Kitabı oku: «Der Aufstand Der Drachen », sayfa 14

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KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

Kyra ging durch die verwinkelten Straßen von Volis, der Schnee knirschte unter ihren Stiefeln und sie war wie in Trance von ihrer ersten Schlacht. Alles war so schnell passiert, so viel grausamer und intensiver als sie es sie je vorstellen konnte. Männer waren auf schreckliche und schmerzhafte Weise gestorben – gute Männer - die sie ihr ganzes Leben lang gekannt hatte. Väter, Brüder, Ehemänner lagen nun tot im Schnee, ihre Leichen aufgestapelt vor den Toren des Forts, da der Boden zu hart gefroren war, um sie zu beerdigen.

Sie schloss die Augen und versuchte, die Bilder loszuwerden.

Es war ein großer Sieg gewesen und doch hatte es sie demütig werden lassen. Sie hatte gesehen, was eine echte Schlacht war, wie verletzlich das Leben war. Es hatte ihr gezeigt, wie leicht ein Mann sterben konnte und wie leicht es war einen Mann zu töten – beides empfand sie in gleichem Maße verstörend.

Eine große Kriegerin zu sein hatte sie sich immer gewünscht; doch sie konnte jetzt sehen, dass das mit einem hohen Preis einherkam. Sie strebte nach Heldenmut und Tapferkeit, doch das war alles andere als einfach. Anders als Kriegsbeute war das nicht etwas, das man greifen konnte, nichts, was man an die Wand hängen konnte. Und doch strebten die Krieger danach. Wo konnte man sie finden? Wohin waren sie verschwunden, jetzt, wo die Schlacht vorbei war? Woher kamen sie? Kyra gefiel es nicht, wenn sie etwas nicht verstehen oder kontrollieren konnte.

Sie fragte sich wo ihre Kräfte hergekommen waren – und wenn sie ehrlich war, hätte die für das Wissen, woher ihre Talente kamen, gerne auf diese Macht verzichtet.

Als Kyra durch die Straßen ging, war sie erstaunt über die Reaktion der Dorfbewohner. Nach der Schlacht hätte sie erwartet, dass sie in Panik ausbrachen, in ihre Häuser stürmten und alles zusammenpackten, um die Festung zu evakuieren. Schließlich waren die Männer des Lords tot, und sie würden sicher bald den Zorn Pandesias dafür zu spüren bekommen. Eine große, schreckliche Arme würde kommen; vielleicht morgen, vielleicht übermorgen oder in einer Woche – doch sie würden sicher kommen. Hier waren sie wandelnde Tote. Wie konnte es sein, dass sie sich nicht fürchteten?

Als sich Kyra unter die Leute mischte, spürte sie keine Furcht. Im Gegenteil: was sie sah, war ein überglückliches Volk, erfrischt, verjüngt; die Menschen schienen befreit zu sein. In reger Betriebsamkeit klopften sie einander auf den Rücken und feierten – und bereiteten sich vor.

Sie schärften ihre Waffen, verstärkten die Tore, stapelten Steine, lagerten Nahrungsmittel ein, und eilten zielstrebig umher. Die Bürger von Volis folgten dem Beispiel ihres Vaters mit eisernem Willen. Sie waren ein Volk, das man nicht so leicht verschrecken konnte, und tatsächlich schienen sie sich auf die nächste Konfrontation zu freuen – egal wie hoch der Preis war und egal wie schlecht die Chancen für sie standen.

Kyra bemerkte auch noch etwas anderes, als sie zwischen all den Leuten hindurchging, etwas, das ihr ein unbehagliches Gefühl gab: sie sahen sie mit anderen Augen. Die Nachricht über das, was sie getan hatte, hatte sich offensichtlich schnell verbreitet, und sie konnte das Geflüster hinter ihrem Rücken spüren. All diese Leute, die sie ihr ganzes Leben lang gekannt und geliebt hatte, sahen sie an, als wäre sie keine von ihnen. Plötzlich fühlte sie sich wie eine Fremde hier und sie fragte sich, wo ihre wahre Heimat war. Viel mehr noch wollte sie das Geheimnis ihres Vaters erfahren.

Kyra ging zu der dicken Festungsmauer hinüber und stieg die Treppen hinauf zu den oberen Stockwerken. Sie ging an den Männern ihres Vaters vorbei, die alle sieben Meter Wache standen, und sie konnte sehen, dass auch sie sie anders ansahen. In ihren Blicken lag ein Respekt, der da vorher nicht gewesen war. Sie freute sich darüber.

Kyra bog ab und über dem Tor sah sie ihren Vater stehen, der den Blick über die Landschaft schweifen ließ. Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt und sah mit einigen Männern in den Schnee hinaus. Er blinzelte in den Wind, und er schien ihn nicht zu stören, genausowenig wie die frischen Wunden, die ihm in der Schlacht beigebracht worden waren.

Er verabschiedete seine Männer und wandte sich ihr zu.

Leo rannte auf ihn zu und leckte seine Hand, und ihr Vater erwiderte die Zuneigung dadurch, dass er ihn am Kopf kraulte.

Kyra stand allein vor ihrem Vater und wusste nicht, was sie sagen sollte. Er sah sie mit ausdrucksloser Miene an und sie war sich nicht sicher ob er böse auf sie war, stolz oder womöglich beides. Sein Gesicht war hart wie der Fels der Berge hinter ihnen, und so weiß wie der Schnee, der um sie herum fiel. Er sah aus wie die Steine, aus denen Volis gebaut worden war.

Er drehte sich um und blickte hinaus auf die Landschaft und sie folgte seinem Beispiel. Sie teilten die Stille, die nur vom Wind unterbrochen wurde, während sie darauf wartete, dass er etwas sagte.

„Ich habe immer gedacht, dass unsere Sicherheit, unser sicheres Leben hier, wichtiger war, als unsere Freiheit“, begann er schließlich. „Heute habe ich jedoch gemerkt, dass ich mich geirrt habe. Du hast mir gezeigt, was ich vergessen habe: dass Freiheit und Ehre mehr wert sind als alles andere.“

Er lächelte als er sie ansah, und sie war erleichtert, als sie die Wärme in seinen Augen sah.

„Du hast mir ein großes Geschenk gemacht“, sagte er. „Du hast mich daran erinnert, was Ehre bedeutet.“

Sie lächelte, tief berührt von seinen Worten und erleichtert, dass er nicht böse auf sie war. Der Riss in ihrer Beziehung schien gekittet zu sein.

„Es ist schwer, Männer sterben zu sehen“, fuhr er nachdenklich fort, und ließ den Blick wieder über die Hügel schweifen. „Selbst für mich.“

Eine lange Stille folgte, und Kyra fragte sich, ober er ansprechen würde, was geschehen war. Sie wollte es selbst tun, doch war sich nicht sicher wie.

„Ich bin anders, nicht wahr, Vater?“, fragte sie schließlich mit leiser Stimme.

Mit unergründlichem Blick starrte er weiter gen Horizont, bis er leicht nickte.

„Es hat etwas mit meiner Mutter zu tun, nicht wahr?“, hakte sie nach. „Wer war sie? Bin ich überhaupt deine Tochter?“

Er drehte sich um und sah sie traurig an.

„Das sind Fragen, die ich dir beantworten werde, wenn du dazu bereit bist.“

„Ich bin jetzt dazu bereit“, beharrte sie.

Er schüttelte den Kopf.

„Es gibt viele Dinge, die du vorher lernen musst, Kyra. Viele Geheimnisse, die ich vor dir bewahren musste“, sagte er, und in seiner Stimme klang Bedauern mit. „Es hat mir schrecklich wehgetan, doch es war zu deinem Schutz. Du sollst bald alles wissen; wissen, wer du wirklich bist.“

Mit pochendem Herzen stand sie da und wollte es unbedingt wissen, und doch fürchtete sie sich davor.

„Ich dachte, dass ich dich großziehen könnte“, seufzte er. „Sie haben mich davor gewarnt, dass dieser Tag kommen würde, doch ich habe es nicht geglaubt. Bis heute. Bis ich deine Fähigkeiten gesehen habe. Deine Talente… sie übersteigen mein Verständnis.“

Sie legte verwirrt die Stirn in Falten.

„Ich verstehe dich nicht Vater“, sagte sie. „Was sagst du da?“

Sein Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an.

„Es ist an der Zeit, dass du uns verlässt“, sagte er entschlossen in dem Tonfall, der keine Widerrede duldete. „Du musst Volis sofort verlassen und zu deinem Onkel gehen, dem Bruder deiner Mutter. Sein Name ist Akis und er lebt im Turm von Ur.“

„Im Turm von Ur?“, antwortete sie. „Ist mein Onkel einer der Wächter?“

Ihr Vater schüttelte den Kopf.

„Er ist viel mehr als das. Er ist derjenige, der dich trainieren muss – und er ist derjenige – der einzige – der dir sagen kann, wer du bist.“

Während sie aufgeregt war, das Geheimnis zu erfahren, wer sie wirklich war, war sie von der Vorstellung, Volis verlassen zu müssen überfordert.

„Ich will nicht gehen“, sagte sie. „Ich will hier bleiben bei dir. Besonders jetzt!“

Er seufzte.

„Leider ist das was du oder ich wollen nicht länger von Bedeutung“, sagte er. „Es geht nicht mehr um dich oder mich. Es geht um Escalon – ganz Escalon. Das Schicksal unseres Landes liegt in deinen Händen. Kannst du es nicht sehen Kyra?“, sagte er und wandte sich ihr zu. „Du bist es. Du bist diejenige, die unser Volk aus der Finsternis führen wird.“

Sie blinzelte erschrocken und konnte seine Worte kaum fassen.

„Aber wie?“, fragte sie. „Wie ist das möglich?“

Er verstummte und weigerte sich, ihr mehr zu erklären.

„Ich kann dich nicht verlassen, Vater“, bettelte sie. „Ich werde dich nicht verlassen. Nicht jetzt.“

Traurig betrachtete er die Landschaft.

„Innerhalb von zwei Wochen wird all das, was du hier siehst, zerstört sein. Für uns gibt es keine Hoffnung. Du musst gehen, solange du noch gehen kannst. Du bist unsere einzige Hoffnung. Hier bei uns zu sterben hilft niemandem.“

Kyra taten die Worte weh. Sie brachte es nicht übers Herz ihre Leute zum Sterben zurückzulassen.

„Sie werden zurückkommen, nicht wahr?“, fragte sie.

Es war eher eine Feststellung als eine Frage.

„Das werden sie“, antwortete er. „Sie werden wie eine Herde von Heuschrecken über Volis herfallen. All das hier wird bald nicht mehr sein.“

Bei seiner Antwort zog sich ihr Magen zusammen, und doch wusste sie, dass es die Wahrheit war – und dafür war sie dankbar.

„Und was ist mit der Hauptstadt?“, fragte Kyra. „Was ist mit dem alten König? Könntest du nicht nach Andros schicken, die alte Armee zusammenrufen, und echten Widerstand leisten?

Er schüttelte den Kopf.

„Der König hat einmal kapitulier“, sagte er wehmütig. „Die Zeit zu kämpfen ist vorbei. Andros wird jetzt von Politikern regiert, nicht von Kriegern, und man kann keinem von ihnen trauen.“

„Aber sie würden doch sicherlich für Escalon eintreten, wenn schon nicht für Volis“, beharrte sie.

„Volis ist nur ein Bollwerk“, sagte er. „Sie können es sich leisten, uns den Rücken zuzukehren. Unser Sieg heute, so großartig er auch war, war zu klein, als dass sie es riskieren würden, ganz Escalon zum Kampf aufzurufen.“

Beide verstummten und während sie den Horizont betrachteten, dachte Kyra über seine Worte nach.

„Hast du Angst?“, fragte sie.

„Ein guter Anführer muss die Angst kennen“, antwortete er. „Angst schärft unsere Sinne, und hilft uns, uns vorzubereiten. Es ist nicht der Tod den ich fürchte – ich habe nur Angst davor, nicht mit Ehre zu sterben.“

Sie standen da, betrachteten den Himmel, und sie erkannte den Sinn in seinen Worten. Eine angenehme Stille legte sich über sie.

Schließlich wandte er sich ihr zu.

„Wo ist dein Drache jetzt?“, fragte er, dann drehte er sich um und ging davon, wie es manchmal seine Art war.

Kyra starrte allein zum Horizont; sie hatte sich seltsamerweise dasselbe gefragt. Der Himmel war außer der dicken Wolke leer, und insgeheim hoffte sie immer, einen Schrei zu hören oder seine Flügel zwischen den Wolken zu sehen.

Doch da war nichts. Nichts außer Leere und Stille und die Frage ihres Vaters.

Wo ist dein Drache jetzt?

KAPITEL DREIUNDZWANZIG

Alec wurde plötzlich von einem tritt in die Rippen geweckt und riss die Augen auf. Erschöpft und desorientiert wischte er sich das Heu aus dem Gesicht und erinnerte sich, wo er war: die Baracken. Er war fast die ganze Nacht lang wach gewesen und hatte über Marco gewacht, während permanent irgendwo jemand kämpfte und im Schatten hin und her kroch, oder einander Drohungen zuriefen. Wieder hatte er zugesehen, wie mehr als nur ein Junge tot aus dem Gebäude geschleift wurde, doch nicht bevor die anderen sich auf seinen Leichnam gestürzt und ihm alles vom Leibe gerissen hatten, was sie zu fassen bekamen.

Alec wurde wieder getreten, doch diesmal drehte er sich um, bereit für alles. E blickte auf und blinzelte in die Dunkelheit. Überrascht sah er, dass dort keiner der Jungen über ihm stand sondern zwei pandesische Krieger. Sie traten auf all die anderen Jungen ein, packten sie, und zerrten sie auf die Beine. Alec spürte grobe Hände unter seinen Armen und auch er wurde hochgezerrt und aus der Baracke getrieben.

„Was ist los? Was passiert hier?“, murmelte er, immer noch nicht sicher ob er wach war oder träumte.

„Du hast Dienst“, sagte der Krieger. „Du bist nicht zum Vergnügen hier, Junge.“

Alec hatte sich schon gefragt, wann sie auf eine Patrouille geschickt werden würden, doch mitten in der Nacht hatte er nicht damit gerechnet, und schon gar nicht so kurz nach der anstrengenden Reise. Schlaftrunken stolperte er vorwärts und fragte sich, wie er das überleben sollte. Seitdem sie angekommen waren hatten sie noch nichts zu essen bekommen, und er fühlte sich schwach.

Vor ihm brach ein Junge zusammen, vielleicht vor Hunger, vielleicht vor Erschöpfung – es war egal. Die Krieger stürzten sich auf ihn und traten brutal auf ihn ein, bis er sich nicht mehr bewegte. Sie ließen ihn einfach auf dem gefrorenen Boden liegen und gingen weiter.

Alec wollte nicht wie dieser Junge enden und riss sich zusammen. Marco kam zu ihm.

„Hast du überhaupt geschlafen?“, fragte er ihn mit einem schiefen Lächeln.

Alec schüttelte den Kopf.

„Keine Sorge“, sagte Marco. „Wir können schlafen, wenn wir tot sind, und dürfte hier nicht allzu lange auf sich warten lassen.“

Sie kamen um eine Biegung und Alec wurde einen Augenblick lang von den Flammen geblendet, die kaum fünfzig Meter weit weg waren und eine enorme Hitze ausstrahlten.

„Wenn ein Troll auftaucht“, rief ein pandesischer Krieger, „tötet ihn. Und bringt euch nicht gegenseitig um; zumindest nicht bis zum Morgen. Wir wollen dass dieser Abschnitt gut bewacht ist.“

Alec bekam noch einen letzten Tritt, dann ließen die Krieger die Jungen einfach in der Nähe der Flammen zurück und marschierten davon. Er fragte sich, warum sie glaubten, dass sie Wache schieben und nicht davonlaufen würden – doch als er sich umdrehte, sah er überall Wachtürme, die mit Männern mit Armbrüsten besetzt waren. Mit dem Finger am Abzug schienen sie nur darauf zu warten, dass einer der Jungen zu fliehen versuchte.

Alec stand da, ohne Rüstzeug, ohne Waffen und fragte sich wie er so viel Erfolg haben sollte. Er sah sich um und bemerkte, dass einige der anderen Jungen Schwerter hatten.

„Wo hast du das her?“, fragte Alec einen der Jungen.

„Wenn einer stirbt, nimmst du es dir einfach“, rief er ihm zu. „Wenn nicht jemand anderes schneller ist.“

Marco schnitt eine Grimasse.

„Wie sollen wir unbewaffnet Wache stehen?“, fragte er.

Einer der anderen Jungen, dessen Gesicht vom Ruß geschwärzt war, kicherte.

„Neulinge bekommen keine Waffen“, sagte er. „Sie erwarten sowieso, dass ihr sterbt, und wenn ihr nach ein paar Nächten immer noch da seid, dann findet ihr schon eine.“

Alec starrte in die Flammen, die so intensiv prasselten und sein Gesicht wärmten. Er versuchte, nicht daran zu denken, was auf der anderen Seite lauerte und darauf wartete, durchzubrechen.

„Und in der Zwischenzeit?“, fragte er. „Was, wenn ein Troll durch die Flammen kommt?“

Einer der Jungen lachte.

„Dann tötest du ihn mit bloßen Händen!“, rief er. „Vielleicht überlebst du es ja – doch andererseits, vielleicht überlebst du es auch nicht. Wenn einer durchkommt, brennt er, und du verbrennst wahrscheinlich mit ihm.“

Die anderen Jungen drehten sich um und verteilten sich auf ihre Posten, und Alec, unbewaffnet, starrte verzweifelt die Flammen an.

„Sie haben uns zum Sterben hierher geschickt“, sagte er zu Marco.

Marco, der ein paar Meter von ihm entfernt stand, starrte desillusioniert in die Flammen.

„Die Flammen zu hüten war einst eine edle Berufung“, sagte er mit beklommener Stimme. „Doch das war, bevor Pandesia Escalon besetzt hat. Doch jetzt… jetzt scheint es etwas vollkommen anderes zu sein. Die Pandesier wollen nicht, dass die Trolle durchkommen, doch sie wollen ihre eigenen Männer nicht verheizen. Sie wollen, dass wir die Flammen bewachen – und lassen uns zum Sterben hier draußen.“

„Vielleicht sollten wir sie dann durchlassen“, sagte Alec, „und sie alle töten lassen.“

„Das könnten wir tun“, sagte Marco. „Doch dann würden sie Escalon verwüsten und auch unsere Familien töten.“

Sie schwiegen und starrten gemeinsam in die Flammen. Alec wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, während er nachdachte. Er konnte das Gefühl nicht loswerden, seinem eigenen Tod ins Gesicht zu blicken. Was seine Familie wohl gerade tat? Dachten sie an ihn? Machte es ihnen überhaupt etwas aus, dass er fort war?

Alec spürte, wie er sich in erdrückenden Gedanken verlor und wusste, dass er seine Stimmung ändern musste, wenn er überleben wollte. Er zwang sich, den blick abzuwenden, zurück über seine Schulter und den dunklen Waldrand zu beobachten. Der Wald war stockdunkel, bedrohlich, und die meisten der Krieger auf den Wachtürmen machten sich kaum die Mühe, sie zu beobachten.

„Sie haben Angst, selbst Wache zu stehen“, bemerkte Alec, als er zu den Kriegern aufblickte. „Doch sie wollen auch nicht, dass wir fliehen. Feiglinge!“

Kaum hatte Alec die Worte ausgesprochen, da spürte er plötzlich einen schrecklichen Schmerz im Rücken, der ihn nach vorn stolpern ließ. Bevor er wusste, was geschah, spürte er, wie eine Keule auf seine Rippen traf und landete mit dem Gesicht voran am Boden.

Dann hörte er eine finstere Stimme, die er sofort erkannte.

„Ich hab dir doch gesagt, dass ich dich finden würde, Junge!“

Bevor er reagieren konnte, wurde Alec grob von hinten gepackt und auf die Flammen zu geschleift. Sie waren zu zweit, der Junge aus dem Wagen und sein Freund – und Alec versuchte, sich zu wehren, doch es half nichts. Sie waren zu stark und als sie ihm immer näher an die Flammen heran zerrten, spürte er die Hitze des Feuers.

Alec hörte Geräusche und als er sich umsah, sah er, dass Marco gefesselt war und von zwei anderen Jungen zurückgehalten wurde. Sie hatten es gut geplant – sie wollten sie wirklich tot sehen.

Alec versuchte sich zu wehren, doch er konnte keinen Halt finden. Sie zerrten ihn immer dichter an die Flammen heran, kaum zehn Meter entfernt, und die Hitze war so intensiv, dass es sich bereits hier anfühlte, als würde sein Gesicht schmelzen. Er wusste, dass es nur noch ein paar Meter waren, bis er für immer entstellt oder tot sein würde.

Alec bäumte sich auf, doch sie hatten ihn so fest im Griff, dass er sich nicht befreien konnte.

„NEIN!“, schrie er.

„Zeit, es dir heimzuzahlen!“, zischte ihm der Junge ins Ohr.

Dann plötzlich hörte er einen schrecklichen Schrei und Alec bemerkte erschrocken, dass es nicht sein eigener war. Die Hände, die ihn festgehalten hatten, ließen los und er taumelte sofort zurück. Im selben Augenblick sah er einen Blitz und sah wie hypnotisiert zu, wie eine brennende Kreatur durch die Flammen brach, und auf den Jungen neben ihm stürzte.

Der Troll, immer noch brennend, rollte mit dem Jungen über den Boden und grub seine Fangzähne in seinen Hals. Bevor er starb, konnte er noch einen letzten markerschütternden Schrei ausstoßen.

Der Troll drehte sich um und sah sich in wilder Raserei um. Seine Augen, groß und rot, begegneten Alecs Blick. Alec hatte schreckliche Angst. Immer noch brennend, röchelte der Troll durch sein geöffnetes Maul; von den langen Fangzähnen tropfte Blut und der Blutdurst sprach aus seinem Blick, wie bei einem wilden Tier.

Alec stand da, starr vor Angst, unfähig sich zu bewegen.

Der andere Junge rannte davon und der Troll, der die Bewegung wahrnahm, wandte sich von Alec ab und stürzte sich stattdessen auf den anderen. Mit einem Satz riss er ihn zu Boden, immer noch brennend und biss ihm den Nacken durch.

Marco riss sich von den erschrockenen Jungen los, die ihn festhielten, zerriss seine brüchigen Fesseln, schlug einem ins Gesicht und trat dem anderen zwischen die Beine.

Die Glocke eines Wachturms erklang und Chaos brach aus. Jungen kamen aus allen Richtungen angerannt, um gegen den Troll zu kämpfen. Sie stachen mit Speeren auf ihn ein, doch die meisten hatten Angst, sich ihm zu nähern. Unerfahren wie sie waren. Der Troll packte einen Speer und riss den Jungen zu sich heran, und hielt ihn fest, bis auch er anfing, zu brennen. Der Junge kreischte.

„Das ist unsere Chance!“, zischte ihm eine Stimme zu.

Alec sah Marco, der an seinem Ärmel zog.

„Sie sind alle abgelenkt, das könnte unsere einzige Chance sein.“

Marco sah sich um und Alec folgte seinem Blick in Richtung des Waldes. Er wollte fliehen.

Dunkel und bedrohlich lag der Waldrand vor ihnen. Alec wusste, dass dort noch viel größere Gefahren lauerten, doch er wusste auch, dass Marco Recht hatte: dies war ihre Chance; und außer dem Tod hatten sie hier ohnehin nichts zu erwarten.

Alec nickte und ohne ein weiteres Wort zu verlieren rannten sie gemeinsam los, weg von den Flammen, auf den Wald zu.

Alecs Herz pochte wild, denn er rechnete damit jeden Augenblick von einem Pfeil durchbohrt zu werden. Doch als er einen Blick zurück über seine Schulter warf, sah er, dass alle mit dem Troll beschäftigt waren.

Einen Augenblick später waren sie im Wald, umgeben von Finsternis, und wussten, dass sie womöglich hier sterben würden, doch zumindest waren sie frei.

Yaş sınırı:
16+
Litres'teki yayın tarihi:
10 ekim 2019
Hacim:
292 s. 5 illüstrasyon
ISBN:
9781632912299
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