Kitabı oku: «Queste der Helden», sayfa 13

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KAPITEL ACHTZEHN

Thor öffnete langsam seine Augen, zunächst noch schwindlig, unsicher, wo er war. Er lag auf Stroh und fragte sich einen Moment lang, ob er in der Kaserne zurück war. Er stemmte sich auf einen Ellbogen, aufmerksam geworden, auf der Suche nach den anderen.

Er war irgendwo anders. Dem Anschein nach war er in einem sehr aufwändig gestalteten Raum aus Stein. Es sah aus, als wäre er in einer Burg. Einer königlichen Burg.

Bevor er es noch ganz zusammenfügen konnte, öffnete sich mit einem Schwung eine große Eichentüre, und Reece spazierte herein. In der Ferne konnte Thor den gedämpften Lärm einer Menschenmenge hören.

„Endlich, er lebt“, verkündete Reece mit einem Lächeln, als er nach vorne eilte, Thors Hand packte und ihn auf die Füße zerrte.

Thor hob eine Hand zum Kopf und versuchte, seine schrecklichen Kopfschmerzen davon abzuhalten, zu schnell hochzusteigen.

„Komm schon, ab mit uns, alle warten schon auf dich“, drängte er und zerrte an Thor.

„Bitte warte eine Minute“, sagte Thor und versuchte, sich zu sammeln. „Wo bin ich? Was ist passiert?“

„Wir sind zurück in Königshof—und du wirst gleich als Held des Tages gefeiert!“, sagte Reece fröhlich, als sie auf die Tür zugingen.

„Held? Was meinst du damit? Und...wie bin ich hier hergekommen?“, fragte er und versuchte, sich zu erinnern.

„Die Bestie hat dich bewusstlos geschlagen. Du warst eine ganze Weile weg. Wir mussten dich zurück über die Canyon-Brücke tragen. Ziemlich dramatisch. Nicht gerade das, wie ich mir meine Rückkehr auf die andere Seite vorgestellt habe!“, sagte er mit einem Lachen.

Sie gingen hinaus in die Korridore der Burg, und Thor sah alle möglichen Leute—Frauen, Männer, Knappen, Wachen, Ritter—ihn anstarren, als hätten sie darauf gewartet, dass er erwachte. Er sah auch etwas Neues in ihren Augen, so etwas wie Respekt. Es war das erste Mal, dass er so etwas sah. Bisher hatte ihn jeder noch am ehesten mit etwas wie Missachtung angesehen—jetzt sahen sie ihn an, als wäre er einer von ihnen.

„Was genau ist passiert?“ Thor zermarterte sich das Gehirn beim Versuch, sich zu erinnern.

„Weißt du denn gar nichts mehr?“, fragte Reece.

Thor versuchte, nachzudenken.

„Ich weiß noch, dass ich in den Wald gelaufen bin. Mit der Bestie gekämpft habe. Und dann...“ Da war gar nichts.

„Du hast Elden das Leben gerettet“, sagte Reece. „Du bist furchtlos in den Wald gelaufen, ganz alleine. Ich weiß nicht, warum du deine Kraft darauf verschwendet hast, diesem Pinkel das Leben zu retten. Aber das hast du. Der König ist sehr, sehr zufrieden mit dir. Nicht, weil er sich um Elden schert. Aber deine Tapferkeit bedeutet ihm sehr viel. Er liebt Feierlichkeiten. Es ist ihm wichtig, Geschichten wie diese zu feiern, um andere zu inspirieren. Und es lässt den König gut dastehen, und die Legion auch. Er möchte es feiern. Du bist hier, weil er dir eine Belohnung überreichen möchte.“

„Mir, eine Belohnung?“, fragte Thor verblüfft. „Aber ich habe doch nichts getan!“

„Du hast Elden das Leben gerettet.“

„Ich habe nur reagiert. Ich habe nur getan, was sich natürlich angefühlt hat.“

„Und genau dafür möchte der König dich belohnen.“

Thor war dies peinlich. Er dachte nicht, dass seine Handlungen eine Belohnung verdienten. Immerhin wäre Thor jetzt tot, wenn Erec nicht gewesen wäre. Thor dachte darüber nach, und wieder einmal füllte sich sein Herz mit Dankbarkeit für Erec. Er hoffte, dass er es ihm eines Tages vergelten könnte.

„Aber was ist mit unserem Patrouillendienst?“, fragte Thor. „Wir haben ihn nicht zu Ende gebracht.“

Reece legte eine beruhigende Hand auf seine Schulter.

„Freund, du hast einem Jungen das Leben gerettet. Einem Legionär. Das ist wichtiger als unsere Patrouille.“ Reece lachte. „Soviel also zu einer ereignislosen ersten Patrouille!“, setzte er hinzu.

Sie kamen ans Ende eines weiteren Korridors, zwei Wachen öffneten ihnen eine Tür, und Thor blinzelte, als er sich in einem königlichen Saal wiederfand. Es mussten gut hundert Ritter sein, die im Raum verteilt standen, mit seinem hoch aufragenden Dom-Gewölbe, Buntglas-Fenstern, und Waffen und Rüstungen, die rundum wie Trophäen an den Wänden hingen. Der Waffensaal. Es war der Versammlungsraum für alle großen Krieger, alle Männer der Silbernen. Thors Herz raste, als er die Mauern betrachtete, all die berühmten Waffen, die Rüstungen von heldenhaften und legendären Rittern. Thor hatte sein ganzes Leben lang schon Gerüchte über diesen Ort gehört. Es war sein Traum gewesen, ihn eines Tages mit eigenen Augen zu sehen. Üblicherweise war es Knappen nicht erlaubt, hier zu sein—niemandem außer den Silbernen.

Was noch überraschender war: als er eintrat, drehten sich von allen Seiten echte Ritter um, um ihn—ihn—anzusehen. Und sie trugen einen Ausdruck von Bewunderung auf dem Gesicht. Thor hatte noch nie so viele Ritter in einem Raum gesehen, und hatte sich noch nie so akzeptiert gefühlt. Es war, als hätte er einen Traum betreten. Besonders, da er Augenblicke zuvor noch fest geschlafen hatte.

Reece war Thors entgeisterter Gesichtsausdruck scheinbar aufgefallen.

„Die Feinsten unter den Silbernen haben sich hier versammelt, um dich zu ehren.“

Thor fühlte, wie Stolz und Unglaube in ihm aufstieg. „Mich ehren? Aber ich habe doch nichts getan.“

„Falsch“, kam eine Stimme.

Thor drehte sich um und spürte, wie eine schwere Hand sich auf seine Schulter legte. Es war Erec, der auf ihn hinuntergrinste.

„Du hast Tapferkeit und Ehre und Mut bewiesen, die über das hinausgingen, was von dir verlangt wurde. Du hast fast dein Leben dafür gegeben, um einen deiner Brüder zu retten. Das ist es, was wir von der Legion wollen, und das ist es, was wir von den Silbernen verlangen.“

„Ihr habt mein Leben gerettet“, sagte Thor zu Erec. „Wenn Ihr nicht gewesen wärt, hätte mich diese Bestie getötet. Ich weiß nicht, wie ich Euch danken kann.“

Erec grinste zu ihm hinunter.

„Das hast du doch schon“, antwortete er. „Hast du das Turnier vergessen? Ich würde sagen, wir sind quitt.“

Thor marschierte den Gang zu König MacGils Thron hinunter, der am anderen Ende des Saales stand, mit Reece an einer Seite und Erec auf der anderen. Er spürte hunderte Augen auf ihm, und es fühlte sich alles wie ein Traum an.

Um den König herum standen seine dutzenden Ratgeber, zusammen mit seinem ältesten Sohn, Kendrick. Als Thor sich näherte, schwoll sein Herz voll Stolz an. Er konnte kaum glauben, dass der König ihm eine weitere Audienz gewährte—und dass so viele wichtige Männer anwesend waren, um dem beizuwohnen.

Sie erreichten den Thron des Königs, MacGil erhob sich, und ein gedämpftes Flüstern legte sich über den Raum. MacGils nachdenklicher Gesichtsausdruck wandelte sich in ein breites Lächeln, als er drei Schritte nach vorne machte und ihn, sehr zu Thors Überraschung, umarmte.

Tosender Jubel erfüllte den Raum.

Er lehnte sich zurück, hielt Thor fest an den Schultern und grinste ihn an.

„Du hast der Legion wohl gedient“, sagte er.

Ein Diener reichte dem König einen Kelch, den er erhob. Mit lauter Stimme rief er aus:

„AUF DIE TAPFERKEIT!“

„AUF DIE TAPFERKEIT!“, riefen die hunderten Männer im Saal als Antwort zurück. Ein aufgeregtes Raunen folgte, dann wurde der Saal wieder ruhig.

„Zu Ehren deiner heutigen Heldentaten“, dröhnte der König, „gewähre ich dir ein großes Geschenk.“

Der König machte eine Geste und ein Bediensteter trat vor, mit einem langen schwarzen Lederhandschuh, auf dem ein prächtiger Falke saß. Der Vogel drehte sich um und blickte Thor geradewegs an—als würde er ihn kennen.

Es verschlug Thor den Atem. Es war genau der gleiche Falke wie in seinem Traum, mit seinem silbernen Körper und der einzelnen schwarzen Linie, die seine Stirn hinunter lief.

„Der Falke ist das Symbol unseres Königreichs und unserer königlichen Familie“, dröhnte MacGil. „Er ist ein Raubvogel voll Stolz und Ehre. Und doch ist er auch ein Vogel von Geschicklichkeit und Raffinesse. Er ist loyal und entschlossen, und er erhebt sich über alle anderen Tiere. Er ist auch eine geheiligte Kreatur. Es heißt, dass der, der einen Falken sein Eigen nennt, auch dessen Eigen ist. Er wird dich auf allen deinen Wegen leiten. Er wird dich verlassen, doch er wird stets zurückkommen. Und nun gehört er dir.“

Der Falkner trat vor, stülpte einen schweren Kettenhandschuh über Thors Hand und Unterarm, und setzte dann den Vogel darauf. Thor fühlte sich wie geladen, als er auf seinem Arm saß. Er konnte sich kaum bewegen. Er war verblüfft von seinem Gewicht; es war anstrengend, stillzuhalten, während er sich auf seinem Arm bewegte. Er fühlte, wie seine Krallen sich eingruben, doch zum Glück fühlte er nur Druck, da er vom Handschuh geschützt war. Der Vogel drehte sich um, starrte ihn direkt an, und kreischte. Thor fühlte, wie er in seine Augen blickte, und er spürte eine geheimnisvolle Verbindung zu dem Tier. Er wusste einfach, dass er für alle Tage bei ihm bleiben würde.

„Und welchen Namen wirst du ihr geben?“, fragte der König in die schwere Stille im Raum.

Thor zermarterte sich das Gehirn, das zu erstarrt war, um richtig zu arbeiten.

Er versuchte, rasch zu denken. Er rief sich alle Namen von allen ruhmreichen Kriegern des Königreichs ins Gedächtnis. Er blickte sich um und suchte die Wände ab, und erblickte eine Reihe an Plaketten mit den Namen aller Schlachten, aller Orte im Königreich. Seine Augen blieben an einem bestimmten Ort hängen. Es war ein Ort innerhalb des Rings, den er nie besucht hatte, von dem er aber immer gehört hatte, dass es ein geheimnisvoller, kraftvoller Ort war. Es klang richtig in seinen Ohren.

„Sie soll Estopheles heißen“, rief Thor aus.

„Estopheles!“, wiederholte die Menge und klang erfreut.

Der Falke kreischte, wie zur Antwort.

Auf einmal flatterte Estopheles mit den Flügeln und flog hoch hinauf, bis an die Spitze der Gewölbe-Decke, und durch ein offenes Fenster hinaus. Thor sah ihr nach.

„Keine Sorge“, sagte der Falkner, „sie wird stets zu dir zurückkehren.“

Thor drehte sich zum König um. Er hatte noch nie in seinem Leben ein Geschenk erhalten, geschweige denn eines von solcher Größe. Er wusste kaum, was er sagen sollte, wie er ihm danken konnte. Er war überwältigt.

„Mein Herr“, sagte er und senkte seinen Kopf. „Ich weiß nicht, wie ich Euch danken soll.“

„Das hast du bereits“, sagte MacGil.

Die Menge jubelte, und die Spannung im Raum war gebrochen. Eine herzhafte Unterhaltung entstand unter den Männern, und so viele Ritter kamen auf Thor zu, dass er kaum wusste, wohin er sich wenden sollte.

„Das ist Algod aus der Ostprovinz“, sagte Reece, der ihn einem von ihnen vorstellte.

„Und das ist Kamera, aus dem Niedermoor.... Und das Basikold von der Nordfeste....“

Schon bald verschwammen die Namen in seinem Kopf. Thor war überwältigt. Er konnte kaum glauben, dass ihn alle diese Ritter kennenlernen wollten. Er hatte sich noch nie in seinem Leben so akzeptiert oder geehrt gefühlt, und er hatte das Gefühl, dass so ein Tag nie wieder kommen würde. Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte er etwas wie seinen eigenen Wert.

Und er konnte nicht aufhören, an Estopheles zu denken.

Als Thor sich hierhin und dahin drehte, Leute grüßte, deren Namen an ihm vorbeizogen, Namen, die er kaum erfassen konnte, eilte ein Bote herüber, der zwischen den Rittern durch zu ihm schlüpfte. Er hielt eine kleine Schriftrolle, die er Thor in die Hand drückte.

Thor rollte sie auf und las in feiner, zierlicher Schrift:

Triff dich mit mir im hinteren Hof. Hinter dem Tor.

Thor konnte einen zarten Duft riechen, den die rosafarbene Rolle verströmte, und versuchte verdutzt, dahinterzukommen, von wem sie sein konnte. Sie trug keine Unterschrift.

Reece beugte sich vor, las über seine Schulter mit und lachte.

„Es sieht aus, als hätte meine Schwester Gefallen an dir gefunden“, sagte er lächelnd. „Ich würde gehen, wenn ich du wäre. Sie hasst es, warten zu müssen.“

Thor fühlte, wie er rot anlief.

„Der hintere Hof liegt hinter diesen Türen. Beeil dich. Es soll vorkommen, dass sie ihre Meinung schnell ändert“, lächelte Reece, als er ihn ansah. „Und ich hätte dich liebend gern in meiner Familie.“

KAPITEL NEUNZEHN

Thor versuchte, sich an Reeces Wegbeschreibung zu halten, während er sich seinen Weg durch die vor Leuten wimmelnde Burg bahnte; doch es war nicht einfach. Die Burg hatte zu viele Ecken und Winkel, zu viele versteckte Hintertüren und zu viele lange Korridore, die immer nur zu noch mehr Korridoren zu führen schienen.

Er ging im Kopf noch einmal Reeces Beschreibung durch, als er eine weitere kleine Treppe hinunterlief, in einen weiteren Korridor abbog, und endlich vor einer kleinen gewölbten Tür mit einem roten Knauf zu stehen kam—die, von der Reece gesprochen hatte—und sie aufdrückte.

Thor eilte hinaus und wurde vom starken Licht des Sommertages erwischt; es fühlte sich gut an, draußen zu sein, raus aus der stickigen Burg; frische Luft zu atmen, mit der Sonne auf dem Gesicht. Er kniff die Augen zusammen, während sie sich an das grelle Licht gewöhnten, und genoss den Anblick: vor ihm erstreckten sich die königlichen Gärten, so weit das Auge reichte; fein getrimmte Hecken in den unterschiedlichsten Formen, die hübsche Reihen an Gärten bildeten, zwischen denen sich Pfade schlängelten. Es gab Brunnen, ungewöhnliche Bäume, Obsthaine voll von Frühsommer-Früchten, und Felder an Blumen in jeder Größe und Farbe und Form. Der Anblick verschlug ihm den Atem. Es war, als würde man ein Gemälde betreten.

Mit klopfendem Herzen blickte sich Thor überall nach einem Zeichen von Gwendolyn um. Dieser Hinterhof war menschenleer, und Thor nahm an, dass er wahrscheinlich für die königliche Familie reserviert war, von der Öffentlichkeit abgeschirmt durch hohe steinerne Gartenmauern. Und doch konnte er sie nirgendwo entdecken.

Er fragte sich, ob ihre Nachricht ein Schwindel war. Das muss es wohl gewesen sein. Wahrscheinlich machte sie sich nur über ihn lustig, den Bauerntölpel, und genoss einen Scherz auf seine Kosten. Immerhin, wie konnte jemand von ihrem Status sich ernsthaft für ihn interessieren?

Thor las noch einmal ihre Nachricht und rollte sie dann beschämt ein. Er war zum Affen gehalten worden. Was für ein Narr er doch gewesen war, sich solche Hoffnungen zu machen. Er war tief verletzt.

Thor kehrte um und wollte schon wieder mit gesenktem Kopf zurück in die Burg gehen. Als er gerade die Tür erreicht hatte, erklang eine Stimme.

„Und wohin willst du denn nun?“, kam die fröhliche Stimme. Sie klang wie Vogelgesang.

Thor fragte sich, ob er es sich nur einbildete. Er wirbelte herum, suchte, und da war sie, im Schatten unter der Burgmauer sitzend. Sie lächelte zurück, in ihre feinsten königlichen Kleider gehüllt, Lagen aus weißem Satin mit rosafarbener Borte. Sie war noch viel schöner, als er sie in Erinnerung hatte.

Sie war es. Gwendolyn. Das Mädchen, von dem Thor geträumt hatte, seit sie einander begegnet waren, mit ihren mandelförmigen blauen Augen und dem langen rötlichen Haar, mit ihrem Lächeln, das sein Herz entflammte. Sie trug einen großen Hut in Weiß und Rosa, der sie vor der Sonne schützte, und dahinter funkelten ihre Augen. Einen Moment lang wollte er sich umdrehen, um sich zu vergewissern, dass niemand hinter ihm stand.

„Ähm...“, begann Thor. „Ich...ähm...weiß nicht. Ich...ähm...war auf dem Weg hinein.“

Wieder einmal fand er sich in ihrer Gegenwart völlig aus der Bahn geworfen, hatte Schwierigkeiten, seine Gedanken zu sammeln und auszudrücken.

Sie lachte, und es war der schönste Klang, den er je gehört hatte.

„Und warum solltest du das denn tun?“, fragte sie verspielt. „Du bist doch gerade erst angekommen.“

Thor war ganz durcheinander. Er fand keine Worte.

„Ich...ähm...habe dich nicht gesehen“, sagte er beschämt.

Sie lachte wieder.

„Nun, ich bin genau hier. Möchtest du nicht herkommen und mich holen?“

Sie streckte eine Hand aus; Thor eilte hinüber, beugte sich zu ihr hinunter und nahm ihre Hand. Er war elektrisiert von der Berührung ihrer Haut, so glatt und weich; ihre zierliche Hand passte genau in seine. Sie sah zu ihm auf und ließ ihre Hand eine Weile dort ruhen, bevor sie sich langsam erhob. Er liebte das Gefühl ihrer Fingerspitzen auf seiner Handfläche und hoffte, sie würde sie nie mehr von dort wegziehen.

Sie zog die Hand zurück und hakte ihren Arm dann unter seinen ein. Sie führte ihn an den gewundenen Pfad vor ihnen und begann ihren Spaziergang. Sie schlenderten einen schmalen Pfad aus Pflastersteinen entlang und waren bald in einem Labyrinth an Hecken angelangt, vor Blicken von außen geschützt.

Thor war nervös. Vielleicht würde er, aus dem gemeinen Volk, in Schwierigkeiten geraten, wenn er so mit der Tochter des Königs spazierte. Er fühlte, wie seine Stirn in leichten Schweiß ausbrach und wusste nicht, ob es von der Hitze kam, oder von ihrer Berührung.

Er war nicht sicher, was er sagen sollte.

„Du hast hier für einiges an Aufruhr gesorgt, nicht wahr?“, fragte sie mit einem Lächeln. Er war ihr dankbar, dass sie das ungemütliche Schweigen brach.

Thor zuckte die Schultern. „Es tut mir leid. Es war nicht meine Absicht.“

Sie lachte. „Und warum solltest du es nicht beabsichtigen? Ist es nicht gut, für Aufruhr zu sorgen?“

Thor saß fest. Er wusste kaum, was er darauf antworten sollte. Es schien, als würde er immer das Falsche sagen.

„Dieser Ort ist sowieso so spießig und langweilig“, sagte sie. „Es ist mal nett, jemand Neuen hier zu haben. Mein Vater scheint starken Gefallen an dir gefunden zu haben. Mein Bruder auch.“

„Ähm...danke“, antwortete Thor.

Er gab sich in Gedanken einen Tritt. Innerlich starb er. Er wusste, er sollte mehr sagen, und er wollte es auch. Er wusste nur nicht, was.

„Hast du...“, setzte er an, und zermarterte sich das Hirn, die richtigen Worte zu finden, „...es hier gern?“

Sie lehnte sich zurück und lachte.

„Ob ich es hier gern habe?“, sagte sie. „Na das will ich doch stark hoffen. Ich wohne hier!“

Sie lachte wieder und Thor spürte, wie er rot wurde. Er hatte das Gefühl, als würde er es hier so richtig vermasseln. Doch er war nicht unter Mädchen aufgewachsen, hatte nie eine Freundin in seinem Dorf gehabt, und wusste einfach nicht, was er zu ihr sagen sollte. Was könnte er sie fragen? Woher kommst du? Er wusste schon, woher sie kam. Er fragte sich langsam, warum sie sich überhaupt um ihn bemühte; war es nur zu ihrer Unterhaltung?

„Warum magst du mich?“, fragte er.

Sie sah ihn an und machte ein komisches Geräusch.

„Du bist aber voreilig“, kicherte sie. „Wer sagt, dass ich dich mag?“, fragte sie mit einem breiten Lächeln. Offenbar amüsierte sie alles, was er sagte.

Jetzt fühlte sich Thor, als ob er noch tiefer in Schwierigkeiten steckte.

„Tut mir leid. Das wollte ich damit nicht sagen. Ich habe mich nur gewundert. Ich meine...ähm...ich weiß schon, dass du mich nicht magst.“

Sie lachte stärker.

„Du bist unterhaltsam, das muss ich dir lassen. Ich nehme an, du hattest noch nie eine Freundin, richtig?“

Thor blickte zu Boden und schüttelte beschämt den Kopf.

„Ich nehme an, auch keine Schwestern?“, drängte sie weiter.

Thor schüttelte den Kopf.

„Ich habe drei Brüder“, platzte er heraus. Endlich hatte er es geschafft, zumindest etwas Normales zu sagen.

„Tatsächlich?“, fragte sie. „Und wo sind sie? In deinem Dorf?“

Thor schüttelte den Kopf. „Nein, sie sind hier in der Legion, wie ich.“

„Oh, das muss angenehm sein.“

Thor schüttelte den Kopf.

„Nein. Sie können mich nicht ausstehen. Sie wünschten, ich wäre nicht hier.“

Zum ersten Mal verschwand ihr Lächeln.

„Wie können sie dich denn nicht ausstehen?“, fragte sie entsetzt. „Deine eigenen Brüder?“

Thor zuckte mit den Schultern. „Das würde ich auch gern wissen.“

Sie gingen eine Weile schweigend weiter. Plötzlich hatte er Angst, dass er ihre gute Laune verdorben hatte.

„Aber mach dir nichts draus, es stört mich nicht. Es war schon immer so. In Wahrheit habe ich hier sehr gute Freunde gewonnen. Bessere Freunde, als ich je welche hatte.“

„Meinen Bruder? Reece?“, fragte sie.

Thor nickte.

„Reece ist ein guter Kerl“, sagte sie. „Er ist in mancher Hinsicht mein Lieblingsbruder. Ich habe vier Brüder, weißt du. Drei sind echt, und einer nicht. Der Älteste ist der Sohn meines Vaters mit einer anderen Frau. Mein Halbbruder. Kennst du ihn, Kendrick?“

Thor nickte. „Ich stehe tief in seiner Schuld. Nur dank ihm habe ich einen Platz in der Legion. Er ist ein feiner Mann.“

„Das stimmt. Er ist einer der feinsten im Königreich. Ich liebe ihn genauso wie einen echten Bruder. Und dann ist da Reece, den ich genauso lieb habe. Die andern beiden...tja... Du weißt ja, wie Familien so sind. Nicht alle vertragen sich. Manchmal frage ich mich, wie wir alle von den gleichen Menschen abstammen können.“

Jetzt war Thor neugierig. Er wollte mehr darüber erfahren, wer sie waren, ihre Beziehung zu ihnen, warum sie einander nicht nahe standen. Er wollte sie fragen, aber er wollte nicht bohren. Und es schien auch nicht, als ob sie sich weiter darüber Gedanken machen wollte. Sie schien ein fröhlicher Mensch zu sein; jemand, der sich lieber auf fröhliche Dinge konzentrieren wollte.

Als sie am Ende des Labyrinth-Pfades angekommen waren, öffnete sich der Hof zu einem neuen Garten, wo das Gras perfekt getrimmt und zu Formen gestaltet war. Es war eine Art enormes Spielbrett, das sich zumindest fünfzig Fuß in jede Richtung erstreckte, mit riesigen Spielsteinen aus Holz, größer als Thor, die rundum verteilt waren.

Gwen gab einen entzückten Laut von sich.

„Spielst du mit mir?“, fragte sie.

„Was ist es?“, fragte er.

Sie drehte sich und sah ihn mit großen Augen staunend an.

„Du hast noch nie Klötze gespielt?“, fragte sie.

Thor schüttelte den Kopf; es war ihm peinlich, er fühlte sich noch mehr wie ein Landei als je zuvor.

„Es ist das tollste Spiel!“, rief sie aus.

Sie streckte beide Hände aus und nahm seine, und zerrte ihn aufs Spielfeld. Sie lief voller Freude dahin; er konnte nicht anders, und lächelte selbst. Mehr als alles andere, mehr als das Feld, mehr als dieser wunderschöne Ort, war es das Gefühl ihrer Hände auf den seinen, das ihn elektrisierte. Das Gefühl, erwünscht zu sein. Sie wollte, dass er mit ihr ging. Sie wollte Zeit mit ihm verbringen. Warum sollte sich irgendjemand um ihn scheren? Besonders so jemand wie sie? Er fühlte sich immer noch, als wäre das alles hier ein Traum.

„Stell dich dort drüben hin“, sagte sie. „Hinter der Figur. Du musst sie bewegen, und du hast nur zehn Sekunden dafür Zeit.“

„Was meinst du, sie bewegen?“, fragte Thor.

„Schnell, such dir eine Richtung aus!“, rief sie aus.

Thor hob den riesigen Holzklotz hoch, von seinem Gewicht erstaunt. Er trug ihn mehrere Schritte und stellte ihn auf einem anderen Feld ab.

Ohne zu zögern stieß Gwen ihren eigenen Stein an. Er landete auf Thors Figur und warf sie ins Gras.

Sie lachte erfreut auf.

„Das war ein schlechter Zug!“, sagte sie. „Du bist mir genau in den Weg gelaufen! Du hast verloren!“

Thor blickte auf die beiden Figuren am Boden und war verwirrt. Er hatte das Spiel überhaupt nicht verstanden.

Sie lachte und nahm seinen Arm, als sie ihn weiter die Pfade entlangführte.

„Keine Sorge, ich werde es dir beibringen“, sagte sie.

Sein Herz schwebte bei diesen Worten. Sie würde es ihm beibringen. Sie wollte ihn wiedersehen. Mit ihm Zeit verbringen. Bildete er sich das alles nur ein?

„Also, sag schon, was hältst du von diesem Ort?“, fragte sie, als sie ihn in eine weitere Reihe an Labyrinthen führte. Dieses war mit farbenprächtigen Blumen geschmückt, die acht Fuß hoch wuchsen, mit seltsamen Insekten, die über ihren Spitzen schwebten.

„Es ist der schönste Ort, den ich je gesehen habe“, antwortete Thor wahrheitsgemäß.

„Und warum möchtest du zur Legion gehören?“

„Es ist das, von dem ich immer geträumt habe“, antwortete er.

„Aber warum?“, fragte sie. „Weil du meinem Vater dienen möchtest?“

Thor dachte darüber nach. Er hatte sich nie wirklich darüber Gedanken gemacht, warum—es war einfach immer da gewesen.

„Ja“, antwortete er. „Möchte ich. Und dem Ring.“

„Aber was ist mit deinem Leben?“, fragte sie. „Möchtest du keine Familie haben? Land? Eine Frau?“

Sie blieb stehen und sah ihn an; es warf ihn aus der Bahn. Er war ratlos. Er hatte über diese Dinge nie nachgedacht und wusste kaum, was er antworten sollte. Ihre Augen funkelten, als sie ihn ansahen.

„Ähm...ich...ich weiß nicht. Ich habe nie wirklich darüber nachgedacht.“

„Und was würde deine Mutter dazu sagen?“, fragte sie spielerisch.

Thors Lächeln schwand.

„Ich habe keine Mutter“, sagte er.

Zum ersten Mal verging ihr das Lächeln.

„Was ist mit ihr geschehen?“, fragte sie.

Thor wollte ihr gerade antworten, ihr alles erzählen. Es würde das erste Mal in seinem Leben sein, dass er von ihr sprach, zu irgendjemandem. Und das Verrückte daran war, er wollte es. Er wollte sich ihr ganz dringend öffnen, dieser Fremden, und ihr alles über seine tiefsten Gefühle erzählen.

Doch als er den Mund öffnete, kam plötzlich eine strenge Stimme aus dem Nichts hervor.

„Gwendolyn!“, kreischte die Stimme.

Sie beide wirbelten herum und sahen ihre Mutter, die Königin, in ihren feinsten Kleidern, von ihren Zofen begleitet, direkt auf ihre Tochter zumarschieren. Ihr Gesicht war wutentbrannt.

Die Königin kam auf Gwen zu, packte sie grob am Arm und zerrte sie davon.

„Du gehst sofort wieder hinein. Was habe ich dir gesagt? Ich will nicht, dass du je wieder mit ihm sprichst. Hast du mich verstanden?“

Gwens Gesicht wurde tiefrot, dann wandelte sich der Ausdruck in Ärger und Stolz.

„Lass mich los!“, schrie sie ihre Mutter an. Doch es half nichts: ihre Mutter zerrte sie weiter davon, und auch ihre Zofen umzingelten sie.

„Ich sagte, lass mich los!“, schrie Gwen. Sie blickte zurück zu Thor, mit einem verzweifelten, traurigen Blick, in dem ein Flehen lag.

Thor kannte das Gefühl. Er fühlte das Gleiche. Er wollte ihr zurufen und fühlte, wie ihm das Herz brach, als er zusah, wie sie davongezerrt wurde. Es war, als würde er dabei zusehen müssen, wie ihm ein zukünftiges Leben weggenommen wurde, direkt vor seinen Augen.

Er stand noch lange da, nachdem sie aus seiner Sicht verschwunden war, und starrte, auf der Stelle angewurzelt, atemlos. Er wollte nicht fort, wollte das alles nicht einfach vergessen.

Doch vor allem anderen wollte er sich nicht vorstellen, dass er sie nie wiedersehen sollte.

*

Während Thor zur Burg zurückschlenderte, immer noch aufgewühlt von seiner Begegnung mit Gwen, nahm er seine Umgebung gar nicht richtig wahr. Seine Gedanken waren erfüllt von ihr; er sah unentwegt ihr Gesicht vor sich. Sie war wundervoll. Die schönste und freundlichste und süßeste und sanfteste und liebevollste und lustigste Person, der er je begegnet war. Er musste sie wiedersehen. Er fühlte richtigen Schmerz in Abwesenheit ihrer Gegenwart. Er konnte seine Gefühle für sie nicht verstehen, und das machte ihm Angst. Er kannte sie kaum, und doch wusste er jetzt schon, dass er nicht ohne sie sein konnte.

Gleichzeitig dachte er aber an die Königin, wie sie sie weggezerrt hatte, und ihm wurde mulmig beim Gedanken an die Mächte, die da zwischen ihnen standen. Mächte, die aus irgendeinem Grund nicht wollten, dass sie zusammen waren.

Während er sich das Hirn zermarterte und versuchte, dem Ganzen auf den Grund zu gehen, fühlte er plötzlich eine steife Hand auf seiner Brust, die ihn brüsk anhielt.

Er blickte auf und sah einen Jungen, vielleicht ein paar Jahre älter als er, groß und dünn, gekleidet in die teuersten Gewänder, die er je gesehen hatte—Seide in Königspurpur und Grün und Dunkelrot, mit einem ausladenden, gefiederten Hut—finster auf ihn hinunterblicken. Der Junge wirkte geziert, verwöhnt, als wäre er im Schoß des Luxus aufgewachsen, mit weichen Händen und hohen, gewölbten Augenbrauen, die voll Abneigung auf ihn hinunterblickten.

„Man nennt mich Alton“, begann der Junge. „Ich bin der Sohn von Lord Alton, dem ersten Cousin des Königs. Wir sind bereits seit sieben Jahrhunderten Lords des Reiches. Was mich zum Titel eines Herzogs berechtigt. Du, andererseits, bist aus dem gemeinen Volk“, sagte er, die Worte fast ausspuckend. „Der königliche Hof ist für königliche Menschen. Und für Männer von Rang. Nicht für deinesgleichen.“

Thor stand ohne eine Ahnung da, wer dieser Junge war oder was er getan hatte, um ihn aufzuregen.

„Was willst du von mir?“, fragte Thor.

Alton schnaubte abfällig.

„Klar, das würdest du nicht wissen. Du weißt wahrscheinlich gar nichts, oder? Wie kannst du es wagen, hier hereinzuplatzen und vorzugeben, einer von uns zu sein!“, fauchte er.

„Ich gebe gar nichts vor“, sagte Thor.

„Nun, mir ist egal, welche Welle dich hier hereingespült hat. Ich will dich nur warnen—bevor du dir noch weitere Phantasien in den Kopf setzt—dass Gwendolyn mir gehört.“

Thor starrte ihn schockiert an. Ihm gehört? Er wusste kaum, was er sagen sollte.

Metin, ses formatı mevcut
Yaş sınırı:
16+
Litres'teki yayın tarihi:
10 ekim 2019
Hacim:
341 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
9781939416728
İndirme biçimi:
Metin
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