Kitabı oku: «Die neuesten Streiche der Schuldbürger», sayfa 3
12. Januar
»Sieh da! Sieh da, Relotius,
Die Kraniche des Ibykus!« –
PS: »Sieh da! Sieh da, Timoteus,
Die Enten des Relotius!«
(Leser ***)
Apropos: Der allzeit lesenswerte Wolfgang Röhl erklärt auf so luzide wie deftige Weise, warum die Affäre um den Verbreiter erwünschter Märchen bzw. Lügen folgenlos bleiben wird: »Kurz bevor der Skandal durch eine amerikanische Internetseite ins Rollen gebracht zu werden drohte, schaltete Klusmann (Spiegel-Chefredakteur – M.K.) in den Modus Vorneverteidigung. Gab vor, man sei dem hauseigenen Fälscher sozusagen hauseigen auf die Schliche gekommen. Dies ungeachtet der Tatsache, dass es ein misstrauischer Kollege war, der Relotius entlarvt hatte. Und zwar gegen den Widerstand seiner Vorgesetzten, die zu Relotius hielten und den Fotografen wegen seines Verdachts monatelang gemobbt und implizit mit Kündigung bedroht hatten.
Der Dreistigkeit, die erzwungene Enttarnung eines jahrelang vom Spiegel hofierten Gauners so zu verkaufen, als zeige sich gerade darin die Größe und Ehrenhaftigkeit des Hamburger Magazins, dieser abgekochten Rotzfrechheit gebührt allerhöchste Anerkennung. Die Nummer sollte rhetorischer Baustein künftiger Seminare über die Kunst der Krisenkommunikation werden.«
Wenn die Welt draußen vorm Balkonfenster so weiß aussieht wie der Park um die Ecke, dann war früher Winter. Heute ist Klimakatastrophe. Die Bewertung der Auswirkungen muss sich freilich erst noch einpendeln. »Schon jetzt gibt es messbar weniger Schnee. Werden unsere Winter grün? Und was bedeutet das für die Skigebiete?«, bangte vor zehn Tagen der Bayrische Rundfunk. Merke: Egal ob viel Schnee oder keiner, Schuld trägt der Mensch, also praktisch Sie, und wer Zweifel anmeldet, denkt im günstigsten Falle unterkomplex, ansonsten schlicht bösartig. Ich war im sogenannten Extremwinter 1978/79 in einem mecklenburgischen Kaff eingeschneit (die Armee suchte damals mit Stangen nach komplett vom Schnee zugedeckten Eisenbahnzügen), in meine Amtszeit bei Focus fiel die Lawinenkatastrophe von Galtür, und im sogenannten Jahrhundertsommer 2003 war sogar Lance Armstrong dehydriert, aber damals wussten wir noch nicht, dass die Natur zurückschlägt. Heute kann keiner mehr sagen, Claudia Kipping-Eckardt hätte ihn nicht gewarnt. Aber einige wollen ja nicht hören …
»Woher kommt es, dass ein Hinkender uns nicht erzürnt und ein hinkender Geist uns erzürnt? Das kommt, weil ein Hinkender erkennt, dass wir gerade gehen, und ein hinkender Geist sagt, wir seien die Hinkenden«, notierte Pascal (dem die Affirmative Action noch nicht geläufig sein konnte).
Und nochmals Pascal: Das »ganze Unglück der Menschen«, so schrieb er bekanntlich, rühre daher, »dass sie nicht ruhig in einem Zimmer bleiben können«. »Doch da ich es genauer bedachte und nachdem ich den Grund für all unser Unglück gefunden hatte, wollte ich dessen Ursache(n) entdecken, und ich habe gefunden, dass es eine ganz sichere gibt, die im natürlichen Unglück unserer schwachen und sterblichen Beschaffenheit besteht, die so elend ist, dass uns nichts trösten kann, wenn wir sie recht bedenken.«
Also, schließt Pascal, bestehe das wirkliche Glück – er sagt wörtlich »das einzige Gut« – der Menschen darin, »dass sie von den Gedanken an ihre Lage abgelenkt werden«. Der Franzose stellt sich praktisch gegen die gesamte Zunft der Philosophen, indem er nicht Sammlung, Kontemplation und ein maßvolles Leben preist, sondern die Zerstreuung, weil ausschließlich Zerstreuungen – nicht Ruhm und Besitz, nicht Königtum, ja nicht einmal die Wonnen der Transzendenz – den Menschen sein Elend komplett vergessen lassen, wenn auch nur für kurze Zeit. Stimmt, notierte ich mir an den Rand des Buches, niemand denkt während eines großen Fußballspiels an den Tod. Außerhalb von Kriegs- und Krisenzeiten vermag nichts die Zeitspanne von anderthalb Stunden vollständiger und fesselnder zu füllen, nicht einmal ein erradelter Alpenpass oder eine erotische Feier. Vor die Wahl gestellt zwischen entweder Bayern gegen Dortmund oder, sagen wir: Megan Fox, wäre meine Entscheidung klar. (Und das hat nichts mit meinem relativen Angegammeltsein zu tun; vor vielen Jahren, damals befand ich mich noch in jenem Alter, wo sich im Grunde alles um die Balz dreht, saß ich in Erwartung eines wichtigen Fußballspiels, das gleich angepfiffen werden würde, mit zwei Freunden in meiner Schwabinger Wohnung vor dem Fernseher, als es klingelte. Nicht aufmachen, lautete der spontane Entschluss. – »Und wenn es eine Frau ist?« – »Dann erst recht nicht.« – »Und wenn Pamela Anderson vor der Tür stünde?« – »Dann würde ich ihr sagen: Sind Sie wahnsinnig, jetzt hier zu klingeln?!«)
Nun lese ich in Michel Houellebecqs soeben erschienenem Roman Serotonin den Satz: »Das Verlangen nach einem Sozialleben lässt mit zunehmender Reife nach, irgendwann sagt man sich, dass man sich ausreichend mit der Sache beschäftigt hat, und außerdem hatte ich in meinem Zimmer einen SFR-Decoder installiert, ich hatte Zugang zu mehreren Sportkanälen und verfolgte die französischen, deutschen, spanischen und italienischen Fußballmeisterschaften, das waren einige Stunden erklecklicher Unterhaltung, hätte Blaise Pascal einen SFR-Decoder gehabt, dann hätte er vielleicht ein anderes Liedchen angestimmt.« Nein, im Gegenteil, es hätte ihn beim Absingen seines Liedchens bestärkt, aber ansonsten d’accord, Monsieur H.
Das führt zu der Frage, ob ich auch Houellebecqs neuen Roman empfehlen kann. Im Grunde schreibt der Franzose ja immer wieder denselben Roman in immer neuen Variationen fort, aber ich musste jedes dieser Bücher sofort lesen; insofern ist die Empfehlung ausgesprochen. Als Brennpunkt sämtlicher Zeitströmungen, als Symptombeschreiber (und -verkörperer!), als unabhängiger, freier und zuweilen prophetischer Kopf – diesmal scheint er mit den blutigen Bauernprotesten, die der Roman thematisiert, die »Gelbwesten« vorweggenommen zu haben – ist Houellebecq der bedeutendste Literat unserer Zeit, also einer der wenigen, die bleiben werden. Als Stilist, Personenschilderer, Handlungskonstrukteur, im engsten Sinne Romancier ist er obere Mittelklasse. Mit diesem Zwiespalt muss der Leser leben. Seine Frauenfiguren unterscheiden sich kaum voneinander – es gilt der alte Spruch: Woman is a life support system for a cunt –, und der Ich-Erzähler ist stets derselbe. Seine notorischen Sex-Szenen überfliege ich, in Serotonin erspart er uns nicht einmal eine Version mit drei verschiedenen Hunden, und doch schafft dieser Kerl es immer wieder, in wenigen Sätzen eine Trostlosigkeit und Verzweiflung zu erzeugen, wie es eben nur große Literatur vermag. Außerdem ist Houellebecq auf verlässlich schamlose Weise zynisch, er erteilt dem intellektuellen Gesellschaftsklimaschädling das Wort, der heutzutage oft ein situiertes Dasein auf Kosten anderer mit linksgrünen Anschauungen und der unnachsichtigen Verfolgung von Falschmeinern verknüpft (und meistens kinderlos ist):
»Wenn ich als junger Mann jeden Sonntagabend Senlis verlassen hatte, wo ich eine sehr behütete Kindheit verlebt hatte, um in der Pariser Innenstadt mein Studium weiterzuverfolgen, wenn ich durch Villiers-le-Bel, dann durch Sarcelles, dann durch Pierrefitte-sur-Seine, dann durch Saint-Denis gefahren war, wenn ich gesehen und gehört hatte, wie um mich herum die Bevölkerungsdichte und die Plattenbauten Stück für Stück anstiegen, wie die Gespräche im Bus aggressiver wurden und das Maß der Gefährlichkeit zunahm, hatte ich jedes Mal das Gefühl gehabt, in die Hölle zurückzukehren, und zwar in eine von den Menschen nach ihren Wünschen gebaute Hölle. Jetzt war es anders, ein nicht besonders bravouröser, aber annehmbarer sozialer Aufstieg hatte mir erlaubt, dem physischen und sogar visuellen Kontakt mit den gefährlichen Schichten hoffentlich endgültig zu entkommen.«
Und das wiederum verschafft mir Gelegenheit, ein großes deutsches Magazin zu rühmen, wo der Autor von Serotonin so präsentiert wird: »Schlabbergarderobe, Rotwein und immer mit Zigarette: Houellebecq pflegt sein Image als Außenseiter der französischen Literatur«.
Rotwein und Zigarette, in der Tat, das macht einen in der französischen Literatur schnell und verlässlich zum outlaw. »Meint der Mann, was er da schreibt?«, fragt es aus dem Artikel, der übrigens im Focus steht, »Heißt er es gut? Oder will er warnen vor gefährlichen Strömungen in einer Art Rollenprosa?« So wie Melville vor dem Walfang oder Tolstoi vor dem Ehebruch resp. Einmarsch in Russland? »Wie in jedem seiner Romane treibt Houellebecq ein ausgebufftes Versteckspiel.«
Aber der Redakteur arbeitete nicht für ein renommiertes Magazin mit inzwischen Kiosk-Spitzenverkäufen von 35 658 Exemplaren pro Woche, wenn er den »provokanten Propheten« nicht doch durchschaut hätte, denn wie der »Antiheld des Buches« hat Houellebecq »ebenfalls Agrarwissenschaften studiert und pflegt eine radikale Weltanschauung«. Was das ist? Auch hier hat Focus Fährte und Witterung. Kurz vor dem Erscheinen des Romans hat der »Skandalautor« schließlich einen Artikel im amerikanischen Harper’s Magazine veröffentlicht, in dem er die EU für gescheitert und Donald Trump für einen guten, ja den besten US-Präsidenten erklärte, an den er sich erinnern könne. Das ist erstens radikal und zweitens effektive PR (»Provokation«). »Die Leser des Pamphlets waren wie so oft bei Houellebecq mindestens irritiert, viele aber auch entsetzt.« Wenn man in Rechnung stellt, dass es den Text online zu lesen gab und er in der angelsächsischen sowie der restlichen des Englischen mächtigen Welt wahrscheinlich millionenfach abgerufen wurde, und, am Rande, dass ihn zumindest alle Leute, die ich kenne, eher amüsant fanden, dann ist das eine kecke Einschätzung, die vielleicht damit zu tun hat, dass man sich bei Focus so etwas wie Millionen Leser nicht mehr richtig vorstellen kann, während die Verallgemeinerung der eigenen Ansicht – die in dieser Branche, wie ich hier bereits nahezu speioft dargelegt habe, ungefähr so eigenständig ist wie die Schwimmrichtung einer Sardine – unter Journalisten Brauch und Sitte ist, weshalb am Kiosk auch 35 658 Leser enthusiasmiert zugreifen.
Vielleicht, schließt der Artikel, geben ja die Hochzeitsbilder des »Provokateurs« (bzw. »Skandalautors«) Aufschluss über dessen wahre Gesinnung und gesellschaftliche Stellung – und nicht die »Attitüde« seines »gebisslosen Mundes« –: »Der Dichter-Underdog in grauem Frack mit Melone und einem Orden am Revers, unter den Gästen der französische Kulturhochadel« (wer oder was das immer auch sein mag), »das scheint die wahre Lebenswelt des vielfachen Auflagenmillionärs zu sein«, und dort ist man mangelhaften Gebissen gegenüber auch toleranter, sofern es sich nicht um abstoßende Elendsfolgen, sondern um eine ausgefallene und schicke Attitüde handelt. »Vielleicht geht es ihm gar nicht so sehr um die Warnung vor dem Untergang des Abendlandes. Vielleicht hat er bloß mal wieder ein besonders umstrittenes Thema aufgegriffen, das sich gewinnbringend ausschlachten lässt in der Ökonomie der Aufmerksamkeit.«
Und von der versteht man beim inzwischen in Berlin residierenden und umstrittene Themen ausschlachtenden Kioskbuster Focus am Ende sogar noch mehr als von Literatur.
16. Januar
»In der Gegenwart gewinnt die Erkenntnis Boden, daß die Gefährdung der individuellen Freiheit von der Gesellschaft ausgeht und daß der Staat dazu berufen ist, die Freiheit zu schützen.« Ernst Forsthoff (im Merkur, Mai 1968, also praktisch am Beginn des Paradigmenwechsels vom eher staatlichen zum eher gesellschaftlichen Gesinnungsterror)
Übrigens: »Gender« ist haram.
Der vorwitzige Handballer Stefan Kretzschmar wird seine Lüge, in Deutschland herrsche keine Meinungsfreiheit, noch bitter bereuen.
Andrea Nahles twittert: »Frauen stellen die Hälfte der Bevölkerung, aber nur 31% der Abgeordneten im Bundestag. Das muss sich ändern! Wir brauchen ein Wahlgesetz, welches für eine bessere Vertretung von Frauen im Deutschen Bundestag sorgt.«
Ich habe hier schon oft darauf hingewiesen, dass die Größen in dieser Gleichung nicht stimmen. Wir leben in einer Parteiendemokratie (oder -demokratur, aber dieses Fass mache ich heute nicht auf), und jeder Staatsbürger hat die Freiheit, sich in einer dieser Parteien zu engagieren. Der Anteil der Frauen unter den SPD-Mitgliedern beträgt 32,0 Prozent; auch in diesem Belang ist die SPD also von vorbildlicher Durchschnittlichkeit. Der Anteil der weiblichen Abgeordneten stiege automatisch mit der Zahl weiblicher Parteimitglieder – und wenn nicht, geschähe immer noch niemandem Unrecht, weil es kein Recht darauf gibt, wegen seiner Geschlechtszugehörigkeit in den Bundestag berufen zu werden –, und keine SPD-Justizministerin müsste Quoten via Wahlgesetz fordern, was ja, bei Lichte betrachtet, auf einen Verfassungsbruch und die Beseitigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes hinausläuft.
PS: »Anlässlich Ihrer Anmerkungen zur der von Nahles angestoßenen Proporz-Debatte Männlein/Weiblein/Diverslein im Bundestag« stellt Leser *** folgende Frage: »Es gibt ca. 14% funktionale und echte Analphabeten in Deutschland, wobei ich (wie Wikipedia) die noch nicht so lange hier Nichtlesenden noch nicht mitzähle. Ist diese Bevölkerungsgruppe – schließlich verfügt sie über dieselben Bürgerrechte wie Taxifahrer mit Germanistikstudium – ausreichend im Bundestagvertreten?«
Ja und nein, geehrter Herr ***, ja und nein.
Wenn wir schon bei twitternden Sozis sind: Ralf Stegner, eine der unbestritten hellsten Kerzen auf der antifaschistischen Torte, trug Gott und den Menschen vor: »Die Rechtspopulisten von der AFD kommen endlich in den Fokus des Verfassungsschutzes. Dazu musste der unselige Herr Maaßen gehen, damit das passieren kann, was längst überfällig war.«
Don Alphonso kommentiert: »Verschwörungstheorien sind das eine, ihre Bestätigung ist das andere.«
Womit wir beim Thema wären. Gestern meldete die Tagesschau, dass der Verfassungsschutz – das ist eben jener Verein, dessen Chef vor kurzem seinen Schlapphut nehmen musste, weil er eine Lügengeschichte der Kanzlerin dementiert hatte –, dass der Verfassungsschutz die AfD fürderhin als »Prüffall« einstufe. Als verfassungsschutzrelevant bewerteten die Experten des Staatssenders exemplarisch einige Worte von Alexander Gauland, gesprochen auf dem letztjährigen Kyffhäusertreffen:
»Kyffhäuser ist der Berg genannt,
Und drinnen ist eine Höhle;
Die Ampeln erhellen so geisterhaft
Die hochgewölbten Säle.«
Das sagte Gauland nicht, sondern: »Andere Länder holen sich Einwanderer, damit sie arbeiten« – diesen Teil des Satzes haben die Wahrheitsausschütter prophylaktisch weggeschnitten –, »die Bundesregierung will, dass wir für die Einwanderer arbeiten, damit sie in Ruhe Kinder in die Welt setzen und den Bevölkerungsaustausch bewerkstelligen können.« Was an diesen Ausführungen verfassungsfeindlich sein soll, teilte der Sender nicht mit. Auch wenn wir aus dem Fall Maaßen gelernt haben, dass der binäre Code richtig/falsch nicht zwingend den Rahmen für die Aktivitäten des Inlandsdienstes bilden muss, stellen wir die Frage, nur experimentellerweise, anders: Was wäre an Gaulands Worten falsch?
Der Berliner Tagesspiegel ließ Anfang August seine Leser wissen, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, »bis in größeren Städten Menschen mit Migrationshintergrund die Bevölkerungsmehrheit stellen. In Frankfurt am Main ist es bereits so weit: Schon 2017 waren 51,2 Prozent der Stadtbewohner nicht in Deutschland geboren oder hatten nichtdeutsche Eltern. Augsburg und Stuttgart sind die nächsten Kandidaten oder haben den Status gerade erreicht.« Die grüne Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Stefanie von Berg hat in einer vielbeachteten Rede erklärt: »Unsere Gesellschaft wird sich ändern, unsere Stadt wird sich radikal verändern. Ich bin der Auffassung, dass wir in 20, 30 Jahren gar keine ethnischen Mehrheiten mehr haben in unserer Stadt. Und ich sage Ihnen ganz deutlich, gerade hier in Richtung rechts: Das ist gut so.« In den Tagesthemen am 20. Februar 2018 sprach der deutschstämmige Harvard-Dozent Yascha Mounk die inzwischen geflügelten Worte, »dass wir hier ein historisch einzigartiges Experiment wagen, und zwar eine monoethnische und monokulturelle Demokratie in eine multiethnische zu verwandeln. Das kann klappen, das wird, glaube ich, auch klappen, dabei kommt es aber natürlich auch zu vielen Verwerfungen.« Die Moderatorin nickte damals und sozusagen in alle Ewigkeit wissend und stellte keine dummen Fragen.
Ein Bevölkerungsaustausch findet offenbar statt, und wer das feststellt und zugleich lobt, den erhebt der Verfassungsschutz nimmermehr zum »Prüffall«. (Dass ich mich hier wiederhole, mögen Sie mir, geneigter Leser, bitte nachsehen; man zwingt mich dazu.)
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans, CDU, fordert nun einen neuen, nämlich »modernen« Nationenbegriff, nicht mehr die Nation des Grundgesetzes, sondern eine »Bekenntnisnation«, die, wie der ambitionierte Begriff andeutet, alle einschließen soll, die sich zu ihr bekennen, »gleich welcher Herkunft, Hautfarbe oder Religion« – und Staatsangehörigkeit? Zur deutschen Nation kann demnach jeder gehören, der sich dazu entschließt oder dies fingiert, zumindest bis auf Widerruf; das Staatsbürgerschaftsrecht wäre passé. – Erwähnte ich schon, dass dieses Land in seiner gesamten Geschichte wahrscheinlich niemals von dümmeren Menschen regiert worden ist als heute? Obwohl wir schon veritable Schwachköpfe an der Spitze hatten, aber hallo! – Diese Forderung eines immerhin Ministerpräsidenten wenn auch nur des Saarlandes ist so verfassungswidrig wie das Bundestagsfrauenquotenforderungsgedöns der Damen Nahles und Barley, bleibt aber ebenfalls vom Verfassungsschutz ungewittert, ungeprüft und ungetwittert obendrein.
Zur Erinnerung, Artikel 20 GG schreibt vor:
»(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.«
Was Gauland in seiner Rede vortrug, besitzt aus einem anderen Blickwinkel durchaus Verfassungsschutzrelevanz, freilich eben nicht der Vortrag, sondern der darin beschriebene Vorgang.
Thilo Sarrazin, der deutsche Mike Tyson unter den Lügnern mit Fakten, hat darauf hingewiesen, dass von den laut Ausländerregister 1,9 Millionen »Schutzsuchenden« in Deutschland im Oktober 2018 298 000 sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren, also 15 Prozent, was in einem gewissen Widerspruch zu der kurz vor Weihnachten auf die deutschen Gabentische gewuchteten Behauptung des Arbeitgeberpräsidenten Ingo Kramer stünde, die Integration der Flüchtlinge laufe besser als erwartet, Angela Merkel habe mit ihrem Satz »Wir schaffen das« recht behalten, »von mehr als einer Million (sic!) Menschen, die vor allem seit 2015 nach Deutschland gekommen sind, haben heute bald 400 000 einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz.« Was bei der Verwendung korrekter Zahlen immer noch bedeutet hätte, dass 79 Prozent der Hereingeschneiten ihren Lebensunterhalt nicht selber verdienen.
Die große Masse der seit Merkels Großem Sprung ins Offene zu uns gekommenen Migranten, egal welche erwünschten Gerüchte von hochdero Adlaten verbreitet werden, lebt also auf Kosten ihrer Gastgeber (übrigens nicht nur in ’schland selbst; die deutschen Behörden haben im vergangenen Jahr 402 Millionen Euro Kindergeld ins Ausland überwiesen). Aus Geburtskliniken, Kindergärten und Grundschulen hört man Erfreuliches über den Kindersegen, den uns die Neumitbürger bescheren; es gibt einen Geburtenanstieg seit 2014, damals wurde das erste Mal seit 2004 die 700 000er Marke überschritten, 2016 gab es mit 792 000 Geburten die höchste Zahl seit 1997, 2015 hatte jedes fünfte Neugeborene eine ausländische Mutter. Da ich das ausdrücklich begrüße, darf ich von einem Bevölkerungsaustausch sprechen, die AfD natürlich nicht.
Ein Bekannter, der geschäftlich viel in der arabischen Welt umherreist, hat berichtet, ein Geschäftspartner in den Emiraten habe ihm erklärt, dass man dortzulande Ausländer als Arbeitskräfte ins Land hole, aber partout nicht verstehe, warum die doch im Großen und Ganzen als praktisch veranlagt und zurechnungsfähig geltenden Deutschen sich für die Version entschieden hätten, Ausländer zu sich zu holen, um für sie zu arbeiten. Wenn diese Kameltreiber nicht aufpassen, werden sie wohl bald vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet.
Am Montag Zaungast bei der Sitzung des Petitionsausschusses zur Petition von Herrn Dr. Englmeier gegen den Globalen Migrationspakt. Ich war erstaunt über die große Zahl von Angehörigen der Bundestagspolizei, allein auf meiner Balkonseite drei Mann (ich dachte zuerst, irgendein V.I.P. sitzt im Publikum und hat seine Bodyguards dabei), man schien mit gefährlichen Hospitanten zu rechnen. Für die Bundesregierung stieg Staatsminister Nils Annen, SPD, in die Bütt, ein Mann mit einer beeindruckenden akademischen Karriere, und er sagte lauter festhaltenswerte Dinge, etwas dass die Bundesregierung alles getan habe, um die Öffentlichkeit über den Pakt zu informieren (Ende Oktober gestanden die Chefs von ARD und ZDF coram publico, noch nie von diesem Papier gehört zu haben), und dass überhaupt kein Zusammenhang zwischen der Migration und solchen Dokumenten bestünde, Erstere mithin eine Art Naturereignis darstelle. Die satirische Dimension der Veranstaltung bestand darin, dass ein Staatsminister eines Landes, in dem um die 700 000 illegalen Einwanderer herumstromern, vor Publikum über »Migrationsmanagement« dozierte, wie überhaupt die gesamte Session oder Séance einmal mehr erkennen ließ, dass die Vertreter der sogenannten politischen Klasse die Bürger bzw. Wähler eher als lästige Störenfriede und deren Wahlauftrag als eine Art Vorschlag zur Güte betrachten.
Die luziden und messerscharfen Antworten des dem Petenten beigesellten Juristen Ulrich Vosgerau waren die eigentlichen Höhepunkte der Veranstaltung, doch auch der Petent schlug sich achtbar, am besten an jener Stelle, wo er auf die Frage eines Unions-Vertreters, ob er etwas gegen multilaterale Abkommen habe, die Antwort erteilte: Wenn es sich um ein Abkommen mit Ländern wie Marokko und Saudi-Arabien handle, welche uns gleichzeitig von Ländern wie Österreich und Tschechien entfremde, dann ja, doch doch, durchaus.