Kitabı oku: «Mein Augen-Buch», sayfa 2
Einführung
Dieses Buch sollte zunächst unter dem Titel Von der Blindheit zum Sehen veröffentlicht werden, weil ich blind geboren wurde, mir aber mit jahrelangen Bemühungen und Forschungen das Sehen selbst beigebracht habe. Heute kann ich – dank dieses Wunders – lesen, schreiben und sogar Auto fahren.
Die Idee hinter dem ursprünglichen Titel war, dass meine scheinbar wundersame Entwicklung von der Blindheit zum Sehen den Leserinnen und Lesern signalisieren sollte, dass dieses Buch Möglichkeiten aufzeigt, die jeder nutzen kann, um sein Sehvermögen zu verbessern, unabhängig von seiner aktuellen Situation.
Allerdings wird es sich bei den Leserinnen und Lesern dieses Buches wohl überwiegend nicht um Personen handeln, die – wie es bei mir der Fall war – offiziell für blind erklärt worden sind. Es dürften vielmehr Menschen sein, die an allen möglichen Punkten auf dem Kontinuum des Sehvermögens anzusiedeln sind. Darunter sind sicher auch einige mit „perfektem“ Sehvermögen, die dieses erhalten oder sogar noch verbessern möchten. Der erste Titel klang zwar dramatisch, ich wollte jedoch sichergehen, dass das Buch nicht fälschlicherweise für ein Handbuch gehalten würde, das nur für Blinde oder Personen mit einer schweren Sehschwäche bestimmt ist. Deshalb habe ich von der aufsehenerregenden ursprünglichen Idee Abstand genommen und einen anderen Titel gesucht.
Mein kalifornischer Führerschein
Dennoch bleibt meine persönliche Erfahrung, die ich mit der Überwindung meiner Blindheit gemacht habe, das Kernstück dieses Buches. Jedem, der bezweifelt, dass eine Verbesserung seines Sehvermögens möglich ist, mag meine Geschichte als hoffnungsvolles Beispiel dienen. Deshalb war es mir wichtig, hier wenigstens kurz zu beschreiben, wie es zu diesem Wandel kam. Eine detailliertere Schilderung meiner Lebensgeschichte ist in meinem früheren Buch Movement for Self-Healing zu finden, das sowohl die physischen Schwierigkeiten, mit denen ich konfrontiert war, chronologisch darstellt, wie auch die lange Folge von Schritten, Entdeckungen und Übungen, die ich gemacht habe, um meine Blindheit zu überwinden.
Im vorliegenden Buch möchte ich den Prozess mit einer stärkeren Betonung der psychologischen Aspekte zusammenfassen. Denn die emotionalen und geistigen Herausforderungen waren in diesem Prozess des Sehenlernens von zentraler Bedeutung.
Die Haupthindernisse, mit denen Sie konfrontiert sein werden – ob Sie nun offiziell blind sind oder die Adleraugen eines Kampfjet-Piloten haben –, werden vergleichbar mit denen sein, denen ich mich gegenübersah, auch wenn sich unsere Lebensumstände wahrscheinlich deutlich unterscheiden. Die entscheidende Herausforderung für Sie besteht darin, sich in die Pflicht zu nehmen und die nötige Zeit zu investieren, um Ihr Sehvermögen zu verbessern und Ihre Welt zu erweitern.
Für mich war es schon schwierig genug, das in den 1970er-Jahren in Israel zu schaffen, trotz des glühenden Wunsches und der inneren Motivation, mich von meiner Blindheit zu befreien. Den Leserinnen und Lesern in unserer modernen, hektischen Zeit mag ein solcher Zeitaufwand unmöglich erscheinen. Wenn Sie sich dennoch in die Pflicht nehmen und die nötige Zeit investieren, kann sich dies in zweierlei Hinsicht in außergewöhnlicher Weise auszahlen: Sie verbessern Ihr Sehvermögen und öffnen Ihr Leben für ganz neue Facetten.
Befreien Sie sich von der Fessel stressiger Routine. Die Menge an Zeit und Engagement, die ich aufgebracht habe, um mein Sehvermögen zu verbessern, war schon extrem im Vergleich zu dem, was bei den meisten Menschen erforderlich ist. Aber genau das ist der Punkt. Widmen Sie diesen Übungen so viel Zeit wie möglich und vergessen Sie nicht – auch wenn Ihr Leben hektisch ist und Sie viel beschäftigt sind –, dass es von größter Bedeutung ist, Ihrem Sehvermögen höchste Priorität einzuräumen.
KAPITEL 1
Wie ich mich selbst von meiner Blindheit heilte
Geboren bin ich unter schwierigen Umständen in der damals noch stalinistischen Sowjetunion. Mein Vater ging illegalen Geschäften nach, indem er Fotos für Kirchen machte und druckte. Diese Arbeit hätte dazu führen können, dass er für 20 Jahre nach Sibirien geschickt wurde. Darüber hinaus waren meine Eltern beide taub.
Meine Großeltern väterlicherseits waren dagegen, dass ein weiteres Kind in die Familie kam. Es war mein Großvater väterlicherseits, der als Erster feststellte, dass mit meinen Augen etwas nicht stimmte. Bei einer ärztlichen Untersuchung stellte sich heraus, dass ich mit Grauem Star geboren war. Viele Menschen entwickeln zwar später im Leben Grauen Star, aber nur sehr wenige werden damit geboren. Ich war praktisch blind geboren.
Mein Vater Abraham, meine Mutter Eda und ich im Alter von fünf Jahren, als ich noch so gut wie nichts sehen konnte
Auf der Suche nach einem besseren Leben für uns alle beschloss meine Familie, aus der Sowjetunion zu fliehen und sich in dem neuen Land Israel niederzulassen. In dieser Zeit der Umsiedlung und Umstellung wurden an meinen Augen fünf Operationen durchgeführt. Die erste in Polen, auf unserem Weg nach Westeuropa, verlief erfolglos. Die übrigen alle in Israel durchgeführten Operationen hatten meine Linsen bis zu dem Punkt vernarbt, dass 99 Prozent der Linsen aus Narbengewebe bestanden, das effektiv verhinderte, dass Licht durchdringen konnte. Infolgedessen wurde mir vom Staat Israel ein Blindenausweis ausgestellt und die meisten Menschen in meiner Umgebung hatten sich damit abgefunden, dass ich nie würde sehen können.
Der Blindenausweis, mit dem ich vom Staat Israel für dauerhaft blind erklärt wurde
Als Kind las ich nur Braille-Schrift, obwohl ich eine normale Schule mit nicht sehbehinderten Kindern besuchte. Wegen dieser Situation litt ich viel unter Einsamkeit und Isolation. Was machst du, wenn du blind bist und von Kindern umgeben bist, die normal sehen können, während deine (tauben) Eltern sich hauptsächlich mit einer Zeichensprache verständigen, die du nicht sehen kannst …?
Mein Vater, der sich sehr für das aktuelle Zeitgeschehen interessierte, wollte oft, dass ich Radio hörte und ihm erklärte, was draußen in der Welt passierte. Er wollte, dass ich Nachrichten hörte und sie für ihn wiederholte, was mich zunächst irritierte. Ich verstand nicht, warum er immer meinen Kopf hob, wenn ich ihm zu erzählen versuchte, was ich gehört hatte. Später wusste ich, dass er das tat, weil er mir von den Lippen ablesen wollte. Aber wie sollte ich wissen, dass Lippenlesen so wichtig war, wenn ich gar nicht sehen konnte, wie sich die Lippen bewegten?! Diese tragikomische Situation charakterisiert treffend die frühen Jahre meiner Kindheit. Ich war von Verwirrung und Frustration umgeben und davon, dass meine Eltern immer zu kämpfen hatten, um im Alltag zurecht- und über die Runden zu kommen. Ich lernte aber auch, dass es viele Wege gab, um die Herausforderungen zu überwinden, mit denen Menschen durch ihre Lebensumstände konfrontiert werden.
Mir war klar, dass meine Eltern mich liebten. Dennoch war unser Leben von Angst und Unsicherheit geprägt, nachdem wir den Repressionen in der Sowjetunion entflohen waren, um in den jungen Staat Israel zu ziehen, der vom Krieg verwüstet war. Wegen ihrer Taubheit konnten meine Eltern kein Hebräisch lernen, das so ganz anders als das Russisch war, das sie vorher gesprochen hatten. Darüber hinaus verloren meine Großeltern mütterlicherseits das Geld, das sie aus der Sowjetunion mitgebracht hatten, durch schlechte Investitionen in Israel. Bei alledem glaubte meine Großmutter dennoch unerschütterlich an mich und fand Wege und Möglichkeiten, mir zu helfen. Sie blieb nach den Operationen bei mir am Krankenbett, als ich traumatisiert und verunsichert war, weil ich viele andere Kinder um mich herum weinen hörte.
Andere Mitglieder meiner Familie waren der Meinung, dass ich die Sozialfürsorge in Anspruch nehmen solle. Ich hatte zwar kein Problem damit, meine Familie um Geld zu bitten, aber irgendwie wollte ich es nicht vom Staat annehmen. Diese Einstellung entsprang einem tiefen Instinkt, dessen Ursprung ich erst später verstand, als ich reifer wurde. Ein Mensch, der staatliche Unterstützung erhält (was bei vielen Behinderungen der Fall ist), läuft leicht Gefahr, ein schlechtes Selbstbild zu entwickeln und sich als bedürftig oder bemitleidenswert zu sehen; das kommt automatisch, ob es einem gefällt oder nicht. Greift man aber nicht auf diese Unterstützung zurück, bekommt man ein stärkeres Selbstbild und ist gezwungen, eigenständig zu werden.
Ab der siebten Klasse war ich der schnellste Braille-Leser in Israel.
Ich war fest entschlossen, dass ich nicht als Blinder stigmatisiert werden wollte. Dieser Entschluss war der Beginn meines Wandels und einer Veränderung, ohne die ich nicht dahin gekommen wäre, wo ich heute bin. Als Reaktion auf den Mangel an Sicherheit und die Ungewissheit, die die frühen Jahre in meinem Leben prägten, entwickelte ich ein Gefühl der Entschlossenheit und Selbstverpflichtung. Andere Kinder wollten oft nicht mit mir spielen. Auf Partys wollten die Mädchen nicht mit mir tanzen. Manchmal fühlte ich mich einsam. Ich begriff aber, dass die Wahl bei mir lag, ob ich depressiv oder glücklich war.
So flüchtete ich mich in meine Braille-Bücher. Mit meinen Büchern war ich in einer anderen Welt und las stundenlang. Selbst wenn meine Mutter sagte: „Zeit zu schlafen, Licht aus“, versteckte ich die Bücher einfach unter meinem Bett. Unsere Wände waren zwar dünn, aber sobald das Licht aus war und ich wusste, dass sie mich nicht mehr sehen konnte, zog ich meine Bücher wieder hervor und las weiter.
Jedes Mal, wenn wieder neue Braille-Bücher auf dem Postamt eintrafen, eilte ich dorthin, um sie abzuholen. Die Bücher waren riesig. Es muss schon ein wundersames Bild gewesen sein, das ich abgab – ein kleines Kind, das einen sehr großen Schulranzen auf dem Rücken trug, der an den Schultern festgeschnallt war, dazu eine Braille-Schreibmaschine unter den einen Arm geklemmt und eine Tasche voller Braille-Bücher unter den anderen. Mehr als einmal fiel die Schreibmaschine zu Boden und war beschädigt und wir mussten dann die Reparaturkosten bezahlen. Mein Vater ärgerte sich immer über den hohen Preis und ich fühlte mich schuldig, weil ich die Schreibmaschine fallen gelassen hatte.
Langsam, aber sicher, bauten sich meine Muskeln auf. Viele, die mir in jener Zeit begegneten, meinten, es sei zu viel, was ich zu heben und zu schleppen hatte. Aber genau dieses viele Heben und Schleppen formte in vieler Hinsicht meinen Charakter. Ich stellte mir vor, dass irgendetwas mich eines Tages von meiner Blindheit befreien würde, und ich handelte danach: Ich ging aus eigenem Antrieb von einem Arzt zum anderen.
Ich kämpfte gegen den Unmut oder die Ressentiments der anderen Kinder in der Schule, die der Meinung waren, ich bekäme zu viel Sonderbehandlung. Es ärgerte sie, dass sie mir erklären mussten, was an der Tafel stand. Und mir ging es genauso! Ich wollte die Tafel mit eigenen Augen sehen können. Ich wollte allein, ohne fremde Hilfe arbeiten. Ich hatte sogar Lehrer, die gemein zu mir waren, weil ihnen mein Verhalten nicht passte. Sie glaubten, ein blindes Kind habe unterwürfig und passiv zu sein – was ich nie war und wahrscheinlich nie sein würde.
Ich wünschte mir verzweifelt, von meinem Zustand befreit zu werden. Aber alle Ärzte erklärten mir, daran könne man nichts ändern, die Blindheit werde mich mein Leben lang begleiten und mein Sehvermögen werde nie mehr als ein halbes Prozent ohne Brille und nicht mehr als vier oder fünf Prozent mit Brille betragen. Sie sagten, ich solle das Augenlicht annehmen, das ich hatte, und damit zufrieden sein. Das waren schöne Worte, aber mir halfen sie nicht.
Wie ich die Bates-Methode für mich entdeckte
Mein Vater war offensichtlich verärgert darüber, dass seine Taubheit einer erfolgreichen Laufbahn in seinem Leben im Weg stand, und er machte daraus keinen Hehl. Meine Mutter fühlte sich ebenfalls von der hörenden Umwelt herabgesetzt. Die Vorurteile und Benachteiligungen, die sie erlebt hatten, waren mir bewusst und doch glaubte ich, dass eine glänzende Zukunft vor mir lag, auch wenn ich nicht wusste, wie sie aussehen würde.
Dann lernte ich eines Tages einen anderen kleinen Jungen namens Jacob kennen, der die Highschool abgebrochen hatte. Er zeigte mir Augenübungen, die auf der sogenannten Bates-Methode beruhten [ein Augentraining, entwickelt von dem amerikanischen Augenarzt William H. Bates, 1860–1931; Anmerkung d. Verlags]. Ich lernte die Augenübungen und begann gewissenhaft, damit zu arbeiten.
Zu meinem Erstaunen kamen von den Autoritätsfiguren, die es in meinem Leben gab, mehr Beschwerden denn je, als ich die Bates-Methode praktizierte und Verbesserungen erzielte. Dazu müssen Sie wissen, dass ein Teil meiner Übungen darin bestand, von einem Detail zum anderen zu schauen; der Zweck dieser Übung war, mein Gehirn daran zu hindern, dass es bequem und „faul“ wurde. Aber meine Erdkundelehrerin regte sich darüber auf, wenn ich die Augen zwischen den Glocken neben der Tafel hin und her wandern ließ und mir während des Unterrichts Details anschaute. Sie ging deswegen sogar zum stellvertretenden Direktor. Der hörte mich zum Glück jedoch an und erklärte ihr dann, dass die Übungen mir helfen könnten und nicht meine Fähigkeit beeinträchtigten, ihr im Unterricht zuzuhören.
Mein Bibelstundenlehrer regte sich auf, wenn wir mit der Klasse auf dem Schulhof saßen und Bibelverse lasen, dass ich die Augen schloss und mein Gesicht der Sonne entgegenhielt, während ich den Kopf von einer Seite zur anderen neigte. Wenn ich in die Sonne schaute, verengten sich meine Pupillen; bewegte ich den Kopf zur Seite, erweiterten sie sich. Der Lehrer sagte, es störe ihn, wenn ich ständig den Kopf von einer Seite zur anderen neigte, obwohl er einräumen musste, dass ich aufmerksam zuhörte und alles mitbekam, was er sagte. Dennoch meinte er, ich solle aufhören, meine Augen zu „sonnen“, weil es ihn störe – auch wenn ich der beste Schüler in der Klasse sei.
Trotz dieser Reaktionen machte ich meine Übungen beharrlich weiter. Meine Netzhaut begann, auf Licht zu reagieren, und das gab mir den Anstoß, die dicke, schwere, dunkle Brille abzusetzen, die die Welt für mich trüber gemacht hatte.
Meine Mutter regte sich darüber auf, dass ich zehn Mal am Tag aufs Hausdach hinaufstieg, um meine Augen zu sonnen. Sie sagte: „Du verdrückst dich ständig von deinen Hausaufgaben.“ Dann regte sie sich darüber auf, dass ich drei Stunden am Tag da saß, um zu palmieren – eine Übung, die meine Augen ausruhen ließ und verhinderte, dass sie sich ständig willkürlich bewegten.
Kurz, ich traf auf so viel Widerstand bei dem, was ich tat, dass ich nicht einmal wusste, dass es möglich war, zu versuchen, eine Veränderung herbeizuführen, ohne Widerständen zu begegnen. Wenn du bei allen auf Widerstand stößt, ist es nicht nur schwierig, die Übungen zu machen, sondern auch mit der Tatsache umzugehen, dass deine Familie, Freunde, Lehrer und sogar Nachbarn etwas gegen deine Bemühungen haben. Dennoch hielt ich beharrlich daran fest.
Mit dieser Brille konnte ich die größten Buchstaben auf der Sehprobentafel aus einer Entfernung von 1,50 m (20/800) lesen.
Innerhalb von drei Monaten war ich in der Lage, Druckbuchstaben zu sehen. Und zwar nicht mit 38 Dioptrien, was der Linse bei einem Mikroskop entspricht, sondern mit 20 Dioptrien – nur ein sehr dickes Brillenglas. Innerhalb von sechs Monaten waren die Kopfschmerzen verschwunden, die mich bis dahin mein ganzes Leben lang geplagt hatten.
Innerhalb eines Jahres, nachdem ich angefangen hatte, die Bates-Methode zu praktizieren, konnte ich normale Buchstaben sehen. Ich werde nie den Tag vergessen, an dem ich die Übung des „Sonnenbadens“ für die Augen auf dem Hausdach machte und scharf konturierte schwarze Buchstaben sah, die auf weißem Papier gedruckt waren. Ich hielt mir das Papier an die Nasenspitze. Zum allerersten Mal in meinem Leben konnte ich im Alter von 17,5 Jahren ein gedrucktes Wort ohne Vergrößerung sehen. Dieser Erfolg kostete mich eine so gewaltige Anstrengung, dass ich mich übergeben musste. Danach „sonnte“ ich mich wieder und palmierte und übergab mich erneut, bis ich einen weiteren Buchstaben sah, dann noch einen weiteren.
Bald hörte ich laute Stimmen, die miteinander stritten. Es waren die Nachbarn unter uns, die sich gegenseitig beschuldigten, die „Schweinerei“ an den Fenstern verursacht zu haben. Ich hatte nicht gemerkt, dass ich jedes Mal, wenn ich mich übergab, das über ihren Fenstern gemacht hatte. Also ging ich zu ihnen hinunter und erklärte ihnen, was passiert war. Statt wütend auf mich zu sein, waren sie über meine Ehrlichkeit erstaunt. Ich hätte das, was ich geschafft hatte, ignorieren können, tat es aber nicht. Ich war stolz darauf, dass ich endlich einen Buchstaben sehen konnte. Ich verfeinerte und verbesserte das Verfahren und konnte nach drei Monaten mehrere Buchstaben sehen, wenn ich sie mir direkt vor die Nase hielt.
Von da an arbeitete ich kontinuierlich weiter. Die Menschen, die mich kannten und mich sahen, waren überrascht, dass ich die Straße tatsächlich sehen konnte, statt den Weg nur zu ertasten. Während ich sie bisher nie erkannt hatte, begann ich jetzt, ihre Gesichter zu erkennen. Eine Nachbarin war tatsächlich ganz durcheinander, dass ich sie erkennen konnte! „Stimmt hier etwas nicht?“ fragte sie. „Du bist doch der Blinde aus der Nachbarschaft. Wieso kannst du uns sehen? Was hast du gemacht? Was ist los?“ Es war erstaunlich. Ich hatte ihr das Gefühl der Sicherheit genommen, dass sie immer wusste, was in der Nachbarschaft los war. Es war fast, als ob sie das Gefühl hätte, die Welt, die sie bisher kannte, sei ihr weggenommen worden: Da war das blinde Kind, das plötzlich jeden anschaute und tatsächlich sah! Ich war Widerstände gewöhnt, aber jetzt angenehm überrascht von den ersten Bewunderungsbekundungen, die ich erhielt.
Mein Eifer hielt an. Ich schaute von Detail zu Detail. Mein Umfeld akzeptierte schließlich, dass ich sehen und andere Personen erkennen konnte, sodass sich mein Status bald veränderte: von jemandem, der fast blind war, zu jemandem, der fast sehen konnte. Ich arbeitete weiter, trotz der Tatsache, dass ich nur langsam Fortschritte machte.
Ein Meilenstein war, als Jacob, mein Freund und Mentor auf dem Weg zur Verbesserung meines Sehvermögens, mir erklärte, dass ich keine Hornhautverkrümmung (Astigmatismus) mehr habe. Fragen Sie mich nicht, wie er das erkannte, aber als ich zur Augenärztin in der städtischen Klinik ging, war sie regelrecht schockiert. Sie sagte zu mir: „Ich weiß nicht, wie das gekommen ist, aber Sie brauchen die Zylinder bei Ihren Brillengläsern nicht mehr, um die Hornhautverkrümmung zu korrigieren, weil Sie keine Hornhautverkrümmung mehr haben!“ Mich überraschte es nicht, dies zu hören.
Es war in dieser Zeit, als ich auch etwas über die Verbindung zwischen der Gesundheit meiner Augen und der Gesundheit meines übrigen Körpers lernte. Eine Freundin, Miriam, Bibliothekarin, brachte mir eine Reihe von Übungen zur Verbesserung meiner körperlichen Verfassung bei. Ich begann, Bewegungstechniken zu üben, und lernte, dass Bewegung Leben bedeutet. Wann immer Möglichkeiten durch irgendwelche Umstände versperrt sind, gibt es immer andere Möglichkeiten, die einem helfen, weiter zu kommen. Aus eigener Erfahrung habe ich gelernt, dass der menschliche Körper in der Lage ist, sich zu verbessern und sich selbst zu heilen. Wir vergessen, dass wir das Potenzial haben, unser Sehvermögen zu verbessern. Die Welt ist so sehr von dem Märchen überzeugt, dass schlechtes Augenlicht sich nicht bessern könne – schon gar nicht in einem Fall wie meinem –, dass es schwer ist, sich vorzustellen, dass eine Geschichte wie die meine wahr ist. Ich habe die konventionelle Auffassung widerlegt und die Kraft heilsamer Übungen aufgezeigt.
Wir vergessen leicht, dass wir das Potenzial haben, unser Sehvermögen zu verbessern.
Ich bin Miriam und Jacob dankbar, dass sie mir Augenübungen und Formen der Körperbewegung beigebracht und mich ermutigt haben, diese Übungen mit anderen Menschen zu teilen. Ich habe Menschen kennengelernt, die körperliche Besserungen selbst bei schweren Leiden wie Kinderlähmung, Muskeldystrophie, Rückmarksverletzungen, Arthritis und Schlaganfällen erlebt haben.
Ich wusste, ich hatte meine Berufung gefunden, nämlich: anderen zu diesem Bewusstsein zu verhelfen. Die meisten Menschen glauben kaum an ihre eigenen heilenden Fähigkeiten. Ich hingegen glaube sehr an diese ihre Fähigkeiten, weil ich an meine eigenen Fähigkeiten glaube und wegen meines Erfolgs.
Es gibt zwei Möglichkeiten, zu beschreiben, wie Sie Verbesserungen erzielen können. Die eine ist, zu erklären, dass der Körper ein größeres funktionelles Potenzial hat, als die meisten Menschen in ihrem Leben je erfahren. Die andere ist, zu demonstrieren, wie dieses Potenzial mit Übungen erschlossen werden kann. Wann immer ich mit Menschen arbeite, demonstriere ich ihnen, dass sie mehr tun können, als sie denken. Wenn sie Schmerzen haben, bedeutet dies, ihnen zu helfen, sich durch den Schmerz nicht zu sehr einschränken zu lassen. Wenn sie verspannt sind, bedeutet dies, ihnen zunächst zu helfen, das ganze Ausmaß der Verspannung zu erkennen, und sie dann abzubauen.
Bei mir verlief der Prozess keineswegs reibungslos. Meine Augen pflegten sich 300 Mal in der Minute unwillkürlich zu bewegen, bis ich „palmieren“ lernte, das heißt: meine Hände gegeneinander zu reiben, sie dann sehr sanft über die Augenhöhlen zu legen und Dunkelheit zu visualisieren. Dadurch beruhigten und entspannten sich meine Augen. Irgendwie half es mir sogar in meiner Jugend, dass ich Eltern hatte, die taub waren. Ich konnte Rock-’n’-Roll-Musik laut aufdrehen und dabei entspannen. Trotz unserer dünnen Wände konnten meine Eltern es nicht hören! Wann immer ich diese Musik auflegte, legte ich mir sehr sanft die Hände über die Augenhöhlen, um sie zu entspannen. Innerhalb von drei Monaten ging die unwillkürliche Bewegung meiner Augen auf 60 Bewegungen pro Minute zurück. Dies war der Punkt, an dem meine Linse anfing, etwas aufzuklaren. Die zusätzliche Übung des Sonnenbadens wärmte meine Augen und begann, meine unregelmäßigen Pupillen zu aktivieren.
Meine Augen bewegten sich 300 Mal pro Minute unwillkürlich, bis ich palmieren lernte.
Man hätte zwar noch nicht sagen können, dass ich sehen konnte, aber ich lernte doch allmählich, hinzusehen, auch wenn es manchmal schmerzhaft war. Mein Braille-Lehrer hatte mir beigebracht, die Braille-Schrift zu fühlen und nicht auf die Seite zu schauen: „Um Gottes willen, nicht hinsehen, denn wenn du hinsiehst, verwirrst du nur deine Sinne. Du musst fühlen und nicht hinsehen.“ Diese Anweisung hatte ich so verinnerlicht, dass ich gelernt hatte, mein Leben zu leben, ohne irgendetwas anzusehen. Hinzusehen war nun ein neuer Befehl an mein Gehirn. Das Ergebnis war, dass ich zwar anfing, mehr zu sehen, aber meine Augen schmerzten. Palmieren und mich lange hinlegen, um mich auszuruhen, das half mir. Manchmal wollte ich auch gar nichts sehen, es war einfach zu viel. Dennoch übte ich auch weiterhin, hinzusehen.
Als ich in die Vereinigten Staaten kam, lernte ich einige Menschen kennen, die sich sehr für meine Arbeit interessierten. Sie boten mir an, mir dabei behilflich zu sein, anderen meine Methoden beizubringen und sie zu trainieren. Es war etwas Neues für mich, dass es Menschen gab, die sich für meine Erfahrungen begeisterten. Ich lernte, wie man Einzelne unterrichtete – Miriam riet mir immer, dass ich nur mit Einzelpersonen arbeiten sollte – und wie man eine ganze Klasse so unterrichtete, dass jeder Einzelne dabei lernte, wie er an sich selbst arbeiten konnte. Und ich lernte dabei, dass die größte Schwierigkeit für die meisten darin besteht, dass sie nicht glauben, sie könnten die Zeit finden, die notwendig ist, um an sich zu arbeiten. Die meisten denken, sie hätten viel zu viel zu tun. Andere sind ungeduldig und nicht bereit, die Zeit und Mühe zu investieren, die notwendig sind, um ihren Geist und ihren Körper zur Ruhe kommen zu lassen und zu entspannen.
Ich bringe ihnen bei, wie sie diese Übungen in ihre übliche alltägliche Routine integrieren können. Ich bringe ihnen bei, dass Details anzusehen etwas ist, wozu sie sich seit Langem nicht mehr motiviert fühlen, dass die Makula – der zentrale Bereich der Netzhaut – jedoch dadurch stimuliert wird, wenn man es tut, und dass die Makuladegeneration verhindert werden kann. Ich bringe ihnen bei, dass ein entspannter Nacken beim Sitzen wichtig ist und dass sich die „Investition“ lohnt, mit dem Kopf kreisende Bewegungen zu machen, bevor man sich in einen Sessel setzt. Ich bringe ihnen bei, dass sie, wenn sie an ihrem Computer sitzen, von Zeit zu Zeit in die Ferne blicken sollten, damit ihre Augen sich erholen können. Das sind einfache Gewohnheiten, die leicht in das alltägliche Leben zu integrieren sind.
Meine eigenen Kinder wurden beide mit Grauem Star geboren. Das war traumatisch für mich und ihre Mutter, da wir aus Erfahrung wussten, welchen Kampf sie vor sich haben würden. Im Alter von zwei Wochen wurden sie am Grauen Star operiert, sodass sich der fürs Sehen zuständige Bereich des Gehirns, der visuelle Kortex (Sehrinde), normal entwickeln konnte. Das war in meiner Jugendzeit noch unbekannt. Da ihre Operationen erfolgreich verlaufen waren, hatten sie nicht unter den Vernarbungen zu leiden, die mir zu schaffen gemacht hatten, als ich klein war. Mithilfe der Techniken, die Sie in diesem Buch finden, hat sich ihr Sehvermögen enorm verbessert. In ihrer ganzen Kindheit und Jugend haben meine Kinder immer wieder ihr stärkeres Auge abgedeckt und mit dem schwächeren Auge Objekte angeschaut, um die Belastung zu reduzieren, die entsteht, wenn ansonsten allein das stärkere Auge für das Sehen zuständig ist.
Mein Sohn, der das Herz und das Gemüt eines Künstlers hat, ist in vieler Hinsicht oft in seiner eigenen Welt. Während er in seiner Welt ist, betrachtet er aber mit großem Interesse Details. Dank seiner starken Beobachtungsgabe und seiner Liebe zum Detail sieht er vieles, was andere nicht sehen. Er hat das beste Sehvermögen eines Kindes entwickelt, das je mit Grauem Star geboren wurde. Er hat jetzt eine Sehschärfe von 20/40 ohne Brille. Das sind 80 Prozent einer Sehkraft von 20/20 ohne seine natürlichen Linsen. Jeder andere hätte ohne die natürliche Linse des Auges eine Sehkraft von 20/400 (5 Prozent des normalen Sehvermögens). Mit Brille hat er eine Sehschärfe von 20/15. Die meisten anderen Kinder, die mit Grauem Star geboren und erfolgreich operiert wurden, haben mit wesentlich dickeren Brillengläsern eine Sehkraft von 20/80 oder 20/100; eine Sehkraft von 20/40 ist einmalig für jemanden, der keine natürliche Linse besitzt.
Meine Tochter hat auch viele Phasen der Veränderung durchgemacht. Wir haben in unserem Wohnzimmer viel miteinander gespielt, wobei sie ihr stärkeres Auge abdeckte, wenn sie mit mir Ball spielte, und ihr schwächeres Auge nutzte. Zu verfolgen, wie der Ball auf sie zurollte und wegrollte, machte bei ihr einen gewaltigen Unterschied, sodass sich ihr Sehvermögen stark verbesserte.
Im Alter von zwölf Jahren entwickelte sie erhöhten Augendruck. Die Ärzte wollten ihr sofort Augentropfen geben, um den Druck zu reduzieren. Wir lehnten diesen ärztlichen Rat jedoch ab, da wir überzeugt waren, dass die Tropfen schaden könnten. Stattdessen arbeitete ich mit ihr und trotz ihres unglaublich vollen Stundenplans auf der Mittelschule und der Highschool mit vielen außerschulischen Aktivitäten fand sie Zeit, um an ihrem peripheren Sehen zu arbeiten; dadurch reduzierte sich ihr Augendruck. Sie fand auch Zeit, um an ihrem Nacken zu arbeiten. Sie ging zu Akupunkteuren und Homöopathen, machte Vitamintherapien und ging zur Massage, um ihre Verspannungen in Rücken und Nacken abzubauen. Ich brachte ihr bei, wie sie auf unterschiedlichste Weise ihren ganzen Körper entspannen konnte, um für bessere Durchblutung des Kopfes zu sorgen. Ihr Druck reduzierte sich enorm.
Es war ein langer, harter und mühseliger Prozess, mit Höhen und Tiefen, aber er funktionierte. Bei hohem Augendruck neigen manche Menschen dazu, Grünen Star (Glaukom) zu entwickeln, wodurch der Sehnerv geschädigt und das Gesichtsfeld verkleinert wird. Somit war der Erfolg, den wir bei ihr erzielten, ein Teilerfolg, aber gut; sie hat eine Sehkraft von 20/20. Sie neigt zwar zu hohem Augendruck, ihr Sehnerv ist aber sehr gesund und ihr Gesichtsfeld ausgezeichnet.
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Durch diese Erfahrungen, die ich an mir selbst, mit meinen Kindern und mit Tausenden von Patienten und Schülern gemacht habe, mit denen ich arbeitete, bin ich wirklich zu der Überzeugung gelangt, dass Menschen ihr Sehvermögen verbessern und die Zeit dafür finden können, egal, ob sie in der Schule oder am Arbeitsplatz sind.
Ein Computertechniker, der einmal an einem Kurs von mir teilnahm, konnte während des Kurses seine Sehkraft von 20/200 auf 20/80 verbessern. Er konnte innerhalb von acht Monaten seine verordnete Gläserstärke um die Hälfte reduzieren, von 7 Dioptrien auf 3,5 Dioptrien. Zum ersten Mal in seinem Erwachsenenleben hatte er keine Probleme, ohne Brille Auto zu fahren, und das war Jahre später, als er in den Vierzigern war, immer noch so.
Wir alle können uns die Zeit dafür nehmen. Wir brauchen nur zu beschließen, dass wir die Zeit wert sind und der Aufwand dafür sich lohnt. Wir sollten uns bemühen, Augenübungen mit unserem alltäglichen Leben zu kombinieren. Dann können wir Erfolg haben und einen großen Gewinn daraus ziehen. Dann können wir hervorragende Ergebnisse erzielen. Stellen Sie sich vor, Sie bräuchten sich nie mehr größeren Behandlungen beim Augenarzt zu unterziehen. Stellen Sie sich Ihr Leben ohne Grauen Star, ohne Makuladegeneration, Grünen Star oder Netzhautablösung vor. Stellen Sie sich vor, dass Sie Ihr Leben einfach dadurch verbessern könnten, dass Sie Ihre Augen mehr aktivierten.