Kitabı oku: «Queste der Helden», sayfa 16
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
Thor, der Krohn in seinem Hemd mit sich trug, war vom Lärm überwältigt, als Reece die Tür zur Kneipe öffnete. Eine große Gruppe wartender Legionäre und Soldaten, die hineingepfercht waren, begrüßten sie mit einem Johlen. Drinnen war es vollgestopft und heiß, und Thor war sofort inmitten seiner Waffenbrüder eingepfercht, Schulter an Schulter drängend. Es war ein langer Jagdtag gewesen und sie alle hatten sich hier in dieser Kneipe tief im Wald versammelt, um zu feiern. Die Silbernen waren vorausgezogen und Thor, Reece und die anderen folgten.
Hinter Thor schleppten die Zwillinge Conval und Conven ihren wertvollen Besitz, den Eber, größer als der aller anderen, an einer langen Stange über den Schultern. Sie mussten ihn vor der Tavernentüre absetzen, bevor sie hinein konnten. Als Thor einen letzten Blick auf ihn warf, sah er so grimmig aus, dass es kaum vorstellbar war, dass sie ihn erlegt hatten.
Thor fühlte eine Bewegung in seiner Jacke und blickte zu seinem neuen Gefährten Krohn hinunter. Er konnte kaum fassen, dass er tatsächlich ein weißes Leopardenjunges trug. Es blickte mit kristallblauen Augen zu ihm hinauf und quiekte. Thor fühlte, dass es Hunger hatte.
Thor wurde in die Kneipe hineingedrängt, dutzende weitere Männer hinter ihm, und er drang tiefer in den kleinen überfüllten Raum vor, der gut zehn Grad wärmer sein musste als draußen—von der höheren Luftfeuchtigkeit ganz zu schweigen. Er folgte Erec und Kendrick, und hinter ihm folgten wiederum Reece, Elden, die Zwillinge und O’Connor, dessen Arm nach dem Schnitt vom Eber bandagiert war, aber endlich zu bluten aufgehört hatte. O’Connor wirkte mehr benommen als verletzt, seine gute Laune war zurückgekehrt und die ganze Gruppe drückte sich tief in den Raum hinein.
Alle standen Schulter an Schulter, und es war so vollgepackt, dass kaum Platz war, sich umzudrehen. Es gab lange Bänke, und manche Männer standen, während andere saßen, allesamt Trinklieder singend und ihre Krüge gegen die ihrer Freunde stoßend, oder sie auf den Tisch krachend. Es war ein lärmendes, festliches Umfeld, und Thor hatte nie etwas Ähnliches erlebt.
„Erstes Mal in einer Kneipe?“, fragte Elden, der geradezu schreien musste, um gehört zu werden.
Thor nickte zurück und fühlte sich wieder einmal wie ein Landei.
„Ich wette, du hast noch nicht mal je zuvor einen Bierkrug gehalten, oder?“, fragte Conven und klopfte ihm lachend auf die Schulter.
„Natürlich habe ich das“, warf Thor empfindlich zurück.
Er wurde aber rot und hoffte, dass niemand es sehen konnte, denn in Wirklichkeit hatte er noch nie einen gehabt. Sein Vater hatte es nie gestattet. Und selbst wenn er es hätte, war er sicher, er hätte es sich nicht leisten können.
„Also gut!“, rief Conval aus. „Wirt, gebt uns eine Runde Eures Stärksten. Thor hier ist ein alter Profi!“
Einer der Zwillinge gab eine Goldmünze her und Thor war verblüfft darüber, wie viel Geld diese Jungen bei sich hatten; er fragte sich, aus welcher Familie sie wohl stammten. Diese eine Münze hätte seine Familie in seinem Dorf einen ganzen Monat lang durchgebracht.
Einen Augenblick später wurden ein Dutzend Krüge voll schäumendem Bier über den Tresen geschoben, und die Jungs schoben sich vor und griffen sie; einer der Krüge wurde Thor in die Hand gedrückt. Der Schaum tropfte über seine Hand und sein Magen krampfte sich erwartungsvoll zusammen. Er war nervös.
„Auf unsere Jagd!“, rief Reece aus.
„AUF UNSERE JAGD!“, riefen die anderen zurück.
Thor machte es den anderen nach, versuchte, natürlich zu wirken, als er die schäumende Flüssigkeit an die Lippen hob. Er nahm einen Schluck und hasste den Geschmack, doch sah, wie die anderen ihre hinunterschlangen, ohne sie von den Lippen abzusetzen, bis sie fertig waren. Thor fühlte sich verpflichtet, es ihnen gleichzutun, oder wie ein Schwächling dazustehen. Er zwang sich dazu, es zu trinken, trank es hinunter, so schnell er konnte, bis er es schließlich bei der Hälfte absetzen musste und hustete.
Die anderen sahen ihn an und röhrten vor Lachen. Elden klopfte ihm auf den Rücken.
„Es ist doch dein erstes Mal, nicht?“, fragte er.
Thor wurde rot, als er den Schaum von seinen Lippen wischte. Zu seinem Glück tönte, bevor er antworten konnte, ein Ausruf durch den Raum und alle drehten sich zu den Musikern um, die sich hereindrängten. Sie begannen, auf Lauten und Flöten zu spielen, Zimbeln zu klirren, und die lärmende Atmosphäre verstärkte sich.
„Brüderchen!“, kam eine Stimme.
Thor drehte sich um und sah einen Jungen nur wenige Jahre älter als er, mit einem kleinen Bauch und doch breiten Schultern, unrasiert, etwas ungepflegt aussehend, vortreten und Reece eine ungelenke Umarmung geben. Er war in Begleitung von drei Kumpanen, die alle gleichermaßen ungepflegt wirkten.
„Ich hätte nie gedacht, dich hier zu sehen!“, setzte er hinzu.
„Tja, ab und zu muss ich ja in die Fußstapfen meines Bruders treten, nicht?“, rief Reece mit einem Lächeln zurück. „Thor, kennst du meinen Bruder Godfrey?“
Godfrey schüttelte Thor die Hand, und Thor konnte nicht umhin, zu bemerken, wie weich und plump sie war. Es war nicht die Hand eines Kriegers.
„Natürlich kenne ich den Neuen“, sagte Godfrey, der sich zu weit vorlehnte und undeutlich sprach. „Das ganze Königreich ist ganz aufgewühlt mit Erzählungen über ihn. Ein feiner Krieger, wie ich höre“, sagte er zu Thor. „Schade. Ein vergeudetes Talent für die Kneipe!“
Godfrey lehnte sich zurück und brüllte vor Lachen, und seine drei Kumpanen fielen mit ein. Einer von ihnen, einen Kopf größer als die anderen, mit einem dicken Bauch, hellroten Wangen, und vom Trunk gerötetem Gesicht, lehnte sich vor und klopfte Thor eine Hand auf die Schulter.
„Tapferkeit ist ein feiner Zug. Doch sie schickt dich aufs Schlachtfeld und in die Kälte. Betrunken sein ist ein besserer Zug: es hält dich sicher und warm—und garantiert dir ein warmes Mädel an deiner Seite!“
Er grölte vor Lachen, wie auch die anderen, und der Wirt stellte frische Bierkrüge vor sie hin. Thor hoffte, sie würden ihn nicht zum Trinken auffordern; er konnte jetzt schon fühlen, wie das Bier ihm zu Kopf stieg.
„Heute war seine erste Jagd!“, schrie Reece seinem Bruder zu.
„Ist das so?“, antwortete Godfrey. „Nun, das verlangt nach einem Trunk, nicht wahr?“
„Oder zweien!“, fiel sein großer Freund mit ein.
Thor blickte hinunter, als ihm ein zweiter Becher in die Hand gedrückt wurde.
„Auf erste Male!“, rief Godfrey aus.
„AUF ERSTE MALE!“, stimmten die anderen mit ein.
„Möge dein Leben voller erster Male sein!“, setzte der Große hinzu, „außer dem ersten Mal nüchtern sein!“
Alle brüllten sie vor Lachen, als sie tranken.
Thor schlürfte sein Getränk und versuchte dann, damit davonzukommen, es abzusetzen—doch Godfrey erwischte ihn.
„Das ist keine Art, zu trinken, Junge!“, schrie Godfrey. Er trat vor, packte den Krug, setzte ihn Thor an die Lippen, und alle Männer lachten, während Thor hinunterschluckte. Er setzte den leeren Krug ab, und sie jubelten.
Thor fühlte sich schwindelig. Er fühlte sich langsam außer Kontrolle, und es war schwerer, sich zu konzentrieren. Das Gefühl mochte er gar nicht.
Thor fühlte eine weitere Bewegung in seinem Hemd, als Krohn den Kopf hob.
„Na, was haben wir denn da!“, rief Godfrey verzückt.
„Es ist ein Leopardenjunges“, sagte Thor.
„Wir haben es auf der Jagd gefunden“, setzte Reece hinzu.
„Er hat Hunger“, sagte Thor. „Ich weiß nicht genau, was ich ihm füttern soll.“
„Was wohl, Bier natürlich!“, schrie der große Mann.
„Wirklich?“, fragte Thor. „Ist das gut für ihn?“
„Na klar!“, schrie Godfrey. „Es ist doch nur Hopfen, Junge!“
Godfrey tauchte einen Finger in den Schaum und streckte ihn hin; Krohn lehnte sich vor und leckte ihn ab. Er leckte wieder und wieder.
„Siehst du, es schmeckt ihm!“
Auf einmal zog Godfrey mit einem Aufschrei seinen Finger zurück. Er hielt ihn hoch und zeigte Blut.
„Scharfe Zähne hat der Kleine!“, rief er aus—und alle anderen brachen in Gelächter aus.
Thor streichelte über Krohns Kopf und goss den Rest in seinem Krug dem Leoparden ins Maul. Krohn schleckte es auf und Thor beschloss, ihm richtiges Futter zu suchen. Er hoffte, Kolk würde ihm erlauben, ihn in der Kaserne zu halten, und dass niemand in der Legion etwas dagegen haben würde.
Die Musiker änderten ihr Lied, und noch mehr von Godfreys Freunden erschienen. Sie kamen herüber, schlossen sich ihnen zu einer weiteren Runde an und führten Godfrey davon, in die Menge zurück.
„Wir sehen uns später, junger Mann“, sagte Godfrey zu Reece, bevor er verschwand. Dann wandte er sich an Thor. „Ich hoffe, du kommst jetzt öfter in die Kneipe!“
„Ich hoffe, du kommst jetzt öfter aufs Schlachtfeld“, rief Kendrick zurück.
„Das bezweifle ich stark!“, sagte Godfrey und grölte vor Lachen gemeinsam mit seinen restlichen Kumpanen, als er in der Menge verschwand.
„Feiern die immer so?“, fragte Thor Reece.
„Godfrey? Er ist schon in der Kneipe, seit er laufen kann. Eine Enttäuschung für meinen Vater. Aber er ist glücklich damit.“
„Nein, ich meinte des Königs Mannen. Die Legion. Gibt es jedes Mal einen Abstecher in die Kneipe?“
Reece schüttelte den Kopf.
„Heute ist ein besonderer Tag. Die erste Jagd und die Sommersonnenwende. Das kommt nicht allzu oft vor. Genieße es, solange es dauert.“
Thor fühlte sich zunehmend desorientiert, während er sich im Raum umblickte. Das war nicht der Ort, an dem er sein wollte. Er wollte wieder in der Kaserne sein und trainieren. Und seine Gedanken wanderten wieder einmal zu Gwendolyn.
„Hast du ihn gut erkennen können?“, fragte Kendrick und kam zu Thor herüber.
Thor sah ihn verwirrt an.
„Den Mann im Wald, der den Pfeil abschoss?“, fügte Kendrick hinzu.
Die anderen scharten sich eng um sie, versuchten, mitzuhören, als die Stimmung ernster wurde.
Thor versuchte, sich zurückzuerinnern, doch er konnte es nicht. Alles war verschwommen.
„Ich wünschte, ich hätte es“, sagte er. „Alles ging so schnell.“
„Vielleicht war es nur einer der anderen Männer des Königs, der unabsichtlich in unsere Richtung schoss“, sagte O’Connor.
Thor schüttelte den Kopf.
„Er war nicht wie die anderen gekleidet. Er war ganz in Schwarz gekleidet, mit einem Umhang und Kapuze. Und er schoss nur einen Pfeil ab, direkt auf Kendrick gerichtet, und dann verschwand er. Es tut mir leid. Ich wünschte, ich hätte mehr gesehen.“
Kendrick schüttelte den Kopf und versuchte, nachzudenken.
„Wer möchte dich tot sehen?“, fragte Reece Kendrick.
„War es ein Auftragsmörder?“, fragte O’Connor.
Kendrick zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Feinde, soweit ich weiß.“
„Aber Vater hat viele“, sagte Reece. „Vielleicht möchte dich jemand umbringen, um ihm zu schaden.“
„Oder vielleicht möchte Euch jemand aus dem Weg zum Thron räumen“, schlug Elden vor.
„Aber das ist absurd! Ich bin illegitim! Ich kann den Thron nicht erben!“
Während sie alle die Köpfe schüttelten, ihr Bier tranken und versuchten, der Sache auf den Grund zu kommen, hallte ein weiterer Ruf durch den Raum und aller Augen richteten sich auf die Treppe, die nach oben führte. Thor blickte auf und sah eine Reihe Frauen, die auf einen Flur oben hinaustraten, sich an ein Geländer lehnten und auf den Raum hinuntersahen. Sie alle waren freizügig gekleidet und hatten zu viel Schminke im Gesicht.
Thor wurde rot.
„Na hallo, meine Herren!“, rief die vorderste Dame aus, die große Brüste hatte und in rote Spitze gekleidet war.
Die Männer jubelten.
„Wer hat heut Nacht Geld, das er ausgeben möchte?“, fragte sie.
Die Männer jubelten erneut.
Thors Augen weiteten sich überrascht.
„Ist das hier auch ein Freudenhaus?“, fragte er.
Die anderen blickten ihn sprachlos an, dann brachen sie zusammen in schallendes Gelächter aus.
„Mein Gott, bist du naiv!“, sagte Conval.
„Sag bloß, du warst noch nie in einem Freudenhaus?“, sagte Conven.
„Ich wette, er war noch nie mit einer Frau zusammen!“, sagte Elden.
Thor spürte, wie sie ihn alle anstarrten, und sein Gesicht lief puterrot an. Er wollte im Boden versinken. Sie hatten recht: er war noch nie mit einer Frau zusammengewesen. Doch das würde er ihnen niemals sagen. Er fragte sich, ob es von seinem Gesicht offensichtlich war.
Bevor er antworten konnte, packte ihn einer der Zwillinge fest an der Schulter und warf eine Goldmünze zu der Frau auf der Treppe hinauf.
„Ich würde sagen, Ihr habt Euren ersten Kunden!“, rief er.
Der Raum jubelte, und allem Drücken und Schieben und Widerstand zum Trotz fühlte Thor sich von dutzenden Männern nach vorne geschoben, durch die Menge, und die Treppen hinauf. Währenddessen füllten sich seine Gedanken mit Gwen. Wie sehr er sie liebte. Wie sehr er mit keiner anderen zusammensein wollte.
Er wollte umkehren und davonlaufen. Doch es gab wortwörtlich keinen Ausweg. Dutzende der größten Männer, die er je gesehen hatte, schoben ihn vorwärts und ließen keinen Rückzug zu. Ehe er es sich versah, war er oben auf der Treppe, auf dem Flur, und starrte eine Frau an, die größer war als er und zu viel Parfüm trug, und auf ihn herablächelte. Was alles noch schlimmer machte: Thor war betrunken. Der Raum drehte sich geradezu außer Kontrolle, und er fühlte sich, als ob er jeden Moment zusammenbrechen würde.
Die Frau packte ihm am Hemd, zog ihn entschlossen in ein Zimmer, und warf die Tür hinter ihnen zu. Thor war entschlossen, nicht mit ihr zusammenzukommen. Er hielt an seinen Gedanken an Gwen fest und zwang sie in den Vordergrund. Er wollte nicht, dass seine erste Erfahrung so war.
Doch seine Gedanken gehorchten nicht. Er war so betrunken, dass er inzwischen kaum mehr sehen konnte. Und das letzte, woran er sich erinnern konnte, bevor er das Bewusstsein verlor, war, wie er durch das Zimmer zum Bett einer Dame geführt wurde, und hoffte, dass er es erreichen würde, bevor er zu Boden fiel.
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
MacGil öffnete mühsam die Augen, von einem unerbittlichen Pochen an seiner Tür geweckt, und wünschte sich sofort, es nicht getan zu haben. Sein Kopf schmerzte wie verrückt. Erbarmungsloses Sonnenlicht schien durch die offenen Burgfenster herein und er bemerkte, dass sein Gesicht in seiner Schaffell-Decke vergraben war. Desorientiert versuchte er, sich zu erinnern. Er war zuhause, in seiner Burg. Er versuchte, sich die vorhergehende Nacht in Erinnerung zu rufen. Er erinnerte sich an die Jagd. Danach, eine Kneipe im Wald. Zu viel getrunken. Irgendwie hatte er es hierher zurück geschafft.
Er blickte hinüber und fand seine Frau, die Königin, neben ihm unter den Decken schlummernd und langsam erwachend.
Das Pochen kam wieder, der furchtbare Lärm eines hämmernden Eisenklopfers.
„Wer mag das sein?“, fragte sie entnervt.
MacGil fragte sich das Gleiche. Er konnte sich genau daran erinnern, seinen Bediensteten Anweisungen hinterlassen zu haben, ihn nicht zu wecken—besonders nicht nach der Jagd. Dafür würde es ein Donnerwetter setzen.
Wahrscheinlich war es sein Verwalter mit irgendeiner kleinlichen Geldangelegenheit.
„Genug mit dem verdammten Gehämmer!“, dröhnte MacGil schließlich, rollte aus dem Bett, saß mit den Ellbogen auf die Knie gestützt da und hielt sich den Kopf. Er fuhr sich mit den Fingern durch sein ungewaschenes Haar und seinen Bart, dann über das Gesicht, und versuchte, munter zu werden. Die Jagd—und das Bier—hatten ihm einiges abverlangt Er hielt nicht mehr so viel aus wie früher. Die Jahre hatten ihren Tribut gefordert; er war erschöpft. In diesem Moment war ihm danach, nie wieder zu trinken.
Mit übermäßiger Anstrengung stemmte er sich von den Knien hoch und auf die Füße. Nur mit einem Morgenmantel bekleidet durchquerte er rasch das Zimmer und erreichte schließlich die Tür, die einen Fuß dick war, packte sie an der eisernen Klinke und riss sie auf.
Vor ihm stand sein höchster General, Brom, flankiert von zwei Bediensteten. Sie senkten ehrerbietig ihre Köpfe, doch sein General starrte ihn geradewegs an, ein grimmiger Ausdruck auf seinem Gesicht. MacGil hasste es, wenn er diesen Ausdruck aufgesetzt hatte. Es bedeutete immer düstere Nachrichten. In Augenblicken wie diesen hasste er es, König zu sein. Gerade gestern noch hatte er einen so wundervollen Tag gehabt, eine großartige Jagd, und es hatte ihn an die Zeiten erinnert, als er jung und sorglos war. Insbesondere das Vertrinken der Nacht in der Kneipe. Jetzt so unsanft geweckt zu werden, zerstörte jede Illusion von Frieden, die er gehabt hatte.
„Mein Herr, ich bedaure, Euch wecken zu müssen“, sagte Brom.
„Ihr solltet es auch bedauern“, brummte MacGil. „Ich hoffe für Euch, dass es wichtig ist.“
„Das ist es“, sagte er.
König MacGil erkannte die Ernsthaftigkeit in seinem Gesicht und sah sich nach seiner Königin um. Sie war wieder eingeschlafen.
MacGil bedeutete ihnen, einzutreten, und führte sie dann durch das weite Schlafgemach und über eine weitere gewölbte Tür in eine Seitenkammer, wo er die Tür hinter ihnen zuzog, um ihren Schlaf nicht zu stören. Manchmal benutzte er dieses kleinere Zimmer, nicht größer als zwanzig Schritt in jede Richtung, mit einigen bequemen Stühlen und einem großen Buntglas-Fenster, wenn ihm nicht danach war, in die Große Halle hinunterzugehen.
„Mein Herr, unsere Spione berichten von einem Trupp McCloud-Männer, die gen Osten zum Fabian-Meer unterwegs sind. Und unsere Späher im Süden berichten von einem Zug imperialer Schiffe, die nordwärts ziehen. Mit Gewissheit sind sie dorthin unterwegs, um die McClouds zu treffen.“
MacGil bemühte sich, diese Neuigkeiten zu verarbeiten; sein Hirn war in seinem betrunkenen Zustand noch langsam.
„Und?“, forderte er ungeduldig, müde. Er war so erschöpft von den endlosen Intrigen und Spekulationen und Täuschungsmanövern an seinem Hof.
„Wenn die McClouds wirklich ein Treffen mit dem Imperium haben, kann es dafür nur einen Zweck geben“, fuhr Brom fort. „Eine Verschwörung, den Canyon zu überwinden und den Ring zu stürzen.“
MacGil blickte zu seinem Kommandanten auf, einem Mann, neben dem er dreißig Jahre lang gekämpft hatte, und er sah den tödlichen Erst in seinen Augen. Er konnte auch Angst erkennen. Das bestürzte ihn: dies war kein Mann, den er je in Angst vor irgendetwas gesehen hatte.
MacGil erhob sich langsam zu voller Höhe, welche immer noch beträchtlich war, und durchquerte das Zimmer, bis er am Fenster stand. Er blickte hinaus über seinen Hof unter ihm, der so früh am Morgen leer stand, und dachte nach. Er hatte immer schon gewusst, dass eines Tages ein Tag wie dieser kommen würde. Er hatte nur nicht gedacht, dass es so bald sein würde.
„Das war schnell“, sagte er. „Es ist erst Tage her, dass ich meine Tochter an ihren Prinz verheiratet habe. Und jetzt sagst du mir, sie sind bereits dabei, unseren Untergang zu planen?“
„Das denke ich, mein Herr“, antwortete Brom aufrichtig. „Ich sehe keinen anderen Grund. Alle Anzeichen besagen, dass das Treffen friedfertigen Charakter hat. Nicht militärischen.“
MacGil schüttelte langsam den Kopf.
„Aber es ergibt keinen Sinn. Sie könnten das Imperium nicht hereinlassen. Warum würden sie das tun? Selbst wenn sie es irgendwie zustande brächten, das Schild auf unserer Seite außer Kraft zu setzen und einen Durchbruch zu schaffen, was käme danach? Das Imperium würde auch sie überwältigen. Sie würden selbst nicht in Sicherheit sein. Bestimmt wissen sie das.“
„Vielleicht handeln sie etwas aus“, erwiderte Brom. „Vielleicht lassen sie das Imperium herein im Gegenzug dafür, dass nur wir angegriffen werden, sodass die McClouds den Ring beherrschen.“
MacGil schüttelte den Kopf.
„Die McClouds sind zu schlau dafür. Sie sind gerissen. Sie wissen, dass sie dem Imperium nicht trauen können.“
Sein General zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht wollen sie den Ring so verzweifelt beherrschen, dass sie sich auf das Risiko einlassen wollen. Besonders nun, da sie Eure Tochter zur Königin haben.“
MacGil dachte darüber nach. Sein Herz klopfte. Er wollte sich damit jetzt nicht auseinandersetzen. Nicht so früh am Morgen.
„Was schlägst du also vor?“, fragte er, barsch mit ihm, der Spekulationen müde.
„Wir könnten vorbeugende Maßnahmen setzen, Herr, und die McClouds angreifen. Jetzt oder nie.“
MacGil konnte es kaum glauben.
„Direkt, nachdem ich ihnen meine Tochter in einer Eheschließung überreicht habe? Das glaube ich nicht.“
„Wenn wir es nicht tun“, entgegnete Brom, „lassen wir zu, dass sie unser Grab schaufeln. Sie werden uns mit Gewissheit angreifen. Wenn nicht gleich, dann später. Und wenn sie sich mit dem Imperium verbünden, sind wir am Ende.“
„So schnell können sie die Hochlande nicht überqueren. Wir kontrollieren alle Engpässe. Es wäre ein Gemetzel. Selbst mit dem Imperium im Schlepptau.“
„Das Imperium hat Millionen von Männern, die sie entbehren können“, erwiderte Kolk. „Sie können es sich leisten, gemetzelt zu werden.“
„Selbst bei geschwächtem Schild“, sagte MacGil, „wäre es kein Leichtes, einfach so mal Millionen von Soldaten über den Canyon zu befördern—oder über die Hochlande, oder sich per Schiff anzunähern. Wir würden ein solches Unternehmen weit im Voraus sehen können. Wir hätten Vorwarnzeit.“
MacGil dachte nach.
„Nein, wir werden nicht angreifen. Aber fürs Erste können wir Vorsichtsmaßnahmen setzen: verdoppelt unsere Patrouillen in den Hochlanden. Verstärkt unsere Befestigungsanlagen. Und verdoppelt unsere Spione. Das wäre alles.“
„Ja, mein Herr“, sagte Brom, wandte sich mit seinen Leutnants um und eilte aus dem Raum.
MacGil drehte sich mit pochendem Herzen wieder zum Fenster um. Er fühlte Krieg am Horizont, unerbittlich wie ein Wintersturm auf ihn zukommend. Er fühlte auch, dass es nichts gab, was er dagegen unternehmen konnte. Er blickte um sich, auf seine Burg, auf den Stein, auf den makellosen königlichen Hof, der sich unter ihm erstreckte, und musste sich fragen, wie lange all dies noch so sein würde.
Was würde er nicht für einen weiteren Krug Bier geben.