Kitabı oku: «Rosaleen Norton», sayfa 5

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Rosaleen Nortons Kunst – und was sie Bewirkte

In den darauffolgenden Monaten waren Roie und Gavin intensiv mit der Auswahl von Werken für ein neues Buch beschäftigt. Gavins okkulte und metaphysische Gedichte sollten die besten von Roies fantastischen und evokativen Illustrationen begleiten. Es war eine Zeit intensiver Gespräche; mehrmals wurden Texte umgeschrieben und abgeändert, was laut Roie wiederholte Male Auslöser dafür war, dass „Gavs Nerven blank lagen.“ Die Zeichnungen reflektierten nunmehr jede Dimension ihrer fruchtbaren Phantasie.

Unter diesen ausgewählten Bildern waren Arbeiten zu Lilith, die Königin der Luft und Finsternis und eine Personifikation der Mächte der Nacht; zu einem gehörnten Teufel namens Fohat, dessen Phallus die Form einer Schlange hatte; und zu einer Löwen-Gottheit namens Eloi, die einen alten persischen Monarch verkörperte. Auch dabei waren Rites of Baron Samedi, Nortons persönliche Impression einer rituellen Invokation und Black Magic, das nach ihrer Ansicht die „Vereinigung mit der Nacht“ darstellte. In diesem Werk wurde das „Unbekannte“ durch einen schwarzen Panther personifiziert.

Nicht alle Bilder waren düster und dämonisch. Eine ihrer Arbeiten, Entombment of Count Orgaz, stellte die Parodie auf ein gefeierten Gemäldes El Grecos dar. A Room at Castle Issusselduss bildete Uhren, Vasen und Stühle ab, die auf magische Weise und wie in einem Märchen zu leben anfangen; Mosque of Eidolons und Fisher of Men waren einfach boshafte Karikaturen von Kirchengestalten und Edith Sitwell war ein Tribut an einen Schriftsteller, dessen Werk Roie kürzlich gelesen hatte. Gavin war unterdessen damit beschäftigt, einige seiner evokativsten Gedichte zusammenzustellen. Das folgende Gedicht begleitete The Angel of Twizzari, ein Werk, das die Traumwelt als einen Aspekt der „Astralebene“ darstellen sollte.25

Er ist das Schloss der Echos

Und die Wandernde Mühle, Nebeneffekt-Attraktion jenseits des Schlafes

Wir erschufen jene sich auflösenden, beweglichen Korridore

Aus dem traumvertrackten, archaischem Fleisch

Der Riesen, die nicht mehr sind.

Einheiten der Schwerkraft, die in einem Schwindelanfall die Wissenschaft befruchtet haben

Er ist ein lebendiges Wörterbuch jener Arten und Weisen

Wo im Innern dieser eleganten Suiten,

Die pelz- und spiegelgetäfelt, frucht- und edelsteinbesetzt, Botschafter einherschreiten

Und ihre Verstandesteile einsammeln.

Wie Jäger falsche Silhouetten durch die langen

Nachtwachen beobachten.

Und seltsam gestaltete Diplomaten in Schweigen gehüllt

Ihre Rechte einfordern für Ländereien, die ihnen unbekannt und

Bei Tageslicht ihre Arbeit anerkennen oder verdammen.

„Nacht, Nacht“ … Hier sind jene Szenen, die wir alle proben

Wenn das Profil des Fixierten und offensichtlichen Zwecks dahinschwindet.

Hier herrschen jene eisernen Notwendigkeiten, die im Getrippel der vergehenden Zeit ihre Kinder formen,

Gezeugt in den sich drehenden Spiegeln der Welt,

Der Du zu entgehen scheinst, wahrhaftiger verborgen als alles andere.

Wenn die bekannte Musik des Tageslichts die sichtbaren Lampen verdunkelt,

Obgleich es unter ihnen einen anderen gibt, der gemacht aus dem rastlosen Anderen in uns, dort lebt

Ein Arbeiter in den Dunkelkammern des Raumes,

Bewegt sich entlang einer Brücke, gemacht aus königlichen Herzen,

Die, sich kümmernd um die inwendigen Tänze,

Alle Liebe und alle Aufruhr in sich aufnehmen.

Hier sind sie, alle unsere verspielten Lieblingsgeister –

Die Séance der Hände, der Reisebericht mittelalterlicher Städte

In denen einmal ein großer Gelehrter im Schweiße seines Angesichts arbeitete,

Verstört von den Jahrhunderten, die ihre Dämmerlehre trocken vor sich hin murmeln

Hinter einem Vorhang, inmitten kurioserer Ausstellungsstücke –

Gestalten, geboren aus dem sich verändernden Labyrinth,

Doch überspannt vom Regenbogen seiner siegreichen Kunst.

Während einige Gedichte einfach imaginative Arbeiten darstellten, waren andere – wie Esoteric Study – scheinbar von Norton selbst inspiriert worden:

Aus sich selbst heraus erschuf die Erde ihre wachenden Gesichter

Und, indem sie die Gesetze annahm, die sie ihr gaben,

Erschuf sie aus sich selbst heraus

Kreaturen, um ihr zu dienen – Tiere, Gedichte,

Vergessene Lebewesen, Männer, Frauen …

Aus sich selbst heraus erschuf sie die Großartigkeit der Dinge

Und den Glauben daran, aufrichtig oder ermattet.

Aus diesem einen Glauben heraus

Haben alle an verschiedenen Gussformen geglaubt,

Und manchmal, wenn sie ihr näher waren,

Haben einige wenige gelebt, denen die Wächter lehrten das

Wissen um die stillen Waldgewässer und Bögen,

An die sich die flachen, unsichtbaren Schattenhäuser

Anhängt haben.

Und die ganze Welt ist lebendig mit jenen Schöpfern,

Die, so spindeldürr wie ihre Mission, einher kriechen durch die

Stille der Ehrfurcht.

Die alten Namen waren angestaubt. Darum erschuf die Rede

Aus sich selbst heraus Gargos, Anubine und Fom.

Gargos ist der Herr der Hüllen

Und er findet seinen Halt im Zerfall,

Lasst uns lernen und das Museum bewundern,

Das aus seinen beeindruckenden Terrassen besteht,

Gemacht für Zigeuner, die ausgelassen in den Wäldern des unendlichen Neptuns umherlaufen

Und unbeirrt verzehren

Das Aas der vielen Weltanfänge.

Anubine ist das Gedächtnis, das die Dinge bewahrt

Als ein Licht der Einheit,

Wann immer sich Dein Gesicht auf

Dem inneren Strom widerspiegelt,

Verhöhnt sein gelassenes „Gesicht“ den Verhöhnenden,

Der „Spiegel“ schreit, auf seiner Seite das Gesetz,

Das in der Ruhe eines jeden grenzenlosen Akteurs besteht.

Form, auf deren Braue sich der Diamant des ultimativen Tageslichts niederließ.

Ist der Mund, aus dem jene Worte stammen,

Für die selbst das graue Erdenrund nur kurze Amanuensis ist.

Eines der Gedichte, als höchst evokatives Werk zu Black Magic verfasst, wurde von Rosaleen selbst geschrieben und mit ihren Initialen versehen. Es ist nicht verwunderlich, dass es eines der Aufschlussreichsten von allen darstellt, denn es ist ein persönlicher Bericht über Roies magische Begegnung mit den Mächten der Nacht:


Esoteric Study.

Bild XII in The Art of Rosaleen Norton

Des Lichts Schwarze Majestät – Mitternachtssonne: Herr der wilden und lebendigen Sterne:

Seele der Magie und Gebieter des Todes;

Panther der Nacht … schließ mich in Deine Arme.

Nimm mich auf, dunkler Leuchtender; vermische mein Wesen mit Deinem,

Pirsche und räubere umher in meinem Geist mit tiefglücklichem Schnurren,

Sei in mir lebendig, Du, der Du Schrecken und Ekstase verleihst,

Berühre mich mit Flammen aus schwarzem Feuer.

Nähre mich mit dem Feuer am Mittelpunkt des Schwarzen Opals,

Ich trinke lebendiges Silber in monderwachten Straßen,

Und Sternenstimmen klingen:

Alle Fremdartigkeit ist mit mir,

Ragt auf, unsichtbar, die Erde verändernd.

Hass und Himmel vermischen sich in mir: Sie schlagen mit dem Puls der Sterne,

Denn ein Gott ruft in meinem Herzen mit urzeitlichem Glanz

„Kind des Schattens, Ich hasse die Menschheit!„

Die Nacht, die launische Nacht, befreit mich …

Arme Narren, schlaft auf Euren Totenbetten des Lebens! Mein Heim ist das Haus der Winde,

Mit seinen gewaltigen Liedern des Raumes, die wild in meinen Ohren klingen,

Deren rufendes Herz sich zu ihrer Melodie bewegt.

Ich verhöhne die Formen, die sich mühselig dicht gedrängt durch das Lampenlicht vorwärtsbewegen:

Dumm und grausam – oder freundlich –

Sie sind Fremde, das Andere. Unruhe berührt mich …

Furcht vor diesen Menschen … und gleite zur Seite hinfort:

Doch wohlwissend in meiner Furcht, in meiner lautlosen Entrücktheit,

Weiß ich, dass sie Sie sind und ich bin Ich.

Die Häuser alter Städte winden sich spiralförmig über mir, von der Nacht beschworen, aus der Zeit erstehend.

Und ich höre, durch das Aufschäumen luminösen Schweigens –

In sich gekehrt, schwingend, der Klang der Einsamkeit –

Den Ruf derer, die so sind wie ich.

Leise kommen sie herbei, flattern sanfteren Flügels als Geheimnisse; leichtfüßig, samten, schnell …

Mit grün glänzenden Augen, züngelnde Flamme des Opals.

Verwandt … wir signalisieren, dass wir uns in der Kürze des Augenblicks wiedererkannt haben.

Ich bin Ich … doch ich weiß, wir sind wir

Panther des Schweigens; Gottheit der Nacht; Herr der ungezähmten, unmenschlichen Sterne;

Du gehörst zu mir; wimmelnde Seele der Einsamkeit.

Hier gibt es kein Alleinsein, geheimer Gebieter –

Du, Dunkler Geist, bist bei mir.

R.N.

Während Roie und Gavin an den Gedichten und Illustrationen arbeiteten, war Wally Glover mit den logistischen Vorbereitungen zu Druck und Veröffentlichung des Buches beschäftigt. Hochwertiges Büttenrand-Papier der Sorte „Glastonbury Antique“ wurde bei B.J. Ball bestellt. Tonecraft of Marrickville wurden als Drucker beschäftigt, und ein pensionierter Pilot namens Alan Cross – der seine Karriere bei New Guinea Airways gemacht hatte – wurde als Buchbinder ausgewählt. Cross war allerdings keine sehr passende Wahl. Seit seiner Pensionierung hatte er sein Geld mit dem Binden alter Familienbibeln verdient, und Wally kontaktierte ihn über eine Werbezeige im Sydney Morning Herald. Sie einigten sich darauf, fünfhundert Exemplare von The Art of Rosaleen Norton für einen Betrag von 1 Pfund pro Stück in Leder zu binden. Davor hatte es tatsächlich Gespräch darüber gegeben, ob man nicht einige Exemplare des Buches in gebräunter Fledermaushaut binden sollte, da es zuvor im selben Jahr in Sydney eine Flughund-Plage gegeben hatte! Doch Wally und Alan einigten sich darauf, dass der Standard-Ledereinband die praktischere Lösung sein würde.

Trotz seiner Verhandlungen mit Alan Cross und den Druckern behielt es Wally für sich, dass er nicht genügend Finanzrücklagen auf der Bank hatte, um alle Kosten zu decken, die sich aus der Produktion ergeben würden. Ob seine Zulieferer bezahlt würden oder nicht, würde hauptsächlich davon anhängen, wie sich das Buch auf dem Markt verkaufen ließ.


Titelseite von The Art of Rosaleen Norton

Als The Art of Rosaleen Norton endlich Mitte August des Jahres 1952 erschien, war es deutlich, dass man keine Mühen gescheut hatte, um daraus eine ansehnliches Buch zu machen. In rotes Leder gebunden, hatte es einen goldenen Blocksatz und einen tiefblauen Umschlag, auf dem eine beeindruckende Strichzeichnung von Norton abgedruckt war. Der Preis für das Buch lag bei acht Guineas pro Exemplar – ein beträchtlicher Betrag zu jener Zeit. Doch seine Veröffentlichung wurde schon bald zu einem Trauma. Am selben Tag, an dem Vorabexemplare des Werks von Alan Cross erwartet wurden, starben sowohl Walter Glovers als auch Rosaleen Nortons Vater, wodurch die Veröffentlichung des Buches in ein Chaos gestürzte wurde. Walter Glover erinnerte sich später an die Ereignisse dieses Tages:

Ich eilte zum Haus meinen Eltern in der Vorstadt, um bei den Beerdigungsmodalitäten behilflich zu sein. Ich fuhr mittags los, traf Alan Cross, holte die Bücher ab und brachte auf dem schnellsten Wege jeweils ein Exemplar zu den Zeitungsredaktionen. Exemplare des Buches wurden nach New York, London und zu meinem Repräsentanten nach Paris geschickt. Dann aber brach alles zusammen. Wir hatten keine Bücher mehr und auch keinen Vertrieb. Die entstandene Publizierung brachte Nachfrage ein, doch niemand wusste, wo man die Bücher kaufen konnte …26

Die Angelegenheit wurde sogar noch komplizierter, als dem Hauptpostmeister wegen „unverschämter Publikation“ strafrechtliche Verfolgung angedroht wurde. Gewisse weibliche Gestalten waren in den Illustrationen aufgefallen, die vollständig und nur mit Schamhaaren bedeckt abgebildet wurden. In der Zwischenzeit kündigten Tageszeitungen im ganzen Land die Veröffentlichung des „eklatantesten Beispiels von Obszönität“ an, „das jemals in Australien verlegt wurde.“ Der Sydney Millions Club, der eines von Nortons Ölgemälden in seiner kommenden Charity-Auktion versteigern wollte, nahm das Werk aus seiner Ausstellung, und der Sponsor der anstehenden Buchpräsentation zog seine Unterstützung zurück.

Doch dann nahmen die Ereignisse eine seltsame Wende. Im Sky Ballroom in der Elizabeth Street war zu Ehren des Großmeisters einer Freimaurerloge eine große Party organisiert worden. Unerwarteter Weise – doch nichtsdestoweniger zu einem bemerkenswert günstigen Zeitpunkt – verstarb der Ehrengast und Essen und Getränke konnten verwendet, der großartige Veranstaltungsort anderweitig gebucht werden. Die Gelegenheit für die Präsentation von The Art of Rosaleen Norton war nun gegeben und konnte doch noch vonstattengehen. In einem Bericht wurde davon gesprochen, dass die Veranstaltung „mit teuflischer Freizügigkeit“ ablief und man ihr in einem nationalen Wochenblatt daraufhin sogar eine ganze Seite widmete.

Das Buch hatte offensichtlich eine große Wirkung, da der amerikanische Konsul ein in Fledermausleder gebundenes Exemplar bestellte und das Pakistanische Konsulat sowohl die Künstler als auch den Verleger dazu einlud, ein erotisches Kunstbuch zu produzieren, das auf der mythischen Bilderwelt gewisser Tempel in Pakistan beruhen sollte. Die Gefahr einer Verfolgung für die Beteiligten durch die australische Regierung wuchs jedoch weiter an und ließ sich nicht mehr abschütteln.

Hart auf hart kam es schließlich am 27. August, als Wally Glover offiziell wegen Herstellung einer obszönen Publikation angezeigt wurde. Er erschien zum ersten Mal am 25. November 1952 vor dem Zentralgericht und plädierte auf „nicht schuldig.“ Als Repräsentant der Krone war D.J. Vine-Hall anwesend; Wally Glover wurde von seinem Verteidiger Jack W. Shand vertreten. Der Zeitungsmagnat Frank Packer, der ein persönliches Interesse an dem Fall hatte, erklärte sich einverstanden, Glovers Gerichtskosten zu übernehmen.

Bei der Eröffnung der Gerichtsverhandlung vor Richter Solling erklärte der Anwalt der Krone, das Buch selbst würde den notwendigen Beweis für eine Anklage wegen Obszönität liefern. Doch der Fall stellte sich als nicht so einfach erklärbar heraus. Die Debatte zum Inhalt des Buches erwies sich als eine langwierige Angelegenheit, die sich bis zum Februar des darauffolgenden Jahres hinzog; und im Zuge der Verhandlung musste Norton selbst ihre Zeichnungen vor Gericht erläutern.

Mr. Vine-Hall lenkte besondere Aufmerksamkeit auf die Illustrationen eines schwarzen Panthers (Black Magic), eines geflügelten Androgyn (Individuation) und einer nackten Frau, die aus einem Ei emporsteigt (Esoteric Study). Norton antwortete in geistvoller Weise, sprach über die Psychologie Jungs und Freuds und erklärte, dass sich viele ihrer Werke auf die „Fusion des Bewussten mit dem Unbewussten“ bezogen. Bei der Beschreibung von Black Magic, eine jener Arbeiten, die während des Obszönitäts-Prozesses in Melbourne erfolgreich verteidigt werden konnte, sagte sie einfach, dass der schwarze Panther die geheimen Mächte der Nacht versinnbildlichen würde, während Esoteric Study eine „verborgene Seite der Religion“ symbolisiere, „welche nur wenige Auserwählte überhaupt erkennen könnten.“

Richter Solling schloss den Fall schließlich ab, indem er Glover eine Strafe von fünf Pfund sowie die Gerichtkosten zahlen ließ. Weiterhin wurden im Urteilsspruch zwei von Nortons Werken, The Adversary und Fohat, als „Obszönität und als Angriff auf Keuschheit und Delicacy“ befunden, und in existenten Exemplaren des Buches müssten die entsprechenden Seiten geschwärzt werden.27 Zwischenzeitlich schrieb Norton ein Epitaph, in dem sie resümierte, was sie von der Entscheidung des Richters hielt:

Odium Psychopathologicum

Schauet her, meine Freunde, dieser leere Raum,

Der diesem Buch solch Ungnade widerfahren lässt,

Die Zeichnung, die ihn ausfüllen sollte, ist verschwunden:

Gebannt

Und

Indiziert!

O wütende Puritanische Hyäne!

Eure Brut allein hat diese Ungnade in die Welt gebracht,

Die sich spiegelte und im Gespiegelten ihr eigenes verfaultes Gesicht sah;

Mit einem Geist so leer wie jener leere Raum,

Deren Kultur (O Zeitalter der Erleuchtung!)

Wie eine fehlende Seite ist.

Erzürnter Caliban

(Dessen Wissen, begrenzt wie dieses Buch, Dich verschwinden lässt);

Der Du die Kunst zum Ausdruck ihrer selbst zerschnippelst,

Das sind die Geheimnisse Deiner eigenen Unterdrückung,

Heul Deine Bosheit hinaus in die Welt! Banne –

Doch wisse, O kleingeistiger Affe

„Honi soit qui mal y pense!”28

Nun wurde das Buch populär und Rosaleen verdiente gut mit künstlerischen Auftragsarbeiten. Dennoch gab es auch weiterhin Probleme mit der Justiz – dieses Mal in Übersee. Exemplare des Buches, die man nach New York geschickt hatte, wurden konfisziert und von der amerikanischen Zollbehörde verbrannt, womit es in Australien automatisch zu einem verbotenen Importprodukt wurde. Niemand, der ein Exemplar ausführte, konnte es legal wieder einführen.

Auch fand Walter Glover zunehmend, dass das Buch zu schwer zu bewerben sei, und der gesamte Vertrieb wurde schließlich aufgelöst. Bis zum Jahre 1957 war er offiziell bankrott; die Publikation des Buches hatte beträchtlich zu seiner Insolvenz beigetragen. Die Urheberrechte für die Kunstwerke im Buch, die ihm im Vertrag mit Rosaleen Norton und Gavin Greenlees zugesprochen worden waren, gingen nun auf den Konkursverwalter über, und wurden bis Mai 1981 nicht wieder auf ihn rückübertragen.

Die Gerichtsverhandlung hatte jedoch einen positiven Nebeneffekt: Der Buchbinder Alan Cross bekam natürlich sein Geld nicht und daher ermutigte Wally Glover ihn, so viele Exemplare der Seiten wie möglich zu binden und zu verkaufen, um damit zur Kostendeckung beizutragen. In einer beschwichtigenden Geste bat Glover Cross sogar an, er und seine Frau könnten sich eine von Roies Originalzeichnungen als Entschädigung aussuchen. Alan Cross hatte eine Schlange auf seinem Körper tätowiert und so suchte sich seine Frau Fohat aus – die erotische und angeblich obszöne Illustration, die von richterlicher Seite indiziert worden war. Der schlangenförmige Phallus, den Fohat abbildet, würde genauso aussehen wie die Tätowierung ihres Mannes, sagte sie.

Norton und der „Teufelskult“

Nach der Veröffentlichung von The Art of Rosaleen Norton und der darauffolgenden Kontroverse erlangte Norton zweifelsohne öffentliche Berühmtheit in Kings Cross und wurde zu einer Person, welche die Menschen auf der Straße neugierig machte. Bestimmte Coffee-Shops wie das Apollyon und das Kashmir standen im Ruf, Treffpunkt ihres „Teufelskultes“ zu sein und wurden nun von neugierigen Passanten belagert, welche hofften, Norton zu treffen. Häufig kamen Besucher sogar in die Coffee-Lounges und baten hinter vorgehaltener Hand um eine Tasse Fledermausblut! Die Inhaberin eines der Coffee-Shops – eine Mrs. Pixie Robinson – beklagte sich darüber, dass sie immer gefragt wurde, ob sie die „Hexe von Kings Cross“ sei – und zwar nur, weil sie des Öfteren schwarze Hosen und einen dazu passenden Sweater trug. „Nein“, antwortete Mrs. Robinson wie mechanisch und voller Verzweiflung, „Sie wollen nicht zu mir, Sie wollen zu Roie … “

Das Apollyon war ein besonders bunter Treffpunkt und so etwas wie eine Institution im Cross Viertel. Die oberste Etage war nur dazu da, um eine Tasse Kaffee zu trinken, doch unten ging es eher wie bei Pakie’s zu – ein Club für Leute mit alternativem Lebensstil, die sich dort trafen und sich bis spät in die Nacht unterhielten. Roie hatte dort in einem großen Raum, der nach hinten hinaus gelegen war eine dauerhafte Ausstellung ihrer Gemälde; und für eine gewisse Zeit wurde das Café zu einem Synonym für ihre übernatürliche Kunst.

So kamen also die Touristen und hofften, in der Menschenmenge der „Hexe von Kings Cross“ zu begegnen, und sie waren immer fasziniert von den beeindruckenden Gemälden, welche die Wände zierten. Einige der Fans jedoch gingen mit ihrer Verehrung zu weit und liefen die William Street bis zu Nortons Wohnung in der naheliegenden Brougham Street hinunter, um Souvenirs mitgehen zu lassen. Einige Passanten nahmen die okkulten Symbole von der Wohnungstür, und einmal sogar verschwand die gesamte Tür. Dieses Verhalten verärgerte Roie sehr, denn trotz der Flut an exotischen Zeitungsgeschichten über sie war sie im Herzen eine sehr zurückgezogene Person. Ein etwas gruseliges Image war eine Sache – harmlos und spaßig – aber das Ganze wurde für sie zu einer leidigen Angelegenheit, wenn die Menschenmenge zu dicht an sie herankam.



Als Gerüchte um Roies okkulte Praktiken weiter die Runde machten – und diese immer fantastischer undbunter ausgeschmückt wurden – stieg die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemand früher oder später von Schwarzen Messen berichtete, die in der Brougham Street 179 abgehalten werden würden. Eine solche Offenbarung erfolgte schließlich am 14. September 1955 aus dem Munde einer gewissen Anna Karina Hoffmann. Hoffmann war eine Einwanderin aus Neu- seeland und nach ihrer Ankunft in Australien nach Kings Cross gekommen, um „ein neues Leben zu beginnen.“ Zu dieser Zeit verfügte sie nur über 76 Pfund: 75 davon lagen in ei- ner Bank in Auckland und 1 Pfund auf einem Sparkonto in Kings Cross. Sie führte ein recht erbärmliches Leben als Teilzeit-Kellnerin und lebte ziellos in den Tag hinein; oft schlief sie nachts bei Bondi Beach oder in der Umgebung dessen.

Eines Nachts bemerkte Detective Ikin von der Polizeistation in Darlinghurst Anna Hoffmann in der Darlinghurst Road in Begleitung eines Mädchens, das als mutmaßliche Kriminelle galt. Hoffmann beschimpfte Ikin, als er sich ihr näherte; doch dann flehte sie ihn an: „Ich kann mein Leben nicht mehr ertragen. Ich habe seit Tagen nichts mehr gegessen. Bitte fick mich, solange ich noch bei klarem Verstand bin … “ Als sie immer hysterischer wurde, behauptete sie, der Hauptgrund für ihren Ruin sei eine Schwarze Messe gewesen, der sie „bei Roie – der Hexe von Kings Cross“ – beigewohnt hätte. Ikin nahm Hoffmann wegen Landstreicherei fest, und sie musste vor dem Zentralgericht erscheinen.

Eine Woche später erschien Hoffmann vor dem Bepfründeten Richter Blackmore; zuerst weigerte sie sich, den Eid zu leisten, indem sie behauptete keine Christin zu sein. Später gab sie bei dem Gericht an, sie sei Buddhistin und prophezeite überdies, dass das „böse Auge Buddhas Detective Ikin für den Rest seines Lebens verfolgen würde.“

Diese übertriebene Drohung hätte ein klares Indiz für Hoffmanns Geisteszustand sein sollen, dennoch aber wurden weiteren „Beweisen“ entnommen, dass sie den Ritualen eines Teufelskults mit Rosaleen Norton beigewohnt hatte und dass alle Teilnehmer dort schwarz getragen hatten – die Farbe des Teufels. Außerdem, so sagte Hoffmann, hätten sie eine Schwarze Messe zelebriert. Auf die Frage, was diese bedeute, antwortete sie: „Sexorgien und Parties.“ Später gab Anna Hoffmann an, dass sie nicht tatsächlich an einer Schwarzen Messe teilgenommen hatte und beteuerte, die angebliche „Verbindung“ zu Rosaleen Norton beruhe auf reinem Hörensagen. Hoffmann wurde zu zwei Monaten Haft verurteilt und von Richter Holden in einer Gerichtsanhörung sogar als eine „Bedrohung“ beschrieben.

Trotzdem nahm Roies ohnehin angeschlagener Ruf als Folge der flächendeckenden Berichterstattung über die Anschuldigungen Hoffmanns beträchtlichen Schaden. Sie musste später noch ausführlich erklären, dass der gehörnte Gott Pan in keiner Weise mit Luzifer, dem Gott der Satanisten, in Verbindung stand und dass sie niemals an einer Schwarzen Messe teilgenommen hatte.

Kurz danach veröffentlichten zwei Nachrichtenreporter aus Sydney einen detaillierten Augenzeugenbericht über ihren Besuch einer Schwarzen Messe in Kings Cross, bei der sie eine in Robe gekleidete Hexe und einen Hexenmeister beobachtet hatten, die eine christliche Messe nachahmten, bei der ein Hahn geopfert wurde. Dieser Vorfall verärgerte Roie besonders – denn sie hätte etwas Derartiges, wobei ein Tier verletzt wird, niemals geduldet. Später kam heraus, wie dieser Vorfall fabriziert worden war: Die Teilnehmer der „Schwarzen Messe“ waren Universitätsstudenten, die sich zeremonielle Roben angezogen und Knochen aus der Anatomieabteilung der Universität verwendet hatten, um die bizarre, satanistische Atmosphäre eines „Opferrituals“ zu kreieren. Leider trugen solche Episoden nur dazu bei, dass das Interesse der Öffentlichkeit an Roie weiter stieg und Berichte über angebliche „Hexerei und Schwarze Magie“ in Kings Cross veröffentlicht wurden. So wurde z. B. Anfang November 1955 David Goodman, der Besitzer des Kashmir, vom Central Summons Court in Sydney wegen der angeblichen Obszönität dreier von Nortons Gemälden angeklagt, die in seinem Café hingen – Schwarze Magie, Belphegor und Beelzebub. Am 19. November 1955 wurde Goodman von Richter K.M. Dash für schuldig befunden, obszöne Kunstwerke auszustellen und musste eine Strafe von 5 Pfund plus 1 Pfund Gerichtskosten zahlen.

Einige Wochen zuvor – am 3. Oktober 1955 während einer Razzia, die sich noch als folgenschwer erweisen sollte – betrat die Sittenpolizei der Polizeiwache von Darlinghurst das Haus in der Brougham Street 173 und erstellte Anzeige gegen Norton und Greenlees wegen der Ausübung „eines unnatürlichen sexuellen Aktes.“ Der Grund für diese Polizeirazzia war die Entdeckung einer Sammlung von Filmnegativen, die angeblich Beweise für einen Hexenkult in Kings Cross lieferten. Während der darauffolgenden Gerichtanhörungen stellte sich heraus, dass zwei Männer namens Francis Honer und Raymond Ager – die, wie später ermittelt wurde, Mitglieder von Nortons Zirkel waren – dem Sydney Sun „obszöne“ Fotos angeboten und versucht hatten, diese für 200 Pfund zu verkaufen. Weiter wurde festgestellt, dass Honer die Filmnegative aus Nortons und Greenlees‘ Wohnung gestohlen hatte. Die Fotos zeigten angeblich Norton und Greenlees bei einem Geißelungsritual. Norton soll dabei mit den Hand- und Fußgelenken an einen Sockel gefesselt und Greenlees in eine zeremonielle Robe gekleidet gewesen sein. Es wurde der Beweis erbracht, dass die Fotos kurz zuvor bei Nortons Geburtstagsfeier gemacht worden waren: Honer hatte die Filme von einer Couch in der Wohnung gestohlen, während Norton und Greenlees zeitweilig nicht da waren. Die beiden Männer wurden schließlich zu vier Monaten Gefängnis verurteilt; doch die Gerichtsverhandlung und die anschließenden Anhörungen mit Norton und Greenlees wurden von der Boulevardpresse mit umfassenden Berichten aufgegriffen. Roie war gezwungen, ihren Glauben an den Pantheismus vor Gericht zu verteidigen, und zwar indem sie ihn als eine heidnische Verehrung alter griechischer Götter beschrieb.

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