Kitabı oku: «Aktivieren Sie Ihren Vagusnerv», sayfa 2

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TEIL 1

KAPITEL 1
WAS IST DER VAGUSNERV?

Wenn das Gehirn des Menschen so einfach wäre,

dass wir es verstehen könnten, dann wären wir so

dumm, dass wir es doch nicht verstehen würden.

Emerson W. Pugh

Die Anatomen waren überfragt. Wie konnte ein einzelner Nerv, der vom Hirnstamm ausgeht, so lang sein und so viele verschiedene Organe miteinander verbinden? Welche Wirkungen könnte dieser Nerv möglicherweise haben? Was würde bei einer so breiten Palette potenzieller Funktionen passieren, wenn er verletzt oder durchtrennt würde?

Welche Aufgaben hat der Vagusnerv?

Der Vagusnerv (VN) hat seinen Ursprung im Stammhirn – im Wesentlichen in der Region des Gehirns, die die überwiegende Mehrheit der automatisch ablaufenden Funktionen des Körpers wahrnimmt, verarbeitet und steuert. Im Großen und Ganzen müssen wir uns diese Funktionen nicht bewusst machen, damit sie ablaufen können. Sie werden daher als autonom bezeichnet und werden von unserem autonomen Nervensystem gesteuert.

Woher hat der Vagus seinen Namen?

Der Begriff leitet sich vom lateinischen Wort vagari ab, das „umherschweifend“ und in begrenztem Umfang „unbestimmt, vage“ bedeutet. Da er sich bei der ersten Untersuchung als so weitläufig und unspezifisch erwies, wollten die Anatomen und Forscher eine beschreibende Bezeichnung, die genau das ausdrückte. Als sie bei dem Begriff Vagus landeten, gaben sie diesem Nerv daher den Namen „der Umherschweifende“.

Dies sind einige der vom autonomen Nervensystem gesteuerten Funktionen:

• Herzschlag

• Blinzeln der Augenlider

• Atemfrequenz und -tiefe

• Verengung und Erweiterung der Blutgefäße

• Entgiftung der Leber und der Nieren

• Verdauung

• Öffnen und Schließen der Schweißdrüsen

• Speichel- und Tränenbildung

• Pupillenerweiterung und -verengung

• Sexuelle Erregung

• Miktion (Blasenentleerung)

Im Hirnstamm befinden sich verschiedene Gruppen von Nervenzellkörpern, die Nuklei (Kerne) genannt werden. Hier nehmen Nervenzellen Informationen aus anderen Körperzellen auf. Diese Kerngebiete haben verschiedene Funktionen und werden mit Namen bezeichnet, die vom Lateinischen abgeleitet sind. Kerngebiete sind wie ein Router bei einer Internet-Netzwerk-Verbindung zu Hause. Manche Informationen gelangen über die Kabelverbindung oder die Telefonleitung in den Router, werden dort verarbeitet, und andere Informationen werden dann über den Router an Ihren Computer, den Fernseher oder jedes andere elektronische Gerät gesendet, das mit Ihrem Netzwerk verbunden ist.

Es gibt zwei Hauptarten von Neuronen (Nervenzellen) und sie senden Informationen in eine von zwei Richtungen. Die eine Art sind afferente Neuronen, die Informationen darüber erhalten, was in und um den Körper herum geschieht. Afferente Neuronen leiten Information aus dem Körper zum Gehirn, das sind die sogenannten afferenten Informationen. Die andere Art sind die sogenannten efferenten Neuronen, die Informationen mit regulatorischer oder motorischer Wirkung (sogenannte efferente Informationen) an verschiedene Organe und Strukturen im Körper leiten; efferente Informationen werden also vom Gehirn an den Körper übermittelt.

Der Vagusnerv ist mit vier verschiedenen Kerngebieten im Stammhirn verbunden. Ganze 80 Prozent der von ihm übertragenen Informationen sind afferent, das heißt, die häufigste Richtung, in der Informationen im Vagus fließen, ist die von den Organen des Körpers zum Gehirn. Die restlichen 20 Prozent der Neuronen im Vagusnerv leiten ein efferentes Signal aus dem Gehirn in den Körper und führen zu spezifischen Funktionen, die in jeder Zelle und jedem Organ stattfinden. Es ist eine interessante Erfahrung, dass die meisten Medizin studenten von der Tatsache überrascht sind, dass nur 20 Prozent der Vagus funktion efferent sind, da er so viele efferente Auswirkungen auf die Organe hat – stellen Sie sich nur die Mengen an Informationen vor, die dieser Nerv an das Gehirn zurückmeldet, mehr als viermal so viele wie er vom Gehirn aus weiterleitet.

Wie die Drähte Ihrer Netzwerkverbindung zu Hause, so schicken die Bündel von Neuronen in Ihren Nerven mittels elektrischer Signale Informationen entlang ihrer Bahnen, die, am Ziel angekommen, ein chemisches Signal, einen sogenannten Neurotransmitter, freisetzen. Diese Neurotransmitter binden an den dafür bestimmten Rezeptoren der Zielzellen und führen eine Wirkung in den Zellen am Ende der Verbindung herbei. Der Neurotransmitter, den der Vagusnerv hauptsächlich nutzt, ist Acetylcholin (kurz: ACh), das eine erhebliche entzündungshemmende Wirkung im Körper hat.

Die Handhabung des Entzündungssystems ist eine der wichtigsten Aufgaben des Vagusnervs, der das maßgebliche Entzündungskontrollsystem im Körper ist und weitreichende Auswirkungen auf Ihren individuellen Gesundheits- oder Krankheitszustand hat. Viele der gesundheitlichen Probleme meiner Patienten sind dem hohen Entzündungsniveau in bestimmten Organen und Systemen geschuldet, vom Verdauungstrakt über die Leber bis hin zum Gehirn.

Entzündungen sind eine wichtige Reaktion im Körper, um uns vor bakteriellen und viralen Eindringlingen, körperlichen Traumata und anderen Dingen zu schützen, die optimalerweise gar nicht in den Körper gelangen sollten. Wenn Entzündungen nicht in Schach gehalten werden und chronifizieren, kann es zu weitreichenden Auswirkungen und vielen verschiedenen Gesundheitsproblemen kommen. Einige davon, die mit hohen Entzündungswerten zusammenhängen, sind die auf der folgenden Seite genannten.

Die meisten davon betroffenen Organe werden vom Vagusnerv innerviert, sie haben also eine Verbindung zu ihm. Somit ist es nicht nur möglich, sondern äußerst wahrscheinlich, dass es durch einen suboptimal arbeitenden Vagus, der seine entzündungshemmende Wirkung auf diese Organe nicht ausübt, zu chronischen Entzündungen und Krankheiten kommt.

• Alzheimer

• Arthritis

• Asthma

• Bluthochdruck

• Colitis ulcerosa (und alle Krankheiten mit der Endung -itis, z. B. Colitis, die Dickdarmentzündung)

• Diabetes

• Erhöhter Cholesterinspiegel

• Herz-Kreislauf-Erkrankungen

• Krebs

• Morbus Crohn

• Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS, eine Störung des autonomen Nervensystems, bei der der Wechsel vom Liegen zum Stehen eine Tachykardie, eine anormal starke Erhöhung der Herzfrequenz, verursacht; Anm. d. Übers.)

Es muss darauf hingewiesen werden, dass diese Erkrankungen nicht isoliert auftreten und daher die Wahrscheinlichkeit einer weiteren besteht, wenn bereits eine Krankheit vorliegt. Über den Vagusnerv gelangen dieselben Signale zu fast jedem inneren Organ und gehen wieder von ihm aus; wenn also das Entzündungsniveau in einem dieser Organe nicht unter Kontrolle gehalten wird, tritt es wahrscheinlich auch in anderen Bereichen auf.

KAPITEL 2
WO LIEGT DER VAGUS?

Der Vagus ist der längste Nerv im Körper. Wo er beginnt, wie er verläuft und seine Zielorgane erreicht, zu denen er Informationen aus dem Gehirn und von denen aus er Informationen zum Gehirn schickt, möchte ich im Folgenden erklären, ohne dabei zu fachspezifisch zu werden.

Verbindungen vom Hirnstamm aus …

Die Neuronen, also die Nervenzellen, aus denen der Vagusnerv besteht, beginnen im Hirnstamm und stammen aus vier verschiedenen Kerngebieten (Nuclei, Singular: Nucleus). Diese bestehen aus dem dorsalen motorischen Kern, aus dem Nucleus solitarius, aus dem Spinalen Trigeminuskern und aus dem Nucleus ambiguus. (Es gibt leider nicht für jeden dieser Fachbegriffe eine deutsche Entsprechung; Anm. d. Übers.) Jeder dieser Kerne ist für bestimmte Anteile der Nervenfasern zuständig.

Sensorische Neuronen leiten Signale von der Haut, die der Vagus innerviert, zum spinalen Trigeminuskern. Dazu gehört ein bestimmter Hautabschnitt am Ohr, der wichtig ist, wenn es um die Aktivierung des Vagus mittels Akupunktur geht; darauf gehe ich später noch ein. Die Signale aus den inneren Organen werden über den Vagus zum Nucleus solitarius und ins Gehirn zur weiteren Verarbeitung geleitet. Zu diesen Signalen gehören jene aus dem Magen, dem Darmtrakt, der Lunge, dem Herzen, der Leber, der Gallenblase, der Bauchspeicheldrüse und der Milz. Wir können auch direkte Signale über den Vagus an diese Organe leiten, und zwar durch parasympathische Fasern, die aus dem hinteren motorischen Kern stammen. Diese Signale beruhigen und regulieren die Herz- und Lungenfunktion und erhöhen die Aktivität des Darms und des Verdauungstrakts, der Leber, der Bauchspeicheldrüse, der Gallenblase und der Milz.


Der letzte Kern, der mit Fasern am Vagus beteiligt ist, ist der sogenannte Nucleus ambiguus. Seine Neuronen haben eine motorische Funktion und steuern insbesondere die meisten der Halsmuskeln und der Muskeln des oberen Teils der Luftröhre. Diese Muskeln sorgen dafür, dass die Luftröhre offenbleibt und ermöglichen die Tonbildung mithilfe der Stimmbänder, die für unsere Stimme verantwortlich sind.

Der rechte und der linke Vagus sind die einzigen Nerven im Körper mit vier unterschiedlichen Funktionen und vier verschiedenen Kernen, die gezielt Fasern beisteuern. Die meisten anderen Nerven im Körper übertragen einfache sensorische Informationen von der Haut und motorische Signale für die Bewegung von Muskeln. Dieser einfache Unterschied sollte uns bewusst machen, wie wichtig der Vagusnerv tatsächlich ist und welche umfassenden Funktionen er hat.

Folgen wir nun den Nervenbahnen vom Hirnstamm hinunter zum Hals, in den Thorax (Brustkorb) und das Abdomen (den Bauchbereich).

… zum Hals

Von dem als Medulla oblongata bekannten Gebiet des Hirnstamms aus, man spricht hier auch vom verlängerten Rückenmark, erstrecken sich Fasern des linken und rechten Vagus in die Schädelhöhle (das Schädelinnere) und laufen zusammen, um die Struktur zu bilden, die wir als Vagusnerv bezeichnen. Der Nerv tritt dann durch eine Öffnung an der Schädelbasis, das sogenannte Foramen jugulare („Drosselloch“) aus dem Schädel aus. Diese Öffnung bietet Raum für den Durchtritt des Nervs sowie von Blutgefäßen zwischen Hals und Schädel. Sobald der Vagus den Schädel verlässt, tritt er gleich hinter dem Ohr, zwischen der Vena jugularis interna, der inneren Halsvene, auch Drosselvene genannt, und der Arteria carotis interna, der inneren Halsschlagader, in den oberen Bereich des Halses ein. Über diese Gefäße wird dem Gehirn direkt Blut zugeführt und aus ihm abtransportiert; sie sind äußerst wichtig, um uns am Leben zu halten.

Die enge Nachbarschaft zu diesen speziellen Blutgefäßen ist ein Hinweis auf die Bedeutung des Vagus, da eine physische Schädigung einer dieser drei Strukturen irreparable Schäden verursachen kann. Sind die Blutgefäße betroffen, kann dies unmittelbar zum Tod führen; sind die Nerven betroffen, kann dies einen totalen Funktionsausfall in vielen Organen nach sich ziehen.

Direkt nach dem Durchtritt des Vagus durch das Foramen jugulare befindet sich eine Nervenverdickung, das sogenannte Ganglion superius oder jugulare, der obere Nervenknoten. Er wird durch eine Ansammlung von sensorischen Nervenzellkörpern gebildet, die sehr nahe beisammen liegen und aus denen ein dünnerer Nervenabschnitt hervorgeht, der den ersten Ast des Vagus bildet.

Der erste Vagus-Ast ist der aurikuläre, das Ohr betreffende Ast. Er verläuft durch ein feines, im Warzenfortsatz des Schläfenbeins gelegenes Knochenkanälchen wieder in den Schädel zurück und durch eine andere Öffnung, einen kleinen Spalt zwischen dem Paukenteil und dem Warzenfortsatz des Schläfenbeins, die sogenannte Fissura tympanomastoidea, beidseitig zum Ohr, wo er zur Haut zieht. Dort ist er verantwortlich für die Wahrnehmung von Berührung, Temperatur sowie Feuchtigkeit auf der Haut des Ohres, speziell am äußeren Gehörgang, am Tragus (dem Knorpelanteil der Ohrmuschel, der eine Erhebung vor dem Eingang des äußeren Gehörgangs bildet) und an der Ohrmuschel. Der aurikuläre Ast wird hauptsächlich behandelt, wenn man den Vagus bei einer Funktionsstörung mit Akupunktur (an den Akupunkturpunkten im Ohr) gezielt aktivieren will; darüber wird in späteren Kapiteln noch die Rede sein.

Zieht der Vagus vom oberen Nervenknoten nach unten, verdickt er sich nochmals und bildet den unteren Nervenknoten, das Ganglion inferius, das auch Ganglion nodosum (für lat. „knotig“) genannt wird. Dieses Ganglion beherbergt die Zellkörper der Neuronen, die an der Übermittlung von Informationen aus den inneren Organen beteiligt sind.

Dann wird der Nerv wieder dünner und tritt sofort in eine durch eine bindegewebige Verdickung gebildete Hülle (die man als „Gefäß-Nerven-Strang des Halses“ zusammenfassen kann; Anm. d. Übers.) ein. Zusammen mit der inneren Halsschlagader und der inneren Halsvene wird der Vagus auf seinem Weg zum Hals zusätzlich durch weiches Gewebe geschützt.

Innerhalb dieser Bindegewebshülle bildet der Vagus einen weiteren Ast, den Rachennerv. Dieser besitzt Neuronen aus dem Vagus, führt aber auch einige Neuronen des IX. und XI. Hirnnerv (N. glossopharyngeus für Zungen-Rachennerv und N. accessorius für den sogenannten zusätzlichen Nerv).* Sobald diese Neuronen aufeinandertreffen, ziehen sie durch die Körpermitte zum oberen Teil des Halses, dem Rachen (Pharynx). Dort überträgt der Vagus motorische Signale an zahlreiche Muskeln, die am Schluckreflex beteiligt sind, sorgt für das Öffnen und Schließen des oberen Teils der Luftröhre und erhält den Würgereflex aufrecht.

Beim Absteigen des Vagusnervs im Gefäß-Nerven-Strang an den Seiten des Halses entspringt ein dritter Ast des Nervs, der obere Kehlkopfnerv, und zwar ziemlich direkt nach dem Rachennerv; er sendet motorische Signale zu den Kehlkopfmuskeln oberhalb der Stimmbänder, insbesondere zu den Muskeln, die die Stimmlage steuern.

In weiteren Verlauf des Vagus nach unten entspringen die zervikalen, die im Halsbereich befindlichen Herzäste, das sind zwei der drei Äste, die das Herz innervieren. Der dritte Ast, der thorakale, im Brustraum befindliche Herzast bildet sich kurz nach dem Verlassen des Gefäß-Nerven-Strangs im Bereich des Thorax, des Brustraums. Diese Äste vermischen sich mit den Nerven des sympathischen Nervensystems und bilden den sogenannten Plexus cardiacus, das „Herzgeflecht“ (ein Plexus, Plural Plexi, ist eine Verflechtung von Nervenfasern verschiedener Äste und verschiedenen Ursprungs, die zu einer bestimmten Stelle ziehen). Wir haben zwei kardiale Plexi, einen vor der Aorta, der Hauptschlagader, das sogenannte oberflächliche „Herzgeflecht“, und einen hinter dem Aortenbogen, das tiefe „Herzgeflecht.“ (Die Aorta ist die Hauptschlagader, das Blutgefäß, durch das Blut vom Herzen aus in den übrigen Körper transportiert wird.)

Manche Fasern der „Herzgeflechte“ ziehen zum sinoatrialen, dem SA- oder Sinus-Knoten des Herzens, seinem primären Taktgeber, während andere zum atrioventrikulären, dem AV-Knoten ziehen, der zum Erregungsleitsystem des Herzens gehört. Die Funktion dieser Nerven in Bezug auf das Herz wird im nächsten Kapitel besprochen. Vorläufig ist es nur wichtig, sich zu merken, dass diese Fasern die Geschwindigkeit der elektrischen Aktivität steuern, von der die Pumpfunktion des Herzens angetrieben wird.

… zum Brustraum

Nach dem Austritt am Ende des Gefäß-Nerven-Strangs zieht der Nerv hinter der ersten und zweiten Rippe und vor den größeren Blutgefäßen, die vom Herzen ausgehen, hinunter in den Thorax, den Brustraum.

Der linke Vagusnerv verläuft vor dem Aortenbogen und gibt dann seinen vierten Ast ab – den linken sogenannten „rückläufigen Kehlkopfnerv“ (Nervus laryngeus recurrens). Auf der anderen Körperseite nimmt der rechte Vagusnerv einen ähnlichen Weg; er verläuft jedoch vor der rechten Schlüsselbeinarterie (Arteria subclavia) und gibt dann seinen vierten Ast ab, den rechten rückläufigen Kehlkopfnerv.

Beide rückläufigen Kehlkopfnerven nehmen den gleichen Weg, nur auf der jeweils anderen Körperseite. Diese beiden sind die einzigen Äste des Vagus, die wieder zurück zum Hals laufen (daher der Name; Anm. d. Übers.). Sie transportieren motorische Signale aus dem Hirnstamm zu jedem Kehlkopfmuskel unterhalb der Stimmbänder, die für die – auf deren Anspannung und Entspannung beruhende – Stimmbildung wichtig sind. Es wird noch ausführlich davon die Rede sein, wie wir diese speziellen Äste nutzen können, um eine suboptimale Funktion des Vagus zu verbessern.

Sind die beiden Vagusnerven auf Höhe der Hauptschlagader (Aorta) angekommen, sendet jeder von ihnen Äste zum nächsten paarigen Organ, der Lunge. Der linke Vagus schickt einen Lungenast zum vorderen Lungenplexus und der rechte Vagus schickt einen Lungenast zum hinteren Lungenplexus. Diese Nervenäste vermischen sich mit sympathischen Neuronen, organisieren sich neu und ziehen dann zu jeder Seite, um die Lunge zu innervieren, das heißt zu den Bronchien und den größeren Lungenästen, um sie je nach Bedarf des Körpers und der Situation zu öffnen und zu schließen.

Ein Organ des Brustraums, das vom Vagus innerviert und besonders oft übersehen oder vergessen wird, ist die Thymusdrüse. Der Thymus ist ein äußerst wichtiges Organ des Immunsystems. Er liegt im Mediastinum, dem Mittelfellraum der Brusthöhle, vor dem Herzen, aber hinter dem Brustbein. Ein Vagusast zieht zu diesem Organ und sendet Signale zum und vom Thymus. Der Thymus wird schon früh in unserer Entwicklung angelegt und ist der wesentliche Ort für das „Training“ und das Wachstum unserer weißen Blutkörperchen, der Leukozyten. Dass dieses Organ so leicht vergessen wird, liegt daran, dass es mit der Zeit schrumpft und durch Fettgewebe ersetzt wird. Dieser Prozess beginnt während der Pubertät und kann jahrelang bis in das frühe Erwachsenenalter hinein andauern. Ich stelle mir den Thymus gerne als „Schule“ für neue Immunzellen vor – genauso wie die „Schule“ älter wird und verfällt, büßt auch das Training, das die weißen Blutkörperchen durchlaufen, an Qualität ein. In späteren Kapiteln wird von der Rolle des Thymus noch ausführlicher die Rede sein.

… zum Bauchraum

Der letzte Abschnitt, den der Vagus innerviert, sind die Organe des Abdomens, die Bauchorgane. Sie sind wichtig für die Verdauung, steuern das Immunsystem und gewährleisten, dass das Blut, das zu den anderen Zellen fließt, keine Toxine enthält, die die Zellgesundheit negativ beeinflussen können.


Der erste Vagus-Ast im Bauchraum zieht zum Magen. Wenn unser Körper im Zustand des Ruhens und Verdauens ist, stimuliert der Vagus die Funktion der Magenmuskulatur. So erhalten die sogenannten Parietalzellen des Magens Signale zur Bildung und Ausschüttung von Salzsäure (HCl), die Hauptzellen des Magens werden zur Bildung und Ausschüttung der Verdauungsenzyme Pepsin und Gastrin angeregt und die glatten Muskelzellen des Magens sorgen für die muskuläre Durchmischung und den Weitertransport der Nahrung in den nächsten Abschnitt des Verdauungstrakts, den Dünndarm.

Ist der Vagusnerv geschädigt und sendet diese wichtigen Signale nicht an die Zellen des Magens, kommt es zu Problemen wie einer Hypochlorhydrie (geringer Magensäurespiegel), die eine wichtige Ursache vieler gesundheitlicher Beschwerden ist. Ein ausreichend niedriger pH-Wert (hoher Säuregrad) ist für die Aktivierung der Verdauungsenzyme und zur Aufspaltung der Nahrung erforderlich. (Der pH-Wert wird in Zahlen von 1-14 ausgedrückt; 7 bedeutet neutral, alles <7 ist sauer – je niedriger, desto saurer –, alles >7 ist basisch – je höher, desto basischer; Anm. d. Übers.) Der optimale pH-Wert des Magens sollte bei etwa 3,0 liegen; alles über 5,0 ist nicht stark (sauer) genug, um Pepsin und Gastrin zu aktivieren. Bei einem niedrigen Magensäurespiegel kann die Nahrung also nicht optimal aufgespalten werden. Ein höherer pH-Wert im Magen kann unerwünschten Bakterien, Viren und Parasiten den Weg in den Darm ermöglichen, wo sie sich verheerend auf den Verdauungstrakt auswirken.

Der zweite Vagus-Ast im Bauchraum zieht zur Leber. Interessanterweise sind diese Äste – er verästelt sich noch weiter – eng mit dem Empfinden von Hunger und dem Wunsch nach bestimmten Arten von Nährstoffen verbunden. Die Nahrung, die wir zu uns nehmen, gelangt zuerst in den Magen, um dort aufgespalten zu werden. Anschließend wird sie in den Dünndarm transportiert, wo die meisten unserer Makronährstoffe (Fette, Kohlenhydrate und die Aminosäuren, die Bausteine der Proteine) in den Blutstrom aufgenommen werden. Sie fließen danach über die Pfortader in die Leber; dort werden sie gefiltert und verarbeitet und es werden Signale zurück zum Gehirn gesendet.

Von der Leber aus übermittelt der Vagus Informationen über das Gleichgewicht des Blutzuckerspiegels, die Fettzufuhr und die Gesamtfunktion der Leber an das Gehirn. Er kann auch Informationen über die Menge an Galle übermitteln, die zur Fettverdauung benötigt wird. Die Leber hat viele Aufgaben, für die Informationen vom Vagus benötigt werden; einige wenige von ihnen sollen hier beispielhaft genannt werden:

• die Bildung von Galle und Gallensalzen (der aktiven Komponente von Galle), die dann in der Gallenblase gespeichert werden,

• die Regulierung des Blutzuckers durch die Bildung von Glukose,

• die Steuerung von Hunger und Sättigung durch die Bestimmung der Fettzufuhr,

• die Filterung des Blutes aus der Pfortader, die Nährstoffe und Toxine aus dem Darm in die Leber zur Filterung bringt;

• die Phasen 1 und 2 des Entgiftungsprozesses fettlöslicher Hormone, Neurotransmitter und Toxine aus dem Körper.

Die Leber ist für unser gesamtes Wohlbefinden sehr wichtig, und die Innervation durch den Vagusnerv ist stark mit der Erhaltung dieses Gleichgewichts verbunden.

In enger Verbindung mit der Leber steht die Gallenblase. Sie ist wichtig für die optimale Funktion unseres Körpers – und wird oft vom Medizinsystem übersehen. Die Galle und die Gallensalze, die von der Leber gebildet werden, gehen in die Gallenblase und werden dort für die nächste Mahlzeit gespeichert. Wenn es so weit ist, wird Galle von der Gallenblase – vermittelt durch den Vagusnerv – in das Duodenum, den Zwölffingerdarm (so heißt der erste Darmabschnitt nach dem Magen) abgegeben, damit die Fette verdaut und in den Blutstrom aufgenommen werden können. Dazu dient die Verzweigung des Vagus von der Leber aus in die Gallenblase, die durch die Aktivierung der glatten Muskelzellen in ihrer Wand für die Abgabe der Galle in den Verdauungstrakt sorgt. Damit es dazu kommt, müssen die Geschmacksknospen (die sensorischen Rezeptoren auf der Zunge) feststellen, dass die aufgenommene Nahrung Fett enthält, das sofort nach seiner Ankunft im Dünndarm verdaut werden sollte.

Der nächste Ast des Vagus zieht zur Bauchspeicheldrüse (Pankreas). Sie ist eine der wichtigsten Drüsen im Körper und hat einen sogenannten exokrinen Anteil, sie kann also von ihr gebildete Substanzen an eine innere Oberfläche (in dem Fall in den Darm) abgeben, sowie einen endokrinen Anteil, um von ihr gebildete Substanzen direkt in die Blutbahn abzugeben. (Es gibt auch exokrine Drüsen, die ihre Substanzen an eine äußere Oberfläche wie die Haut abgeben, zum Beispiel die Schweißdrüsen. Im weiteren Sinne bedeutet endokrin „auf das Hormonsystem bezogen“; Anm. d. Übers.) Der endokrine Anteil der Bauchspeicheldrüse bildet Insulin und Glukagon und schüttet sie direkt in den Blutstrom aus, um den Glukosespiegel im Blut, den Blutzuckerspiegel, im Gleichgewicht zu halten. Der exokrine Anteil der Bauchspeicheldrüse bildet Verdauungsenzyme und gibt sie über einen Gang in den Dünndarm ab. Die drei bemerkenswertesten Verdauungsenzyme der Bauchspeicheldrüse sind die Protease, die Proteine in ihre Bestandteile, die Aminosäuren, aufspaltet; die Lipase, die die aus Triglyzeriden zusammengesetzten Fette in freie Fettsäuren und Cholesterin abbaut, sowie die Amylase, die Kohlenhydrate in einfachere Zucker zerlegt.

Über die nervale Versorgung durch den Vagus werden Signale von der Bauchspeicheldrüse zurück zum Hirnstamm geschickt, die Informationen über den exokrinen und endokrinen Status der Zellen übermitteln. Darüber kommen auch Information zur Nahrungsaufnahme und bezüglich der Art der Enzyme, die gebildet und in die Blutbahn sowie den Verdauungstrakt freigesetzt werden müssen, vom Hirnstamm zurück zu diesem Organ. Die nervale Versorgung durch den Vagus ist für die Übermittlung dieser Informationen unerlässlich; ein Mangel an Signalen ändert die Freisetzung von Verdauungsenzymen und setzt die Wirksamkeit des Verdauungsprozesses herab.

Sobald der Vagus den Magenbereich verlassen hat, bildet er den Solarplexus, das Sonnengeflecht, ein Netzwerk, das die sympathischen Nerven im Lebenwirbelbereich und die parasympathischen Fasern des Vagus miteinander bilden. Von diesem Netzwerk aus ziehen Äste zu den restlichen Organen des Bauchraums.

Das erste Organ, das nach dem Solarplexus innerviert wird, ist die Milz. Sie befindet sich auf der linken Körperseite unter dem linken Lungenflügel, gegenüber der Leber. Ihre Aufgabe besteht in der Überwachung des Blutstroms und der Aktivierung oder Deaktivierung des Immunsystems je nach Immunlage. Sehr früh in unserem Leben kümmern sich Milz und Thymus gemeinsam um die Funktion der Immunzellen, doch später, wenn der Thymus verschwunden ist, liegt diese Aufgabe alleine bei der Milz.

Sie erhält Botschaften aus den Sympathikus-Ästen zur Aktivierung der Entzündungswege, die als Reaktion auf körperliche oder biochemische Traumata oder Schäden anspringen. Über die parasympathischen Äste laufen Signale, die die Entzündungsprozesse stoppen. Der Vagusnerv regelt ein System, den sogenannten antiinflammatorischen Signalweg, der wichtige Auswirkungen auf die Milz hat. Davon wird in späteren, mit Entzündungen zusammenhängenden Abschnitten noch die Rede sein.

Der nächste Vagus-Ast nach dem Solarplexus zieht zum Dünndarm. Wurde die Nahrung chemisch und mithilfe der muskulären Durchmischung im Magen aufgespalten, gelangt sie in den Dünndarm. Dort geht der Verdauungsprozess durch die Verdauungsenzyme der Bauchspeicheldrüse und die Galle weiter. Die Aufgabe des Dünndarms besteht darin, die meisten der Makronährstoffe aufzuspalten und zu resorbieren; das sind Fette, Kohlenhydrate und Proteine (die idealerweise zu ihren Bausteinen, den Aminosäuren, abgebaut werden). Ins Blut werden jene Makronährstoffe aufgenommen, die von der Dünndarmschleimhaut akzeptiert werden, die die Dünndarmschleimhaut also passieren dürfen.

Jeder Bissen, den wir zu uns nehmen (und der an diesem Punkt des Verdauungsprozesses als Chymus bezeichnet wird), muss durch die Windungen des gesamten Dünndarms geschoben werden. Dazu aktiviert der Vagus die glatten Muskelzellen des Verdauungstrakts, indem er entsprechende Signale sendet an das umfangreiche Netzwerk der Nerven in der Darmschleimhaut, das sogenannte enterische Nervensystem.

Der Dünndarm hat eine Länge von etwa 6,7 Metern und ist damit deutlich länger als der Dickdarm, der nächste Abschnitt des Verdauungstrakts.

Zwischen uns und den anderen Zellen, die in unserem Verdauungstrakt beheimatet sind, besteht eine enorm wichtige Beziehung. Ich spreche von der symbiotischen Beziehung zwischen unseren Zellen und den Bakterien, die in unserem Darm leben, unserem Mikrobiom. Die überwiegende Mehrheit unserer bakteriellen „Verbündeten“ befindet sich im Dickdarm – dem kürzeren Abschnitt des Verdauungstrakts, der (im Vergleich zum Dünndarm) einen größeren Durchmesser hat. Diese Bakterien bilden zwar viele wichtige Vitamine, Mineralstoffe und biochemische Vorläuferstoffe für uns, doch sie können auch viele Toxine und Gase bilden. Wir brauchen ein System, das diese Bakterien in Schach halten und Signale in Bezug auf den Zustand des Verdauungstrakts und der Funktion des Mikrobioms an das Gehirn übermitteln kann. Der Vagus aktiviert nicht nur die glatten Muskelzellen, damit sie den Chymus weitertransportieren (man nennt das Peristaltik), er vermittelt auch die Kommunikation zwischen dem Mikrobiom und dem Gehirn. Der Vagus innerviert etwa die erste Hälfte des Dickdarms – den aufsteigenden und den quer verlaufenden Abschnitt.

Das letzte Organ, das der Vagus innerviert, ist paarig angelegt und befindet sich links und rechts im Körper: die Nieren. Sie haben unterschiedliche Aufgaben, die für unsere Gesundheit maßgeblich sind. Die Nieren filtern Flüssigkeit aus dem Körper und scheiden sie als Urin aus, der eine Kombination aus Harnsäure und Wasser ist und in die Blase geleitet wird. Eine der Bestimmungsgrößen dieser Kontrolle ist der Blutdruck, der im nächsten Kapitel näher besprochen wird. Der Vagus steuert die Nierenfunktion maßgeblich und spielt daher eine wichtige Rolle für den Blutdruck.

Am Ende seines Verlaufs hört der Vagus jedoch nicht einfach auf. Er bildet vielmehr mit den parasympathischen Nerven, die vom unteren Ende des Rückenmarks kommen, einen letzten Plexus. Diese parasympathischen Fasern innervieren die zweite Hälfte des Dickdarms, den absteigenden Abschnitt und das sogenannte Sigmoid, den s-förmig verlaufenden Darmabschnitt, sowie die Blase und die Sexualorgane.