Warum fragst du mich nach Mona?“

„Erinnerst du dich daran, wie du für sie den Krankenwagen gerufen hast?“

Er schüttelte verständnislos den Kopf. „Wovon sprichst du?“

Will lachte laut in mein Ohr. Für ihn schien das ein großer Spaß zu sein. Meine Hände klammerten sich fest an Lucas. „Was ist das Letzte, woran du dich erinnern kannst?“

Er machte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck und sagte lange Zeit gar nichts.

„Lucas, woran erinnerst du dich?“, drängte ich ihn erneut.

„Wir haben uns gestritten“, gab er schließlich zu.

„Worüber?“

„Es war nach dem Halloweenball. Wir waren als Bonnie und Clyde da, aber du bist um Mitternacht einfach abgehauen, um dich mit Will zu treffen.“

Entsetzt starrte ich ihn an. Ihm fehlten über zwei Monate seines Lebens. Ich hatte Lucas an diesem Abend gestanden, dass ich mit Will und Mona einen Mord hatte begehen wollen, um Liam wieder zum Leben zu erwecken und so den Jägerfluch von Winter zu nehmen. Er war außer sich gewesen und ich hatte ihm versprechen müssen, es nicht noch einmal zu tun.

Verzweifelt sah Lucas mich an. „Aber wir haben uns wieder vertragen!“

Das hatten wir, jedoch nur solange bis er herausgefunden hatte, dass ich hinter seinem Rücken weitergemacht hatte. Danach hatte er mich verlassen und es zu keinem Moment bereut. Aber daran erinnert er sich nun nicht mehr. Enttäuscht entzog ich ihm meine Hand. Er war nicht hier, weil er mir verziehen hatte, sondern weil er vergessen hatte, dass ich in seinen Augen ein skrupelloses Monster war. Verletzt stand ich vom Tisch auf. „Geh jetzt bitte!“

Lucas erhob sich ebenfalls und streckte seine Hände nach mir aus. „Was ist denn los? Habe ich irgendetwas Falsches gesagt?“

Es war, als würde ich ihn ein zweites Mal verlieren. Ich konnte ihn nicht einmal ansehen, so weh tat es. „Ich will dich nicht mehr sehen“, zischte ich verletzt. Lucas ging um den Tisch und hielt mich an den Schultern fest. „Eliza, was immer ich getan habe, es tut mir leid“, flehte er mich an. In seiner Stimme lag ein schwaches Zittern. Ich wusste, dass wenn ich jetzt den Kopf heben würde, ich die Tränen in seinen Augenwinkeln sehen würde.

Der Polizist trat erneut auf uns zu. „Keine Berührungen!“

„Können Sie mich bitte zurück in meine Zelle bringen?“ fragte ich, ohne Lucas eines weiteren Blickes zu würdigen.

„Eliza!“, rief Lucas fassungslos aus. „Würdest du mir bitte wenigstens erklären, warum du wütend auf mich bist?“

Der Polizist baute sich vor Lucas auf. „Mr. Riley, die Besuchszeit ist vorbei. Gehen Sie bitte!“

Ich versteckte mich mit gesenktem Kopf hinter dem Polizisten und unterdrückte das Zittern meiner Knie. Will stand dicht neben mir. Er lachte nicht mehr. „Weißt du wer dafür verantwortlich ist?“

Irritiert sah ich ihn an.

„Vielleicht hat deine Anwältin ein Wort mit Lucas gewechselt.“

Ich erinnerte mich daran, dass Rhona gesagt hatte, dass sie dafür sorgen wolle, dass weder Lucas noch Mona gegen mich aussagten. War es möglich, dass sie etwas mit Lucas‘ Gedächtnisverlust zu tun hatte?

Lucas stand nun in der Tür, die der Polizist für ihn aufhielt. Ich machte den Fehler ihm in sein schmerzverzerrtes Gesicht zu blicken. „Eliza, ich liebe dich!“, sagte er verzweifelt, während Tränen seinen Blick verschleierten. Ich presste meine Lippen aufeinander, während mein Herz schrie: Ich liebe dich auch! Aber im Gegensatz zu mir wusste Lucas nicht, was er sagte. Der Polizist schob ihn aus der Tür, als er sich wieder zu mir umwandte, bat ich: „Darf ich bitte meine Anwältin anrufen?“

Er verzog genervt das Gesicht, aber er wusste genauso gut wie ich, dass er mir diese Bitte nicht abschlagen durfte, also führte er mich zu dem nächsten Telefon. Er wählte für mich und reichte mir den Hörer.

Es klingelte ein paar Mal, bevor das Gespräch angenommen wurde. „Anwältin Rhona Parker“, meldete sich meine Tante professionell. Unwillkürlich kochte die Wut in mir hoch. Kaum, dass ich ihre kalte Stimme hörte, war ich mir sicher, dass ich ihr das schreckliche Erlebnis zu verdanken hatte.

„Hast du mit Lucas gesprochen?“, fauchte ich, ohne meinen Namen zu nennen.

„Eliza, bist du das?“, tat sie ahnungslos.

„Ich will mit dir sprechen! Sofort!“, brüllte ich außer mir in den Hörer. Sie musste ganz genau wissen, warum ich anrief.

„Ist etwas passiert?“

Ich ballte meine freie Hand zur Faust. „Entweder kommst du jetzt zur Polizeiwache oder ich lasse mir einen Pflichtverteidiger zuweisen!“, zischte ich ins Telefon, bevor ich am ganzen Körper zitternd auflegte. Der Polizist musterte mich misstrauisch. „Dieser Riley hat dich wohl ziemlich aufgeregt, oder?“

„Das geht sie gar nichts an!“

Er hob beschwichtigend die Hände und führte mich zurück in mein Zimmer, wo Will bereits auf mich wartete. Er grinste frech, als sich die Tür schloss.

„Woher wusstest du, dass es Rhona war?“, fragte ich herausfordernd. Mir war egal, dass man meine Stimme auf dem Flur hören konnte.

„Erinnerst du dich daran, was ich mit Eric Langer gemacht habe, nachdem wir in sein Haus eingebrochen sind, um ihn zu opfern?“

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