Kitabı oku: «Tara», sayfa 5
Ich wusste es besser. Wenn er tot wäre - mich schüttelte es bei dem Gedanken - dann hätte ich diese Visionen ganz bestimmt nicht bekommen. Sie mussten etwas bedeuten.
„Es tut mir leid, dass du den ganzen Weg hierhergereist bist und ich dir nicht weiterhelfen kann. Mir tut es auch fast etwas leid, dass du wegen einer so unbefriedigenden Antwort nun sterben musst.“
Elisabeth trat einen Schritt zurück und schnippte mit dem Finger, worauf sich zwei Vampire auf mich stürzten.
Jagd auf Leben und Tod
Im selben Moment, wo sie auf mich hätten einkrachen müssen, schlug ihnen etwas entgegen. Oder vielmehr, jemand. Ville hatte sich vor mich geworfen und wirbelte wie ein Hurrikan durch die Vampirmenge.
Ich hatte keine Ahnung, wie er in so kurzer Zeit sich hatte losreißen können. Doch ich nutzte den Schreckensmoment meiner Wächter und wand mich aus deren Griff. Im nächsten Moment kämpfte ich schon wieder an Villes Seite. Und dann riss ich zum ersten Mal in meinem Vampirleben einen Kopf von einem Hals.
Dieses Geräusch würde mich den Rest meines ewigen Lebens verfolgen.
Ich ging davon aus, dass auch bei diesem Treffen eine größere Gruppe Vampire im Hintergrund warten würden, um einzugreifen, sollte es der Clan nicht schaffen.
Ich wusste, dass ich nicht viel Zeit hatte. Also stürzte ich mich, nachdem meine Angreifer erst einmal abgewehrt waren, auf Elisabeth.
Ihren Kopf wollte ich als nächstes abreißen. Gerade als ich ihn zu packen bekam, wurde ich von einem anderen Vampir weggeschleudert. Wütend stürzte ich umgehend zurück. Doch Ville riss mich mitten im Sprung zurück, hielt mich fest und rannte mit mir los.
Erst jetzt merkte ich, dass die Vampiranzahl drastisch gestiegen war.
Wie Blitze jagten wir durch den Park und durch die angrenzenden Straßen. Dieses Mal ließen die Vampire sich nicht von der Öffentlichkeit abschrecken. Wie viele Straßenzüge wollten sie denn anschließend von Zeugen „säubern“?! Nicht, dass Menschen wirklich erkennen konnten, was gerade geschah. Wir waren für das menschliche Auge kaum wahrzunehmen, so schnell wie wir rannten. Sie bekamen nicht mehr von uns mit, als einen Windstoß, begleitet von einem vorbeihuschenden Schatten. Kein Mensch würde etwas anderes dahinter vermuten, als eine kleine Windböe in einer schlecht beleuchteten Straße.
Unsere Angreifer folgten uns weiter. Ich war mir langsam noch nicht einmal sicher, ob wir überhaupt noch in Bukarest waren. Ville schien sich jedoch bestens auszukennen. Er führte mich über Zäune, Hinterhöfe und teilweise über Dächer.
Nach einem Sprung über einen hohen Zaun, dem Durchqueren einer Fabrikruine und einem mutigen Sprung in einen Abgrund, kauerte er sich mit mir hinter einer Mauer. Vorsichtig lugte er um die Ecke, ob wir unsere Angreifer endlich abgeschüttelt hatten.
„Du bist wahnsinnig! Du hast die gesamte Bukarester Vampirgesellschaft gegen dich aufgebracht!“, flüsterte er.
„Es tut mir leid, dass ich dich mit hineingezogen habe“, mich plagten ehrliche Gewissensbisse. Ich hätte seine Unterstützung ablehnen müssen.
„Du kannst noch aussteigen.“
„Nein, unmöglich. Ich stecke da jetzt viel zu tief mit drin. Ich werde nie wieder einen Fuß in dieses Lands setzen können.“
„In das ganze Land nicht?“
„Die Reichweite des Gardianuls-Clans ist groß.“
Bedauernd schaute ich ihn an. Doch Ville grinste nur breit. „So viel Spaß wie heute hatte ich ewig nicht mehr. Ich fühle mich richtig... lebendig. Und irgendwie auch verdammt sterblich“, er lachte leise.
Dann lugte er wieder um die Mauer herum.
„Die Luft scheint rein zu sein.“ Er deutete mir an, mich entlang der Mauer weiter zu schleichen.
Als ich am Ende der Mauer ankam, stellte sich mir auf einmal jemand in den Weg. Nicht nur jemand, es war Lucian! Ich starb gerade tausend Tode. Waren wir jetzt doch entdeckt wurden? Ich wollte nicht sterben. Noch weniger wollte ich, dass Ville wegen mir starb.
Doch Lucian legte nur seinen Finger auf seinen Mund und bedeutete uns leise zu sein. Zum ersten Mal, seit ich ihn kennengelernt habe, sah er ernsthaft aus.
Wir schlichen hinter ihm her. Ich wusste selbst nicht, warum wir ihm auf einmal vertrauten. Aber irgendwie wirkte er gegenüber den anderen Vampiren erstaunlich harmlos.
Durch eine Klappe krochen wir in die Kanalisation und krabbelten durch stinkende Rohre bis wir fern ab der Fabrik aus einem Gulli wieder auf die Straße kletterten.
Wir folgten ihm durch einen Keller in ein baufälliges Mehrfamilienhaus und erst als wir eine der leeren Wohnungen betreten und die Tür hinter uns geschlossen hatten, ließen wir uns stöhnend auf den Boden sinken.
„Sicherheit!“, erklärte Lucian.
„Wirklich? Können wir dir trauen? Oder hast du uns direkt in die Gardianulshauptzentrale geführt?“, ich konnte nicht glauben, dass er uns half.
„Nein, wirklich. Ihr seid in Sicherheit. Ich kann euch aber nur raten, schnellstmöglich das Land zu verlassen. Deinen Tristan findest du hier nicht, wie du heute gehört hast.“
„Falls Elisabeth die Wahrheit gesagt hat“, warf ich ein.
„Das hat sie. Ich habe sie heute reden hören, dass sie versucht hatte ihn zu finden, nachdem er dich wieder getötet hatte. Sie konnte ihn aber nicht aufspüren. Sie vermutet, dass er sich in Finnland versteckt hält, bei seinen Freunden. Die schirmen alle ab. Da ist kein Herankommen. Vielleicht solltest du es da versuchen.“
Ich war fassungslos. Konnte es sein, dass Lucian mir gerade half?
„Warum tust du das?“
„Was?“
„Warum hilfst du mir auf einmal?“
„Ich bin nicht so schlecht, wie du von mir denkst. Sicherlich bin ich nicht so ein Gut-Vampir wie dein Tristan oder dein blonder Engel hier“, er nickte in Villes Richtung. „Aber die Vorgehensweise der Gardianuls ist nicht meine Art. Sie hätten dich im Swingerclub nicht davonkommen lassen. Auch ich hätte dich locker überwältigen können. Aber so bin ich nicht. Du gefällst mir wirklich, Tara. Ich mag deine Sturheit und deinen Kampfeswillen. Lass dich nicht brechen, ok?!“, er stand auf und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Dann verschwand er.
Ich war sprachlos. Da hatte dieser Idiot sich doch tatsächlich von einer Seite gezeigt, die ich nie erwartet hätte. Na super, nun konnte ich ihn nicht mehr verabscheuen. Jetzt tat er mir sogar irgendwie leid. Wahrscheinlich war er auch nur ein unterdrücktes Opfer der Gardianuls, der versuchte mit ihnen auszukommen.
„Was nun?“, riss mich Ville aus meinen Gedanken.
„Hast du Lust, deine alte Heimat zu besuchen?“, grinste ich ihn an. Ville antwortete mir mit einem breiten Lächeln.
„Wie war das? Du wolltest mich da nicht mehr mit hineinziehen?
„Du hast jetzt eh Landesverbot hier“, witzelte ich.
„Außerdem sind die in Finnland mit denen hier in keinster Weise zu vergleichen.“
„Schon gut. Du hattest mich schon beim ersten Satz“, grinste Ville.
Erleichtert strahlte ich ihn an. Konnte es sein, dass ich in dieser Stadt, in der ich ausschließlich blanken Horror erlebte, doch tatsächlich einen Freund gefunden hatte?
Die Reise war sehr einsam gewesen, bis ich ihm begegnet war. Diese nun mit jemanden an meiner Seite fortzuführen erschien mir wundervoll. Und ich mochte Ville, sehr sogar. Es wäre mir eine Freude gewesen, mit ihm die Suche fortzusetzen.
Geschafft griff er nach meiner Hand und zog mich hoch.
„Na dann, holen wir mal noch fix unseren Kram und dann nichts wie ab zum Flughafen.“
„Bist du dir sicher?“
Ville legte seine Arme um meine Schultern und schaute mir tief in die Augen.
„Ich war mir noch nie bei etwas so sicher wie jetzt.“
Ja, ich hatte einen Freund gefunden.
Finnland
Wir fuhren zunächst zu Villes Wohnung, um seine Sachen zu holen, welche er erstaunlich schnell zusammengepackt hatte.
Danach ging es mit dem Taxi in mein Hotel. Ville half mir dabei, alles schnell in meine Koffer zu pressen.
Es war inzwischen 4 Uhr morgens. Natürlich war um diese Zeit die Rezeption nicht besetzt. Normalerweise checkten die Gäste um eine solche Zeit weder ein noch aus.
Dennoch musste ich los. Ich hätte einfach gehen können. Meine Papiere, die ich zum Anmelden meines Zimmers angegeben hatte, waren sowieso gefälscht.
Doch es kam mir falsch vor, das Hotel um meine Zimmermiete zu bringen. Daher hielt ich das Geld sichtbar in die Überwachungskamera und legte es dann zusammen mit meinem Schlüssel auf den Rezeptionstresen.
Ob es nachher noch da lag oder geklaut wurde, befand sich außerhalb meines Verantwortungsbereichs.
Je näher das Taxi dem Flughafen kam, desto mehr entspannten wir uns. Doch erst im Check In fiel die Anspannung gänzlich von uns ab.
Wir hatten es geschafft. Hierhin würden uns die Guardianuls nicht verfolgen.
Aus dem Augenwinkel beobachtete ich Ville, wie er sein Flugticket studierte. Seine blauen Augen hatten sich verdunkelt. Er hatte Hunger. Sie sahen jetzt aus wie ein Meer in der Nacht.
Seine langen, blonden Haare hatte er locker zu einem Pferdeschwanz im Nacken zusammengebunden.
Als er bemerkte, dass ich ihn ansah, blickte er mich fragend mit einem breiten Grinsen an.
Ich grinste zurück, worauf er seinen Arm um mich legte und mich an seine Schulter zog.
Seinen Duft einatmend, schmiegte ich mich an seine Lederjacke.
Er streichelte meine Schulter, gab mir einen Kuss auf mein Haar und legte anschließend seine Wange auf meinem Kopf.
„Es wird alles gut“, flüsterte er, als ob er wüsste, dass ich gerade Trost nötig hatte.
Ich war bereits in Sizilien gewesen und hatte nun in Rumänien eine furchtbare Zeit erleben müssen und alles ohne auch nur einen einzigen Schritt näher zu Tristan gekommen zu sein.
Ich war frustriert und leicht entmutigt. Ich wusste nicht, wie ich dies alles ertragen hätte, wenn Ville nicht an meine Seite getreten wäre. Wahrscheinlich wäre ich noch nicht einmal mehr am Leben ohne ihn.
Er rettete mich auf viele Arten und Weisen und ich war unsagbar dankbar dafür, dass er mich auf der weiteren Reise begleiten würde.
Endlich wurden wir in das Flugzeug gelassen. Es war ein Gefühl, als würde ich die Hölle verlassen dürfen.
Bis auf Ville, hatte ich wirklich nichts Positives in Bukarest erfahren. Ich war Elisabeth begegnet und wurde wieder einmal davon überzeugt, wie abgrundtief böse sie war. In ihr steckte nicht ein winziger Funken Mensch mehr.
Ich hatte den gesamten Vampirzirkel von Bukarest gegen mich aufgebracht und wäre fast getötet wurden.
Nein, ich würde Rumänien nicht so schnell wieder besuchen, das stand fest.
Während die Lichter von Bukarest unter uns immer kleiner wurden, fühlte ich mich mehr und mehr befreiter.
Meine erste Begegnung mit anderen Vampiren war furchterregend gewesen. Ich hatte erfahren, was es wirklich bedeutete zu diesen Kreaturen zu zählen.
Doch Ville war der Beweis, dass es auch anders möglich war zu leben und das Vampir nicht gleich Vampir war.
Nun würden wir zu Vampiren reisen, die so waren wie wir. Die noch Menschlichkeit in sich trugen und friedvoll eine Co-Existenz führten.
Ville drückte liebevoll meine Hand. Ich schaute ihm in die Augen. Er hatte alles für mich riskiert, obwohl er mich kaum kannte. Ville hatte seine Tournee für mich aufgegeben und sich die Wut der Guardianuls eingehandelt, weswegen er wohl auch nie wieder hierherkommen sollte.
Dennoch sah ich in seinem Blick kein Fünkchen Reue oder Traurigkeit. Er schien seinen Frieden mit seiner Entscheidung gemacht zu haben.
Und als Rumänien unter uns verschwunden war, versuchte ich ebenfalls diesen Frieden zu schließen.
Am späten Vormittag landeten wir in Helsinki. Das Wetter war kalt und regnerisch und dennoch war ich glücklich jetzt hier stehen zu können.
Doch so sehr ich mich auch freute, dämmerte es mir, dass ich keinerlei Ahnung hatte, wo ich Aleksi, Raila, Mika und Co. finden konnte.
Ich wusste nur, dass sie zwei Wohnsitze in Finnland hatten, einen in Helsinki und einen abgeschiedenen in der Nähe von Saariselkä, direkt zwischen zwei großen Nationalparks.
Doch dieses Mal hatte ich Ville an meiner Seite. Er kannte sich hier aus, wusste, wo man Vampire antreffen konnte und war vernetzt. Es beruhigte mich, dass sich die Suche dieses Mal nicht wieder so kompliziert gestalten würde.
Ville wollte erst einmal zu sich nach Hause fahren, obwohl ich mich am liebsten sofort aufgemacht hätte, Raila und ihre Freunde zu finden. Doch ich konnte verstehen, dass er seine Gitarren sicher nach Hause bringen wollte, bevor er sich mit mir ins nächste Abenteuer stürzte.
Bis jetzt hatte er mit mir nur Ärger kennengelernt, vielleicht ging er davon aus, dass sich dies hier fortsetzen würde.
Mit dem Taxi fuhren wir in den Stadtteil Katajanokka, ein ruhiges Hafenviertel mit wunderschönen Gebäuden im Jugendstil. Vor einem dieser Gebäude ließ Ville das Taxi anhalten und wir stiegen aus.
Er führte mich in das Haus, leerte seinen Briefkasten und stieg mit mir mehrere Etagen hoch, bis wir vor seiner Wohnungstür ankamen. Es fühlte sich alles so normal und menschlich an. Was für ein krasser Kontrast zu Bukarest, wo wir noch vor wenigen Stunden vor einer Horde Vampire um unser Leben gerannt waren.
Die Wohnung von Ville war mit dem Appartement in Bukarest nicht im Geringsten vergleichbar. Diese Wohnung strahlte Eleganz und Stil aus.
Dunkle Holzmöbel hoben sich vor weinroten Tapeten ab. Weißer Flokati lag auf Kirschholzparkett. Kronleuchter hingen von der Decke und schwere Ledersofas dominierten den Raum.
Besondere Aufmerksamkeit zog der Balkon auf sich. Nicht nur, weil er sehr gemütlich mit Korbsesseln und Windlichtern ausgestattet war, sondern weil er eine wunderschöne Aussicht auf das Meer bot. Das hätte ich niemals erwartet.
Angezogen von dem Anblick trat ich auf dem Balkon hinaus.
„Gefällt es dir?“, Ville trat hinter mich heran und reichte mir ein Glas. Der Duft von warmem Blut mischte sich mit der salzigen Luft des Meeres.
„Es ist wunderschön. Ich hätte nie gedacht, dass du hier so wohnst“, ich wollte mich sogleich korrigieren. „Also ich meine, die Wohnung in Bukarest sah ja schon sehr anders aus als diese hier“, versuchte ich es zu retten.
Ville lachte. „Du meinst schäbig?“
Ich errötete.
„Schon gut. Die Wohnung in Bukarest ist nur eine Unterkunft, um mir Hotels zu ersparen. Ich mag es lieber privater. Aber so selten wie ich da bin, muss ich es nicht besser einrichten. Es reicht für die Zwecke. Und nun werde ich sie ja wahrscheinlich sowieso nicht mehr brauchen, nachdem dort ein ganzer Vampirzirkel auf mich wartet, der mich lynchen will“, er zwinkerte mir zu und ich schaute ihn betroffen an. Er winkte nur ab.
„Hier ist mein zu Hause. Dies ist mein Zufluchtsort, wenn ich meine Ruhe will. Ich habe noch ein Appartement direkt im Zentrum von Helsinki, wenn ich mal 'Essen gehen' möchte“, er grinste. „Aber dieses ist auch eher zweckmäßiger eingerichtet. Dort verbringe ich nicht so viel Zeit wie hier.“
Ich ließ mich in einen der Korbsessel fallen. „Also hier könnte ich es auch aushalten.“
„Du kannst solange bleiben, wie du magst.“
„Vorsicht, sonst ziehe ich hier noch ein“, scherzte ich.
„Bitte, die Wohnung ist groß genug“, zwinkerte er wieder.
Mit Ville zusammen zu sein war so unbeschwert und leicht. Ich mochte seine Art. Seine Augen leuchteten wieder so blau wie das Meer hinter ihm.
Vielleicht hatte Ville recht und wir sollten uns heute einen Erholungstag gönnen. Eine etwas lockere Sightseeingtour mit Ville genießen, herumalbern und entspannen schien mir eine gute Idee zu sein, nach dem ganzen Stress. Mit der Suche würden wir dann morgen beginnen.
Helsinki rocks
Nachdem wir noch ein weiteres Glas Blut auf seinem Balkon genossen hatten, erfrischten wir uns, schlüpften in bequeme Kleidung und machten uns anschließend auf Helsinki zu erkunden.
Anstatt wieder ein Taxi zu rufen, dirigierte mich Ville ein paar Schritte weiter zu gehen, wo sein Auto stand, mit welchem er ins Zentrum fahren wollte.
Vor einem Mercedes 300 Adenauer Leichenwagenumbau aus den 60ern blieb er stehen. Ville fummelte seinen Schlüssel aus seiner Hosentasche, öffnete die Tür und hielt sie mir dann grinsend auf.
„Ist nicht dein Ernst?! Wirklich so ein Klischee fährst du? Ein Untoter in einem Leichenwagen..., echt jetzt?“, ich schüttelte lachend den Kopf.
„Hey, das Baby ist total heiß. Außerdem…, es ist das Auto, indem ich tot ins Leichenschauhaus gefahren wurde…, vor meiner Verwandlung“, andächtig strich Ville über den Lack.
„Du lagst tot da drin?“
„Ja. Und als ich wieder erwachte, nahm ich dieses Auto und fuhr wieder nach Hause. Erst ein paar Stunden später begriff ich, dass dies nicht die beste Idee gewesen war“, lachte er.
Mir wurde einmal wieder bewusst, dass ich noch kaum etwas über Ville wusste. Ich war so mit mir beschäftigt gewesen, dass ich ihn bisher nur selten etwas über sich gefragt hatte. Ich entschloss den heutigen Tag zu nutzen, um dies zu ändern. Er hatte sein ganzes Leben von einem Moment zum nächsten wegen mir über den Haufen geworfen. Da sollte ich wenigstens wissen, wer dieser Mann war, der so ein Opfer brachte.
Ich nahm in dem Auto Platz. Das Leder fühlte sich kühl an. Das Armaturenbrett war mit Mahagoniholz verziert. Ein Vanilleduftbäumchen baumelte über den Lüftungs-schlitzen.
Ville machte den CD-Player des Autoradios an. Aus den Boxen erklang HIM mit „Pretending“. Ich verdrehte die Augen und lachte wieder.
„Was? Magst du HIM nicht?“
„Hallo? Wie kann man HIM nicht mögen?! Seit 'Join me in death' bin ich fest in ihrem Bann! Aber es ist schon ein bisschen… schräg.“
Ville sah mich mit großen Augen unverständlich an.
„Na ich sitze hier mit einem Ville in Helsinki im Auto und es ertönt finnische Rockmusik von Ville Valo?!“, wieder schüttelte ich lachend den Kopf.
„Also ich finde da gar nichts komisch“, meinte Ville und ließ das Auto an. Ich sah jedoch, wie seine Mundwinkel zuckten. Konnte es sein, dass sich Ville einfach nur einen Spaß mit mir machte?
Langsam wendete ich kritisch dreinblickend mein Augenmerk von ihm ab. In dem Moment hörte ich ihn leise kichern. Mistkerl!
Wir fuhren an der Uspenskin katedraali vorbei über die Brücke der Kanavakatu bishin zum Senatsplatz, in dessen Nähe Ville sein Auto abstellte.
Unsere Tour startete mit dem weißen „Dom zu Helsinki“, bei dem es sich um eine evangelische Kirche aus dem 19. Jahrhundert handelte.
Fast schon andächtig bestiegen wir die Treppen, die zum Eingang hinaufführten. Die Größe des Gebäudes wirkte sehr erhaben und beeindruckend. Der Sockel, auf dem sie stand, betonte dies noch.
Die Kirche war innen ebenfalls fast ausschließlich in Weiß gehalten und mit goldenen Akzenten elegant gestaltet.
Ville erklärte mir einiges geschichtliches zu der Kathedrale. Diese Art von Fremdenführung erinnerte mich an Tristan, wie er mir bei unserem Sizilienurlaub als Zeitzeuge alles erzählte. Jene Zeit schien mir so ewig her, als wäre sie nur ein Traum gewesen. Lediglich der Ring an meinem Finger erinnerte mich, dass diese Erinnerungen einmal real gewesen waren.
Noch bevor ich in Melancholie versinken konnte, führte mich Ville aus dem Dom wieder heraus und wir gingen weiter Richtung Zentrum.
Wir blieben vor einem Felsgebilde stehen. Ein flacher Betonbalken wies den Eingang. Darüber bäumte sich im Hintergrund eine Kuppel. Es sah aus, als wäre ein Ufo gelandet.
„Das ist der Temppeliaukio..., die Felsenkirche. Sie ist direkt in den Felsen geschlagen wurden“, erklärte Ville wissend.
Ich war sehr gespannt, was mich innen erwarten würde. Wie eine Kirche wirkte dieses Bauwerk jedenfalls nicht.
Meine Vorurteile wurden sofort abgestraft. Im inneren der Kirche empfing mich ein wundervoller, außergewöhnlicher Anblick. So hatte ich eine Kirche noch nie gestaltet gesehen.
Die Wände bestanden tatsächlich aus unbehauenem Felsgestein. Gemütliche Holzbänke waren im Halbkreis zu einem Altar ausgerichtet, welcher mehr Ähnlichkeit mit einer Theaterbühne aufwies.
Das raumschiffartige Kuppeldach stand auf vielen Holzpfeilern, zwischen denen Fenster eingebaut waren, sodass trotz der Steinmauern ein sehr offenes und luftiges Raumgefühl entstand. Es war wirklich wunderschön.
Ich ließ mich auf eine der Bänke nieder, um die Kirche in Ruhe zu bewundern.
„Schön, dass wir, entgegen den literarischen Vermutungen, Gotteshäuser betreten können“, flüsterte Ville grinsend.
„Wie wurdest du eigentlich verwandelt?“, fiel mir mein guter Vorsatz für den heutigen Tag ein.
Villes Lächeln verebbte ein wenig. Unbeholfen zuckte er mit den Schultern.
„Es war sozusagen das Aufnahmeritual, um in der Band mitzuspielen, auf die ich damals so stand.“
Ich sah ihn mit großen Augen an. „Bitte, was?“
Ville grinste. „Komm mit, ich zeige dir was.“
Wir verließen die Kirche und gingen zurück zu seinem Auto. Ville fuhr uns zum Südhafen von Helsinki.
Hinter einem alten Fabrikgebäude parkte er sein Auto. Er stieg aus, ging um den Kofferraum herum und holte einen Gitarrenkoffer heraus.
„Ich hoffe du stehst auf illegale Sachen“, grinste er geheimnisvoll.
Fragend schaute ich ihn an. „Wir müssen durch ein paar Türen, die nicht für Besucher geöffnet sind“, erklärte er zwinkernd.
Um uns vor neugierigen Menschenblicken zu schützen, legten wir ein vampirgemäßes Tempo vor, um in das alte Fabrikgelände einzubrechen.
Wir kletterten über einen Maschendrahtzaun, sprangen auf ein Vordach und von dort aus auf das nächstgelegene Flachdach.
Von diesem aus stiegen wir durch ein kaputtes Fenster ein und schlenderten anschließend gemütlich durch die Gänge der alten Fabrik.
In der dritten Etage öffnete Ville eine Tür und wir standen in einem großen, leeren Zimmer.
Ville stellte seine Gitarre ab und durchschritt den Raum. Dann breitete er die Arme aus. „Hier geschah es. Hier wurde ich verwandelt.“
„Was, hier?“, ich schaute mich erneut um. Natürlich war davon nichts mehr sichtbar. Dennoch war es für mich in diesem Raum nicht vorstellbar, dass Ville hier seinen Tod fand.
Ville setzte sich im Schneidersitz auf den Boden. „Es war 1975. Ich war damals 22 Jahre alt. Zu dieser Zeit stand ich total auf Heavy Metal…, Black Sabbath und so. Es gab damals eine finnische Band, die ähnliche Musik machte und die ich vergötterte. Sie hatten eine Bassistin, eine absolute Ausnahme in der Szene zu dieser Zeit. Sie war mega heiß“, Ville grinste über beide Ohren.
„Ich erfuhr, dass sie einen Gitarristen suchten. Natürlich ging ich zum Casting und wurde auch tatsächlich genommen. Nach der ersten Probe meinten sie, dass ich ein Teil von ihnen werden müsste, um wirklich zu der Band zu gehören. Ich verstand erst nicht so recht, was sie meinten. Sie gaben mir Alkohol, redeten etwas von Vampirismus und ewige Bandzugehörigkeit. Ich wurde nicht schlau daraus. Es war damals eine verrückte Zeit, ich war jung und hinterfragte nicht, was ich da hörte.
Ich wollte einfach der Band angehören, kostete es was es wolle. Als mich dann die Bassistin küsste, war es ganz um mich geschehen. Die anderen Bandmitglieder verließen den Raum und ließen uns allein.
Ich dachte, ich hätte den Jackpot geknackt. Gitarrist in der geilsten Band Finnlands, die heißeste Bassistin dazu..., Bingo! Doch während sie mit mir schlief biss sie mich. Danach kann ich mich kaum an etwas erinnern.
Als ich zu mir kam, lag ich auf einer Bahre in einem Kühlfach. Als der Bestatter es öffnete, um mich herauszuholen, überwältigte ich ihn und trank mein erstes Blut. Danach zog ich seine Kleidung an und stürzte verwirrt aus dem Krematorium. Ich stieg in den Leichenwagen und fuhr nach Hause. Ich bemerkte meinen veränderten Zustand nach und nach, verstand jedoch immer noch nicht, was geschehen war. Am nächsten Tag ging ich zur Bandprobe, um sie zu fragen, was sie mit mir gemacht hatten. Die Band grinste mich verschwörerisch an und gratulierten mir dazu, fortan ein ewiges Mitglied zu sein.
Mir war komisch zumute. Ich dachte, sie hätten mir Drogen gegeben. Es dauerte zwei bis drei Tage bis ich verstand, was mit mir geschehen war. Die Bassistin hatte mir ihr Blut zu trinken gegeben. Danach hatten sie mich zum Fenster hinausgeworfen, damit ich starb und mich verwandeln würde. Leider hatte der Wachdienst meinen unfreiwilligen Fenstersturz mitbekommen und den Notarzt gerufen, welcher mich natürlich für tot erklärte. Die Band konnte nichts unternehmen und musste warten, bis ich selbst wieder vor der Tür stand.
Zunächst war ich über diese Unverfrorenheit geschockt. Doch dann war mir auch dies ziemlich egal. Ich kam gut klar mit meinem neuen Zustand, genoss die Gigs und hatte eine sehr intensive Beziehung mit der Bassistin.
Sie zeigte mir alles, was ich als Vampir wissen musste und sie war nicht eifersüchtig.
Die Tourneen waren einfach der Wahnsinn! Wir hatten geniale Konzerte und die Fans drängelten sich darum uns als Nahrung zu dienen.
Doch Anfang der 80er Jahre zerbrach die Band. Der Schlagzeuger verließ uns als erstes, um sich in Frankreich ein neues Dasein aufzubauen.
Der Leadsänger verlor die Freude an Konzerten und ging als nächster.
Die zweite Gitarre folgte ihm, sodass nur noch die Bassistin und ich übrigblieben.
Allein langweilten wir uns schnell gegenseitig. Wir trennten uns und damit sich auch unsere Wege.
Ich begann mich allein durchzuschlagen und zu reisen. Tja... und da sitze ich heute nun hier mit dir.“
Fasziniert betrachtete ich Ville. Obwohl er sich nicht selbst für ein untotes Leben entschieden hatte, kam er mir absolut rein mit seinem Schicksal vor.
Am beeindruckendsten fand ich, dass er noch so jung war. Er war erst vor ungefähr 30 Jahre verwandelt wurden und hatte dennoch die Gelassenheit von Tristan, einem mehrere Jahrhunderte alten Vampir.
„Bereust du es? Würdest du wieder zurücktauschen?“, wollte ich dennoch wissen.
Ville schüttelte ohne zu zögern den Kopf. „Es war die genialste Zeit meines Lebens. Ich würde mich immer wieder für das Banddasein entscheiden mit all den damit verbundenen Konsequenzen.“
„Vermisst du sie?“
Ville atmete tief ein. „Nicht mehr. Am Anfang war es schwer. Aber ich habe mich inzwischen damit abgefunden.“
„Weißt du, wo sie ist?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe sie komplett aus den Augen verloren. Aber dies macht es auch einfacher für mich. Hätten wir noch Kontakt würde es mir wahrscheinlich schwerer fallen, ohne sie existieren zu müssen.“
„Du hast sie geliebt“, stellte ich fest.
Ville zuckte mit den Schultern. „Irgendwie - auf eine verrückte und ungesunde Art und Weise – schon.“
Er nahm seine Gitarre aus dem Koffer und stellte die Saiten nach.
Dann begann er die ersten Takte zu spielen. Ich erkannte es als „Gone with the sin“ von HIM.
Als er die erste Strophe sang, versank ich in seiner Stimme.