Kitabı oku: «Rosaleen Norton», sayfa 6

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Die Hexe und der Dirigent

Eine der bedeutendsten Episoden in Nortons Leben drehte sich um ihre höchst kontroverse magische Beziehung zu dem herausragenden englischen Dirigenten und Komponisten Sir Eugene Goossens (1893 - 1962), der sich bereits musikalisch etabliert hatte, bevor er im Jahre 1947 nach Australien kam. Er wurde am 26. Mai 1893 in London geboren und besuchte das College of Music in Liverpool. Er wurde zu einem professionellen Geiger und spielte von 1912 bis 1916 im Queen’s Hall Orchestra. Goossens fing im Jahre 1912 auch mit dem Dirigieren an; 1916 wurde er von Sir Thomas Beecham dazu ermutigt, sich auf diesen speziellen Aspekt der klassischen Musik zu konzentrieren. Im Juni 1921 gab Goossens eine Reihe von Konzerten in London, unter anderem auch seine erste von der Kritik gelobte Konzertaufführung von Strawinskys Le Sacre du Printemps, bei der Strawinsky selbst anwesend war. Goossens dirigierte im Jahre 1922 auch Diaghilews Les Ballets Russes und das Carl Rosa Opern-Ensemble in Covent Garden.

Im Jahre 1923 wurde Goossens Dirigent des Rochester Philharmonic Orchestra im Staate New York und 1931 dann als Nachfolger von Fritz Reiner dauerhafter Dirigent des Cincinnati Symphony Orchestra – ein Posten, den er fünfzehn Jahre innehatte. Im Jahre 1947 wurde Goossens schließlich Direktor des Konservatoriums von New South Wales und der erste ansässige Dirigent des Sydney Symphony Orchestra. Zu dieser Zeit war Goossens bereits ein Ritter der Ehrenlegion (Ernennung im Jahre 1934); später sollte er außerdem noch im Buckingham Palace für seine Dienste an der Musik zum Ritter geschlagen werden (Ritterschlag im Jahre 1955). Er gilt auch als der ursprüngliche Initiator des Opernhauses von Sydney. Trotzdem war es seine Faszination für das Heidentum und die Magie, die ihn zu Rosaleen Norton bringen und ihn schließlich in seinen beruflichen und persönlichen Ruin führen würde.


Sir Eugene Goossens

Kurz nach der Veröffentlichung von The Art of Rosaleen Norton erstand Goossens ein Exemplar des Buches in einer Buchgalerie in Sydney, wodurch sein altes Interesse an der Magie und dem Okkulten wiedererweckt wurde. Während er in den 1920er Jahren in England gelebt hatte, war Goossens ein enger Freund des britischen Komponisten Philip Heseltine (1894 – 1930, auch als Peter Warlock bekannt) gewesen. Heseltine war seinerseits sehr an der Goetia und der Sexualmagie von Aleister Crowley interessiert, und es war nach Aussage von Goossens jüngerer Schwester Dame Sidonie Goossens Millar (1899 – 2004) Heseltines Beschäftigung mit Magie, die ihren Bruder zum Okkulten brachte. Nachdem er sich ein Exemplar von The Art of Rosaleen Norton gekauft hatte, schrieb Goossens Norton einen Brief, in dem er seine Bewunderung für das Buch und ihre künstlerische Arbeit ausdrückte. Norton lud Goossens daraufhin in ihre Wohnung in der Brougham Street in Kings Cross ein, die in der Nähe der Übungsräume der Australischen Fernsehkommission gelegen war, wo Goossens ab und zu arbeitete. Er erzählte Norton, dass er ihre authentische Herangehensweise an das Heidnische bewunderte, und es begann sich eine Freundschaft zwischen den beiden zu entwickeln. Goossens wurde in Folge dessen eingeladen, Mitglied der kleinen magischen Gruppe zu werden, die sich in bestimmten Abständen in Nortons Wohnung traf, um magischen Ideen zu besprechen und Rituale zu vollziehen, in denen sie Pan heiligten.

Goossens Beziehung zu Norton entwickelte schnell eine sexuelle Intensität. Als Goossens Dirigentenarbeit ihn nach Sydney führte, schrieb er ihr detaillierte Briefe über ihre Rituale und okkulte Paraphernalien, in denen er nach einer intimen magischen Beziehung zu Norton suchte. Er schrieb: „Aus vielen Gründen brauche ich Deine physische Präsenz so sehr. Wir müssen viele Rituale durchführen und uns anderen magischen Dingen hingeben.“29 Leider waren es genau diese aus Europa nach Australien eingeführten „okkulten Paraphernalien“ und anderen verbotenen Artikel, die sich später als der Grund für den Niedergang und die Zerstörung von Goossens beruflicher Karriere und seiner magischen Beziehung zu Norton und Greenlees erweisen sollten.

Am 9. März 1956 wurde Goossens nach seiner Rückkehr von London nach Australien von Zollbeamten am Mascot Airport von Sydney festgenommen. Der Zoll entdeckte, dass Goossens über 800 erotische Fotos, eine Filmrolle, eine Anzahl ritueller Masken, sowie Weihrauchstäbchen mit sich führte. Er wurde nach Abschnitt 233 der Zollverordnung offiziell angeklagt, nach welcher der Besitz oder die Einfuhr „blasphemischer, unanständiger oder obszöner Werke oder Artikel“ verboten war.


Goossens in Haft

J.M. McCauley, Bepfründeter Richter am Gericht für Bagatelldelikte von Martin Place, lud Goosens Verteidiger zusammen mit dem eingeschriebenen Anwalt der Krone Jack Shand, der als Rechtsberater des Komponisten fungierte, vor. Der Dirigent selbst erschien nicht zu den Gerichtsanhörungen, doch er wurde für „schuldig“ befunden und zu einer Höchststrafe von 100 Pfund verurteilt. Kurz danach trat Goossens von seinen Posten am Konservatorium von New South Wales und dem Sydney Symphony Orchestra zurück und beendete damit sowohl seine Karriere als international bekannter Dirigent, als auch seine persönliche Beziehung zu Norton und Greenlees. Nachdem er Australien über den Mascot Airport wieder verlassen hatte, veröffentlichten Goossens Anwälte eine Verlautbarung, in dem die folgenden Worte Goossens zitiert wurden: „Es ist mein Unglück, dass ich es zuließ, mich nach andauernden Drohungen gegen meine Person für die Einfuhr verbotener Dinge in dieses Land missbrauchen zu lassen und andere Menschen in diese Angelegenheit mit hineinzuziehen.“ Im Rückblick auf diese Ereignisse ist es klar, dass diese Verlautbarung sowohl naiv und irreführend, als auch ein deutlicher Versuch war, die Schuld für Goossens Niedergang auf Norton und ihren okkulten Zirkel zu schieben. Wie wir noch sehen werden, war Goossens ein williges und enthusiastisches Mitglied von Nortons Zirkel und hatte ihr sogar angeboten, sie in die „schwarzmagischen Techniken“ einzuweihen, die mit der Goetia in Zusammenhang standen. Den Abschriften eines Interviews zufolge, das Bert Trevenar, Beamter der Sittenpolizei, im Juni 1999 gab, versuchte Goossens sogar Musiker des Sydney Symphony Orchestra für Nortons Zirkel zu rekrutieren.30 Dennoch war Goossens Fall in Ungnade äußerst unglücklich und die Folgen für seine musikalische Karriere sowohl gravierend als auch unbeabsichtigt. Goossens Beteiligung an sexualmagischen Praktiken mit Norton und Gavin Greenlees wird in allen Einzelheiten in einem späteren Kapitel besprochen.

Einige Monate vor der Festnahme von Sir Eugene Goossens am Mascot Airport von Sydney wurde Greenlees in das Krankenhaus von Callan Park in Rozelle, einem Vorort von Sydney, eingeliefert. Einzelheiten zu Greenlees‘ Gesundheitszustand wurden während der Anhörungen zu den Honer/​Ager-Obszönitätsanklagen am Gericht von Darlinghurst an Richter Clegg weitergeleitet. Einem Befund zufolge, der von Dr. S.G. Sands, dem Medizinischen Leiter des Callan Park Krankenhauses angefertigt worden war, war Greenlees als Schizophrenie-Patient behandelt worden, der von Stimmen halluzinierte, die ihn ständig quälen und lächerlich machen würden. Dr. Sands zufolge war Greenlees „von Sex besessen“ und „wollte der realen Welt entfliehen.“ Er setzte sich mit Büchern in eine Ecke seines Zimmers und „konnte nur durch beharrliches Anstoßen zu irgendeiner Reaktion gebracht werden.“ Dennoch aber markierte Greenlees gesundheitlicher Niedergang nicht das Ende seiner Beziehung zu Norton. Sie unterstützte ihn weiterhin, und zwar auf emotionale und mütterliche Weise, so wie sie es seit Beginn ihrer Beziehung getan hatte; auch besuchte sie ihn regelmäßig im Krankenhaus von Callan Park, brachte ihm Bücher und zeigte ihm Zeichnungen und Skizzen, die sie kürzlich vollendet hatte. An zugewiesenen Ausgangstagen war es Greenlees erlaubt, Norton in Kings Cross zu besuchen. Sie blieb sein wertvollster Kontakt mit der Außenwelt, und sie unterhielten einen regulären Austausch während der gesamten langen Zeit, in der Greenlees sich in medizinischer Obhut befand Erst im Jahre 1983, fast vier Jahre nach Nortons Tod, wurde er vollständig entlassen.

„Die Hexe von Kings Cross“

In der Boulevardpresse Sydneys wurde in den gesamten 1950er Jahren sehr viel über Rosaleen Norton berichtet; besonders intensiv war die Berichterstattung allerdings gegen Ende des Jahrzehnts, nachdem Goossen Australien verlassen hatte. Diese Artikel förderten das Medien-Image von Norton als die „Hexe von Kings Cross“ mit dunklen, hinterhältigen Augen, ausgezupften Augenbrauen und einem teuflischen Grinsen. Oft wurde Norton fotografiert, wenn sie neben ihrem Altar vor einem Wandgemälde von Pan saß. Verschiedene Gegenstände waren auf diesen Fotos zu erkennen: Mehrere an der Wand aufgehängte Geweihe, ein ritueller Dolch, auch Athame genannt; zeremonielle Kerzen und ein phallusartiger Schlangenkopf. Norton bezeichnete sich während der Gerichtsanhörungen zu den vorgebrachten Obszönitäts-Anklagen gegen ihre Person nicht als „Hexe“, sondern beschrieb sich immer als eine Pantheistin, eine Verehrerin Pans, der alten griechischen Naturgottheit. Für eine Reihe autobiographischer Artikel in der Australasian Post schlug Norton einen anderen Weg ein und ließ ich bereitwillig mit einem konischen Hexenhut ablichten, was ihrem öffentlichen Ansehen als böse Hexe nur zuträglich war.31

Zu dieser Zeit wurden in der Australasian Post Artikel veröffentlicht, die Norton mit ihren Lieblingskatzen zeigen, ein deutlicher Hinweis auf das klassische Bild der mittelalterlichen Hexe mit ihren tierischen Freunden. In einem Interview, das sie Dave Barnes gab, welcher leitender Redakteur der Australasian Post und Verfasser dreier maßgeblicher Artikel über die kontroverse „Hexe von Kings Cross“ war, merkte Norton an: „Wenn Pan der Teufel ist, dann bin ich eine Teufelsverehrerin, “ Sie erzählte Barnes auch, dass okkulte Kräfte ein natürlicher Bestandteil des Lebens wären, dass sie von den psychoanalytischen Vorstellungen Carl Jungs beeinflusst worden war und viele Religionen als Teil ihres spirituellen Glaubenssystems anerkannte: „In der Unendlichkeit ist alles möglich … Ich glaube an viele Götter, Buddha und sogar den christlichen Gott.“


Norton in den 1960ern

Bis in die Mitte der 1960er Jahre hinein war Roie damit beschäftigt, ihre Persönlichkeit als praktizierende Hexe zu entwickeln. Das Britische Hexengesetz aus dem Jahre 1735 war in New South Wales noch nicht aufgehoben – das sollte nicht vor dem Jahre 1971 geschehen – doch Roie verdiente sich ihren Lebensunterhalt mit der Anfertigung von Talismanen und nahm für wenige Kunden auftragsweise Verhexungen vor. Dann und wann gab sie neue okkulte Gemälde zum Verkauf heraus. Die Preise rangierten von 5 Pfund für ein kleines Werk bis 100 Pfund für eine große Leinwand. Auch überarbeitete sie Gemälde zu Themen, die ihr persönlich wichtig waren, wie z. B. Porträts von Pan und Luzifer.

Norton vor dem Altar, 1956 In dieser Zeit zog Roie mehrere Male um. Einige Jahre lang lebte sie in der Hargrave Street 8 im Osten Sydneys, und zwar in einem Haus, das den Eltern von Gavin Greenlees gehörte. Am 17. Januar 1964 wurde Gavin zeitweilig aus dem Krankenhaus entlassen, verursachte aber ein Durcheinander und drohte damit, Roie mit einem Messer zu töten und ihre Möbel und ihre Ritualgegenstände aus dem Fenster auf die Straße zu werfen – es war eine seiner schizophrenen Attacken. Sergeant Harry Giles, der von verängstigten Nachbarn zum Haus gerufen wurde, fand Gavin in einer dieser Situationen mit einem Messer an seiner Kehle über ein Waschbecken gelehnt.

„Haben Sie jemanden verletzt?“ fragte Giles ängstlich.

„Noch nicht, “ antwortete Greenlees, „aber es ist an der Zeit, sie zu töten.“

Dann deutete er mit dem Finger in den Keller.

„Da ist sie drin … “

Giles fand Roie vor dem Altar kniend und Worte vor sich hin murmelnd; dann nahm er Gavin und Roie wegen Landstreicherei fest. Roie wurde zudem wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ und dem „Gebrauch unanständiger Worte“ angeklagt. Später wurde die Anklage wegen Landstreicherei wieder fallengelassen und eine Strafe von 2 Pfund wegen des Gebrauchs unanständiger Worte gegen sie verhängt. Gavin musste wegen des Tragens eines Messers und der Absicht, jemandem damit Schaden zuzufügen für einen Monat ins Gefängnis – eine lächerliche Haftstrafe in Anbetracht seiner geistigen Verfassung.

Nach diesem Vorfall zog Roie für eine Zeitlang mit ihrer Schwester zusammen, die in Kirribilli eine Wohnung mit Blick auf den Hafen hatte. Cecily hatte Roie immer nahe gestanden und gab ihr das Gefühl, willkommen zu sein, wann immer sie einen „Rückzugsort“ brauchte. Sie war Roies einzige überlebende Verwandte – Phyllis war im Jahre 1946 gestorben, nachdem sie fast ihr gesamtes Eheleben in Armidale verbracht hatte. So war es nur natürlich, dass Roie in Zeiten der Krise zu Cecily kam. Sie blieb mehrere Monate bei ihrer Schwester, und um ihren Kopf von den Ärgernissen im Cross frei zu bekommen, meditierte sie für gewöhnlich viele Stunden unter einer großen Moreton Bay Fichte, die im Garten unweit des Strandes wuchs und sich heute noch an diesem Ort befindet. Dieser Baum wurde zu einem Symbol in mehreren von Roies späteren Gemälden – eine Art Märchenbaum, der bis in den Himmel aufragte und der sowohl Naturgeistern als auch Roie selbst einen sicheren Schutz bot.


Norton in den 1960ern

Doch Roie blieb nicht dauerhaft in Kirribilli und bis Juni 1967 hatte sie sich von dem Trauma von Gavins Angriff erholt und ging zurück ins Cross – dieses Mal bezog sie eine eher heruntergekommene Wohnung in der Bourke Street, zwischen William Street und Woolloomooloo gelegen. Roies neues Heim war eines der verlassenen Gebäude, von denen die meisten völlige Ruinen und Anwärter für den Abriss waren. Dieses war jedoch noch eines der besser erhaltenen Häuser – gelbbraun angestrichen, mit teilweise zerbrochenen Steinen, an der Vorderseite mit Ziegeln, von denen die Farbe abblätterte und mit zerschlagener Eingangstür und verbogenem Geländer.

Roie lebte hier in einem kleinen Zimmer, das gerade mal 10 x 6 Fuß maß und nur spärlich von einer Öllampe beleuchtet wurde. Sie hatte sich im Kamin einen neuen Altar gebaut und sich mit ihrem vertrauten okkulten Schmuck umgeben – verschiedene Masken, Porträts von Pan, Schmuckstücke, ein Gong aus Metall und mehrere kleine Kobra-Statuetten. Auch hier hatte sie ihre Lieblingstiere – eine Ratte namens Percy und ihren Freund, der Moonstone hieß. Etwa ein Jahr später kam sie, als sie im Centennial Park spazieren ging, zu einer Schildkröte als Haustier. Während dieses besonderen Spazierganges rutschte sie in einen Weiher und als sie wieder herauskam, hatte sie eine kleine Schildkröte in der Hand! Sie deutete dies als ein Geschenk von Pan.

Als Nan Javes, Journalist bei der Sun, im Februar 1969 mit Roie Kontakt aufnahm, wohnte sie noch in der Bourke Street und bezeichnete sich nun als „Hexenzirkel-Meisterin.“ Vielleicht hatte sie bemerkte, dass ihr unbürgerliches Image ein wenig verblasste und sie schnell zu einer Gestalt aus der Vergangenheit wurde und darum eine aggressivere Haltung eingenommen. Sie beschrieb sich und die ungenannten Mitglieder ihres Hexenzirkels als potenziell feindlich gesinnt und gefährlich:

Es ist lächerlich zu sagen, dass wir niemals jemandem Schaden zufügen. Wenn wir nicht befähigt wären, Leute mit Flüchen und Talismanen zu bekämpfen, könnten wir nicht überleben. Doch wir sind hier im 20. Jahrhundert, und wir sind stärker als je zuvor. Natürlich tun wir manchmal auch Gutes. Die Art Leute, die ich mit einem Fluch belege, sind jene, die mir wehtun oder jemanden Schaden zufügen, der mir nahesteht. Ich würde es nicht sofort tun, wenn die Umstände ungünstig sind, aber sie können ihr Leben darauf verwetten, dass ich es rechtzeitig tun werde – und dass es klappt!32

Dann erklärte Roie Javes, dass sie gegenwärtig in ihrer Wohnung Zeremonien zu Ehren der vier hauptsächlichen Hexensabbats – Mariä Lichtmess, Walpurgis, Petri Kettenfeier und der Abend vor Allerheiligen – abhalten und ihre Verantwortung sehr ernst nehmen würde. „Es ist nicht einfach, eine Hexe zu werden“, betonte sie, während sie mit ihrem Zigarettenhalter, der die Form einer Rabenklaue hatte, magische Zeichen in die Luft schrieb. „Es gibt viele Leute, die gerne zu uns stoßen, jedoch nur eine Last sein würden. Millionen versuchen uns, an unserer Arbeit zu hindern, doch sie werden uns niemals auslöschen können.“

Wie Nan Javes berichtete, behauptete Roie jetzt, zweihundert Anhänger in Sydney und Hunderte mehr im ganzen Land zu haben. Ihre Bemühungen, Neophyten für das Heidentum anzuwerben wären wahrscheinlich größtenteils unbeachtet geblieben, hätte es keinen Protest seitens der Anglikanischen Kirche gegeben. Einige ausgesprochene Fundamentalisten innerhalb der ultra-konservativen Diözese von Sydney waren schon seit langem der Ansicht, dass okkulte Kräfte bereits Einfluss auf Schulkinder ausübten und es ein anwachsendes und alarmierendes Interesse an solch heidnischen Dingen wie Astrologie, Tarot und Hexenbrettern geben würde. So war es dann keine Überraschung mehr, als der Anglikanische Erzbischof Marcus Loane im Jahre 1974 der Einrichtung einer Untersuchungskommission zum Okkulten zustimmte. Dies war in einem protestantischen Land erst die zweite gegründete Untersuchungskommission seit dem Mittelalter.

Das ganze Thema des Okkulten war durch den Filmstart von The Exorcist im Jahre 1974 an die Öffentlichkeit gelangt, denn der Film hatte in kirchlichen Kreisen für großes Aufsehen gesorgt. Es gab sogar einen Andrang an Bewerbungen für das Amt des Kirchen-Exorzisten, sowie eine weitverbreitete Verdammung des Films wegen der Anstachelung zu teuflisch Bösem – ungeachtet der Tatsache, dass der Film eigentlich von einem Mädchen erzählt, welches durch seine Beschäftigung mit einem Hexenbrett besessen wird und dass in der gesamten Geschichte klar zwischen Gut und Böse unterschieden wird. „Sprich vom Teufel und er wird erscheinen“ schien das Motto jener gewesen zu sein, die den Film The Exorcist in abgedruckten Kommentaren verurteilten. Letztendlich hatte der Film den Effekt, die Aufmerksamkeit der Presse auf die Wiedergeburt des Okkulten zu ziehen, die seit der frühen 1970er Jahre weltweites Aufsehen erregt hatte. Kirchenobere berichteten von vielen Menschen, die Exorzisten aufsuchten und aufgrund des Films, den sie gesehen hatten, geheilt werden wollten; in der australischen Presse erschienen weiterhin okkulte Sensationsberichte, in denen man von Hexen und Hexenmeistern sowie von einem Satanismus in den Vorstädten sprach und auch von den Gefahren, die beim Spielen mit Hexenbrettern bestünden. Schlagzeilen wie diese, welche das ganze Jahr 1974 über erschienen, trugen weiter zur Hysterie bei: „Kirche fürchtet, dass Voodoo überhandnimmt“, „Schwarzmagisches Mädchen spricht zur Öffentlichkeit“, „Teufelskult in Sydney“, „Studenten versuchten bereits im Alter von 10 Jahren, Schwarze Magie zu praktizieren“ und „Unsere Kinder sind dem Okkulten verfallen.“

Den Vorsitz der Untersuchungskommission der Anglikanischen Kirche hatte der Dekan von Sydney namens Lance Shilton inne und an dieser Kommission nahmen vier Priester der Anglikanischen Kirche teil, von denen ein paar bereits ihre glühende Opposition zu allem, was nur im Entferntesten mit dem Okkulten in Verbindung stand, ausgedrückt hatten. Dies betrifft unter anderem den Pfarrer Peter Hobson, der in St. Michaels in Surry Hills bereits wegen der Austreibung von „Geistern“, der Hare Krishnas, des Tabakrauchens, der Theosophie, Homosexualität, des Spiritismus und vielen anderen „abartigen“ Praktiken zu einiger Bekanntheit gelangt war. Die Kommission sollte gegen diese Dinge dreierlei unternehmen:

– die gegenwärtige Faszination des Okkulten, besonders bei jungen Leuten, ausloten

– die biblische Grundlage des Spiritismus und verwandter Praktiken untersuchen, sowie Warnungen gegen die Beschäftigung mit dem Okkulten herausgeben

– verschiedene gegenwärtige Ausdrucksformen des Okkulten und ihre Wirkungen untersuchen

Der Bericht der Untersuchungskommission sollte dann veröffentlicht werden, um Richtlinien „zur empfohlenen Einstellung der Christen und der Handlungsweise der Kirche als Gesamtes“ darstellen zu können.

Die Untersuchungskommission wurde in der breiten Öffentlichkeit bekannt und es gab Einsendungen von allen möglichen Leuten – Christen, Okkultisten, christlichen Okkultisten, Akademikern, Lehrern und Psychologen – und am 13. August 1975 wurde besagter Bericht schließlich veröffentlicht. Einleitend wurde darin behauptet, dass die „finsterste“ aller modernen „Hysterien“ Okkultismus und Satanismus wären, die durch die Massenmedien Verbreitung fänden; desweiteren würden beide schnell zu Ansehen gelangen. Man stellte die Vermutung auf, das Interesse an dem Okkulten stände mit der Zunahme von Gewalt und Pornographie in der Literatur in Zusammenhang, da im Okkultismus Pornographie „mit einer religiösen Grundlage ausgestattet sei, von welcher die Praktizierenden ausgehen könnten.“

Die Schlussfolgerung der Untersuchung zur Frage, warum es gegenwärtig eine derartige Faszination am Okkulten gäbe, reflektierte die Meinungen mehrerer Kirchenmänner: Sie beinhaltete das Versagen der organisierten Kirche, den Verlust der persönlichen Identität und des Lebenssinnes, der sich aus der Sterilität der modernen, technologischen Gesellschaft herleite, sowie die Tatsache, dass genau dies ein Vakuum bei den Menschen hinterließe, welches mit alternativen von der Kirche nicht akzeptierten Glaubenssystemen gefüllt werden würde. Die Kommission war besonders an der Meinung des teilnehmenden Psychiaters Dr. David Collison interessiert, der das Konzept eines „Besessenheitssyndroms“ entwickelt hatte. Dabei handelte es sich um eine mentale Störung, die nach okkulten Praktiken auftreten würde, doch es war schwer, diese mit den Mitteln konventioneller Medizin zu definieren und zu behandeln. Tatsächlich vermutete man, dass eine konventionelle Behandlungsweise den Zustand nur noch verschlimmern würde. Dr. Collison glaubte daher, dass Exorzismus doch wirksam sein könnte und hatte bereits mit Patienten, die von diesem Syndrom betroffen waren, in diese Richtung gearbeitet. Er beriet auch mit seinen Kollegen darüber, dass sich diese psychiatrischen Störungen immer mehr verbreiteten und zu großen mentalen Leiden und sogar Selbstmord führen könnten.

Die Kommission war besonders über die okkulten Paraphernalien besorgt – Tarotkarten, Hexenbretter und verschiedene „alternative Publikationen“ – und schlug vor, die Rechtsprechung zum Schutz von Kindern gegen entflammbare Schlafanzüge vielleicht auch für den Schutz der Kinder gegen das Okkulte anzuwenden! Desweiteren schlug sie vor, dass die Medien den Okkultismus auf eine realistische Art und Weise darstellen und seine schädliche Faszination und deren Effekte erwähnen sollten. Die Untersuchenden erklärten auch, dass es eine Notwendigkeit zur Einschränkung okkulter Literatur und Ausstattungen gäbe, da es ja auch Beschränkungen für Gegenstände geben würde, die mit Gewalt und Pornographie in Verbindung standen. Auch empfahl die Kommission, dass der Raum, der in bekannten Magazinen und Tageszeitungen der Veröffentlichung von Horoskopen und Zukunftsdeutungen eingeräumt wurde, lieber Artikeln über den christlichen Glauben zur Verfügung stehen sollte, da diese Religion wäre „von der Mehrheit namentlich akzeptiert werden würde.“

Der Bericht präsentierte seine spektakulären Ergebnisse in den Zeitungen und über Wochen las man in der Boulevardpresse dramatische Schlagzeilen zu diesen. Dabei wurden auch zahlreiche Illustrationen mittelalterlicher Hexen, Bilder aus dem Film The Exorcist und düstere Fotos von modernen Okkultisten mit abgedruckt. Es war abzusehen, dass die Journalisten nun begierig darauf waren, eine Antwort auf all das von Rosaleen Norton zu bekommen.

Als Gus de Bito vom Sunday Mirror Roie im August 1975 aufspürte, lebte sie im Keller eines Häuserblocks in Roslyn Gardens, unterhalb des El Alamein-Brunnen in Richtung Rushcutters Bay. Sie sah ein wenig verwahrlost, doch „hexenhaft“ wie immer aus; trug ein okkultes Medaillon um den Hals und äußerte sich, in der Eingangstür ihrer Wohnung stehend zu den Entdeckungen der Kirche.

Überraschenderweise stimmte sie mit Dean Shiltons Ansicht überein, dass Amateure, die sich nur nebenbei mit dem Okkulten beschäftigen, in tiefes Fahrwasser gelangen können. „Magie kann mit einem ganz schön was machen“, sagte Roie mit einem Augenzwinkern. „Sie ist so gefährlich wie Drogen.“ Sie erläuterte auch, dass die wirkliche Gefahr von Leuten ausging, die ohne Wissen über Magie oder Hexenwesen Rituale ausprobierten, über die sie irgendwo etwas gelesen hatte. „Sie können verschiedene Entitäten in die Welt bringen, über die sie nichts wissen“, sagte Roie. „Solche Leute wissen nicht, wie sie mit diesen Entitäten umgehen müssen … “ Allerdings war Roie nicht mit dem Vorschlag einverstanden, Hexenbretter aus dem Handel zu verbannen. Theoretisch, gab sie zu, könnten Schulkinder mit einem Gerät wie diesem mit Geistern in Kontakt treten, doch sie persönlich konnte „keine Gefahr darin sehen.“33


Norton 1975

Dieser Auftritt in der Boulevardpresse war eine von Rosaleen Nortons letzten Medienverlautbarungen. Sie war bereits dabei, sich vollkommen zurückzuziehen und ihre täglichen Kontakte auf einige wenige enge Freunde und ihre Schwester Cecily zu beschränken, die jetzt nur einige Wohnungen den Gang hinunter im selben Häuserblock lebte. Es war eine zunehmend private Existenz, und das war das Leben, wie Norton es liebte. Wie mir Cecily später erzählte, war Roie dabei mit sich selbst ganz zufrieden. Gemeinsam mit ihren zwei Hauskatzen lebte sie inmitten von alten Staffeleien, Gemälden und Büchern, und mochte es, die Fische in ihrem Aquarium dabei zu beobachten, wie sie graziös darin umher schwammen. Sie verbrachte auch viel Zeit damit, klassische Musik zu hören – Mozart, Strawinsky, Beethoven, Bach und Sibelius gehörten zu ihren Lieblingskomponisten. Und obwohl ihre Wohnung ein dunkles und etwas düsteres Wohnzimmer hatte, war es zu einem Hinterhof mit viel Grün hinaus gelegen – eine abgeschirmte Naturoase. In den Sommermonaten liebte Roie es, bei ihren französischen Fenstern in der Sonne neben einem roten Topf mit einer Leuchterblume zu sitzen und ihre Bücher über Magie und Mystik zu lesen. Sie hatte auch ihre Gewohnheit aus der Jugendzeit beibehalten, am Abend viele Stunden in der Badewanne zu verbringen. Als „Nacht„-Mensch, der sie immer gewesen war, liebte sie es, im Seifenbad zu liegen, an Orangen zu lutschen, endlos Tee zu trinken oder aber an italienischem Kräuterschnaps zu nippen. Für sie war das der wahre Luxus des Lebens.

Dennoch hatte sie in den letzten Jahren an immer wieder auftretenden Krankheitsschüben gelitten, was sie nicht weiter alarmierte, obgleich sie sich manchmal schlapp fühlte. Doch gegen Ende des Jahres 1978 wurde sie plötzlich krank, und Untersuchungen im Krankenhaus waren notwendig. Ihr Doktor teilte ihr schließlich mit, dass sie ein krebsartiges Geschwür in ihrem Dickdarm habe und eine Operation unabdingbar wäre. Anfangs dachte man, dass die Operation erfolgreich verlaufen war, doch dem war nicht so. Der Krebs kam schnell wieder zurück.

Gegen Ende November 1979 wurde Roie in das Römisch-Katholische Heiligherz-Hospiz für die Sterbenden am St. Vincents Krankenhaus eingeliefert, ihr Ende war deutlich abzusehen. Kurz bevor sie starb sagte sie zu ihrem Freund Victor Wain: „Ich kam mutig in diese Welt, und ich werde sie mutig wieder verlassen.“ Und sie sprach die Wahrheit: Unnachgiebig und ohne Reue in ihrer Verehrung Pans, ohne sich von den Kruzifixen um sie herum im Hospiz einschüchtern zu lassen und eine Heidin bis zum Schluss, verließ sie dieses Leben am 5. Dezember 1979.

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