Kitabı oku: «Der Aufstand Der Drachen », sayfa 9
„Wer bist du?“, fragte sie leise.
In ihrem Kopf hörte sie eine uralte Stimme.
Theos.
Sie erschrak. Sie war sich sicher, dass das die Stimme des Drachen war.
Kyra wartete, und hoffte, dass er ihr mehr zu sagen hatte – doch plötzlich, ohne Vorwarnung, brach Theos kreischend die Stille, warf den Kopf in den Nacken und wollte von ihr weg. Er bäumte sich auf und flatterte verzweifelt mit den Flügeln.
Kyra verstand nicht warum.
„Warte!“, rief sie. „Du bist verletzte! Lass mich dir helfen!“
Es tat ihr weh zu sehen, wie er sich aufbäumte und Blut aus seiner Wunde floss, während es ihm nicht gelang, seinen gebrochenen Flügel zu strecken. Er war so riesig, dass er mit jeder Bewegung eine Schneewolke auf wirbelte und den Boden erzittern ließ. Er mühte sich ab, zu fliegen, doch es gelang ihm nicht.
„Wo willst du hin?“, fragte Kyra.
Theos wand sich und bäumte sich erneut auf, doch diesmal geriet er auf dem steilen Abhang ins Rollen und rollte auf den reißenden Fluss zu.
Hilflos und geschockt sah Kyra zu, wie der Drache in den Fluss stürzte.
„NEIN!“, schrie sie und rannte ihm hinterher.
Doch sie konnte nichts tun. Die Strömung trug Theos, der wild um sich schlug und kreischte, flussabwärts durch den Wald, bis sie ihn hinter einer Biegung aus den Augen verlor.
Kyra sah zu, wie er verschwand und es brach ihr das Herz. Sie hatte alles geopfert, ihr Leben, das Schicksal ihrer Leute, um dieses Tier zu retten – und nun war es verschwunden. Wozu war all das gut gewesen? War irgendetwas davon überhaupt real?
Kyra drehte sich um und betrachtete die toten Männer, die immer noch im Schnee lagen und den verwundeten Leo neben sich; sie berührte ihre Wange und spürte das Brennen, sah das Blut – und wusste, dass es real war. Sie hatte eine Begegnung mit einem Drachen überlebt und sie hatte fünf Männer des Lords getötet.
Sie wusste, dass nach dieser Nacht nichts mehr so war wie früher.
Kyra entdeckte die Spur der Pferde, die sich durch den Wald zog, und erinnerte sich an den Jungen, der losgeritten war, um seine Leute zu alarmieren. Sie wusste, dass die Männer des Lords das Fort angreifen würden.
Kyra drehte sich um und rannte in den Wald, dicht gefolgt von Leo, entschlossen, nach Volis zurückzugehen, um ihren Vater und seine Leute zu alarmieren – wenn es dafür nicht schon zu spät war.
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KAPITEL ZWÖLF
Vesuvius, König der Trolle und Herrscher über Marda, stand in der gigantischen Höhle unter der Erde auf einem Steinbalkon und betrachtete die Arbeit seiner Armee von Trollen dreißig Meter unter ihm. Tausende von Trollen arbeiteten in den Höhlen, schlugen mit Spitzhacken und Hämmern auf Erde und Fels ein. Endlose Reihen von Fackeln erhellten die Gänge, während Lavaströme den Boden durchzogen und die Höhle aufheizten, sodass die Trolle in der Hitze schwitzten und keuchten.
Vesuvius grinste breit. Sein Gesicht war grotesk, unförmig, doppelt so groß wie das eines Menschen, mit zwei langen Hauern, die wie Stoßzähne aus seinem Maul ragten und kleinen roten Knopfaugen, die es genossen, wenn andere litten. Er wollte, dass sein Volk schuftete, dass sie härter arbeiteten denn je, denn er wusste, dass er nur mit extremen Anstrengungen erreichen konnte, was seinem Vater und dessen Vorvätern nicht gelungen war. Gut doppelt so groß wie ein durchschnittlicher Troll und dreimal so groß wie ein Mensch, schien Vesuvius nur aus Muskeln und Zorn zu bestehen, und er wusste dass er anders war, wusste, dass er erreichen würde, was andere vor ihm nicht geschafft hatten. Er hatte einen ausgeheckt, der selbst seinen Vorfahren nicht eingefallen war, einen Plan, der seinem Land auf ewig Ruhm einbringen würde. Es würde der größte Tunnel werden, der je gebaut worden war, ein Tunnel, der sie unter den Flammen bis nach Escalon hinein bringen würde – und mit jedem Hammerschlag wurde der Tunnel ein wenig tiefer.
Nicht ein einziges Mal war es seinem Volk gelungen einen Weg durch die Flammen zu finden, durch den eine ganze Armee gehen konnte; einzelnen Trollen war es hier und da gelungen, durchzubrechen, doch die meisten starben dabei. Was Vesuvius brauchte, war eine ganze Armee von Trollen, die auf einmal die Grenze überschritt und Escalon ein für alle Mal vernichten würde. Sein Vater wusste nicht, wie er es anstellen sollte und hatte sich mit einem Leben hier in der Wildnis von Marda zufrieden gegeben. Doch nicht er. Er, Vesuvius, war weiser als sein Vater und seine Vorväter, stärker, entschlossener – und rücksichtsloser. Eines Tages war ihm beim Nachdenken eingefallen, dass er, wenn er schon nicht durch die Flammen hindurch gehen konnte, es vielleicht darunter möglich war.
Fasziniert von der Idee hatte er begonnen, seinen Plan in die Tat umzusetzen und seitdem keine Ruhe gegeben. Er hatte Tausende seiner Krieger und Sklaven herbeigerufen, um den größten Triumph des Trollkönigreichs zu bauen: einen Tunnel unter den Flammen hindurch.
Vesuvius sah höchst zufrieden zu, wie einer seiner Zuchtmeister einen menschlichen Sklaven auspeitschte, einen, den sie im Westen gefangen hatten, der an hunderte von anderen Sklaven gefesselt war. Der Mensch schrie auf und stürzte, und der Zuchtmeister schlug auf ihn ein, bis er starb. Vesuvius grinste zufrieden, als er sah, dass die anderen Menschen daraufhin noch härter arbeiteten. Seine Trolle waren fast doppelt so groß wie die Menschen und sahen, verglichen mit ihnen, grotesk aus. Mit schwellenden Muskeln und deformierten Gesichtern und einem Blutdurst, der schier unstillbar war. Er hatte festgestellt, dass die Menschen ein gutes Ventil für sein Volk war, um dort ihren angeborenen Zorn auszulassen.
Doch Vesuvius war immer noch frustriert, als er zusah: egal wie viele Menschen er versklavte, wie viele Krieger er zur Arbeit verpflichtete, egal wie hart er sie antrieb, wie sehr er seine eigenen Leute quälte oder tötete um sie zu motivieren, machten sie nur langsam Fortschritte. Der Fels war zu hart, die Aufgabe zu groß. Er wusste, dass mit diesem Tempo der Tunnel nie zu seinen Lebzeiten fertig werden, und sein Traum, Escalon zu besetzen nur ein Traum bleiben würde.
Natürlich war Marda mehr als groß genug für alle – doch nicht groß genug für Vesuvius. Er wollte alle Menschen töten und unterwerfen und sich nehmen, was ihnen gehörte, einfach so zu seinem Vergnügen. Er wollte alles. Und er wusste, dass er drastische Maßnahmen ergreifen musste, wenn er dieses Ziel erreichen wollte.
„Mein Herr und König?“, kam eine Stimme.
Vesuvius drehte sich um und sah einige seiner Krieger vor sich stehen in der unverkennbaren grünen Rüstung der Trolle. Ihr Wappen – der Kopf eines Bären, der einen Hund im Maul trug – prangte auf den Brustpanzern. Seine Männer senkten in Ehrerbietung die Köpfe, so es sich in seiner Gegenwart gehörte.
Vesuvius sah, dass sie einen Krieger festhielten, der eine verkohlte Rüstung trug, Brandwunden am ganzen Körper hatte, und über und über mit Ruß beschmiert war.
„Sprecht“, befahl er.
Langsam hoben sie ihre Köpfe und sahen ihn an.
„Wir haben ihn in Marda eingefangen, im Südwald“, berichtete einer. „Er wurde gefangen, als er von den Flammen zurückkehrte.“
Vesuvius musterte den gefangenen Krieger mit Abscheu. Jeden Tag schickte er Männer nach Westen auf die Mission, die Flammen zu durchqueren und auf der anderen Seite in Escalon herauszukommen. Wenn sie die Reise überlebten, hatten sie den Befehl, so viel Angst und Schrecken unter den Menschen zu verbreiten, wie sie konnten. Wenn sie das überlebten, war der nächste Befehl, die Türme zu finden und das Schwert des Feuers zu stehlen, die legendäre Waffe, die die Flammen brennen ließ. Die meisten seiner Trolle kehrten nie von dieser Reise zurück – sie starben entweder in den Flammen oder wurden schließlich von den Menschen in Escalon getötet. Es war eine Selbstmordmission. Sie hatten den Befehl, nie zurückzukehren – es sei denn mit dem Schwert in der Hand.
Doch immer wieder kam es vor, dass einer sich zurück schlich. Meistens waren diese Trolle entstellt von ihrer Reise durch die Flammen. Ohne Erfolg auf ihrer Mission versuchten sie dennoch ins sichere Marda zurückzukehren. Vesuvius konnte diese Trolle nicht ertragen – er betrachtete sie als Deserteure.
„Und welche Nachrichten bringst du aus dem Westen?“, fragte er. „Hast du das Schwert gefunden?“
Der Krieger schluckte schwer und sah verängstigt aus.
Langsam schüttelte er den Kopf.
„Nein, mein Herr und König“, sagte er mit gebrochener Stimme.
Vesuvius kochte vor Wut.
„Warum bist du dann nach Marda zurückgekehrt?“, fragte er.
Der Troll blickte zu Boden.
„Ich wurde von einer Gruppe von Menschen angegriffen“, sagte er. „Ich hatte Glück, dass ich entkommen konnte und es hierher zurück geschafft habe.“
„Doch warum bist du zurückgekommen?“, drängte Vesuvius.
Der Krieger sah ihn verwirrt und nervös an.
„Weil meine Mission beendet war, mein Herr und König.“
Vesuvius kochte.
„Deine Mission war es, das Schwert zu finden, oder beim Versuch, es zu finden, zu sterben!“
„Aber ich habe es durch die Flammen geschafft“, bettelte er. „Ich habe viele Menschen getötet! Und ich habe es zurück geschafft!“
„Und sag mir“, sagte Vesuvius freundlich, während er vortrat, dem Troll die Hand auf die Schulter legte und langsam mit ihm zum Rand des Balkons ging. „Hast du wirklich geglaubt, dass ich dich am Leben lasse, wenn du zurückkommst?“
Plötzlich packte Vesuvius den Troll am Rücken und warf ihn über die Brüstung.
Der Krieger schlug um sich und kreischte. Die Arbeiter unten hielten inne und beobachteten, wie er in die Tiefe stürzte. Als er am Boden aufschlug.
Die Arbeiter sahen Vesuvius an der böse zu ihnen herab starrte. Er wusste, dass das eine gute Erinnerung war, was mit jenen geschah, die ihn enttäuschten.
Schnell gingen die Trolle zurück an die Arbeit.
Vesuvius, der immer noch wütend war, und das Bedürfnis hatte, es an jemandem auszulassen, wandte sich vom Balkon ab und ging die steinerne Treppe hinab, die in den Fels gehauen war. Er wollte den Fortschritt mit eigenen Augen aus der Nähe sehen – und während er hier unten war, konnte er einen dieser erbärmlichen Sklaven zu Brei schlagen.
Je weiter er hinabstieg, desto heißer wurde es. Dutzende Krieger folgten ihm, als er über den Boden der Höhle spazierte, Lavaströmen und Horden von Arbeitern auswich. Die Trolle hielten inne, machten ihm Platz und verbeugten sich vor ihm.
Es war heiß hier unten, nicht nur von all den Trollen, die hier arbeiteten, sondern von den Lavaströmen, die die Höhle durchkreuzten und wie Bäche aus den Wänden flossen. Vesuvius marschierte durch die riesige Höhle, bis er schließlich den Eingang des Tunnels erreichte. Dreißig Metern breit und fünfzehn Metern hoch führte er in einem leichten Gefälle unter die Erde. Er war groß genug, eine Armee hindurchzuführen, wenn die Zeit dafür gekommen war. Eines Tages würden sie in Escalon einfallen, an die Oberfläche kommen und Tausende menschlicher Sklaven nehmen. Das wäre der schönste Tag seines Lebens. Vesuvius ging weiter, nahm einem Zuchtmeister die Peitsche ab und begann, um sich zu schlagen. Alle Arbeiter gingen eilig zurück ans Werk und schlugen auf den harten schwarzen Stein ein, bis es staubte. Dann ging er zu den menschlichen Sklaven, Männern und Frauen, die sie aus Escalon entführt hatten. Das waren die Missionen, die er am liebsten hatte – Missionen, die nur darauf ausgelegt waren, den Westen zu terrorisieren. Die meisten Menschen starben auf dem Weg zurück, doch genug von ihnen überlebten. Und selbst wenn sie entstellt oder verstümmelt waren, konnten sie noch bis zum Tod im Tunnel arbeiten.
Vesuvius sah sie an. Er warf einem Mann die Peitsche zu und deutete auf eine Frau.
„Töte sie!“, befahl er.
Der Mensch stand zitternd vor ihm und schüttelte schwach den Kopf.
Vesuvius nahm ihm die Peitsche wieder ab und schlug stattdessen auf ihn ein, bis er schließlich tot am Boden lag.
Die anderen arbeiteten weiter und wichen seinem Blick aus, während Vesuvius schwer atmend die Peitsche von sich warf und wieder in Richtung des Tunneleingangs blickte. Es war, als sah er seinem Erzfeind in die Augen. Es war ein halbfertiges Unternehmen, das nirgendwo hin führte. Es ging einfach viel zu langsam voran.
„Mein Herr und König“, hörte er eine Stimme hinter sich.
Vesuvius drehte sich um und sah mehrere Krieger der Mantra, seiner Eliteeinheit, ganz in Schwarz und Grün gekleidet, den Farben seiner besten Krieger. Sie standen stolz da und hielten ihre Hellebarden neben sich. Sie waren die wenigen Trolle, die sich Vesuvius Respekt verdient hatten, und sie zu sehen, ließ sein Herz schneller schlagen, denn es konnte nur eines bedeuten: sie brachten Neuigkeiten.
Vesuvius hatte die Mantra vor vielen Monden auf eine Mission geschickt, den Riesen zu finden, der im Großen Wald lauerte, von dem man sagte, dass er Tausende von Trollen getötet hatte.
Er träumte davon, den Reisen zu fangen, ihn hierher zu bringen und seine Muskelkraft zu nutzen, um den Tunnel fertigzustellen. Vesuvius hatte eine Mission nach der anderen losgeschickt, und keiner der Trolle war zurückgekehrt. Man hatte sie alle tot aufgefunden, vom Riesen getötet.
Als Vesuvius diese Trolle ansah, schlug sein Herz vor Hoffnung schneller.
„Sprecht“, befahl er.
„Mein Lord und König, wir haben den Riesen gefunden“, berichtete einer. „Wir haben ihn in die Enge getrieben und erwarten deinen Befehl.“
Vesuvius grinste. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit war er zufrieden. Sein Lächeln breitete sich über sein ganzes Gesicht aus, als sich der Plan in seinem Kopf festigte. Endlich würde alles möglich sein, endlich wuchsen seine Chancen, die Flammen wirklich zu überwinden.
Er starrte den Troll entschlossen an, bereit zu tun, was getan werden musste.
„Bringt mich zu ihm!“
KAPITEL DREIZEHN
Kyra stolperte durch den Schnee, der ihr nun bis über die Knie reichte, auf der Wanderung durch den Dornenwald. Sie stützte sich schwer auf ihren Stab auf dem Weg durch den Blizzard. Der Sturm tobte jetzt so heftig, dass er sogar durch das dichte Geäst des Waldes hindurch kam und die riesigen Bäume und ihre Äste verbog. Windböen wehten ihr ins Gesicht und erschwerten die Sicht. Während der Wind immer stärker wurde, kostete es sie unglaubliche Kraft auch nur ein paar Schritte zu gehen.
Der blutrote Mond war lange verschwunden, verschluckt vom Sturm, und sie hatte nichts, woran sie sich orientieren konnte. Alles was ihr blieb war die tröstende Anwesenheit des verletzten Leo, der langsam neben ihr her ging und sich immer wieder an sie lehnte. Mit jedem Schritt schien sie tiefer einzusinken und sie fragte sich, ob sie überhaupt vorankam. Sie spürte, wie wichtig es war, zu ihren Leuten zurückzukommen, sie zu warnen, und das machte jeden Schritt nur noch frustrierender.
Kyra blickte auf und blinzelte gegen den Wind, in der Hoffnung, irgendwo in der Ferne etwas zu sehen, woran sie sich orientieren konnte; doch da war nichts. Sie war im weißen Nichts verloren. Ihre Wange brannte vom Kratzer des Drachen. Sie berührte sie und sah das Blut auf ihrer Hand. Ihre Wange pochte, als hätte der Drache sie mit irgendetwas infiziert.
Als ein besonders starker Windstoß sie zurückwarf, erkannte Kyra schließlich, dass sie nicht weitergehen konnte; sie mussten einen Unterschlupf finden. Sie wollte Volis unbedingt vor den Männern des Lords erreichen, doch sie wusste, dass sie es nicht überleben würde, wenn sie in diesem Wetter weiterging. Ihr einziger Trost war dass die Männer des Lords bei diesem Wetter nicht angreifen konnten – falls es der Knappe überhaupt bis nach Hause geschafft hatte.
Kyra sah sich nach einem Unterschlupf um – doch sie konnte keinen finden. Um sich herum sah sie nichts als Schnee und der Wind heulte so laut, dass sie kaum denken konnte. Panik stieg in Kyra auf und sie stellte sich vor, wie man sie und Leo hier draußen erfroren finden würde. Sie wusste, wenn sie nicht bald etwas fand, mussten sie beide sterben. Sie war verzweifelt. Von allen Nächten hatte sie sich ausgerechnet die schlimmste ausgesucht, um Volis zu verlassen.
Als ob Leo spürte, was sie vorhatte, begann er zu winseln, drehte sich um und rannte plötzlich los. Er rannte über die Lichtung und als er das andere Ende erreichte, begann er wie wild in einen Schneehügel hinein zu graben.
Kyra sah verwundert zu, während Leo jaulte und wie wild tiefer und tiefer in den Schnee grub. Sie fragte, was er gefunden hatte. Schließlich brach er ein und überrascht sah sie, dass er eine kleine Höhle gefunden hatte, die in einem riesige Felsblock lag. Ihr Herz schlug schneller. Sie rannte zu ihm hinüber und sah, dass sie groß genug war, um beiden Schutz zu bieten – und sie war trocken und vor dem Wind geschützt.
Sie beugte sich zu Leo hinunter und küsste seinen Kopf.
„Du hast es geschafft, mein Junge!“
Er leckte ihr glücklich das Gesicht.
Sie kroch in die Höhle und zog Leo an sich heran. Drinnen war sie sofort erleichtert. Endlich war es ruhig; das Heulen des Windes drang nur gedämpft hinein, endlich brannte die Kälte nicht mehr in ihrem Gesicht und es war trocken. Sie hatte das Gefühl endlich wieder atmen zu können.
Auf Kiefernnadeln kroch sie weiter in die Höhle, bis sie schließlich die Rückwand erreichte. Sie lehnte sich an die Wand und sah nach draußen. Gelegentlich wehte etwas Schnee hinein, doch ein Großteil der Höhle war trocken. Zum ersten Mal, seitdem sie das Fort verlassen hatte, konnte sie sich entspannen.
Leo rollte sich neben ihr zusammen und legte seinen Kopf auf ihren Schoß. Sie schmiegte sich an ihn und versuchte, sich zu wärmen. Sie wischte die Schneeflocken von seinem Fell und ihrem Mantel und untersuchte seine Wunde. Zum Glück war sie nicht tief, doch als Kyra den Schnee benutzte, um sie zu reinigen, winselte er.
„Schhhh“, sagte sie.
Sie griff in ihre Tasche und gab ihm das letzte Stück getrockneten Fleischs, das er gierig verschlang.
Als sie sich zurücklehnte und dem Wind draußen lauschte und zusah, wie der Schnee sich wieder vor dem Höhleneingang auftürmte, hatte sie das Gefühl, dass dies das Ende der Welt war. Sie schloss die Augen, denn sie war hundemüde, kalt und musste sich dringend ausruhen, doch der pochende Kratzer auf ihrer Wange hielt sie wach.
Irgendwann wurde ihre Lider schwer und fielen zu. Die Kiefernnadeln unter ihr boten ein seltsam bequemes Lage und bald gab sie sich der süßen Umarmung des Schlafs hin.
*
Kyra flog auf dem Rücken des Drachens und klammerte sich fest. Sie flogen schneller, als sie es je für möglich gehalten hätte begleitet von seinem Kreischen. Seine Flügel waren so groß und prächtig und sie schienen noch zu wachsen, als sie sie betrachtete und sich über die ganze Welt auszudehnen.
Als sie nach unten blickte, drehte sich ihr Magen, als sie die sanften Hügel von Volis entdeckte. Sie hatte sie noch nie zuvor aus dieser Höhe gesehen. Sie flogen über saftig grüne Hügel, Wälder, gurgelnde Flüsse und fruchtbare Weinberge. Es war bekanntes Gebiet und bald erkannte Kyra das Fort ihres Vaters, vor dem die Schafe weideten.
Doch als der Drachen hinabtauchte, spürte Kyra sofort, dass etwas nicht stimmte. Rauch stieg auf- nicht der weiße Rauch der Kamine, sondern dicker, schwarzer Rauch. Als sie genauer hinsah, bemerkte sie mit Schrecken, dass die Festung ihres Vaters in Flammen stand. Sie sah die Armee von Männern des Lords, die sich bis zum Horizont erstreckte und das Fort umzingelt hatte. Als sie die Schreie hörte, wusste sie, dass alle, die sie kannte und liebte abgeschlachtet wurden.
„NEIN!“, wollte sie schreien, doch die Worte blieben ihr im Halse stecken.
Der Drache beugte seinen Hals, drehte seinen Kopf zu ihr um und sah ihr in die Augen. Kyra war überrascht zu sehen, dass es derselbe Drache war, den sie vor den Männern des Lords gerettet hatte. Theos.
Du hast mich gerettet, hörte sie ihn sagen. Und jetzt werde ich dich retten. Wir sind jetzt eins, Kyra. Wir sind eins.
Plötzlich machte Theos eine scharfe Wende und Kyra verlor den Hals und stürzte ab.
„NEIN!“, schrie sie.
Kyra fuhr schreiend in der Dunkelheit hoch und wusste nicht, wo sie war. Schwer atmend sah sie sich um, bis es ihr schließlich wieder einfiel: sie war in einer Höhle.
Leo winselte neben ihr und leckte ihre Hand. Sie atmete tief durch und versuchte, etwas zu sehen. Es war noch immer dunkel draußen, und der Sturm tobte noch immer. Das Pochen in ihrer Wange war noch schlimmer geworden und als sie sie mit ihren Fingern berührte spürte sie frisches Blut. Sie fragte sich, ob sie jemals aufhören würde, zu bluten.
„Kyra!“, rief eine Stimme, und es klang eher wie ein Flüstern.
Kyra spähte erschrocken in die Dunkelheit, und fragte sich, wer hier mit ihr in der Höhle war.
Sie blickte auf und sah eine Gestalt über sich stehen. Er trug eine lange schwarze Kutte, einen Mantel und einen Stab; er schien ein älterer Mann zu sein, denn unter seiner Kapuze kam weißes Haar zum Vorschein. Sein Stab begann zu glühen und warf ein sanftes Licht über die Höhle.
„Wer bist du?“, fragte sie, und setzte sich wachsam auf. „Wie bist du hierhergekommen?“
Er trat auf sie zu, und sie wollte sein Gesicht sehen, doch es lag immer noch im Schatten.
„Wonach suchst du?“, fragte er, und seine alte Stimme ließ sie entspannen.
Sie dachte darüber nach und versuchte zu verstehen.
„Ich möchte frei sein“, sagte sie. „Und ich möchte eine Kriegerin sein.“
Langsam schüttelte er den Kopf.
„Du vergisst dabei etwas“, sagte er. „Das Wichtigste von allem. Was suchst du?“
Kyra sah ihn verwirrt an.
Schließlich trat er noch einen Schritt auf sie zu.
„Du suchst dein Schicksal.“
Kyra staunte über seine Worte.
„Und mehr noch“, sagte er. „Du willst wissen, wer du bist.“
Wieder trat er einen Schritt auf sie zu, so nahe jetzt, doch sein Gesicht lag immer noch im Schatten.
„Wer bist du Kyra?“, fragte er.
Sie starrte ihn verblüfft an, und wollte antworten, doch in diesem Augenblick wusste sie es nicht. Sie war sich nicht mehr sicher.
„Wer bist du?“, fragte er so laut, dass es ihr in den Ohren wehtat und von den Wänden widerhallte.
Kyra hob die Hände schützend vors Gesicht als er näher kam.
Sie blinzelte, und als sie die Augen wieder öffnete, erschrak sie, als er verschwunden war. Sie konnte nicht verstehen, was geschah. Langsam senkte sie ihre Hände und wusste, dass sie diesmal vollkommen wach war.
Helles Sonnenlicht, das vom Schnee reflektiert wurde, fiel in die Höhle. Sie blinzelte desorientiert und versuchte, sich zu sammeln. Der tosende Sturm war verschwunden und es hatte aufgehört zu schneien. Stattdessen lag hinter dem halb verschneiten Eingang zu ihrer Höhle ein leuchtend blauer Himmel und die Vögel sangen in den Bäumen. Es war, als wäre die Welt neu geboren worden.
Kyra konnte es kaum fassen: sie hatte die Nacht überlebt.
Leo begann, ihr ungeduldig am Hosenbein zu zerren.
Immer noch desorientiert stand Kyra langsam auf und ihr wurde schwindelig vor Schmerzen.
Ihr tat nicht nur der ganze Körper vom Kämpfen weh, von den Schlägen, die sie hatte einstecken müssen. Viel schlimmer war ihre Wange – der Kratzer brannte wie Feuer. Sie erinnerte sich an die Krallen des Drachens und betastete die Wunde. Auch wenn es nur ein Kratzer war, war die Wunde immer noch feucht und wollte nicht aufhören zu bluten.
Als sie aufstand war ihr schwindelig, und sie war sich nicht sicher, ob es von der Erschöpfung war, vom Hunger, oder vom Kratzer des Drachen. Sie ging auf wackeligen Beinen und fühlte sich benommen, als sie Leo folgte, der sie ungeduldig aus der Höhle führte.
Kyra bückte sich durch den Eingang und trat hinaus in die blendend weiße Welt. Sie hob ihre Hand vor Augen, denn sie hatte das Gefühl, ihr Kopf wollte zerspringen. Es war deutlich wärmer geworden, der Wind wehte nicht mehr, die Vögel sangen und die Sonne drang bis zum Boden der Lichtung hinab. Sie hörte ein Geräusch uns sah, wie sich ein riesiger Klumpen Schnee von einer der Kiefern löste und zu Boden fiel. Als sie den Blick senkte sah sie, dass der Schnee ihr bis zu den Oberschenkeln reichte.
Leo ging voraus, tollte durch den Schnee zurück in Richtung Volis, dessen war sie sich sicher. Sie folgte ihm und konnte nur mühsam mithalten.
Jeder Schritt fiel ihr schwer. Sie rieb sich die Augen, denn sie hatte das Gefühl, immer mehr zu schwanken. Das Blut pulsierte in ihrer Wange und sie fragte sich, ob die Wunde infiziert war. Sie spürte, dass sich etwas veränderte. Sie konnte nicht erklären was es war, doch sie hatte das Gefühl, als ob das Blut des Drachen durch ihre Adern rauschte.
„Kyra!“, hörte sie einen Schrei aus der Ferne, als käme er aus einer anderen Welt. Mehrere andere Stimmen folgten, riefen ihren Namen, doch sie wurden vom Schnee und den Bäumen gedämpft.
Sie brauchte eine Weile, bis sie die Stimmen erkannte: das waren die Männer ihres Vaters. Sie waren hier draußen auf der Suche nach ihr.
Kyra spürte eine Welle der Erleichterung.
„Hier!“, rief sie, doch ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. In diesem Augenblick bemerkte sie, wie schwach sie war. Ihre Wunde hatte etwas in ihr ausgelöst, was sie nicht verstehen konnte.
Plötzlich gaben ihre Knie unter ihr nach und Kyra fiel in den Schnee.
Leo heulte auf, dann rannte er den fernen Stimmen entgegen.
Sie wollte ihn rufen, sie wollte die Stimmen rufen, doch sie war zu schwach. Sie lag im tiefen Schnee, und blickte in eine schneeweiße Welt, der blendenden Wintersonne entgegen. Sie schloss die Augen und konnte sich dem Schlaf nicht länger wiedersetzen, der sie davontrug.