Kitabı oku: «Arena Eins: Die Sklaventreiber », sayfa 19

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NEUNUN DZWANZIG

Mit Mühe öffne ich meine Augen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich schon tot bin oder noch am Leben, aber wenn ich noch am Leben bin, wusste ich nicht, dass Leben sich so anfühlen kann: Jeder Muskel in meinem Körper steht in Flammen. Ich zittere und mir war in meinem ganzen Leben noch nicht so kalt – aber zur selben Zeit verbrenne ich auch, kalter Schweiß rinnt meinen Nacken herunter. Mein Haar klebt an meinem Gesicht und jedes Glied in meinem Körper schmerzt mehr als ich es beschreiben könnte. Es ist das schlimmste Fieber, das ich je hatte – hundert Mal so schlimm.

Das Epizentrum des Schmerzes ist meine Wade: Sie pocht und fühlt sich an, als wäre sie so groß wie ein Softball. Der Schmerz ist so intensiv, dass ich die Augen zukneife, den Kiefer zusammenpresse und still bete, dass jemand kommt, der sie einfach abhackt.

Ich sehe mich um und stelle fest, dass ich auf einem Zementboden liege, im oberen Stockwerk einer verlassenen Lagerhalle. An der Wand sind große Fabrikfenster, die meisten der Glasscheiben zerstört. Zwischendurch weht kalte Luft herein, zusammen mit Schneeböen, die Flocken landen direkt im Raum. Durch die Fenster kann ich den Nachthimmel sehen, zwischen den Wolken hängt ein tiefer Vollmond. Es ist der schönste Mond, den ich je gesehen habe, er füllt das Lagerhaus mit stimmungsvollem Licht.

Ich fühle eine sanfte Hand auf meiner Schulter.

Ich hebe mein Kinn und schaffe es, es ein kleines Stück zu drehen. Dort, an meiner Seite, kniet Logan. Er lächelt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie schlecht ich aussehen muss, und es ist mir peinlich, dass er mich so sieht.

„Du bist am Leben“, sagt er, und ich höre die Erleichterung in der Stimme.

Ich denke zurück, versuche, mich zu erinnern, wo ich zuletzt war. Ich erinnere mich an den Seehafen … den Pier … Eine weitere Schmerzwelle durchflutet mein Bein, und ein Teil von mir wünscht sich, Logan würde mich einfach sterben lassen. Er hält eine Nadel hoch, bereitet sie vor.

„Sie haben uns Medizin gegeben“, sagt er. „Sie wollen, dass Du lebst. Sie mögen die Sklaventreiber genauso wenig wie wir.“

Ich versuche, zu verstehen, was er sagt, aber mein Verstand arbeitet nicht richtig. Und ich zittere so, meine Zähne klappern.

„Das ist Penicillin. Ich weiß nicht, ob es funktionieren wird – oder ob es überhaupt echt ist. Aber wir müssen es versuchen.“

Das muss er mir nicht sagen. Ich kann fühlen, wie sich der Schmerz ausbreitet, und weiß, dass es keine Alternative gibt.

Er hält meine Hand, und ich drücke seine. Dann lehnt er sich herüber und senkt die Nadel direkt in meine Wade. Eine Sekunde später fühle ich das scharfe Stechen der Nadel, die in mein Fleisch eindringt. Ich atme scharf ein und drücke seine Hand fester.

Als Logan die Nadel tiefer hineinschiebt, fühle ich, wie die brennende Flüssigkeit eindringt. Der Schmerz ist mehr, als ich ertragen kann, und wider Willen höre ich mein Kreischen in dem Warenhaus widerhallen.

Als Logan die Nadel entfernt, fühle ich einen weiteren Wind- und Schneestoße, der den Schweiß auf meiner Stirn kühlt. Ich versuche, wieder zu atmen. Ich will hochschauen, ihm danken. Aber ich kann nicht: Meine Augen sind schon wieder so schwer, sie schließen sich von selbst.

Und einen Moment später bin ich wieder weg.

*

Es ist Sommer. Ich bin dreizehn Jahre alt, Bree ist sechs, und wir gehen Hand-in-Hand durch die belebten Straßen von Seaport. Die sind voller Leben, jeder ist draußen, und Bree und ich rennen die Kopfsteinpflasterstraßen hinunter, lachen über all die lustigen Menschen.

Bree spielt eine Art Himmel-und-Hölle auf den Ritzen im Bürgersteig, halb hüpfend, halb lässt sie alle paar Schritte eine aus, und ich versuche, es ihr nachzumachen. Darüber lacht sie laut, und lacht dann noch mehr, als ich sie um eine Statue herum jage.

Hinter uns lachen, händchenhaltend, unsere Eltern. Es ist eins der wenigen Male, an die ich mich erinnern kann, dass sie glücklich zusammen waren. Es ist auch eines der wenigen Male, an die ich mich erinnern kann, dass mein Vater tatsächlich da war. Sie gehen hinter uns, sie haben uns im Auge, und ich habe mich in meinem Leben nie so sicher gefühlt. Die Welt ist perfekt. Wir werden immer so glücklich sein wie jetzt.

Bree findet eine Wippe und ist ekstatisch, läuft direkt darauf zu und springt hinauf. Sie zögert nicht, weiß, dass ich auf die andere Seite springen werde und ihr Gewicht ausgleichen. Das mache ich natürlich auch. Sie ist leichter als ich, und ich achte darauf, nicht zu stark zu wippen, damit die Balance erhalten bleibe.

Ich blinzele. Zeit ist vergangen, ich bin mir nicht sicher, wie viel. Jetzt sind wir irgendwo in einem Park am Wasser. Unsere Eltern sind verschwunden, und wir sind allein. Es ist Sonnenuntergang.

„Schaukel mich doller, Brooke!“, quietscht Bree.

Bree sitzt auf einer Schaukel. Ich lehne mich hinüber und schubse sie. Sie fliegt höher und höher, sie lacht laut.

Schließlich springt sie herunter. Sie kommt zu mir und umarmt mich, wickelt ihre kleinen Hände fest um meine Oberschenkel. Ich knie mich hin und umarme sie kräftig.

Sie lehnt sich zurück und schaut mich an, lächelnd.

„Ich liebe Dich, Brooke“, sagt sie lächelnd.

„Ich liebe Dich auch“, antworte ich.

„Wirst Du immer meine große Schwester sein?“, fragte sie.

„Werde ich“, sage ich.

„Versprichst Du es mir?“, fragt sie.

„Ich verspreche es“, sage ich.

*

Ich öffne meine Augen, und zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich keine Schmerzen mehr. Es ist erstaunlich: Ich fühle mich wieder gesund. Der Schmerz in meinem Bein ist fast weg, die Schwellung auf die Größe eines Golfballs zurückgegangen. Die Medizin hat wirklich funktioniert.

Meine anderen Schmerzen haben auch deutlich nachgelassen, und ich habe das Gefühl, das Fieber auch. Mir ist nicht mehr annähernd so kalt, und ich schwitze nicht mehr so sehr. Mir ist eine zweite Chance gegeben worden, zu leben.

Es ist immer noch dunkel. Ich kann den Mond nicht mehr sehen und frage mich, wie viel Zeit vergangen ist. Logan sitzt immer noch da, an meiner Seite. Er sieht mich und reagiert sofort, lehnt sich herüber und streicht mit einem feuchten Tuch über meine Stirn. Er trägt seinen Mantel nicht mehr, er hat ihn über mir ausgebreitet. Ich fühle mich schrecklich, ihm muss eiskalt sein.

Ich fühle eine warme Welle der Zuneigung für ihn, fühle mich ihm näher als je zuvor. Ich muss ihm wirklich wichtig sein. Ich wünschte, ich könnte ihm sagen, wie sehr ich das zu schätzen weiß. Aber im Moment funktioniert mein Gehirn immer noch langsam, und scheint nicht in der Lage zu sein, Worte zu bilden.

Er lehnt sich herunter, legt eine Hand unter meinen Kopf und hebt ihn an.

„Öffne Deinen Mund“, sagt er sanft.

Er legt drei Pillen auf meine Zunge, dann gießt er aus einer Flasche etwas Wasser in meinen Mund. Mein Rachen ist so trocken, dass ich mehrere Versuche brauche – aber schließlich schaffe ich es, sie zu schlucken. Ich hebe meinen Kopf etwas weiter an und nehme einen weiteren langen Schluck.

„Um das Fieber zu senken“, sagt er.

„Ich fühle mich schon viel besser“, sage ich, mit neuer Energie. Ich greife nach seiner Hand und rücke sie, um ihm meine Wertschätzung auszudrücken. Er hat mein Leben gerettet. Noch einmal. Ich schaue zu ihm auf. „Danke“, sage ich aufrichtig.

Er lächelt, dann zieht er plötzlich seine Hand weg. Ich bin mir nicht sicher, wie ich das deuten soll. Bin ich ihm nicht so wichtig, wie ich denke? Hat er das nur aus Pflichtgefühl gemacht? Ist ihm jemand anderes wichtig? Habe ich irgendwie meine Grenzen überschritten? Oder ist er nur schüchtern? Ist es ihm peinlich?

Ich frage mich, warum mich das so sehr stört, und plötzlich dämmert es mir: Ich habe Gefühle für ihn.

Er beugt sich herunter und nimmt etwas aus einem Rucksack.

„Das hier haben sie uns gegeben“, sagt er.

Er zieht ein Stück getrocknetes Obst heraus und gibt es mir. Ich nehme es in Ehrfurcht an, der Hunger ist stechend.

„Was ist mit Dir“, frage ich.

Er schüttelt den Kopf, als wollte er von sich ablenken. Aber anders werde ich es nicht essen. Ich reiße das Stück entzwei und schiebe ihm eine Hälfte in die Hand. Widerwillig akzeptiert er es. Ich verschlinge meins und es ist wahrscheinlich das Beste, was ich je gegessen habe. Es schmeckt nach Kirschen.

Er lächelt, während er ist, dann greift er wieder in den Rucksack und zieht zwei Pistolen heraus. Er gibt mir eine. Ehrfürchtig betrachte ich sie.

„Komplett geladen“, sagt er.

„Sie müssen diese Sklaventreiber wirklich hassen“, sage ich.

„Sie wollen, dass wir Deine Schwester zurückbekommen. Und sie wollen, dass wir Schaden anrichten“, sagt er.

Die Pistole wiegt schwer in meiner Hand. Es fühlt sich so gut an, wieder eine Waffe zu haben. Endlich fühle ich mich nicht mehr wehrlos. Ich habe eine Chance, zu kämpfen, um sie zurückzubekommen.

„Das nächste Boot fährt am frühen Morgen“, sagt er. „In ein paar Stunden. Bist Du bereit?“

„Ich werde auf diesem Boot sein, selbst wenn ich dann schon eine Leiche bin“, sage ich, und er lächelt.

Er prüft seine eigene Waffe und plötzlich überwältigt mit das Bedürfnis, mehr über ihn zu erfahren. Ich will nicht aufdringlich sein, aber er ist so ruhig, so rätselhaft. Und ich fühle mehr und mehr für ihn. Ich will mehr wissen.

„Wo wolltest Du hin?“, frage ich ihn. Meine Stimme ist rau, mein Hals trocken, und es kommt kratziger heraus, als ich es mir wünschen würde.

Er schaut mich irritiert an.

„Wenn Du geflohen wärest, am Anfang. Wenn Du das Boot genommen hättest.“

Er schaut weg und seufzt. Eine lange Stille folgt und nach einer Weile frage ich mich, ob er noch antworten wird.

„Irgendwohin“, sagt er schließlich, „weit weg von hier.“

Er hält etwas zurück. Ich bin mir nicht sicher, warum. Aber ich habe einfach das Gefühl, dass er eher der Typ ist, der einen konkreten Plan hat.

„Es muss irgendetwas gegeben haben“, sage ich. „Irgendeinen Ort, den Du im Kopf hattest.“

Er sieht weg. Dann, nach einer längeren Zeit des Schweigens, sagt er widerwillig: „Ja, gab es.“

Aus dem Klang seiner Stimme wird deutlich, dass er jetzt nicht mehr damit rechnet, diesen Ort noch erreichen zu können. Nach einer langen Pause wird mir klar, dass er nicht freiwillig weitererzählen wird. Ich will nicht aufdringlich sein, aber ich muss es wissen.

„Wo?“, frage ich.

Wider sieht er weg, und ich kann sehen, dass er es mir aus irgendeinem Grund nicht erzählen will. Ich frage mich, ob er mir vielleicht immer noch nicht vertraut. Dann, endlich, spricht er.

„Es soll eine Stadt übrig sein. Ein sicherer Platz, unberührt, wo alles perfekt ist. Unbegrenzt Essen und Wasser. Die Leute leben dort, als ob es nie einen Krieg gegeben hätte. Alle sind gesund. Und der Ort ist sicher vor der Welt.“

Er sieht mich an.

„Dort wollte ich hin.“

Einen Moment lang frage ich mich, ob er mich auf den Arm nehmen will. Er muss wissen, dass das unglaublich klingt – fast kindisch. Ich kann nicht glauben, dass jemand, der so reif und verantwortungsvoll wie er ist, an so einen Ort glauben würde – oder planen würde, ihn zu finden.

„Klingt wie ein Ort aus einem Märchen“, sage ich, lächelnd. Halb erwarte ich, dass er mir sagen wird, er hätte nur einen Scherz gemacht.

Aber zu meiner Überraschung sieht er plötzlich finster auf mich herab.

„Ich wusste, dass ich nichts hätte sagen sollen“, sagt er, plötzlich klingt er verletzt.

Ich bin schockiert über seine Reaktion. Er glaubt wirklich daran.

„Es tut mir leid“, sage ich. „Ich dachte, Du machst einen Witz.“

Er sieht weg, es ist ihm peinlich. Für mich ist es schwer, das überhaupt zu verstehen: Ich habe schon vor langer Zeit aufgegeben, daran zu glauben, dass es irgendetwas Gutes auf der Welt gibt. Ich kann nicht fassen, dass er sich immer noch an diesen Glauben klammert. Ausgerechnet er.

„Wo ist das?“, frage ich schließlich. „Diese Stadt?“

Er macht eine lange Pause, als würde er mit sich ringen, ob er es mir sagen soll.

Schließlich sagt er: „In Kanada.“

Ich bin sprachlos.

„Ich wollte mit dem Boot den ganzen Weg den Hudson hinauf fahren. Es selbst herausfinden.“

Ich schüttele den Kopf. „Nun, vermutlich müssen wir alle an irgendetwas glauben“, sage ich.

Und schon in der Sekunde, als ich es ausgesprochen habe, bereue ich es. Es klingt zu hart. Das war schon immer mein Problem – ich scheine nie die richtigen Dinge sagen zu können. Ich kann zu hart sein, zu kritisch – ganz wie Papa. Wenn ich nervös werde, oder gehemmt bin, oder Angst davor habe, das zu sagen, was ich wirklich meine – besonders in Gegenwart von Jungs – kommt einfach immer das Falsche heraus. Was ich hatte sagen wollen, war: Ich finde, es ist toll, dass Du noch an etwas glaubst. Ich wünschte, ich könnte das ebenfalls.

Seine Augen verdunkeln sich, seine Wangen erröten vor Verlegenheit. Ich will es zurücknehmen, aber es ist zu spät. Der Schaden ist angerichtet. Ich habe es schon wieder komplett falschgemacht.

Ich versuche, schnell an etwas anderes zu denken, irgendetwas, um das Thema zu wechseln. Ich bin nicht gut in Konversation. War ich noch nie. Und vielleicht ist es sowieso zu spät, um noch etwas zu retten.

„Hast Du jemanden verloren?“, frage ich. „Im Krieg?“

Ich bin so ein Idiot. Was für eine blöde Frage. Ich habe es nur noch schlimmer gemacht.

Er atmet tief, langsam, und jetzt habe ich das Gefühl, dass ich ihn wirklich verletzt habe. Er beißt sich auf die Unterlippe, und einen Moment lang sieht es aus, als müsste er Tränen unterdrücken.

Nach einer unendlichen Pause sagt er schließlich: „Alle.“

Wenn ich am Morgen aufwache und er ist weg, werde ich es ihm nicht vorwerfen. Tatsächlich wäre ich überrascht, wenn er bleibt. Am besten sollte ich einfach den Mund halten und auf den Sonnenuntergang warten.

Aber etwas muss ich noch wissen, eine brennende Frage beantworten. Und ich kann mich selbst nicht daran hindern, sie auszusprechen:

„Warum hast Du mich gerettet?“, frage ich.

Er sieht mit seinen roten Augen intensiv an, dann schaut er weg. Er dreht sich um und ich frage mich, ob er überhaupt antworten wird.

Ein langes Schweigen folgt. Der Wind weht durch die leeren Fenster, die Schneeflocken fallen auf den Boden. Meine Augen werden schwer, und ich falle schon wieder zurück in den Schlaf, treibe zwischen Bewusstsein und Unbewusstsein hin und her. Und das letzte, was ich höre, bevor meine Augen sich schließen, sind seine Worte. Aber sie sind so schwach und leise, dass ich mir nicht einmal sicher bin, ob er sie wirklich ausspricht, oder ich nur träume:

„Weil Du mich an jemanden erinnerst.“

*

Die nächsten paar Stunden schlafe ich immer wieder ein und wache wieder auf, träume halb und bin halb wach. In einer Episode erinnere ich mich schließlich daran, was an dem Tag passiert ist, als wir die Stadt verlassen haben. So gerne, wie ich das vergessen würde, es kommt alles zu mir zurück.

Als ich Bree in dieser Gasse fand, umringt von diesen Jungen, und den Molotow-Cocktail warf – es gab eine kleine Explosion, und dann war die Luft voller Schreie. Ich schaffte es, den Anführer zu treffen, und der Junge ging in Flammen auf. Er rannte herum, verzweifelt, die anderen versuchten, ihn zu löschen.

Ich wartete nicht. Ich rannte in dem Chaos an dem brennenden Jungen vorbei, direkt zu Bree. Ich griff ihre Hand und wir liefen vor ihnen weg, durch die Seitengassen. Sie verfolgten uns, aber wir kannten diese Seitenstraßen besser als alle anderen. Wir nahmen Abkürzungen durch Gebäude, versteckte Türen, über Müllcontainer, durch Zäune. Nach wenigen Blocks hatten wir sie gründlich abgeschüttelt und waren wieder sicher in unserem Apartmentgebäude.

Es war der letzte Strohhalm. Ich war fest entschlossen, diese Stadt jetzt zu verlassen. Sie war nicht mehr sicher – und wenn Mama das nicht sehen konnte, mussten wir ohne sie gehen.

Wir platzten in unsere Wohnung und ich rannte direkt in Mamas Zimmer. Sie saß dort in ihrem Lieblingsstuhl und sah aus dem Fenster, wie immer, wartete auf Papas Rückkehr.

„Wir gehen“, sagte ich bestimmt. „Es ist zu gefährlich hier. Bree wurde fast getötet. Sieh sie Dir an. Sie ist hysterisch.“

Mama sah zu Bree, dann zu mir, aber sie sagte kein Wort.

„Er kommt nicht wieder“, sagte ich. „Sieh den Tatsachen ins Auge. Er ist tot.“

Da ohrfeigte mich Mama. Ich war entsetzt. Ich erinnere mich noch, wie es brannte.

„Sag das nie wieder“, schnappte sie.

Ich verengte meine Augen, wütend, dass sie es gewagt hatte, mich zu schlagen. Das war ein Schlag, den ich ihr nie verzeihen würde.

„Prima“, zischte ich zurück. „Von mir aus kannst Du solange in Deiner Fantasiewelt leben, wie Du möchtest. Wenn Du nicht mitkommen willst, musst Du nicht. Aber wir gehen. Ich breche in die Berge auf, und ich nehme Bree mit.“

Sie schnaubte verächtlich. „Das ist lächerlich. Die Brücken sind blockiert.“

„Ich werde ein Boot nehmen“, antworte ich, vorbereitet. „Ich kenne jemanden, der uns mitnimmt. Er hat ein Schnellboot und er nimmt uns auf dem Hudson mit hoch.“

„Und wie kannst Du Dir das leisten“, fragte sie mich kühl.

Ich zögerte, fühlte mich schuldig. „Ich habe meine goldene Uhr hergegeben.“

Jetzt verengte sie ihre Augen. „Du meinst, Papas goldene Uhr“, schnappte sie.

„Er hat sie mir gegeben“, korrigierte ich sie. „Und ich bin mir sicher, er würde wollen, dass ich sie gut verwende.“

Angewidert schaute sie von mir weg, starrte wieder aus dem Fenster.

„Verstehst Du denn gar nichts?“, fuhr ich fort. „In ein paar Wochen wird diese Stadt zerstört sein. Es ist nicht mehr sicher hier. Das ist unsere letzte Chance, rauszukommen.“

„Und wie wird Dein Vaters ich fühlen, wenn er nach Hause kommt, und wir sind alle weg? Wenn er feststellt, dass wir ihn alle verlassen haben?“

Ich starre Mama ungläubig an. Sie war wirklich ihrer Fantasiewelt verloren.

„Er hat uns verlassen“, stieß ich aus. „Er ist freiwillig in diesen dummen Krieg gezogen. Keiner hat ihn darum gebeten. Er wird nicht zurückkommen. Und genau das ist es, was er wollen würde, dass wir tun. Dass wir überleben. Nicht hier in irgendeinem dummen Apartment herumsitzen und auf unseren Tod warten.“

Mama drehte sich langsam um schaute mich an mit ihren kalten, stahlgrauen Augen. Sie hatte dieselbe schreckliche Entschlossenheit wie ich. Manchmal hasse ich mich selbst dafür, ihr so ähnlich zu sein. In dem Moment konnte ich es in ihren Augen sehen, dass sie nicht nachgeben würde, niemals. Sie hatte die fixe Idee, dass Warten das einzig Loyale war, was sie tun konnte. Und wenn sie erst einmal eine fixe Idee hatte, konnte man ihr die nicht mehr ausreden.

Aber meiner Meinung nach war ihre Loyalität deplatziert. Sie war uns etwas schuldig. Ihren Kindern. Nicht einem Mann, dem das Kämpfen wichtiger war als seine Familie.

„Wenn Du Deinen Vater verlassen willst, bitte, geh. Ich gehe nicht. Wenn Dein Plan schiefgeht und Du es nicht schaffst, den Fluss raufzukommen, kannst Du zurückkommen. Ich werde hier sein.“

Ich wartete keine Sekunde länger. Ich nahm Bree an die Hand, dreht mich um und eilte mir ihr zur Tür. Bree weinte, und ich wusste, dass ich schnell hier rausmusste. Ein letztes Mal hielt ich vor der Tür an.

„Du machst einen Fehler“, rief ich.

Aber sie machte sich nicht einmal die Mühe, sich umzudrehen, sich zu verabschieden. Und ich wusste, dass sie es nie tun würde.

Ich öffnete die Tür, dann knallte ich sie hinter mir zu.

Und das war das letzte Mal, dass ich Mama jemals lebend sah.

DREISSIG

Ich erwache von blendendem Sonnenlicht. Als ob die Welt wieder lebendig wäre. Sonnenlicht strömt durch alle Fenster um mich herum, heller, als ich es je gesehen habe, spiegelt sich in allem wider. Der Wind hat aufgehört. Der Sturm ist vorbei. Schnee schmilzt von der Fensterbrüstung, der Klang von tropfendem Wasser erklingt. Es gibt ein krachendes Geräusch, und ein riesiger Eiszapfen stürzt auf den Boden.

Ich sehe mich um, orientierungslos, und erkenne, dass ich immer noch an demselben Platz liege wie gestern Abend, Logans Mantel ist immer noch über mich gebreitet. Ich fühle mich komplett verjüngt.

Plötzlich erinnere ich mich und setze mich vor Schreck aufrecht. Sonnenaufgang. Wir mussten im Morgengrauen aufstehen. Der Anblick des hellen Morgenlichts erschreckt mich, als ich hinüberschaue und sehe, dass Logan dort liegt, direkt neben mir, mit geschlossenen Augen. Er schläft tief und fest. Mein Herz bleibt stehen. Wir haben verschlafen.

Ich krabbele auf eine Füße, fühle zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Energie, und rüttele ihn grob an der Schulter.

„LOGAN!“, sage ich eindringlich.

Sofort öffnet er seine Augen und er springt auf seine Füße. Alarmiert sieht er sich um.

„Es ist Morgen!“, flehe ich ihn an. „Das Boot. Wir werden es verpassen!“

Als ihm klar wird, wovon ich spreche, öffnen sich seine Augen weit vor Überraschung.

Wir springen beide auf und rennen zur Tür. Mein Bein tut immer noch weh, aber ich bin angenehm überrascht, dass ich tatsächlich damit rennen kann. Ich rase die Metalltreppe hinunter, meine Fußtritte hallen wider, direkt hinter Logan. Ich halte mich an dem verrosteten Metallgeländer fest, achte darauf, über Stufen hinwegzuspringen, die schon verrottet sind.

Wir erreichen das Erdgeschoss und rasen aus dem Gebäude hinaus, in das blendende Licht des Schnees. Es ist ein Wintermärchen. Ich wate durch den Schnee, der bis zu meinen Oberschenkeln reicht. Rennen ist das nicht, jeder Schritt ein Kampf. Aber ich folge Logans Spuren, dass er sich zuerst durchpflügt, macht es einfacher.

Wir sind nur noch einen Block vom Wasser entfernt. Zu meiner großen Erleichterung sehe ich, dass die Barkasse noch am Pier angedockt ist. Ich kann gerade noch sehen, wie die Laderampe angehoben wird, als die letzte der Gruppen von angeketteten Mädchen an Bord gebracht wird. Das Boot ist dabei, abzufahren.

Ich renne schneller, stapfe durch den Schnee, so schnell ich kann. Aber als wir den Pier erreichen, nur noch etwa hundert Meter vom Boot entfernt sind, wird die Rampe entfernt. Ich höre das Aufheulen eines Motors, und eine riesige Wolke schwarzen Rauchs kommt aus der Rückseite der Barkasse. Mein Herz schlägt wild.

Als wir uns dem Ende des Piers nähern, muss ich plötzlich an Ben denken, an unser Versprechen, uns hier zu treffen – uns bei Sonnenaufgang am Pier zu treffen. Aber als ich renne und nach links und rechts schaue, nach einem Zeichen von ihm suche, ist da nichts. Meine Zuversicht schwindet, als mir klar wird, dass das nur eins heißen kann: Er hat es nicht geschafft.

Wir kommen der Barkasse näher, sie ist kaum noch dreißig Meter entfernt, als sie plötzlich anfängt, sich zu bewegen. Mein Herz beginnt, zu klopfen. Wir sind so nahe dran. Nicht jetzt. Nicht jetzt!

Wir sind nur noch zwanzig Meter entfernt, aber das Boot hat vom Pier abgelegt. Es ist schon etwa zehn Meter im Wasser.

Ich steigere meine Geschwindigkeit und laufe jetzt neben Logan, erkämpfe mir meinen Weg durch den dichten Schnee. Inzwischen ist die Barkasse schon etwa fünfzehn Meter vom Ufer entfernt, und sie bewegt sich schnell. Zu weit weg, um zu springen.

Aber ich renne weiter, bis zum Ufer, und dabei entdecke ich plötzlich die Seile, die noch vom Boot am Pier hängen, und sich langsam davon lösen.

Die Seile hängen hinter dem Boot wie ein langer Schwanz.

„DIE SEILE!“, brülle ich.

Logan hat offenbar den gleichen Gedanken. Keiner von uns wird langsamer – stattdessen rennen wir weiter, und als ich angekommen bin, ziele ich, ohne weiter nachzudenken, auf eines der Seile und springe.

Ich fliege durch die Luft, hoffe und bete. Wenn ich es verfehle, wird es ein tiefer Fall, mindestens dreißig Fuß, und ich würde in eisig kaltem Wasser landen, ohne wieder hinauf zu finden. Das Wasser ist so kalt und die Gezeiten sind so stark, ich bin mir sicher, dass ich innerhalb von Sekunden sterben würde.

Als ich nach dem dicken, verknoteten Seil greife, frage ich mich, ob das mein letzter Moment auf der Erde ist.

Yaş sınırı:
16+
Litres'teki yayın tarihi:
09 eylül 2019
Hacim:
363 s. 6 illüstrasyon
ISBN:
9781632910479
İndirme biçimi:
Serideki Birinci kitap "Trilogie Des Überlebens"
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