Kitabı oku: «Reich der Drachen», sayfa 4

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Devin spürte, wie der Atem seine Brust verließ. Das Haus der Waffen verlassen? Das einzige echte Zuhause, das er jemals gekannt hatte?

„Aber ich habe nicht …“, begann Devin und hielt inne.

Er war nicht Nem, der glaubte, dass die Welt so werden könnte, wie er es wollte, nur weil es das Richtige war. Selbstverständlich würde Gund wollen, dass er ging; Devin hatte gewusst, was ihn das kosten könnte, noch bevor er eingegriffen hatte.

Devin starrte zurück und nickte – es war alles, was er dazu antworten konnte. Er drehte sich um und begann, langsam zum Ausgang zu gehen.

„Warte“, rief Nem. Er rannte zu seiner Werkbank und kam dann mit etwas in Stoff gewickeltem zurück. „Ich … ich habe sonst nicht viel. Du hast mich gerettet. Das solltest Du haben.“

„Ich habe es getan, weil ich Dein Freund bin“, sagte Devin. „Du musst mir nichts geben.“

„Ich will es“, antwortete Nem. „Wenn er meine Hand geschlagen hätte, könnte ich nichts anderes mehr machen, also möchte ich, dass Du etwas hast, das ich gemacht habe.“

Er gab es Devin und Devin nahm es vorsichtig. Als er es auspackte, konnte er sehen, dass es … na ja, nicht genau ein Schwert war. Ein langes Messer lag da, zu lang, um ein echtes Messer zu sein, nicht lang genug, um ein Schwert zu sein. Es war einschneidig mit einem Griff, der nur auf einer Seite herausragte, und einer keilförmigen Spitze. Es war die Waffe eines Bauern, weit entfernt von den Langschwertern und Rüstschwertern der Ritter. Aber es war leicht. Tödlich. Und schön. Er drehte es und es schimmerte im Licht und Devin konnte auf einen Blick erkennen, dass es weitaus schneller und tödlicher sein konnte als jedes richtige Schwert. Es war eine Waffe der List, Gerissenheit und Geschwindigkeit. Eine, die perfekt zu Devins leichtem Körperbau und seinen jungen Jahren passte.

„Es ist noch nicht fertig“, sagte Nem, „aber ich weiß, Du kannst die Arbeit besser vollenden als ich, und der Stahl ist gut, das verspreche ich.“

Devin schwang es probeweise und spürte, wie die Klinge die Luft durchtrennte. Er wollte sagen, dass es zu viel war, dass er es nicht annehmen konnte, aber er konnte sehen, wie sehr Nem wollte, dass er es annahm.

„Danke, Nem“, sagte er.

„Ihr zwei seid fertig?“, fragte Gund. Er sah zu Devin hinüber. „Ich werde nicht sagen, dass es mir nicht leid tut, Dich gehen zu sehen. Du bist ein guter Arbeiter und ein feiner Schmied, besser als die meisten hier. Aber Du darfst nicht hier sein, wenn dies auf uns zurückfällt. Du musst gehen, Junge. Jetzt.“

Devin hätte fast etwas gesagt, doch er wusste, dass es zwecklos war und er erkannte auch, dass er selber nicht mehr dort sein wollte. Er würde nicht an einem Ort bleiben, wo man ihn nicht wollte. Dies war nie sein Traum gewesen. Dies war ein Weg, um zu überleben. Sein Traum war es immer gewesen, ein Ritter zu sein, und jetzt ……

Jetzt schien es, dass seine Träume noch viel seltsamere Dinge für ihn bereithielten. Er musste herausfinden, was sie waren.

Der Tag, der Dein Leben für immer verändern wird.

Könnte es das sein, was der Magier meinte?

Devin hatte keine Wahl. Er konnte sich jetzt nicht umdrehen, konnte nicht zu seiner Schmiede zurückkehren, um alles wieder in den Zustand zurückzuversetzen, wie es sein sollte.

Stattdessen ging er in die Stadt hinaus. In sein Schicksal.

Und in den Tag hinein, der ihn erwartete.

KAPITEL SECHS

Nerra spazierte alleine durch den Wald, schlüpfte zwischen den Bäumen hindurch und genoss die wärmende Sonne auf ihrem Gesicht. Sie stellte sich vor, dass inzwischen jeder im Schloss bemerkt hatte, dass sie sich hinausgeschlichen hatte, aber sie vermutete auch, dass es sie nicht so sehr kümmern würde. Sie würde die Hochzeitsvorbereitungen mit ihrer Anwesenheit nur erschweren.

Hier, in die freie Natur, passte sie besser hinein. Sie flocht Blumen in ihr dunkles Haar, passend zu ihren Zöpfen. Sie zog ihre Stiefel aus und band sie über ihrer Schulter zusammen, damit sie die Erde unter ihren Füßen fühlen konnte. Ihre schlanke Gestalt bewegte sich zwischen den Bäumen, leichtfüßig, in einem Kleid in herbstlichen Farben. Die Ärmel waren selbstverständlich lang. Ihre Mutter hatte das Bedürfnis, ihre Arme zu verhüllen, schon vor langer Zeit fest in ihr verankert. Ihre Familie wusste vielleicht von ihrer Krankheit aber sonst sollte es niemand tun.

Sie liebte die Natur. Sie liebte es, die Pflanzen zu betrachten und sich ihre Namen in Erinnerung zu rufen, Glockenblume und Bärenklau, Eiche und Ulme, Lavendel und Pilz. Sie wusste auch mehr darüber als nur ihre Namen, denn jede hatte ihre eigenen Eigenschaften, Dinge, bei denen sie helfen oder Schaden, den sie verursachen konnte. Ein Teil von ihr wünschte, sie könnte ihr ganzes Leben hier draußen frei und in Frieden verbringen. Vielleicht konnte sie es; vielleicht könnte sie ihren Vater überreden, ein Haus im Wald bauen zu lassen, und ihr Wissen darüber sinnvoll einsetzen, um Kranke und Verletzte zu heilen.

Nerra lächelte traurig dabei, denn obwohl sie wusste, dass es ein guter Traum war, würde ihr Vater niemals mitmachen, und selbst wenn …… Nerra hielt den Gedanken für einen Moment zurück, konnte es aber nicht für immer. In jedem Fall würde sie wahrscheinlich nicht lange genug leben, um sich ein Leben aufzubauen. Die Krankheit tötete – oder veränderte – den Leidenden dafür zu schnell.

Nerra pflückte an einem Strang der schmerzlindernden Weidenrinde und steckte Streifen davon in ihre Gürteltasche.

Ich werde es wahrscheinlich bald genug brauchen, vermutete sie. Heute hatte sie keine Schmerzen, aber wenn nicht sie, dann vielleicht der Junge von Witwe Merril in der Stadt. Sie hatte gehört, dass er Fieber hatte und Nerra wusste viel mehr über den Umgang mit Kranken als die meisten.

Ich will nur einen Tag erleben, ohne darüber nachdenken zu müssen, dachte Nerra bei sich.

Fast, als würde der Gedanke daran es herbeiführen, fühlte Nerra sich plötzlich schwindelig und griff Halt suchend nach einem der Bäume. Sie klammerte sich daran fest und wartete darauf, dass der Schwindel vorüberging. Sie spürte, wie ihr das Atmen immer schwerer fiel. Sie konnte auch das Pulsieren  in ihrem rechten Arm spüren, es juckte und pochte, als wollte sich etwas unter der Haut lösen.

Nerra setzte sich, und hier, in der Einsamkeit des Waldes, tat sie, was sie im Schloss nie tun würde: Sie krempelte den Ärmel hoch und hoffte, dass die Kühle der Waldluft etwas Gutes tun würde, wo sonst nichts geholfen hatte.

Die Spuren auf ihrem Arm waren inzwischen vertraut, schwarz und venenartig, und hoben sich von der fast durchscheinenden Blässe ihrer Haut ab. Waren die Spuren gewachsen, seit sie sie das letzte Mal angeschaut hatte? Es war schwer zu sagen, weil Nerra es in der Regel vermied, sie anzusehen, und es nicht wagte, sie jemand anderem zu zeigen. Selbst ihre Brüder und Schwestern  kannten nicht die volle Wahrheit, sie wussten nur über die Ohnmachtsanfälle Bescheid, nicht über den Rest. Davon wussten nur sie, ihre Eltern und Meister Grey, sowie der einzige Arzt, den ihr Vater ins Vertrauen gezogen hatte.

Nerra wusste, warum. Jene, die die Spuren der Schuppen trugen, wurden verbannt oder  Schlimmeres, aus Angst davor, dass sich der Zustand verbreitete und aus Angst vor dem, was es mit sich bringen könnte. Diejenigen mit der Schuppenkrankheit, so sagten die Geschichten, verwandelten sich schließlich in Dinge, die alles andere als menschlich waren und tödlich für jene, die zurückblieben.

„Und so muss ich allein  bleiben“, sagte sie laut und zog ihren Ärmel wieder herunter, weil sie den Anblick dessen, was sie dort sah, nicht länger ertragen konnte.

Der Gedanke, alleine zu sein, störte sie fast genauso. So sehr sie den Wald mochte, der Mangel an Menschen tat weh. Schon als Kind hatte sie keine engen Freunde haben können, hatte nicht die vielen Dienstmädchen und jungen adligen Damen um sich herum gehabt, wie Lenore, weil eine von ihnen vielleicht etwas gesehen hätte. Die Aussicht auf Liebhaber und Verehrer für ein Mädchen, das offensichtlich krank war, waren noch weniger wahrscheinlich. Ein Teil von Nerra wünschte sich, sie hätte das alles gehabt und stellte sich ein Leben vor, in dem sie normal, gesund und sicher gewesen wäre. Ihre Eltern hätten einen jungen Adligen finden können, der sie heiratete, so wie sie es für Lenore getan hatten. Sie hätten ein Zuhause und eine Familie haben können. Nerra hätte Freunde haben und Menschen helfen können. Stattdessen …… gab es nur dies.

Jetzt habe ich sogar den Wald traurig gemacht, dachte Nerra mit einem schwachen Lächeln.

Sie stand auf und ging weiter, entschlossen, wenigstens die Schönheit dieses Tages zu genießen. Morgen würde eine Jagd stattfinden, aber das waren zu viele Leute, um wirklich die Natur genießen zu können. Von ihr würde erwartet, sich daran zu erinnern, wie man mit jenen plauderte, die es als Tapferkeit betrachteten, die Tiere des Waldes zu töten, und das Geräusch der Jagdhörner würde ohrenbetäubend sein.

In diesem Moment hörte Nerra etwas anderes. Es war kein Jagdhorn, aber es klang immer noch, als wäre jemand in der Nähe. Sie meinte, sie hätte einen Blick auf jemanden in den Bäumen erhascht, vielleicht einen kleinen Jungen, obwohl es schwer zu sagen war. Dann begann sie, sich zu sorgen. Wie viel hatte er gesehen?

Vielleicht war es ja nichts. Nerra wusste, dass es an anderen Stellen im Wald Menschen geben musste. Vielleicht waren es Holzkohlebrenner oder Förster; vielleicht waren sie Wilderer. Wer auch immer sie waren, Nerra würde ihnen wahrscheinlich begegnen, wenn sie weiterlief. Dieser Gedanke behagte ihr nicht, das Risiko, dass sie mehr sahen, als sie sollten, gefiel ihr nicht. Also schlug sie sich in eine neue Richtung, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben. Sie kannte den Wald gut, sodass sie sich keine Sorgen machte, sich zu verlaufen. Sie ging einfach weiter – und nun entdeckte sie Stechpalme und Birke, Schöllkraut und wilde Rosen.

Und etwas anderes.

Nerra hielt inne, als sie eine Lichtung erblickte, die aussah, als wäre etwas Großes hier entlang gezogen, Äste waren abgebrochen, der Boden zertrampelt. War es ein Eber gewesen oder gar ein ganzes Rudel? Gab es irgendwo einen Bären, der groß genug war, sodass eine Jagd Sinn machte? Nerra konnte jedoch keine Bärenspuren zwischen den Bäumen sehen oder überhaupt irgendetwas, was darauf hindeutete, dass etwas zu Fuß durchgekommen war.

Mitten in der Lichtung  konnte sie ein Ei sehen, das seitlich im Gras lag.

Sie erstarrte und musterte es erstaunt.

Das kann nicht sein.

Selbstverständlich gab es Geschichten und die Galerien des Schlosses hatten einige versteinerte Exemplare, denen kein Leben mehr innewohnte.

Aber das … es konnte nicht wirklich sein …

Sie ging näher heran, und jetzt begann sie, die schiere Größe des Eis in sich aufzunehmen. Es war riesig, so groß, dass Nerras Arme kaum ausreichen würden, hätte sie versucht, es zu umarmen. Groß genug, dass kein Vogel es hätte legen können.

Es war ein sattes, tiefes Blau, fast schwarz,und mit goldenen Adern, die wie Blitze über einen Nachthimmel liefen. Als Nerra ganz vorsichtig versuchte, es zu berühren, fühlte sie, dass die Oberfläche seltsam warm war, so wie es kein Ei hätte sein sollen. Das bestätigte, genau wie alles andere, was sie sah, was sie gefunden hatte.

Ein Drachenei.

Das war unmöglich Wie lange war es her, dass jemand einen Drachen gesehen hatte? Und selbst in den Geschichten, die man hörte, erzählte es von großen geflügelten Tieren, die über den Himmel flogen, nicht von Eiern. Drachen waren niemals hilflose, kleine Dinge. Sie waren riesig und schrecklich und unmöglich. Aber Nerra konnte sich nicht vorstellen, was das sonst sein könnte.

Und jetzt liegt die Wahl bei mir.

Sie wusste, dass sie jetzt nicht einfach weggehen konnte, da sie das Ei hier gesehen hatte, verlassen, ohne Anzeichen eines Nestes, wie ein Vogel sein Gelege legen würde. Wenn sie das tat, bestand die Chance, dass irgendetwas einfach kommen und das Ei essen und die Kreatur darin zerstören würde. Das, oder es würde Leute geben, und sie hatte keinen Zweifel daran, die es verkaufen würden. Oder aus Angst zermalmen. Die Leute konnten manchmal grausam sein.

Sie konnte es auch nicht mit nach Hause nehmen. Man stelle sich vor, sie ginge mit einem Drachenei in der Hand durch die Tore des Schlosses. Ihr Vater würde es ihr sofort abnehmen lassen, wahrscheinlich, damit Meister Grey es studieren konnte. Bestenfalls würde man die Kreatur in einen Käfig sperren und an ihr herumexperimentieren. Im schlimmsten Fall … Nerra schauderte bei dem Gedanken, dass das Ei von Gelehrten des Hauses des Wissens zerlegt wurde. Sogar Medicus Jarran würde es wahrscheinlich auseinandernehmen wollen, um es zu studieren.

Wo dann?

Nerra versuchte nachzudenken.

Sie kannte den Wald so gut wie den Weg zu ihren Gemächern. Es musste einen Ort geben, der besser wäre, als das Ei einfach im Freien zu lassen …

Ja, sie kannte genau den Ort.

Sie schlang die Arme um das Ei, die Hitze drückte sich seltsam gegen ihren Körper, als sie es anhob. Es war schwer und für einen Moment befürchtete Nerra, sie könnte es fallen lassen, aber sie schaffte es, ihre Hände zusammenzuklammern und begann, durch den Wald zu laufen.

Es dauerte eine Weile, bis sie die Stelle gefunden hatte, sie hielt nach den Espen Ausschau, die den kleinen Ort markierten, an dem sich die alte Höhle befand, umgeben von den vor langer Zeit schon von Moos überwucherten Steinen. Inmitten des Waldes war die Höhlenöffnung, an der Seite eines kleinen Hügels. Nerra konnte vom Boden aus erkennen, dass nichts beschlossen hatte, die Höhle als Lager zu nutzen. Das war gut; Sie wollte ihr kostbares Mitbringsel nicht an einen Ort bringen, wo es in ganz neuer Gefahr wäre.

Die Lichtung ließ die Vermutung zu, dass Drachen keine Nester bauten, aber Nerra baute dennoch eines für das Ei, sammelte Zweige und Äste, Unterholz und Gras und verwob dann alles langsam zu einem einfachen Oval, auf dem sie das Ei zur Ruhe legen konnte. Sie schob das ganze Gebilde zurück in die dunkle Hälfte der Höhle und vertraute darauf, dass es von außen nicht entdeckt werden konnte.

„Da“, sagte sie zu ihm. „Du bist jetzt in Sicherheit, zumindest bis ich herausgefunden habe, was ich mit Dir machen soll.“

Sie suchte Äste und Blätter zusammen, die den Eingang bedecken sollten. Sie nahm Steine und rollte sie vor den Eingang, jeder von ihnen war so groß, dass sie ihn kaum bewegen konnte. Sie hoffte, es würde ausreichen, um all die Dinge fernzuhalten, die versuchen könnten, hineinzukommen.

Sie war gerade fertig, als sie ein Geräusch hörte, erschrocken drehte sie sich um. Dort zwischen den Bäumen war der Junge, den sie zuvor gesehen hatte. Er stand da und starrte sie an, als versuche  er, zu verstehen, was er gesehen hatte.

„Warte“, rief Nerra ihm zu, aber der Schrei genügte, um ihn zu verschrecken. Er drehte sich um und rannte weg. Nerra fragte sich, was genau er gesehen hatte und wem er es erzählen würde.

Sie hatte das bange Gefühl, dass es zu spät war.

KAPITEL SIEBEN

Prinzessin Erin wusste, dass sie nicht hier sein sollte, auf dem Ritt durch den Wald Richtung Norden zum Sporn. Sie sollte im Schloss sein und ihr Kleid für die Hochzeit ihrer älteren Schwester anprobieren – doch alleine bei dem Gedanken daran sträubten sich ihr die Nackenhaare.

Stattdessen fielen ihr all die wichtigeren Dinge ein – was sie als Nächstes erwarten könnte und warum sie gegangen war. In jedem Fall jedoch befand sie sich lieber auf diesem Ritt, bekleidet mit einer Tunika, einem Wams und einer Hose, als dort Anziehpuppe zu spielen, während Rodry sich mit seinen Freunden über sie lustig machte, und Greave rummopperte und Vars … Erin schauderte. Nein, besser hier draußen zu sein und etwas Nützliches zu tun, etwas, das beweisen würde, dass sie mehr als nur eine Tochter war, die es zu verheiraten galt.

Sie ritt durch den Wald und sog die Pflanzenpracht entlang des Weges in sich auf, obwohl das mehr Nerras Passion war als ihre. Sie ritt an stattlicher Eiche und Weißbirke vorbei, sah die Schatten, die sie warfen, und versuchte, nicht daran zu denken, dass diese Schatten für jemanden, der sich verstecken wollte, die perfekten Gelegenheiten boten.

Ihr Vater wäre wahrscheinlich wütend auf sie, weil sie ohne Begleitung aus dem Haus gegangen war. Prinzessinnen mussten beschützt werden, würde er ihr sagen. Sie gingen nicht alleine an Orte wie diesen, wo der Wald sich vor ihnen zu verdichten schien und der Weg kaum mehr als ein Trampelpfad war. Dies war jedoch nicht der einzige Grund, aus dem er wütend wäre. Er glaubte wahrscheinlich, dass sie das Gespräch mit ihrer Mutter nicht gehört hatte, das sie praktisch dazu gebracht hatte, in den Stall zu rennen.

Wir müssen einen Ehemann für Erin finden“, hatte ihre Mutter gesagt.

Einen Ehemann? Eher noch würde sie weitere Schwertstunden verlangen“, hatte ihr Vater geantwortet.

Und genau das ist der Punkt. Ein Mädchen sollte solche Dinge nicht tun und sich selbst in diese Gefahr bringen. Wir müssen einen Ehemann für sie finden.“

Nach der Hochzeit“, hatte ihr Vater gesagt. „Es werden viele Adlige zum Festmahl kommen und für die Jagd. Vielleicht finden wir einen jungen Mann, der einen passenden Ehemann für sie abgibt.“

Möglicherweise müssen wir eine Mitgift anbieten.“

Dann werden wir das tun. Gold, ein Herzogtum, was auch immer für meine Tochter am besten ist.“

Der Verrat war vollkommen und es gab kein Zurück. Erin war in ihr Zimmer gegangen, um ihre Sachen einzusammeln: ihren Stab und ihre Kleidung, ein Päckchen mit Vorräten. Sie hatte sich in diesem Moment geschworen, dass sie nicht zurückkommen würde.

„Außerdem“, sagte sie zu ihrem Pferd, „bin ich alt genug, um zu tun, was ich will.“

Sie mochte die jüngste ihrer Geschwister sein, aber sie war immerhin bereits sechzehn. Sie war vielleicht nicht ganz das, was ihre Mutter wollte – zu knabenhaft mit den schulterlang geschnittenen dunklen Haaren, und sie hatte nie Lust, zu nähen, zu knüpfen oder auf der Harfe zu spielen –, aber sie war doch mehr als fähig, auf sich selbst aufzupassen.

Zumindest glaubte sie, dass sie das war.

Sie würde es sein müssen, wenn sie sich den Rittern des Sporn anschließen wollte. Allein der Name des Ordens ließ Erins Herz höher schlagen. Sie waren die besten Krieger des Reiches, jeder einzelne von ihnen ein Held. Sie dienten ihrem Vater, ritten aber auch aus, um Unrecht zu richten und Feinde zu bekämpfen, die kein anderer besiegen konnte. Erin würde alles geben, um sich ihnen anzuschließen.

Deshalb ritt sie nach Norden, zum Sporn. Das war auch der Grund, warum sie diese Route durch Teile des Waldes nahm, die lange für gefährlich gehalten wurden. Sie ritt weiter und sog den Ort in sich auf. Zu jeder anderen Zeit wäre es wunderschön gewesen, aber zu jeder anderen Zeit wäre sie nicht hier gewesen. Stattdessen sah sie sich um, ihre Augen schwenkten blitzschnell hin und her – nur allzu deutlich war sie sich der Schatten auf beiden Seiten des Pfades bewusst, nahm sie wahr, wie die Zweige sie beim Reiten berührten. Es war ein Ort, an dem sie sich vorstellen konnte, dass jemand verschwand und niemals zurückkehren würde.

Trotzdem war es der Weg, den sie einschlagen musste, um die Ritter des Sporns zu erreichen. Besonders, wenn sie sie beeindrucken wollte, wenn sie dort ankam. Daran gemessen, spielte ihre Angst keine Rolle.

„Warum haltet Ihr nicht dort an?“, rief eine Stimme ihr aus einiger Entfernung vom Waldpfad zu.

Da war es. Erin verspürte ein kurzes Gefühl der Angst bei den Worten, ein Flattern lief durch ihren Bauch. Sie hielt ihr Pferd an und schwang sich geschmeidig aus dem Sattel. Fast nebensächlich, nahm sie ihren kurzen Stab herunter und hielt ihn locker mit ihren behandschuhten Händen.

„Nun, was denkt Ihr wohl, werdet Ihr mit diesem Stock tun?“, sagte der Mann weiter unten im Wald. Er trat heraus, in grobe Kleidung gekleidet und mit einem Beil in der Hand. Zwei weitere Männer traten hinter Erin aus dem Dunkel der Bäume. Einer hielt ein langes Messer in der Hand, der andere ein Ritterschwert, das darauf hindeuten mochte, dass er einst für einen Adligen gekämpft hatte.

„In einem Dorf, durch das ich vor einer Weile gezogen bin“, sagte Erin, „haben sie mir von Banditen im Wald erzählt.“

Sie schienen es nicht seltsam zu finden, dass sie hierhergekommen war. Erin konnte die Angst in sich spüren. Hätte sie hierherkommen sollen? Sie hatte viele Trainingskämpfe erlebt, aber dies hier … war anders.

„Sieht so aus, als wären wir berühmt, Jungs“, rief der Anführer mit einem Lachen.

Berühmt war eine Art, das zu betrachten. Im Dorf hatte sie mit einer jungen Frau gesprochen, die mit ihrem Ehemann gereist war. Sie hatte gesagt, selbst als sie diesen Männern alles gegeben hatten, was sie besaßen, wollten sie noch mehr, und sie nahmen es sich. Sie hatte Erin alles genau erzählt und Erin hatte sich gewünscht, sie könne so mit Menschen umgehen wie Lenore oder hätte Nerras Mitgefühl. Erin hatte keines von beiden; alles, was sie hatte, war dies.

„Sie sagen, Ihr tötet diejenigen, die kämpfen“, sagte Erin.

„Na dann“, sagte der Anführer, „werdet Ihr wissen, dass Ihr nicht kämpfen solltet.“

„Es lohnt sich kaum“, sagte einer der anderen. „Kann kaum als Mädchen durchgehen.“

„Ihr beschwert Euch?“, schoss der Anführer zurück. „Bei den Dingen, die Ihr auch mit Jungs getan habt?“

Erin stand da und wartete. Die Angst war immer noch da, und sie war zu einem monströsen Ding angewachsen, so groß wie ein Bär, und es drohte, sie zu lähmen. Sie hätte nicht hierherkommen sollen. Dies war kein Trainingskampf und sie hatte noch nie wirklich gegen jemanden gekämpft. Sie war nur eine junge Frau, die im Begriff war, getötet zu werden, oder schlimmeres …

Nein. Erin dachte nach, dachte an die Frau aus dem Dorf, und der Zorn überwältigte ihre Angst.

„Wenn Ihr es Euch leicht machen wollt, gebt Ihr alles ab, was Ihr habt. Das Pferd, Eure Wertsachen, alles.“

„Und zieht Euch aus“, sagte der andere, der gesprochen hatte. „So vermeiden wir, dass Blut draufkommt.“

Erin schluckte bei dem Gedanken, was das bedeuten könnte. „Nein.“

„Na dann“, sagte der Anführer. „Sieht so aus, als ob wir das auf die harte Tour machen.“

Der mit dem langen Messer griff Erin zuerst an, grapschte nach ihr und hieb mit dem Messer. Erin riss sich los, aber die Klinge glitt so leicht durch ihre Kleidung wie durch die Butter eines Milchmädchens. Der triumphale Blick des Mannes verwandelte sich jedoch schnell in Schock, als die Klinge stoppte und das Geräusch von Metall auf Metall erklang.

„Ein Kettenhemd auszuziehen, ist harte Arbeit“, sagte Erin.

Sie schlug mit ihrem Stab zu, traf den Mann mit dem Stiel ins Gesicht und er stolperte zurück. Der Anführer kam mit seinem Beil auf sie zu, sie holte mit dem Stab von der Seite aus und schlug die Waffe aus der Bahn. Sie stieß mit dem Ende zu und stieß es in die Kehle des Mannes, er gurgelte und stolperte davon.

„Miststück!“, sagte der Messermann.

Jetzt drehte Erin den Stab und zog das Ende ab, um die lange Klinge darunter zu enthüllen, die fast halb so lang war. Dunkel warf es die Lichtflecken des Waldes zurück. In der seltsamen Stille, die folgte, sprach sie. Jetzt war nicht die Zeit, noch irgendetwas zu verschleiern.

„Als ich jung war, zwang mich meine Mutter, Nähstunden zu nehmen. Die Frau, die uns unterrichtete, war jedoch fast blind, und Nerra, meine Schwester, pflegte mich zu decken, während ich hinauslief und die Jungs mit Stöcken bekämpfte. Als meine Mutter es herausfand, war sie wütend, aber mein Vater sagte, ich könnte es genauso gut richtig lernen, und er war der König, also …“

„Euer Vater ist der König?“, sagte der Anführer. Furcht überfiel sein Gesicht für einen Moment, doch bald siegte die Gier. „Wenn sie uns erwischen, bringen sie uns um, aber das hätten sie trotzdem getan, und das Lösegeld, das wir für jemanden wie Euch bekommen …“

Wahrscheinlich würden sie es bezahlen. Allerdings, angesichts dessen, was Erin gehört hatte und wie viel sie bereit wären, zu zahlen, um sie loszuwerden …

Der Bandit stürzte sich wieder auf Erin und unterbrach ihren Gedankengang, er schwang sein Beil und trat nach ihr. Erin fegte das Beil mit einer Hand zur Seite, drückte auf den Ellbogen des Mannes und trat ihn dann gegen das Knie, als er versuchte, sie zu treten, was ihn zu Boden sandte. Ihr Lehrer wäre wahrscheinlich verärgert, weil sie es nicht vorher zu Ende gebracht hatte.

In Bewegung bleiben, schnell beenden, kein Risiko eingehen. Erin konnte fast die Worte ihres Lehrers, des Schwertmeisters Wendros, hören. Er war derjenige, der ihr geraten hatte, den kurzen Speer zu benutzen, eine Waffe, die ihren Mangel an Größe und Kraft mit ihrer Schnelligkeit und Reichweite ausgleichen konnte. Erin war zu der Zeit ein wenig enttäuscht von der Wahl, doch jetzt war sie es nicht mehr.

Sie packte ihre Waffe mit beiden Händen und wirbelte herum, auf der Hut, als der mit dem Schwert auf sie zukam. Sie wehrte sein Stöße ab, den ersten, dann den zweiten, und zielte dann mit einem Hieb auf ihn. Ein Speer kann sowohl schneiden als auch stoßen. Er versuchte, die Attacke abzulenken, sein Schwert hob sich, um dem Speer zu begegnen – Erin drehte ihre Handgelenke, und ließ ihre Klinge geschickt unter seiner Abwehr hindurch tanzen. Noch im Sterben, schwang der Mann einen weiteren Hieb auf sie, Erin fegte ihn zur Seite, sie ging bereits zum nächsten Gegner.

Haltet nicht an. Bleibt in Bewegung, bis der Kampf beendet ist.

„Sie hat ihn getötet!“, schrie der Messermann. „Sie hat Ferris getötet!“

Er stürzte sich mit dem langen Messer auf sie, offensichtlich, um zu töten, nicht, um sie gefangenzunehmen. Er stürzte sich hinein und versuchte, in ihre Nähe zu kommen, wo die größere Länge von Erins Waffe ihr keinen Vorteil mehr bringen würde. Erin täuschte einen Rückschritt vor, tauchte dann aber unerwartet nach vorne und rollte ihn über ihre Hüfte, er landete schmerzhaft auf dem Boden und die Luft entwich ihm.

Zumindest hätte er es getan, wenn er sie nicht im Fallen mitgerissen hätte.

Nicht prahlen, Mädchen. Tut einfach, was Ihr tun müsst.

Dafür war es jetzt zu spät, sie rang mit dem Messermann auf dem Boden und war dort gefangen, während er auf sie einstach – nur ihr Kettenhemd bewahrte sie vor dem Tod. Sie war übermütig gewesen und dafür war sie jetzt in einer Situation, in der die größere Kraft des Mannes seinem Vorteil diente. Er war jetzt über ihr und sein Messer näherte sich ihrer Kehle …

Irgendwie schaffte Erin es, nahe genug zu kommen, um ihn zu beißen, und das gab ihr genug Raum, sich freizustrampeln – es war weder Kunst noch Können, nur reine Verzweiflung. Der Anführer war inzwischen wieder auf den Beinen und schwang seine Waffe erneut. Noch auf den Knien parierte Erin den ersten Schlag so gerade eben, doch sie erhielt einen Tritt in die Mitte und spuckte Blut, als sie wieder hochkam.

„Ihr habt die falschen Leute ausgewählt, mit denen Ihr Euch anlegen wollt, Miststück“, sagte der Anführer, sein Schlag kam nun von oben und zielte auf ihren Kopf.

Es gab keine Zeit auszuweichen, keine Zeit zu parieren. Alles, was Erin tun konnte, war sich zu ducken und mit ihrem Speer nach oben zu stoßen. Sie spürte das Knirschen, als es durch das Fleisch ging, sie erwartete, dass die Waffe ihres Gegners in ihrem eigenen Körper eindringen würde, doch für einen Moment schien alles zu erstarren. Sie wagte es, aufzublicken, und da war er, durchbohrt, am Ende ihres Speers – und starrte so verwirrt auf die Waffe hinab, dass er seinen eigenen Angriff nicht beendet hatte.

Es ist eine feine Sache, Glück zu haben, und eine große Dummheit, sich darauf zu verlassen, klang die Stimme von Schwertmeister Wendros in ihrem Kopf.

Der Messermann war immer noch am Boden und versuchte, sich zu erheben.

„Gnade, bitte“, sagte der Messermann.

„Gnade?“, fragte Erin zornig. „Wie viel Gnade habt Ihr den Menschen gezeigt, die Ihr beraubt, getötet und vergewaltigt habt? Habt Ihr sie ausgelacht, als sie Euch angefleht haben? Habt Ihr sie niedergemetzelt, als sie versuchten, zu fliehen? Wie viel Gnade hättet Ihr mir gezeigt?“

„Bitte“, sagte der Mann und stand auf. Er drehte sich zum Laufen um und hoffte wahrscheinlich, dass er Erin im Dickicht des Waldes abschütteln könnte.

Sie hätte ihn fast gehen lassen, aber was würde er dann tun? Wie viele Menschen würden noch sterben, wenn er glaubte, er wäre wieder damit durchgekommen? Sie drehte die Klinge um, hob sie und warf.

Über eine lange Strecke hätte es nicht funktioniert, da der Speer kürzer war als ein echter Speer, aber über den kurzen Abstand zwischen ihnen segelte er perfekt durch die Luft, er sank in den Rücken des Banditen und brachte ihn zu Fall. Erin trat zu ihm, setzte einen Fuß auf seinen Rücken und zog den Speer heraus. Sie hob ihn hoch und brachte ihn ohne Zögern wieder auf seine Kehle herunter.

„Das ist so viel Gnade wie ich heute habe“, sagte sie.

Sie blieb für einen Moment dort stehen und betrachtete ihn, dann trat sie an den Wegesrand, denn plötzlich war ihr übel. Es hatte sich so richtig und so einfach angefühlt, als sie gekämpft hatte, aber jetzt …

Sie musste sich übergeben. Sie hatte noch nie zuvor jemanden getötet und jetzt waren der Schrecken und der Gestank fast überwältigend. Sie kniete dort – stundenlang, so schien es –, bevor ihr Verstand ihr befahl, sich zu bewegen. Die Stimme von Schwertmeister Wendros kam wieder ihr in den Sinn ……

Wenn es getan ist, ist es getan. Konzentriert Euch auf das Praktische und bereut nichts.

Das war leichter gesagt als getan, aber Erin rappelte sich auf. Sie  wischte ihr Schwert an der Kleidung des Banditen ab und zog die Leichen  bis zum Rand des Waldweges. Das war der schwierigste Teil von allem, denn sie waren alle größer als sie und eine Leiche fühlte sich schwerer an als ein lebendes Wesen. Als sie fertig war,  klebte mehr Blut auf ihren Kleidern als während des Kampfes, ganz zu schweigen von dem Schnitt, wo der Messermann sie getroffen hatte. Sie hatte plötzlich den seltsamen Gedanken, dass ihre Kleider möglichst schnell zu einem Diener gebracht werden sollten, um sie auszubessern, bevor ihre Mutter sie sah. Sie begann, zu lachen und konnte sich nicht beruhigen. Die Folgen des Kampfrausches. Die größte Bedrohung für einen Schwertkämpfer und die größte Droge, die die Welt jemals gekannt hat.

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Litres'teki yayın tarihi:
02 eylül 2020
Hacim:
301 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
9781094306131
İndirme biçimi:
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