Kitabı oku: «Juristische Methodenlehre», sayfa 9
1. „Klassische“ juristische Auslegungskriterien
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Objektive Hilfsmittel zur Gesetzesauslegung sind in der juristischen Methodenlehre herausgearbeitet worden.[99] Insofern immer noch von grundlegender Bedeutung ist das diesbezügliche Werk von Carl Friedrich von Savigny aus dem Jahr 1840.[100] Danach habe sich der Rechtsanwender zur „Reconstruction des dem Gesetze innewohnenden Gedankens“ als dem „Geschäft der Auslegung“ vier Elemente (sog. Canones[101]) zu bedienen, nämlich dem grammatischen, (teleo-[102])logischen, historischen und systematischen.[103] Diese „Auslegung aus dem Wortlaut der Rechtsnorm (grammatische Auslegung), aus ihrem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) und aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung)“[104] gilt unabhängig davon, welches Ziel der Auslegung zugrunde gelegt wird (Rn. 128)[105] und ist nicht nur im Schrifttum[106], sondern ebenfalls in der Rechtsprechung – namentlich sowohl des EuGH[107] als auch des BVerfG[108] – anerkannt.[109] Instruktive Beispiele bieten etwa der „Schallplatten“-Fall des BGH[110] und die „Nerz“-Entscheidung des BVerwG[111].
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Was das Verhältnis dieser Auslegungskriterien zueinander anbelangt, so stehen diese nicht etwa derart isoliert nebeneinander, dass der Rechtsanwender nach seinem Belieben (alternativ) eines von ihnen wählen und gestützt allein hierauf zu einem endgültigen Auslegungsergebnis kommen dürfte.[112] Vielmehr handelt es sich bei den vier vorgenannten Elementen um methodische Gesichtspunkte (Topoi[113]), die alle (kumulativ) nacheinander auf denselben Normtext anzuwenden sind.[114] „Die endgültige Stellungnahme bleibt offen, bis alle vier Auslegungskriterien geklärt sind.“[115] Denn nur bei einer derart umfassenden Berücksichtigung sämtlicher zur Verfügung stehender Erkenntnismittel ist gewährleistet, dass die betreffende Auslegungsfrage lückenlos von allen Seiten beleuchtet und keiner der für ihre Beantwortung wesentlichen Gesichtspunkte außer Acht gelassen wird.[116] Lediglich dann erübrigt sich ein näheres Eingehen auf ein Auslegungskriterium, wenn sich diesem im Hinblick auf das jeweils zu lösende Auslegungsproblem kein Sachargument entnehmen lässt (was freilich zu begründen ist).[117]
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Die zu den vier vorgenannten Auslegungsmethoden jeweils gefundenen Teilergebnisse sind abschließend zu einem einheitlichen Gesamtergebnis zusammenzufassen.[118] Weisen die zu Wortlaut, Systematik, Historie und Telos jeweils erzielten Zwischenergebnisse alle in dieselbe Richtung, so steht das Auslegungsergebnis damit ohne Weiteres eindeutig fest.[119] Sind sie hingegen unterschiedlich, so stellt sich die (umstrittene) Frage nach der Rangfolge der Auslegungsmethoden (Rn. 214 ff.).[120]
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Da Gegenstand der Auslegung das geschriebene Gesetzesrecht ist, d.h. die in diesem sprachlich ausgedrückten Rechtsnormen (Rn. 10, 120), besteht Einigkeit darüber, dass „Ausgangspunkt der Auslegung […] der Wortlaut der Vorschrift“[121], ihre „verbale Ausgangsbasis“[122], ist.[123] Hinsichtlich der Prüfung der drei weiteren Auslegungsgesichtspunkte gibt es dagegen keine logisch zwingende Reihenfolge.[124] Allerdings hat es sich insoweit als zweckmäßig erwiesen, nach (1) dem Wortlaut auf (2) die Systematik, sodann (3) auf die Historie und abschließend (4) auf den Sinn und Zweck der Vorschrift einzugehen.[125]
Hinweis
„Die juristische Methodenlehre ist von kaum zu überschätzender Bedeutung, da sie einheitliche, d.h. allgemeingültige Maßstäbe für die Rechtsanwendung liefert. Mit ihrer Hilfe wird die Überzeugungskraft auf dem Argumentationsweg des Rechtsanwenders gestärkt und kann sich das ermittelte und begründete Ergebnis beim Rechtsunterworfenen typischerweise einer größeren Akzeptanz erfreuen.“[126] Mehr noch: „Sie soll verhindern, dass die Wertungsabhängigkeit des Rechts zu einer Beliebigkeit bei der Rechtsanwendung führt.“[127] Speziell aus studentischer Sicht kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Mit Lernwissen allein können unbekannte Rechtsprobleme nicht gelöst werden, mit denen jeder Rechtsanwender aufgrund der stetig anwachsenden Flut von Gesetzen, Entscheidungen und Fachliteratur aber unweigerlich konfrontiert wird (Methodenlehre als „Navigationsgerät“ in der stetig zunehmenden „Normenflut“).[128] „Wer in der [K]lausur mit einem ihn unbekannten Rechtsproblem konfrontiert wird, sollte nicht in Panik geraten, sondern mit kühlem Kopf das Gesetz auslegen.“[129] Mittels der „Auslegung von Gesetzen als juristische Kernkompetenz“[130] kann zumindest eine vertretbare Lösung erzielt werden.[131]
a) Grammatik
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Im Rahmen der Auslegung einer Vorschrift nach ihrem Wortlaut[132] (sog. sprachlich-grammatische bzw. philologische Auslegung) geht es darum, die Bedeutung einer Rechtsnorm bzw. eines einzelnen in ihr enthaltenen Begriffs anhand von Wortsinn (Semantik) und Satzbau (Syntax) zu ermitteln;[133] „Recht ist auf Sprache angewiesen“.[134] Entgegen dem ersten Anschein bereitet diese Aufgabe allerdings regelmäßig deshalb Schwierigkeiten, weil mit Ausnahme namentlich von Zahlenwörtern (z.B. § 195 BGB: „drei Jahre“) die meisten der in Rechtssätzen vorkommenden Begriffe mehrdeutig sind (v.a. unbestimmte Rechtsbegriffe wie z.B. § 1 S. 1 UWG: „unlautere geschäftliche Handlungen“).[135] Auch gelingt dem Gesetzgeber die Verbindung der einzelnen Merkmale innerhalb einer Rechtsnorm nicht immer in eindeutiger Weise, siehe z.B. § 266 Abs. 1 StGB: „Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird […] bestraft.“ Bezieht sich die Vermögensbetreuungspflicht auch auf den Missbrauchstatbestand?[136]
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Hinweis
Nach Art. 55 Abs. 1 EUV ist der Vertrag über die Europäische Union (EUV) „in einer Urschrift in bulgarischer, dänischer, deutscher, englischer, estnischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, kroatischer, lettischer, litauischer, maltesischer, niederländischer, polnischer, portugiesischer, rumänischer, schwedischer, slowakischer, slowenischer, spanischer, tschechischer und ungarischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist.“ Entsprechendes gilt nach Art. 358 AEUV in Bezug auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Deckt der Vergleich dieser authentischen Texte einen nicht auszuräumenden Bedeutungsunterschied auf, so ist gem. Art. 33 Abs. 4 WVRK letztlich[137] diejenige Bedeutung zugrunde zu legen, „die unter Berücksichtigung von Ziel und Zweck des Vertrags die Wortlaute am besten miteinander in Einklang bringt.“
Im Einzelnen hat der EuGH zu den „Eigenheiten des [Unions]rechts und der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung“ erkannt: „Zunächst ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die Vorschriften des [Unions]rechts in mehreren Sprachen abgefaßt sind und daß die verschiedenen sprachlichen Fassungen gleichermaßen verbindlich sind; die Auslegung einer [unions]rechtlichen Vorschrift erfordert somit einen Vergleich ihrer sprachlichen Fassungen. Sodann ist auch bei genauer Übereinstimmung der sprachlichen Fassungen zu beachten, daß das [Unions]recht eine eigene, besondere Terminologie verwendet. Im übrigen ist hervorzuheben, daß Rechtsbegriffe im [Unions]recht und in den verschiedenen nationalen Rechten nicht unbedingt den gleichen Gehalt haben müssen. Schließlich ist jede Vorschrift des [Unions]rechts in ihrem Zusammenhang zu sehen und im Lichte des gesamten [Unions]rechts, seiner Ziele und seines Entwicklungsstands zur Zeit der Anwendung der betreffenden Vorschrift auszulegen.“[138]
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Eine erste Orientierung bietet insoweit (Rn. 141) der allgemeine Sprachgebrauch. Denn obwohl Gesetzestexte fachsprachliche Texte sind, handelt es sich bei der Rechtssprache dennoch „nur“ um einen Sonderfall der allgemeinen Sprache – und nicht etwa um eine von dieser völlig losgelöste Kunst- bzw. Zeichensprache.[139] Letztlich entscheidend für die Gesetzesauslegung ist allerdings nicht der allgemeine, sondern der spezifisch juristische Sprachgebrauch (Diskrepanz zwischen Alltags- und Rechtssprache als eigene „Fremdsprache“[140]).[141] „Gesetze haben stets eine ,juristische‘ Bedeutung“, die mit dem umgangssprachlichen Begriffsverständnis zwar zusammenfallen kann, aber nicht muss (z.B. wird der „Eigentümer“ einer Immobilie alltagssprachlich regelmäßig als deren „Besitzer“ bezeichnet, wohingegen juristisch streng zwischen beiden zu unterscheiden ist, vgl. nur § 985 BGB[142]).[143] Die Aufgabe des Rechtsanwenders besteht folglich darin, aus dem durch den allgemeinen Sprachgebrauch eröffneten Bedeutungsspielraum („möglicher Wortsinn“) die juristisch „richtige“ Bedeutung zu bestimmen.[144] Konkret kommt es insofern
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• | vorrangig auf diejenige Bedeutung an, welche das betreffende Gesetz dem in Frage stehenden Begriff beimisst (etwa mittels einer Legaldefinition, z.B. § 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB: „Im Sinne dieses Gesetzes ist Behörde: auch ein Gericht“; vgl. auch Rn. 104), sog. gesetzesspezifischer Sprachgebrauch; |
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• | existiert kein solcher, so ist an zweiter Stelle auf den allgemeinen juristischen Sprachgebrauch[145] abzustellen (z.B. ist der in § 2 Abs. 1 S. 1 GmbHG verwendete, dort aber nicht definierte Begriff der „notariellen Form“ i.S.v. § 128 BGB zu verstehen[146]). Hilfsmittel zu dessen Feststellung sind u.a. die jeweiligen Gesetzeskommentare (z.B. der „Palandt“ zum BGB); |
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• | nur dann, wenn auch dieser nicht vorhanden ist, ist subsidiär der – etwa anhand anerkannter Wörterbücher der deutschen Sprache (z.B. Duden, Grimm, Wahrig) oder Lexika (z.B. Brockhaus, Meyer)[147] – zu ermittelnde allgemeine Sprachgebrauch maßgeblich (so z.B. in Bezug auf den Begriff „Gewissen“ i.S.v. Art. 4 Abs. 1 GG der Fall[148]).[149] |
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Ob es dabei jeweils auf den Wortsinn zum Zeitpunkt der Gesetzesentstehung oder der Gesetzesanwendung ankommt, ist zwischen den Vertretern der subjektiven Theorie einerseits und denjenigen der objektiven Theorie andererseits umstritten.[150] Während Erstere grundsätzlich die entstehungszeitliche Wortbedeutung für maßgeblich erachten, rekurrieren Letztere auf das geltungszeitliche, d.h. das heutige, Verständnis.[151]
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Hinweis
Deutlich Wank: „Wenn der juristische Laie einen juristischen Gesetzestext liest, meint er vielfach: Der Text enthält Worte der deutschen Sprache; Deutsch kann ich; also weiß ich, was dort steht […]. Das ist ein Irrtum. Gesetzestexte sind fachsprachliche Texte. Man muss daher zu jedem Ausdruck im Gesetz dazulesen ,im juristischen Sinne‘.“[152] Relevant wird diese „Überschätzung der eigenen Sprachkompetenz“[153] freilich nur dann, wenn es sich nicht um einen evidenten Fall handelt. Zertrümmert dagegen jemand etwa die Fensterglasscheibe eines Fabrikgebäudes mit einem Hammer, so „ist für jeden, der Deutsch spricht, klar, dass der [Täter] eine ,fremde Sache … zerstört‘ hat (§ 303 Abs. 1 StGB).“[154]
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Beispiel[155]
L ist Lehrer für Deutsch und Politik. Als engagierter Atomkraftgegner parkte er seinen Pkw mittig in der Einfahrt zu einem Atomkraftwerk, wodurch er wie geplant mehrere Fahrzeugführer an der Weiterfahrt hinderte. Nachfolgend wird L wegen Nötigung gem. § 240 Abs. 1 StGB angeklagt. In der Hauptverhandlung trägt L vor, er sei freizusprechen. Denn er habe niemanden mit „Gewalt“ i.S.d. Vorschrift zu etwas genötigt. Was der Begriff „Gewalt“ bedeutet, sei ihm als Deutschlehrer aus der Lektüre mehrerer Wörterbücher der deutschen Sprache bestens bekannt, wonach „Gewalt“ u.a. als „körperliche Kraft“ definiert werde (Duden, Das Bedeutungswörterbuch, Band 10, 5. Aufl. 2018, S. 454). An deren Vorhandensein fehle es vorliegend jedoch gerade. Hat L mit seiner Auffassung Recht?
Nein. Maßgeblich für die Auslegung gesetzlicher Tatbestandsmerkmale ist primär das juristische Begriffsverständnis. Danach erfasst das Merkmal „Gewalt“ i.S.v. § 240 Abs. 1 StGB auch die Blockade einer Straße durch das Abstellen eines Fahrzeugs auf dieser.[156] Auf das im Verhältnis hierzu subsidiäre, ggf. abweichende Begriffsverständnis in der Umgangssprache kommt es folglich nicht an.
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Vollzieht sich die juristische Auslegung damit ausgehend vom allgemeinen Sprachgebrauch, so markiert der hiernach, aus der Sicht des Normadressaten (des Bürgers) zu bestimmende mögliche Wortsinn in Anbetracht von Art. 20 Abs. 3 GG, des Gewaltenteilungsprinzips (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) sowie Art. 103 Abs. 2 GG zugleich die äußerste Grenze der Gesetzesinterpretation, jenseits dessen die Rechtsfortbildung beginnt (Rn. 226 ff.).[157] M.a.W.: Der allgemeine Sprachgebrauch steckt das Terrain ab, auf dem sich die Auslegung anhand der drei übrigen Auslegungsmethoden vollzieht.[158] Soweit Ersterer mehrere Deutungen zulässt (z.B. a, b, c und d) – ein eindeutiger Wortlaut lässt sich nur selten bestimmen –, richtet es sich nach den Letztgenannten, welche dieser Interpretationen die juristisch zutreffende ist (z.B. b).[159] Gibt der allgemeine Sprachgebrauch ein bestimmtes Ergebnis (z.B. e) dagegen nicht her, weil es im Wortlaut der Vorschrift nicht wenigstens angedeutet wird, so vermag dieses im Rahmen der Auslegung auch nicht mit systematischen, historischen und/oder teleologischen Gesichtspunkten begründet zu werden, sog. Andeutungstheorie bzw. Theorie der Wortsinngrenze.[160] Denn „jede Auslegung des Gesetzes findet ihre absolute Schranke dort, wo der klare Wortlaut ihr entgegensteht.“[161] Das bedeutet freilich nicht, dass es schlechthin ausgeschlossen wäre, ein solches Resultat (z.B. e) der weiteren Fallbearbeitung zugrunde zu legen.[162] Wird aber die Wortlautgrenze überschritten, „um ein bestimmtes, als sachgerecht erkanntes Ergebnis zu erlangen, gebietet es die methodische Ehrlichkeit, zunächst offen zu legen, dass dies mit den Mitteln der Auslegung nicht erreicht werden kann“,[163] sondern eben nur unter den vergleichsweise engen Voraussetzungen der Rechtsfortbildung (Rn. 226 ff.).[164] Dass in der Rechtspraxis gleichwohl auch in Fällen der letztgenannten Art mitunter noch von „Auslegung“ gesprochen wird, ist methodisch daher alles andere als „sauber“.[165]
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Beispiel[166]
Gem. § 6 Abs. 2 LSchG a.F. war „während der allgemeinen Ladenschlußzeiten […] nur die Abgabe von Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge […] sowie die Abgabe von Betriebsstoffen gestattet.“ Weil Tankstellenbetreiber T entgegen dieser Vorschrift auch während der allgemeinen Ladenschlusszeiten Waren wie Zigaretten, Zeitschriften, Süßigkeiten und Getränke verkaufte, erließ die zuständige Behörde eine Ordnungsverfügung gegenüber T mit der sie diesen aufforderte, während der allgemeinen Ladenschlusszeiten die Abgabe aller nicht in § 6 Abs. 2 LSchG a.F. genannten Artikel zu unterlassen. Auf die hiergegen erhobene Anfechtungsklage hin entschied das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf den inneren Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebenleistung (Zubehör), die Entstehungsgeschichte von § 6 Abs. 2 LSchG a.F. sowie den Sinn und Zweck des Ladenschlussgesetzes, dass diese Bestimmung „dahin auszulegen [ist], dass die Abgabe bestimmter Waren des Reisebedarfs für Kraftfahrer als Zubehör, d.h. als ein den Bedürfnissen der Kundschaft Rechnung tragendes Zusatzangebot zulässig ist.“ Nur eine solche „Auslegung“ trage dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) Rechnung.
Diese Argumentation überzeugt nicht. Denn der Wortlaut von § 6 Abs. 2 LSchG a.F. ist i.d.S. eindeutig, dass während der allgemeinen Ladenschlusszeiten „nur“ die Abgabe der dort abschließend aufgezählten Artikel, nämlich „Ersatzteile für Kraftfahrzeuge“ und „Betriebsstoffe“, gestattet war – wozu die von T verkauften Waren wie Zigaretten, Zeitschriften, Süßigkeiten und Getränke gerade nicht gehörten. War angesichts dieses klaren Wortlauts somit von vornherein kein Raum für die Berücksichtigung von hiervon abweichenden systematischen, historischen und teleologischen Überlegungen vorhanden, so vermag ein anderes als das auf der Ebene des Wortlauts erzielte Ergebnis im Wege der „Auslegung“ von § 6 Abs. 2 LSchG a.F. mithin nicht erreicht zu werden. Diese Sichtweise wurde im Übrigen augenscheinlich ebenfalls vom Gesetzgeber geteilt, der § 6 Abs. 2 LSchG a.F. nachfolgend um den Begriff des „Reisebedarfs“ ausdrücklich ergänzt hat.
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Hieran (Rn. 150) ändert sich auch dadurch nichts, dass die Ermittlung der genauen Wortlautgrenze durchaus mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein kann.[167] Sofern es hierauf zur Lösung der betreffenden Fallfrage überhaupt ankommt, d.h. der im konkreten Sachverhalt geschilderte Umstand weder eindeutig dem Begriffskern des jeweiligen gesetzlichen Merkmals zuzuordnen ist (z.B. „Zugang“ einer Willenserklärung gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB jedenfalls dann, wenn der Empfänger das die Willenserklärung enthaltende Schreiben liest) noch zweifelsfrei nicht unter dieses gefasst werden kann (Negativabgrenzung; z.B. Absender frankiert das Schreiben und wirft es in einen Postbriefkasten), er m.a.W. im sog. Begriffshof angesiedelt ist (z.B. Einwurf des Schreibens in den Briefkasten des Empfängers), entscheidet sich anhand der übrigen Auslegungskriterien, ob der Gesetzesbegriff bis an die Grenze des möglichen Wortsinns, also weit (extensiv), oder eng (restriktiv) zu interpretieren ist.[168]
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Beispiel[169]
Gem. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB wird mit Freiheitsstrafe von i.d.R. sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wer eine Körperverletzung mittels eines „gefährlichen Werkzeugs“ begeht. Nach st.Rspr. ist hierunter jeder Gegenstand zu verstehen, „der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen.“[170] Sind diese Voraussetzungen in den drei nachfolgend genannten Konstellationen jeweils erfüllt?
• | A schlägt B mit einer Rohrzange auf den Hinterkopf; |
• | mit seinem beschuhten Fuß tritt C dem D gegen das Schienbein; |
• | E versetzt F einen Faustschlag ins Gesicht. |
Bei einer Rohrzange handelt es sich ohne Weiteres um ein „gefährliches Werkzeug“ i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB, wohingegen Körperteile des Täters (hier: Faust) eindeutig nicht hierunter fallen. Ob ein beschuhter Fuß ein „gefährliches Werkzeug“ i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB darstellt, versteht sich nicht von selbst, sondern bedarf der näheren Prüfung: Wie sich aus der gesetzlichen Überschrift von § 224 StGB ergibt, ist der gesetzliche Strafrahmen für eine Körperverletzung i.S.d. Vorschrift im Vergleich zu § 223 StGB deshalb erhöht, weil ihre Begehungsweise besonders gefährlich erscheint. Bezogen auf Fälle der hiesigen Art wird daher regelmäßig gefordert, dass es sich entweder um einen festen (schweren) Schuh handelt oder aber, dass mittels eines „normalen“ Straßenschuhs mit Wucht (heftig) dem Tatopfer in das Gesicht oder andere besonders empfindliche Körperteile getreten wird, um die Begehung der Körperverletzung mit einem „gefährlichen Werkzeug“ i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB bejahen zu können.[171]

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