Kitabı oku: «Der Aufstand Der Drachen », sayfa 7

Yazı tipi:

„Das ist jetzt unser Land“, sagte er, und seine Stimme war dabei kalt wie Eis. „Dein Sohn gehört uns, und wir können mit ihm tun, was wir wollen. Nehmt ihn mit!“, rief der Kommandant, und sofort eilten die Krieger, die ihn begleiteten, zu ihm.

„NEIN!“,, schrie die Mutter voller Schmerz. „NICHT MEINEN SOHN!“

Sie sprang vor und packte Ashton und klammerte sich an ihn, bis ein pandesischer Krieger sie schallend ohrfeigte.

Der Vater packte den Arm des Kriegers und sofort stürzten sich mehrere Krieger auf ihn und schlugen ihn nieder.

Als Alec dastand und zusehen musste, wie die Krieger Ashton wegzerrten, konnte er es nicht mehr ertragen. Die Ungerechtigkeit machte ihn fertig – er wusste, dass er damit nicht Leben konnte. Das Bild seines Bruders, der weggezerrt wurde, würde für immer in seiner Erinnerung eingebrannt sein.

Etwas in ihm zerbrach.

„Nehmt mich an seiner Stelle!“, rief er, und schob sich zwischen Alec und die Krieger.

Sie blieben stehen und sahen ihn an, offensichtlich überrascht.

„Wir sind Brüder!“, fuhr Alec fort. „Das Gesetz verlangt einen Jungen aus jeder Familie. Lasst es mich sein!“

Der Kommandant sah ihn skeptisch an.

„Und wie alt bist du, Junge?“, fragte er.

„Ich bin sechzehn Jahre alt!“, rief er stolz.

Die Krieger lachten, während ihr Kommandant die Augen zukniff.

„Du bist zu jung, um dich einzuziehen“, stellte er ablehnend fest.

Doch als er sich zum Gehen umdrehte, stellte sich Alec ihm in den Weg. Er weigerte sich, die Ablehnung zu akzeptieren.

Ich bin ein besserer Kämpfer als er“, beharrte Alec. „Ich kann einen Speer weiter werfen und bin besser mit dem Schwert. Ich kann besser zielen und ich bin stärker als Jungen die viel älter sind als ich. Bitte“, bettelte er, „gib mir eine Chance!“

Als der Kommandant ihn ansah, bebte Alec innerlich vor Angst, auch wenn er sich nach außen selbstbewusst gab. Er wusste, dass er ein großes Risiko einging. Sie könnten ihn einsperren oder sogar töten für diese Respektlosigkeit.

Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, als der Kommandant ihn anstarrte, und das ganze Dorf schwieg, bis er schließlich seinen Männern zunickte.

„Lasst den Krüppel hier“, befahl er. „Nehmt den hier.“

Die Krieger stießen Ashton in den Staub der Straße und packten Alec. Alles geschah so schnell, dass es ihm wie ein Alptraum vorkam.

„NEIN!“, schrie Alecs Mutter.

Er sah sie weinen, als er grob in die Kutsche voller anderer Jungen geworfen wurde.

„Nein!“, schrie Ashton. „Lasst meinen Bruder in Ruhe! Nehmt mich!“

Doch niemand hörte ihm zu. Alec wurde in den Wagen geschoben, in dem es nach Schweiß, Urin und Angst stank, und stolperte über andere Jungen, die ihn grob wegstießen; dann wurde die Gittertür hinter ihm zugeschlagen. Alec fühlte sich erleichtert, dass er seinen Bruder gerettet hatte, und das Gefühl war stärker als seine Angst. Er hatte sein Leben für das seines Bruders aufgegeben, und was auch immer als nächstes geschehen würde war bedeutungslos.

Als er sich auf den Boden setzte und gegen die eisernen Gitterstäbe lehnte, wusste er, dass seine Chancen, das Ganze hier zu überleben schlecht standen. Er begegnete den aufgebrachten Blicken der anderen Jungen, die ihn in der Dunkelheit musterten, und als sie über die Straße holperten wusste er, dass es auf dem Weg, der vor ihm lag, unzählige Arten gab, zu sterben. Er fragte sich, welche das Schicksal für ihn bestimmt hatte. Verbrennen in den Flammen? Würde ihn einer der anderen Hüter erstechen? Oder würde er von einem Troll gefressen werden?

Oder würde er vielleicht doch überleben, so unwahrscheinlich es auch war?

KAPITEL NEUN

Kyra wanderte durch das Schneegestöber. Leo wich ihr dabei nicht von der Seite, und seinen Körper an ihren Beinen zu spüren war für sie wie ein Anker im weißen Nichts. Der Schnee peitschte ihr ins Gesicht, und sie konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Der blutrote Mond warf das einzige Licht über das Land, wenn er gespenstisch zwischen den Wolken hervorlugte. Die Kälte fraß sich in ihre Knochen, und auch wenn sie es erst vor wenigen Stunden verlassen hatte, vermisste sie bereits die Wärme des Forts. Sie stellte sich vor am Feuer eingehüllt in warme Felle eine Schokolade zu trinken und ein Buch zu lesen.

Kyra verdrängte diese Gedanken und konzentrierte sich auf den Weg vor ihr. Sie würde dem Leben entfliehen, das ihr Vater für sie bestimmt hatte, koste es, was es wolle. Sie ließ sich nicht zwingen, einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebte, und schon gar nicht, um Pandesia ruhig zu stellen. Sie ließ sich nicht befehlen, ein Leben am Herd zu verbringen und ihre Träume aufzugeben. Lieber würde sie hier draußen in der Kälte sterben, als ein Leben zu führen, das sie sich nicht wünschte.

Kyra wanderte weiter. Der Schnee reichte ihr zwischenzeitlich bis zu den Knien. Alles fühlte sich surreal an. Sie konnte die besondere Energie dieser Nacht spüren, von der man sagte, dass die Toten die Erde mit den Lebenden teilten, in der andere es selbst beim besten Wetter nicht wagten, vor die Tür zu gehen. Die Luft fühlte sich dick an, nicht nur vom Schnee: sie konnte die Geister um sich herum spüren. Es fühlte sich an, als beobachteten sie sie, als ob sie zusahen, wie sie auf ihr Schicksal zuging – oder ihren Tod.

Kyra kam auf den Gipfel eines Hügels und zum ersten Mal seit sie aufgebrochen war, erfüllte sie der Anblick mit Hoffnung. Dort, in der Ferne lagen die Flammen, die trotz des Sturms den Himmel erhellten, ihr Leuchtfeuer im weißen Nichts. In der Finsternis der Nacht zogen er sie an wie ein Magnet, dieser Ort, den sie ihr Leben lange bestaunt hatte; doch ihr Vater hatte ihr strikt verboten, dorthin zu gehen. Sie war überrascht, dass sie schon so weit gekommen war, und fragte sich, ob sie die ganze Zeit unbewusst in diese Richtung gegangen war.

Kyra blieb stehen um durchzuatmen und nahm den Anblick in sich auf. Die Flammen. Die große Wand aus Feuer, die sich fünfzig Meilen weit entlang der östlichen Grenze von Escalon erstreckte, das einzige, was ihr Land von der weite von Marda trennte, dem Königreich der Trolle. Der Ort an dem ihr Vater und dessen Vater vor ihm pflichtbewusst ihren Dienst geleistet und ihre Heimat verteidigt hatte, wo alle Männer ihres Vaters, alle Hüter abwechselnd Dienst taten.

Die Flammen waren höher und größer als sie sich vorgestellt hatte, auch wenn alle Männer davon erzählt hatten – und sie fragte sich, welche magische Kraft sie brennen ließ, wie sie jeden Tag und jede Nacht brennen konnten ohne je zu verlöschen. Sie selbst zu sehen warf mehr Fragen auf, als es beantwortete.

Kyra wusste, dass Tausende von Männern entlang der Flammen stationiert waren, alle Arten von Männern – die Ritter aus Volis, doch auch Pandesier, Sklaven, Wehrpflichtige und Verbrecher. Rein technisch betrachtet waren sie alle Hüter, auch wenn keiner der anderen die Fähigkeiten der Leute ihres Vaters hatte, die die Flammen über Generationen bewacht hatten. Auf der anderen Seite lauerten Tausende von Trollen auf eine Gelegenheit, durchzubrechen. Es war ein gefährlicher Ort; ein mythischer Ort; ein Ort der Verzweifelten, der Mutigen und der Furchtlosen.

Kyra musste ihn einfach aus der Nähe sehen. Zumindest musste sie in diesem Sturm ein Ziel vor Augen haben, einen Ort, wo sie sich aufwärmen und entscheiden konnte, wo sie als nächstes hingehen wollte.

Kyra wanderte den Hügel hinab durch den Schnee und benutzte dabei ihren Stab, um sich abzustützen. Auch wenn sie kaum mehr als eine Meile weit weg sein konnten, fühlte es sich an wie zehn Meilen, und für eine Strecke, für die sie normalerweise nicht mehr als zehn Minuten gebraucht hätte, brauchte sie eine Stunde, denn das Schneegestöber wurde immer dichter und die Kälte war bereits tief in ihre Knochen gekrochen. Sie drehte sich um und blickte zurück in Richtung Volis, doch es war schon vor langer Zeit hinter einem Vorhang aus Schnee verschwunden. Sie war ohnehin zu durchfroren, um es zurück zu schaffen.

Mit vor Kälte zitternden Beinen und tauben Zehen stolperte Kyra auf ihren Stab gestützt den Hügel hinunter und spürte plötzlich die Hitze, als sie den Flammen immer näher kam. Der Anblick raubte ihr den Atem. Kaum mehr als 100 Meter von ihr entfernt erhellte die Wand aus Feuer die Nacht, und als sie aufblickte, konnte sie nicht sehen, wo sie endete. Die Hitze, die sie ausstrahlten war so intensiv, dass sie sie sogar in dieser Entfernung fühlen konnte, und langsam kehrte das Leben in ihren Körper zurück und sie spürte ihre Hände und Füße wieder. Das Knistern und Zischen des Feuers war so laut, dass es selbst das Heulen des Sturms übertönte.

Fasziniert ging Kyra näher heran, und spürte die Hitze, als ginge sie auf die Sonne selbst zu. Sie fühlte, wie sie langsam auftaute und ihr Finger und Zehen begannen zu prickeln, als die Wärme in sie zurückkehrte. Wie hypnotisiert stand sie vor dem lodernden Feuer und bestaunte dieses Wunder, das größte Wunder ihres Landes, den Garanten ihrer Sicherheit, den niemand wirklich verstand. Weder die Geschichtsschreiber, noch die Könige und selbst die Zauberer nicht. Wann war das Feuer entfacht worden? Was ließ es brennen? Würde es je verlöschen?

Man sagte, dass die Wächter die Antwort wussten. Doch natürlich würden sie sie niemals preisgeben. Die Legende besagte, dass das Schwert des Feuers, das in einem der beiden Türme bewacht wurde, die Flammen am Leben erhielt. Die Türme wurden von einer kultartigen Gruppe von Männern bewacht, den Wächtern, einem alten Ordern, Teils Mann, teils etwas anderes, die wohlversteckt und bewacht an entgegengesetzten Enden von Escalon lagen – einer an der westlichen Küste in Ur, der andere im südwestlichen Winkel von Kos. Auch die Wächter wurden aus den Reihen der besten Ritter des Königreichs rekrutiert, deren einziges Ziel es war, das Schwert des Feuers zu schützen und die Flammen am Leben zu erhalten.

Ihr Vater hatte ihr erzählt, dass mehr als nur ein Troll, der den Weg durch die Flammen gefunden hat, versucht hat, die Türme zu finden und das Schwert zu stehlen, doch keiner von ihnen war je erfolgreich gewesen. Die Wächter waren einfach zu gut. Schließlich wagte es nicht einmal Pandesia mit all seiner Macht, zu versuchen, die Türme zu belagern, und wagte nicht, die Wächter zu verärgern, aus Angst, sie könnten die Flammen löschen.

Kyra nahm eine Bewegung war, und in der Ferne sah sie eine Patrouille von Kriegern, die mit Schwertern bewaffnet der Schneise entlang der Flammen folgten. Ihr Herz schlug schneller als sie sie sah. Sie hatte es wirklich geschafft.

Kyra stand da und fühlte sich lebendig wie selten. Sie wusste jetzt, dass alles möglich war. Jeden Augenblick konnte ein Troll durch die Flammen brechen. Natürlich tötete das Feuer die meisten von ihnen, doch manchen gelange es mit Hilfe von Schilden durchzubrechen und zu überleben – zumindest lange genug, um großen Schaden unter den Kriegern anzurichten. Manchmal schaffte es ein Troll sogar, sich in den Wald zu flüchten und ein paar Dörfer zu tyrannisieren. Sie erinnerte sich daran, wie die Männer ihres Vaters einmal den Kopf eines Trolls in die Festung gebracht hatten. Es war ein Anblick, den sie nie vergessen würde.

Als Kyra in die mysteriösen Flammen starrte, fragte sie sich, was das Schicksal von ihr wollte, so weit weg von zu Haus. Was sollte jetzt aus ihr werden?

„Hey! Was machst du hier?“, rief eine Stimme.

Ein Krieger, einer der Männer ihres Vaters, hatte sie gesehen und kam auf sie zu.

Kyra wollte keine Konfrontation. Ihr war wieder warm, sie fühlte sich besser, und es war an der Zeit weiterzuziehen.

Sie pfiff und Leo folgte ihr in den Sturm, zurück in Richtung des Waldes. Sie wusste nicht, wo sie als nächstes hingehen sollte, doch inspiriert von den Flammen wusste sie, dass ihr Schicksal irgendwo da draußen auf sie wartete, selbst wenn sie es jetzt noch nicht sehen konnte.

*

Kyra stolperte durch die Nacht, fröstelnd und müde. Sie war froh, dass Leo bei ihr war, und doch fragte sie sich, wie lange sie noch weitergehen konnte. Sie hatte sich überall nach einem Unterschlupf umgesehen, einer Zuflucht vor dem beißenden Wind und dem Schnee, und trotz aller Gefahren, war sie in Richtung des Dornenwaldes gegangen, dem einzigen Ort, der ihr weit und breit einfiel. Die Flammen lagen nun schon weit hinter ihr, und sie konnte ihr Leuchten schon nicht mehr am Horizont sehen. Der Blutmond war schon vor Stunden von den Wolken verschluckt worden und sie nur mit dem matten Leuchten des Schnees zurückgelassen. Ihre Finger und Zehen waren wieder taub und ihre Situation schien mit jedem Augenblick düsterer zu werden. Sie begann sich zu fragen, ob es dumm gewesen war, das Fort zu verlassen. Sie fragte sich, ob es ihrem Vater überhaupt etwas ausmachte, nachdem er sie ohnehin den Pandesiern hatte geben wollen.

Kyra spürte eine Welle der Wut in sich aufsteigen während sie weiter ziellos durch den Schnee stapfte. Sie wusste nicht wohin, doch sie war fest entschlossen, dem Leben zu entkommen, das im Fort auf sie wartete. Als ein weiterer Windstoß sie erfasste und Leo winselte, blickte Kyra auf und war überrascht zu sehen, dass sie es geschafft hatte: vor ihr lag der riesige Dornenwald.

Kyra blieb stehen. Sie fürchtete sich, denn sie wusste, wie gefährlich er war – selbst am Tag und in einer Gruppe. Allein in der Nacht und dann auch noch in der Nacht des Wintermondes hierher zu kommen, wenn die Geister auf Erden wandelten – war mehr als leichtsinnig. Sie wusste, dass alles passieren konnte.

Doch eine weitere Böe erfasste sie und wehte ihr Schnee in den Nacken; darum ging Kyra weiter, an den ersten Bäumen, deren Äste schwer waren vom Schnee, vorbei in den Wald hinein.

Sofort war Kyra erleichtert. Das dichte Astwerk schützte sie vor dem Wind, und es war deutlich ruhiger hier. Der wütende Schneesturm war hier nicht mehr als ein paar leise Flocken, die von den dicken Ästen aufgehalten wurden. Hier konnte sie endlich wieder die Hand vor Augen sehen und es fühlte sich auch sofort wärmer an.

Kyra nutzte die Gelegenheit und schüttelte den Schnee von ihrem Mantel und ihrer Kapuze ab, und auch Leo schüttelte sich. Sie griff in ihren Beutel und zog ein Stück getrocknetes Fleisch für ihn heraus, das er gierig fraß. Sie streichelte seinen Kopf und sagte, „Mach dir keine Sorgen mein Freund, ich werde schon eine Unterkunft für uns finden.“

Kyra ging auf ihrer Suche nach einem Unterschlupf tiefer in den Wald hinein, da sie erkannt hatte, dass sie hier bleiben und den Sturm aussitzen mussten, bevor sie am nächsten Morgen weiterziehen konnten. Sie sah sich nach einem Felsen oder einem hohlen Baum um, doch da war nichts.

Kyra wanderte durch den knietiefen Schnee weiter, und lauschte den seltsamen Rufen der Tiere um sie herum. Sie hörte ein leises Schnurren neben sich, wirbelte herum, und spähte durch das dicke Astwerk, doch es war zu dunkel, um irgendetwas erkennen zu können. Kyra eilte weiter und wollte nicht über die Tiere nachdenken, die hier womöglich lauerten. Sie war nicht in Stimmung für eine Konfrontation. Mit den Fingern hielt sie ihren Bogen fest umschlungen, und war sich nicht einmal sicher, ob sie ihn nutzen könnte, so taub wie ihre Finger waren.

Kyra ging einen kleinen Hügel hinauf, und sah sich um, als sie den Gipfel erreichte. Das Mondlicht, das in diesem Augenblick durch die Bäume fiel, gewährte ihr einen Blick über die Landschaft, die sich unter ihre ausbreitete.

Vor ihr im Tal lag ein glitzernder See, dessen eisblaues Wasser durchsichtig zu sein schien. Sie erkannte ihn sofort. Es war der See der Träume. Ihr Vater hatte sie einmal hierher gebracht, als sie noch ein kleines Kind gewesen war, und sie hatten eine Kerze angezündet und auf ein Seerosenblatt gestellt, um ihrer Mutter zu gedenken. Man sagte, dass der See ein heiliger Ort war, ein riesiger Spiegel, der einem erlaubte, sowohl das Leben oben wie auch unten zu sehen. Es war ein mystischer Ort, ein Ort, an den man nicht ohne guten Grund kam, ein Ort, an dem Herzenswünsche nicht ignoriert wurden.

Kyra fühlte sich magisch von dem See angezogen. Sie stolperte den steilen Hügel hinunter und stützte sich dabei auf ihren Stab. Durch die Bäume hindurch rutschte und stolperte sie, bis sie ans Ufer kam. Seltsamerweise war das Ufer, das aus feinem weißen Sand bestand, vollkommen frei von Schnee. Es war magisch.

Kyra kniete am Wasser nieder, zitternd vor Kälte, und blickte hinein. Im Mondlicht sah sie ihr Spiegelbild, ihr blondes Haar, das ihr über die Wangen fiel, ihre hellgrauen Augen, ihre Hohen Wangenknochen, ihre fein geschnittenen Züge. Sie war so ganz anders als ihr Vater und ihre Brüder. Ihre Augen waren die eines Kriegers, voller Trotz und Entschlossenheit.

Während sie ihr Spiegelbild betrachtete, erinnerte sie sich an die Worte, die ihr Vater vor so vielen Jahren hier gesprochen hatte: ein Gebet, das von Herzen kommt, kann am See der Träume nicht abgelehnt werden.

Kyra, die an der ersten großen Kreuzung ihres Lebens angekommen war, brauchte mehr denn je eine Hand die sie führte. Sie war sich nie unsicherer gewesen, was sie tun sollte, und wo sie als nächstes hingehen sollte. Sie schloss die Augen und betete inbrünstig.

Gott, ich weiß nicht, wer du bist, doch ich bitte dich um deine Hilfe. Gib mir einen Rat, und ich werde dir alles geben, was du willst. Zeig mir, welchen Weg ich gehen soll. Gib mir ein Leben voll Tapferkeit und Mut; voll Ehre. Erlaube mir, eine große Kriegerin zu werden, und nicht dem Willen von Männern ausgeliefert zu sein. Erlaube mir, die Freiheit zu haben, zu tun, was ich möchte – nicht das, was jemand anderer für mich bestimmt.

Kyra kniete am Wasser, taub vor Kälte. Sie wusste nicht weiter und hatte niemanden, an den sie sich wenden konnte; darum betete sie von ganzem Herzen und aus tiefster Seele. Dabei verlor sie jegliches Zeitgefühl.

Kyra hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als sie die Augen öffnete. Sie fühlte sich verändert, doch sie wusste nicht was es war, als hätte sich ein tiefer innerer Frieden über sie gelegt. Sie blickte in den See hinein, und diesmal nahm ihr das, was sie sah, den Atem.

Nicht ihr eigenes Spiegelbild starrte ihr entgegen, sondern ein Drache. Er hatte wilde, leuchtend gelbe Augen und rote Schuppen, und es lief ihre kalt den Rücken hinunter als er das Maul öffnete und sie anbrüllte.

Erschrocken fuhr Kyra herum und erwartete, einem Drachen in die Augen zu blicken. Sie sah sich um, doch da war nichts.

Neben ihr war nur Leo, der leise winselte.

Kyra drehte sich um und sah wieder ins Wasser, und diesmal war es nur ihr Gesicht, das ihr entgegenblickte.

Ihr Herz pochte wild in ihrer Brust. Hatte sie geträumt? Sich alles nur eingebildet? Natürlich war es vollkommen unmöglich – seit mehr als tausend Jahren hatte kein Drachen mehr Escalon besucht. Verlor sie etwa den Verstand? Was hatte all das zu bedeuten?

Kyra zuckte, als sie plötzlich ein Geräusch aus dem Wald hörte. Es klang wie ein Heulen, oder vielleicht sogar ein Kichern. Auch Leo hatte es gehört und er drehte sich mit aufgestelltem Fell um. Kyra ließ den Blick durch den Wald schweifen und sah in der Ferne ein Leuchten. Es war, als brannte dort im Wald ein Feuer – doch es war kein Feuer. Es war ein gespenstisches, weißes Leuchten.

Kyra spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten, denn sie hatte das Gefühl, eine andere Welt rief sie. Sie hatte das Gefühl, das Tor zu einer anderen Welt geöffnet zu haben. So sehr wie jede Faser ihres Körpers sie anflehte, umzudrehen und wegzulaufen, war sie fasziniert, und ohne ihr Zutun erhob sich ihr Körper und ging auf das Licht zu.

Kyra wanderte mit Leo den Hügel hinauf und das Leuchten wurde heller, als sie zwischen den Bäumen hindurch ging. Endlich erreichte sie den Rücken und blieb entsetzt stehen. Vor ihr, auf einer kleinen Lichtung, eröffnete sich ihr ein Anblick, den sie nie erwartet hatte – und den sie nie vergessen würde.

Eine alte Frau, deren Gesicht weißer war als der Schnee, grotesk, voller Warzen und Narben, starrte in ein Feuer zu ihren Füssen und rieb ihre runzligen Hände darüber. Doch das Feuer brannte leuchtend weiß, und da war kein Holz, das es nährte. Sie sah Kyra aus eisblauen pupillenlosen Augen an. Es war der furchteinflößendste Anblick, den Kyra je gesehen hatte. Alles in ihr schrie ihr zu, davonzurennen, doch sie konnte nicht anders als auf die Frau zuzugehen.

„Der Wintermond“, sagte die alte Frau mit ungewöhnlich tiefer Stimme. „Die Nacht in der die Toten nicht wirklich tot sind und die Lebenden nicht wirklich leben.“

„Und was bist du?“, fragte Kyra.

Die Frau kicherte, ein schreckliches Geräusch, bei dem ihr kalte Schauer über den Rücken liefen. Leo begann neben ihr zu knurren.

„Die Frage ist“, kicherte die Alte, „was bist du?“

Kyra legte die Stirn in Falten.

„Ich leben“, erklärte sie.

„Wirklich? In meinen Augen bist du toter als ich.“

Kyra fragte sich, was sie meinte und spürte, dass es eine Rüge war, eine Rüge dafür, dass sie nicht tapfer voranging und ihrem Herzen folgte.

„Was suchst du, tapfere Kriegerin?“, fragte die Frau.

Kyras Herz schlug schneller, und sie fühlte sich ermutigt.

„Ich möchte eine Aufgabe“, sagte sie. „Ich will ein Krieger werden, wie mein Vater.“

Die alte Frau blickte ins weiße Feuer, und Kyra war erleichtert, ihren bohrenden Blick nicht mehr auf sich zu spüren. Eine lange Stille legte sich über sie und Kyra wartete.

Schließlich, als die Stille sich unendlich hinzuziehen schien, war Kyra enttäuscht. Vielleicht würde die Alte ja überhaupt nicht antworten – oder vielleicht war ihr Wunsch einfach unmöglich.

„Kannst du mir helfen?“, fragte Kyra schließlich. „Kannst du mein Schicksal ändern?“

Die Frau blickte mit glühenden Augen auf.

„Du hast eine Nacht gewählt, in der alles möglich ist“, antwortete sie langsam. „Wenn du dir etwas nur genug wünschst, kannst du es haben. Die Frage ist nur: was bist du bereit, dafür aufzugeben?“

Kyra dachte mit klopfendem Herzen an die Möglichkeiten.

„Ich würde alles geben“, sagte sie. „Alles.“

Eine lange Stille folgte, in der nur der Wind heulte. Leo begann zu winseln.

„Wir alle werden mit einem Schicksal geboren“, sagte die alte Frau schließlich. „Doch wir müssen es auch für uns wählen. Schicksal und freier Wille führen einen Tanz auf, dein ganzes Leben lang. Zwischen ihnen findet dein ganzes Leben lang ein Tauziehen statt. Welche Seite gewinnt… nur, das hängt ganz davon an…“

„Wovon?“, fragte Kyra.

„Von deiner Willenskraft. Wie sehr du etwas willst – und welche Gnade dir Gott erweist. Und vielleicht noch mehr als alles andere – was du aufzugeben bereit bist.“

„Ich bin bereit Opfer zu bringen“, sagte Kyra, und spürte die Stärke in sich aufsteigen. „Ich würde alles opfern, um nicht das Leben leben zu müssen, das andere für mich gewählt haben.“

In der langen Stille die folgte, starrte die Alte Kyra so intensiv in die Augen, dass sie den Blick abwenden musste.

„Schwöre mir“, sagte die alte Frau. „Schwöre mir heute Nacht, dass du jeden Preis zahlen wirst.“

Kyra ging ernst und mit pochendem Herzen auf sie zu, und spürte, dass ihr Leben im Begriff war, sich zu verändern.

„Ich schwöre“, erklärte sie und meinte es mehr als jedes andere Wort, das sie je in ihrem Leben gesagt hatte.

Die Bestimmtheit ihrer Stimme schnitt durch die Luft, und ihre Stimme trug eine Autorität, die sie selbst überraschte.

Die alte Frau sah sie an und nickte, und auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck, der Respekt widerzuspiegeln schien.

„Du wirst eine Kriegerin werden – und noch viel mehr“, verkündete die Alte polternd, und hob ihre Hände. Ihre Stimme wurde immer lauter, als sie fortfuhr. „Du wirst die größte aller Kriegerinnen sein, größer noch als dein Vater. Und mehr noch. Du wirst eine große Herrscherin sein. Du wirst Macht erlangen, die deine kühnsten Träume übersteigt. Ganze Reiche werden zu dir aufblicken.“

Kyras Herz raste in ihrer Brust als sie den Worten der Frau lauschte, die mit solcher Autorität sprach, als wäre es bereits geschehen.

„Doch du wirst auch von der Finsternis in Versuchung geführt werden“, fuhr sie fort. „Es wird einen großen Kampf in dir geben. Die Finsternis wird gegen das Licht ankämpfen. Wenn du dich selbst besiegen kannst, wird dir die Welt zu Füssen liegen.“

Kyra war schwindelig. Sie konnte es kaum glauben. Wie sollte all das möglich sein? Sie? Die alte Frau musste sie verwechseln. Niemand hatte ihr je gesagt, dass sie wichtig wäre oder dass sie etwas Besonderes werden würde. Es erschien ihr so fremd, so unerreichbar.

„Wie?“, fragte Kyra. „Wie ist das möglich? Ich bin doch nur ein Mädchen?“

Die Frau lächelte. Es war ein fürchterliches, böses Grinsen, an das sich Kyra bis ans Ende ihrer Tage erinnern würde. Die Frau trat an sie heran, so dicht, das Kyra vor Angst bebte.

„Manchmal“, grinste die alte Frau, „erwartet dich dein Schicksal hinter der nächsten Ecke, und ist nur einen Atemzug entfernt.“

Vor ihr blitzte es plötzlich und Kyra riss schützend die Hände vor die Augen während Leo knurrte, und sich auf die alte Frau stürzte.

Als Kyra die Augen wieder öffnete, war das Licht verschwunden. Die Frau war verschwunden, und Leo sprang ins Leere. Die Lichtung lag in vollkommener Dunkelheit.

Kyra sah sich sprachlos um. Hatte sie sich alles nur eingebildet?

Plötzlich, wie eine Antwort auf ihre Gedanken, hörte sie einen grässlichen, vorzeitlichen Schrei als ob der Himmel selbst aufgeschrien hätte. Kyra stand wie angewurzelt da und dachte an den See und ihre Reflexion.

Denn auch wenn sie nie zuvor einen gesehen hatte, wusste sie – sie wusste einfach – dass das der Schrei eines Drachen war; dass er auf sie wartete, dort draußen, hinter der Lichtung.

Alleine, ohne die alte Frau, fühlte sich Kyra wie im Taumel, als sie versuchte zu verarbeiten, was gerade geschehen war und was all das zu bedeuten hatte. Viel mehr noch versuchte sie zu verstehen, was das für ein Schrei war.

Es war ein Schrei, ein Klang anders als alles, was sie je gehört hatte, urzeitlich, wie aus dem Anbeginn der Zeit geboren. Es machte ihr zugleich Angst und zog sie an. Sie konnte nirgendwo anders hingehen. Er hallte auf eine Art und Weise in ihr wider, die sie nicht verstehen konnte, und sie erkannte, dass das der Klang war, den sie tief im Inneren schon ihr ganzes Leben lang gehört hatte.

Kyra rannte durch den Wald und Leo stolperte neben ihr durch den knietiefen Schnee. Zweige schlugen ihr ins Gesicht, doch es war ihr egal, denn sie spürte einen unbändigen Drang, dem Schrei zu folgen, denn als sie ihn wieder hörte, wusste sie, dass es ein verzweifelter Ruf war.

Sie spürte, dass der Drachen im Sterben lag und dringend ihre Hilfe brauchte.

.

Yaş sınırı:
16+
Litres'teki yayın tarihi:
10 ekim 2019
Hacim:
292 s. 5 illüstrasyon
ISBN:
9781632912299
İndirme biçimi:
Metin
Ortalama puan 4,3, 4 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 1, 1 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 4,8, 6 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 4,8, 5 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 5, 2 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre