Kitabı oku: «Die Euro-Misere», sayfa 4

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Die Störung des Preissystems hat die „Krise“ verursacht

Preise sagen uns, was wir zu tun haben – und häufig ist das etwas anderes, als wir beabsichtigt haben. So lautet Friedrich August von Hayeks Erkenntnis über das Herzstück der Marktwirtschaft. In seinem auch als Gegenentwurf zum Keynesianismus wegweisenden Vortrag „Der Strom der Güter und Leistungen“ brachte Hayek zum Ausdruck, dass die Analyse der Preise bei der Lenkung der Produktion in den Mittelpunkt der ökonomischen Theorie gehöre: „Hierfür ist die Behauptung von entscheidender Bedeutung, daß die Koordination der wirtschaftlichen Tätigkeiten, der wir unsere Fähigkeit zur Erhaltung der gegenwärtigen Weltbevölkerung verdanken, unserem Vertrauen auf die Führung durch Preise zuzuschreiben ist, die auf wettbewerblichen Märkten bestimmt werden und die die unentbehrlichen Signale erzeugen, die uns sagen, was wir zu tun haben.“

Diese weitreichende Feststellung sollte bei der Analyse der sogenannten „Finanzkrise“ stärker im Vordergrund stehen, das gilt besonders für den deutschsprachigen Raum. Traditionell gehört das Preissystem zum Kanon der Determinanten, die die Österreichische Schule der Volkswirtschaftslehre von anderen Schulen unterscheidet. Ludwig von Mises hatte als Kopf der dritten Generation vielleicht die bedeutsamste ökonomische Entdeckung des 20. Jahrhunderts gemacht: Die Unmöglichkeit des Sozialismus, rational zu kalkulieren – mangels marktwirtschaftlicher Preise. Hayek fügte dem die Vermittlung von Wissen über Preise hinzu. Tatsächlich bildet das Preissystem, besser die Störung des Preissystems, einen Schlüssel zur Erklärung der vergangenen Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre („Great Depression“) wie der aktuellen („Great Recession“). Aus „Österreichischer“ Sicht gilt: Die Folgen dieser Störungen halten an, die Störungen werden durch Interventionen noch verschärft und die damit verbundenen Kosten unterschätzt.

Im einzelnen: Zunächst lässt sich die „Finanzkrise“ als „Inflationskrise“ charakterisieren. Ohne das Zentralbankmonopol und das damit verbundene Mindestreservesystem für die Geschäftsbanken hätte es keine derartige Ausdehnung der Geldproduktion, also eine Mehrung der Geldmenge, geben können. Das gilt für die Zeit vor und nach dem Sichtbarwerden der Kalamitäten in den USA im Sommer 2007 durch einen drastischen Einbruch des Dow-Jones-Indexes und sprunghafte Aufschläge für Interbankenkredite.

Die (Niedrig-)Zinspolitik der Zentralbanken ist dabei ein wesentlicher Bestandteil des größeren Problems: Die Geldproduktion im staatlichen Währungsmonopol ist weder dem Wettbewerbsmarkt als Entdeckungsverfahren der „richtigen“ Geldmenge unterworfen, noch existiert eine Einhundertprozentdeckung. Zu den Folgen gehören ein Aufblähen der Geldmenge (Verdopplung in den USA und im Euroraum von 1999 bis 2009) und infolgedessen eine massive Geldentwertung (in den USA und im Euroraum mehr als 80 Prozent Kaufkraftverlust seit Anfang der 1960er Jahre, gemessen anhand der Konsumentenpreise).

Ein behördlich festgesetzter Zinssatz hat aus Österreichischer Sicht zudem weitreichende Folgen für die Koordination der wirtschaftlichen Aktivitäten: Der Zins kann als Preis für die intertemporale Ressourcenkoordination verstanden werden. Wird dieser Preis durch andere als marktwirtschaftliche Aktivitäten gebildet, führt das zu einer Störung des Preisgefüges. Die Marktteilnehmer werden durch das falsche Signal irregeführt. Ihnen wird suggeriert, dass ausreichend Kapital für Investitionen vorhanden ist. Tatsächlich sind die Investitionen aber nicht durch Sparen gedeckt, sondern Ergebnis einer Aufblähung der Geldmenge durch Kreditschöpfung – noch dazu bei gleichbleibendem Konsumverhalten. Letztlich gibt es keine Alternative, als die eigentlich unrentablen Projekte durch fortgesetztes Inflationieren aufrecht zu erhalten oder sie durch eine Verringerung der Geldmenge zu liquidieren.

Hinzu kommen die bereits genannten „Helikopter-“ und Cantillon-Effekte. Das gleichsam top-down einsickernde Geld verändert das Preisgefüge, weil frisches Geld nun für diejenigen Projekte verfügbar ist, die bisher mangels Geld (und Ressourcen) nicht realisiert werden konnten. Der monetäre Stimulus verändert die Investitions- und Konsumfähigkeit sowie die Wünsche und Bedürfnisse der Marktteilnehmer im Verhältnis zur ursprünglich knapperen Geldmenge, was in veränderten Preisen zum Ausdruck kommt. Denn Preise werden durch den existierenden Bestand an Gütern und (!) Geld sowie die Wertmaßstäbe der Anbieter und Nachfrager gebildet.

Joseph T. Salerno hat darauf hingewiesen, dass der aggregierte Strom des ausgegebenen Geldes durch den Wert des Geldes bestimmt wird und nicht anders herum: „‘spending,’ is completely governed by the money price that has been antecedently established by the exchanging parties. ... In other words, the aggregate flow of money spending is determined by the value of money and not the other way around“(„[öffentliche] Ausgaben werden vollständig vom Geldpreis beherrscht, der zuvor von den beiden austauschenden Seiten festgelegt wurde. … Mit anderen Worten wird der gesamte Strom der Geldausgaben vom Wert des Geldes bestimmt und nicht anders herum.“).12

Das ist der Hintergrund der von Thorsten Polleit mehrfach treffend geschilderten Vermögenspreisinflation: Die durch Aufblähen der Geldmenge herbeigeführte Geldentwertung ermöglicht es, unter anderem im Immobiliensektor die Produktion (über das eigentliche Marktniveau hinaus) auszudehnen, bei (durch die Geldentwertung künstlich) gesteigerten Bedürfnissen für Immobilien und infolgedessen steigenden Preisen. Der Strom des Geldes in den Immobiliensektor wird durch die Geldentwertung ermöglicht. Dort wird der Boom durch die Unternehmer angefacht, die stets durch Ausnützen der Preisunterschiede Gewinne erzielen, „sie kaufen, wo und wann sie die Preise für zu niedrig halten, und verkaufen, wo und wann sie die Preise für hoch ansehen. Die Spekulation der Unternehmer ist die Triebkraft der Marktbewegungen, wie sie die Triebkraft der Produktion ist“, konstatiert Mises in seiner „Nationalökonomie“. Allerdings wurden sie dazu kräftig durch staatliche Aktivitäten stimuliert, teilweise regelrecht gezwungen.

Warum ausgerechnet der US-Immobiliensektor? Ein maßgeblicher Grund ist eine verfehlte Sozialpolitik in Verbindung mit einer ebenso verfehlten Regulierung diverser US-Regierungen. Insofern handelt es sich bei der sogenannten „Finanzkrise“ über die Inflationskrise hinaus um eine Regulierungskrise. Thomas Sowell hat in „The Housing Boom and Bust“ den kaum zu überschauenden Regulierungswust dargelegt, darunter Maßnahmen zur Förderung des Wohneigentums im Sinne einer „Häuser für jedermann“-Politik, umfassende Eingriffe in die Verfügungsrechte über Eigentum und in die Finanzierungspraktiken. Sowell kommt zu dem Ergebnis, dass die Regierung Immobilienpreise (mit) in die Höhe getrieben hat und die laxen Kreditstandards nicht einem Mangel an Regulierung und Aufsicht durch die Regierung geschuldet, sondern gerade Ergebnis der Regulierung und Aufsicht sind.

Zu einem ähnlichen Ergebnis mit dem Schwerpunkt auf verfehlten Regulierungen des Kapitalmarktes kommt auch Arnold Kling, dessen Studie über die unbeabsichtigten Folgen der jahrzehntelangen interventionistischen Wirtschaftspolitik den bezeichnenden Titel trägt „Not what they had in mind: A History of Policies that Produced the Financial Crisis of 2008“ („Nicht das, was sie sich vorstellten: Eine Geschichte der Politik, die die Finanzkrise von 2008 hervorbrachte“).

Selbst John B. Taylor, kein Anhänger der „Österreicher“, kommt in seinen umfangreichen empirischen Untersuchungen, die er dem schmalen Buch „Getting off track“ zusammengefasst hat, zu dem Ergebnis: „Ich habe empirisch belegt, dass die Maßnahmen und Eingriffe der Regierung die Finanzkrise verursacht, verlängert und verschlimmert haben.“ Taylor führt die exzessive Geldpolitik und insbesondere zu niedrige Zinssätze an. Hinzu komme eine verfehlte Liquiditätspolitik, statt das Eigenkapital zu stärken. Schließlich habe die Wirtschaftspolitik massiv Unsicherheit geschürt.

Kurzum, Inflation und Regulierung haben dem Preissystem massiv zugesetzt und (falsche) Anreize geschaffen, die entscheidend für das Handeln der Akteure sind. So lassen sich Preise als Signaltransporteure begreifen, als eine Art Signal, das in einen Anreiz eingewickelt ist (Tyler Cowen). Sie sind kein absoluter, sondern ein relativer Wertanzeiger, ein Anzeiger relativer Knappheit, und dieses Wissen helfen sie zu vermitteln. Preise geben den Wert eines Gutes als Ausdruck einer Wertschätzung vor dem Hintergrund knapper Ressourcen in Relation zu allen anderen Gütern an – und alle Preise sind Vergangenheitspreise, sie sind „wirtschaftsgeschichtliche Tatsachen“ (von Mises). Zudem gibt es einen Unterschied zwischen der Entdeckungsfunktion von Preisen und ihrer Informationsübermittlungsfunktion.

Preise reichen zur Koordination allerdings nicht allein aus. Sie müssen bewertet werden. Genau das tun die Unternehmer. Preise können Fehlinformationen enthalten; vor dem zuvor genannten Hintergrund beruhen Preise in der Zukunft daher stets auf Vermutungen. In einer Marktwirtschaft belohnt der Gewinn- und Verlustmechanismus die erfolgreichen Spekulanten.

Sobald der Staat allerdings in den freien Preismechanismus eingreift oder ihn gar zerstört, zerstört er mit Wilhelm Röpke das einzige Instrument, Konsumentenwünsche in ihrer unübersehbaren Vielfalt zu ermitteln und als Impulse an die Produktion weiterzuleiten. Sowohl die Entdeckungs- als auch die Informationsübermittlungsfunktion wird mit unbeabsichtigten und zumeist kontraproduktiven Folgen gestört. Preise schaffen Ordnung, die die Bedürfnisse der Menschen sichtbar macht. Für Österreicher gilt, dass Märkte sich stets in einem Zustand des Werdens befinden und niemals in einem Gleichgewicht – ein Strom steht nie still.

Eine freie Marktwirtschaft koordiniert Pläne durch die kommunikativen Eigenschaften von Preisen sowie Gewinn und Verlust. Peter Boettke schreibt im Blog „The Austrian Economists“, er fasse den Punkt für seine Studenten wie folgt zusammen: „Property, Prices, and Profit/loss (3 P's) give us the I's of incentives, information, innovation. Without the 3 P's we get distortions to (often downright perversions of) the 3 I's that drive wealth creation and economic progress.“ („Eigentum, Preise und Ertrag liefern uns Anreize, Informationen und Innovationen. Ohne die ersten Drei werden die anderen Drei verzerrt (oder sogar oft ins Gegenteil verkehrt), die für Wertschöpfung und wirtschaftlichen Fortschritt entscheidend sind.“)13

Deshalb ist es so wichtig, dass Preise frei sein müssen, um die Wahrheit erzählen zu können, wie es Henry Hazlitt mit den Worten „Prices must be free to tell the truth“ („Preise müssen frei sein, um die Wahrheit zu sagen“) popularisiert hat. Aber die Regierungen respektive die Zentralbanken haben mit ihrem Interventionismus genau das Gegenteil getan und die Preise manipuliert.

Mario Rizzo fasst in „seinem“ Blog „Think Markets“ die Essenz der Österreichischen Theorie zur Krisenerklärung zusammen, die er in der heutigen Forschungslandschaft sogar als „middle ground“ bezeichnet: Investitionen, relativ weit weg von der Konsumstufe, und Konsumausgaben wurden zulasten der bestehenden Kapitalstruktur und ihrer Aufrechterhaltung stimuliert (traditionelle Sichtweise). Außerdem haben niedrige Zinssätze eine größere Risikoneigung der Marktakteure stimuliert (neue Sichtweise, insbesondere Tyler Cowen). Niedrige Zinssätze haben demnach die Risikopräferenzen verändert, nicht irrationale „animal spirits“.

Die Geldentwertung ist – wie die Regulierung auch – mit beträchtlichen Kosten verbunden. Im ökonomischen „Mainstream“ wird Inflation als Anstieg des Preisniveaus (miß-) verstanden. Die Folgen der Inflation konzentrieren sich in dieser Sicht auf die Geldentwertung, die Umverteilung von Wohlstand weg von den Gläubigern hin zu den Kreditnehmern und eine Ressourcenvergeudung bei Anpassung an häufiger wechselnde Preise (sogenannte Menükarten-Kosten).

Österreicher gehen einen Schritt weiter und beziehen die durch Geldentwertung veränderten relativen Preise mit ein. Durch veränderte, falsche Preissignale kommt es zu Fehlallokationen von Ressourcen. Nun wird deutlich, dass Inflation (als Aufblähung der Geldmenge) gravierende Schäden anrichtet, weil Preise von den ihnen zugrunde liegenden Einflussfaktoren getrennt werden, etwa Geschmack, Technologien und Ressourcen. Durch Inflation werden Preise weniger verlässliche Indikatoren für Handlungen. Inflation stört die monetäre Kalkulation und damit die unternehmerischen Aktivitäten als wesentliches Element der Marktwirtschaft.

Steven Horwitz urteilt in seinem Aufsatz „The Cost of Inflation Revisited“, erschienen in „The Review of Austrian Economics“ (2003), dem wesentliche vorangehende und nachfolgende Argumente entnommen sind: „The major costs of inflation are reflected in the ways in which inflation diverts resources away from the direct satisfaction of human wants toward activities that do not directly satisfy wants and would not take place in monetary equilibrium.“„Die Hauptkosten der Inflation spiegeln sich in der Art und Weise wider, in der die Inflation der direkten Befriedigung menschlicher Bedürfnisse Ressourcen entzieht und in Aktivitäten umleitet, die nicht direkt Bedürfnisse befriedigen, etwas, dass in einem monetären Gleichgewicht nicht stattfinden würde.“

Inflationsbedingt findet ein anderer Gütereinsatz von End- und Vorprodukten statt, Unternehmer werden zu nur durch Inflation rentablen Aktivitäten verleitet. Angesichts der Spezifität von Kapital- und Produktionsstruktur kann ein Wechsel von Kapital (und Arbeit) nicht einfach über Nacht erfolgen. Kapital ist nicht einfach „K“. Hinzu kommen auch noch Schutzmaßnahmen gegen Inflation wie teilweise erhebliche Kosten für Berater und die Sicherung von Vermögen. Schließlich erhöht Inflation den Anreiz, statt des harten marktwirtschaftlichen Wegs den billigeren politischen Weg zur Erreichung persönlicher Ziele zu wählen. Die seit Jahrzehnten beobachtbare Interventionsschraube ist auch die Folge permanenter Geldentwertung, zumal Inflation und Staatsdefizit in einem dynamischen Verhältnis stehen.

Vor diesem Hintergrund erscheint es mutig, von den Zentralbanken und zusätzlicher Regulierung eine tragfähige Überwindung der „Krise“ und ein besseres Finanzsystem zu erwarten. Mit den Worten von Anthony de Jasay: „It is no use saying that what we need is better regulation. We should always take something better than whatever we have, but it is infantile to think that we always can and that saying so will make it so.“„Es ist nutzlos zu sagen, dass wir bessere Gesetze benötigen. Wir sollten zwar immer das nehmen, was besser als etwas ist, das wir haben, aber es ist kindisch zu glauben, daß wir das jederzeit können, wie auch, daß diese Forderung (automatisch) dazu führen wird.“

Vielmehr erfordert eine nachhaltige Überwindung der aktuellen „Großen Rezession“ eine Rückkehr zu freien Preisen. Nur so kann der Strom der Güter und Leistungen mit seiner ganzen Leistungskraft freigesetzt werden. Anschließend können wir „zu den langwierigeren und heikleren Bemühungen zurückkehren …, die Rahmenbedingungen zu verbessern, innerhalb derer der Markt dann wirksamer und nutzbringender funktionieren kann.“ (Friedrich August von Hayek).

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12 In: „The Quarterly Journal of Austrian Economics“, 9/2006.

13 Sinngemäße Übersetzung eines unübersetzbaren englischen Wortspiels („drei P ergeben drei I“) – Anm. d. Übers.

Teil II: Kritik der herrschenden Wirtschaftspolitik

Das Opeldesaster: Was Medien sehen und was sie nicht sehen14

Rettung für Opel“ (n-tv). „Opel-Rettung kostet Arbeitsplätze“ (Handelsblatt). „Durchbruch im Kanzleramt. Magna steigt bei Opel ein“ (FAZ). „Opel Rettung kostet 2.600 Arbeitsplätze“ (FTD). „Rettungskonzept für Opel steht – Magna steigt ein“ (Die Welt). So lauteten die Schlagzeilen wichtiger deutscher Medien. Allenfalls am Rande erfuhr Lieschen Müller, dass die vermeintliche Rettung von Opel ein Lehrstück schlechter Wirtschaftspolitik ist. Doch vermutlich war das vielen Bürgern (intuitiv) ohnehin bekannt. Ordnungspolitisch sind zumindest drei Aspekte bedeutsam:

1 Das politische Gezerre hinter den Kulissen behindert eine marktwirtschaftliche Lösung für die Opel AG. Die mediale Betrachtung war daher zwangsläufig einseitig: Im Mittelpunkt stand nur das Unternehmen und seine Beschäftigten. Ausgeblendet wurden hingegen vor allem die Kunden, aber auch die Wettbewerber. Das ist typisch für staatswirtschaftliche Entscheidungen, die stets unterkomplex bleiben und in Reinform zur Produktion von Trabbis führen (müssen). Indem die Bundesregierung den Einstieg von Magna präferiert und finanziell absichert, stellt sie sich gegen eine bessere, marktwirtschaftliche Lösung einschließlich einer Insolvenz mit anschließender Verwertung tatsächlich benötigter Teile des Unternehmens. Marktwirtschaft ist ein Gewinn- und Verlust-System. Diese entscheidende Lern- und Korrekturschleife zum Nutzen der Verbraucher wird durch ein Eingreifen der Bundesregierung gekappt. Arbeit und Kapital werden nun dann schlechtere Verwendungen eingesetzt als es den Bedürfnissen der Marktteilnehmer entspricht.

2 Die Politisierung der Marktwirtschaft schafft eine Illusion: Die Politik mit ihrer sichtbaren Hand könne anders als der Markt erforderliche Maßnahmen ergreifen und erfolgreich zum Ziel führen. Damit scheint die sichtbare Hand der unsichtbaren überlegen zu sein. Tatsächlich begünstigt die Regierung lediglich (prestigeträchtige) Großunternehmen zu Lasten der Wettbewerber und vieler kleiner Unternehmen. Das erinnert an „Stamokap“ und unheilige Allianzen zwischen „Big Business“ und Politik, die tatsächlich über Aufsichtsräte und Kungelrunden im Kanzleramt vielfach verbandelt sind. Zugleich ist eine derartige Rettung von Großunternehmen gegen das Votum der Menschen auf Märkten mit dem Geld der Steuerzahler keine unternehmerische Leistung. Politiker sind keine Unternehmer. Entweder sind sie es nie gewesen, wie Steinbrück, Steinmeier, Koch und Rüttgers, oder/ und sie tragen überhaupt keine unternehmerische Verantwortung. Denn ein Risiko gibt es für sie nicht, allenfalls die Notwendigkeit, mehr Geld der Steuerzahler nachzuschießen.

3 Eine vermeintliche Rettung der Opel-Arbeitsplätze würde vielen Menschen den Arbeitsplatz kosten. In weitaus größerem Maße wäre das nicht durch den Abbau von Stellen bei Opel der Fall, sondern durch den Wegfall von Arbeitsplätzen bei der Konkurrenz und vor allem, indem keine neuen Arbeitsplätze an anderer Stelle der Wirtschaft entstehen. Die Arbeitnehmer und das Kapital, die bei Opel gebunden bleiben, stehen nicht für die Erweiterung bestehender Unternehmen oder Neugründungen innovativer Unternehmen zur Verfügung. Weil das Geld der Steuerzahler nur einmal verbraucht werden kann, fällt es als Konsum in allen übrigen Teilen der Wirtschaft aus. Auch das kostet Arbeitsplätze, nur leider sind diese unsichtbar, da sie nie entstanden sind.

Jeder Steuern zahlende Fußgänger, Radfahrer und VW- oder Toyotafahrer würde sich nun an der Finanzierung des neuen Opel von seinem Nachbarn beteiligen. Das ist nicht nur durch die Abwrackprämie der Fall, sondern gerade auch durch staatliche Stützungsmaßnahmen für den Einstieg von Magna bei Opel.

Angesichts einer Strukturkrise der Automobilindustrie, die seit Jahren sowohl falsche Autos gebaut hat (zu groß, zu hoher Benzinverbrauch etc.), als auch zu viele Autos produziert und mit immer ausgeklügelteren Rabattaktionen verkauft hat, ist die Subventionierung gesättigter Märkte ein Lehrstück schlechter Wirtschaftspolitik.

Die Kunst guter Wirtschaftspolitik besteht darin, nicht nur die aktuellen, sondern vielmehr die langfristigen Wirkungen der Politik zu betrachten; zugleich gilt es die Folgen der Politik nicht nur für eine Gruppe, sondern für alle Gruppen zu verfolgen. Zeitlos hat diese Erkenntnis der US-amerikanische Publizist Henry Hazlitt formuliert. Seine Einführung in die Wirtschaftspolitik „Economics in one lesson“ sei allen Medienschaffenden wärmstens empfohlen.

Leseüberraschung IV: Nicht konsequent abgewrackt

Die abschließende Empfehlung von Hans-Olaf Henkel lautet (bekanntlich), eine „Hall of Shame“ zu errichten, die vor den Abwrackern der Marktwirtschaft warnt. Als ehemaliger Praktiker liefert der frühere IBM-Deutschland-Chef gleich einige Kandidaten: Middelhoff, Schrempp und Piëch. Bezeichnenderweise finden sich keine Politiker unter ihnen. Der Untertitel verspricht hingegen noch Aufklärung darüber, wie Zocker und Politiker unsere Zukunft verspielt haben. Dieser Widerspruch ist kein Zufall und weist auf eine Merkwürdigkeit hin.

Hans-Olaf Henkel ist für seine eingängigen marktwirtschaftlichen Plädoyers bekannt, die noch dazu gut zu lesen sind. Das gilt auch für die vorliegende sehr persönliche Beschreibung und Erklärung der aktuellen Wirtschaftskrise. Der Leser erhält immer wieder Einblicke in Lebens- und Karrierestationen des Hamburgers, darunter die Tätigkeit in mehreren Aufsichtsräten, etwa der IKB vor deren fahrlässigen Geschäften. Bemerkenswert ist die Darstellung des Conti-Schäffler Falls entgegen der veröffentliche Meinung.

Die aktuelle Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bezeichnet er zu Recht als Neosozialismus. Drei Blasen drohen zu platzen: die Beschäftigungs-, die Schulden und die Sozialblase. Lesenswert ist auch die Beschreibung der amerikanischen Immobilienkrise mit den beiden Krisentreibern Politik des billigen Geldes und Häuser-für-jedermann-Politik von Gutmenschen. En passent korrigiert der frühere BDI-Chef zunehmend bekanntere Irrtümer wie die BIP- und Warenkorbmessung im Hinblick auf Scheinproduktivität und Manipulation.

Zugleich wird deutlich, dass sich Hans-Olaf Henkel vollkommen im Systemrahmen bewegt, etwa wenn er sämtliche Sonnen- oder Regenschirme des Staates für bedrohte Finanzinstitute für gerechtfertigt hält und ihre Verstaatlichung (nur) zur Vermeidung eines Gesamtkollapses befürwortet. Im Mainstream liegt auch seine Vorliebe für Massenpsychologie, für den Herdentrieb.

Ausgeblendet werden hingegen die eingangs noch thematisierten, politisch gesetzten Anreize und weitreichenden Regulierungsfehler. Sollen es nun ausgerechnet die Neosozialisten richten? Wie passt die Forderung nach einer europäischen (staatlichen) Ratingagentur ins Bild? Vielleicht so: Das konsequente Eintreten für die Marktwirtschaft als Gewinn- und Verlustsystem endet bei vielen Freunden der Freiheit, sobald es darum geht, der unsichtbaren Hand zu vertrauen. Stattdessen gewinnen sichtbare personifizierte Lösungen schnell die Oberhand. Das gilt im vorliegenden Fall auch für das neosozialistische Geldsystem, das ungeschoren davonkommt.

Hans-Olaf Henkel: Die Abwracker. Wie Zocker und Politiker unsere Zukunft verspielen, München (5) 2009.

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14 Erstmals erschienen im Juli 2009.

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