Kitabı oku: «Harmless - Arglos», sayfa 5
Vier
Drei Tage später…
Roan war vollkommen ausgelaugt.
Liam war in den letzten paar Tagen ungewöhnlich unruhig gewesen. Er fragte sich oft, ob der kleine Junge merkte, dass seine Mutter fort war. Oder vielleicht spürte er die Trauer, die in der Luft lag. Allerdings konnte es auch an der ständigen Anspannung liegen, wovon definitiv mehr als genug vorhanden war.
Sie hatten Cassie heute Morgen beerdigt, was sehr viel weniger aufreibend gewesen war, als Roan ursprünglich angenommen hatte. Zumindest, bis sie bei dem Beerdigungsinstitut angekommen waren. Mit so viel Unterstützung hatte die Organisation nur wenig Mühe bereitet. Cam und Gannon, Dare und sein Verlobter Noah, Teague und Hudson und sogar Milly und AJ hatten ihm zu Seite gestanden und ihm bei allem geholfen, ohne auch nur eine einzige Frage zu stellen.
Na ja, es kamen keine Fragen mehr, nachdem er alle zutiefst schockiert hatte, indem er ihnen Liam vorgestellt hatte. Statt abzuwarten, war Roan am Morgen nach Cassies Tod zum Jachthafen gegangen. Er wusste, es war leichter, das Pflaster mit einem Ruck abzuziehen, statt es hinauszuzögern. Darum hatte er Cam gebeten, dafür zu sorgen, dass Dare und Teague – die restlichen Besitzer des Jachthafens – und auch Hudson, ihr Mechaniker, anwesend sein würden.
Cam hatte nicht nur sie herzitiert, sondern auch Noah erwischen können, denn – so teilte er Roan mit – sie waren eine Familie und wenn einer von ihnen für ihn da war, dann waren sie es alle.
Dare hatte so getan, als bekäme er einen Herzinfarkt, bestand aber auch darauf, dass Liam ihn irgendwann Mein Lieblingsonkel nennen sollte. Teague, der sich nach seinem Selbstmordversuch vor einigen Monaten schon viel besser schlug, blieb auf sicherer Distanz zu dem Baby, aber Roan erkannte, dass er einfach keine Erfahrung im Umgang mit Kindern hatte.
Der große, böse Hudson Ballard – Teagues bessere Hälfte – wollte sofort anfangen, Liam beizubringen, wie man ein Boot repariert, und lieferte sich mit Noah sogar einen stummen Streit – komplett mit aufgeregter Gebärdensprache – darüber. Natürlich bestand Noah darauf, dass Liam ein Feuerwehrmann wurde, wenn er groß war.
Roan war so erleichtert, dass sie ihn und Liam gut aufgenommen hatten und ihm seine Geheimniskrämerei verziehen, ohne ihm auch nur einen anklagenden Blick zuzuwerfen. Er musste sich sogar in Cams kleines Büro schleichen und die Tränen zurückkämpfen, die ihn in den vergangenen paar Tagen immer wieder überwältigten.
Liams erster Kontakt mit der lebhaften und aufgeweckten Milly – Gannons Assistentin/beste Freundin – war erst heute Morgen zustande gekommen, als sie ihn überrascht hatte, indem sie vor der Beerdigung vor Cams Tür stand. Als sie angeboten hatte, auf Liam aufzupassen, stellte Roan fest, dass er nicht ablehnen konnte. Zum Teil, weil Milly ihm gesagt hatte, dass er nicht ablehnen durfte.
Da Roan wusste, dass sein Vater und seine Stiefmutter nicht begeistert waren, dass er Liams gesetzlicher Vormund war, hatte er eingewilligt. Er hoffte, das Drama bei der Beerdigung damit zu vermeiden. Es funktionierte und jetzt saßen Daniel und Lydia in Cams Wohnzimmer und machten beim Anblick ihres Enkels ooh und aah, während Roan ihnen ein bisschen Zeit mit ihm ermöglichte.
»Ist Eva schon wieder zurück nach Ohio?«, fragte Cam so leise, dass es im Wohnzimmer nicht zu hören sein würde.
»Ja.« Seine Schwester Eva war bei der Beerdigung und am Grab gewesen, doch jetzt saß sie wieder im Flugzeug nach Ohio, wo ihr Ehemann und zwei Kinder auf ihre sichere Rückkehr warteten.
»Wo waren ihr Mann und ihre Kinder?« Cam lehnte sich gegen die Anrichte und verschränkte die Arme vor der Brust.
Roan hob eine Augenbraue. »Sie meinte, sie bräuchten sich diese Sache nicht antun.«
Cam brummte. Bestimmt empfand er genau so wie Roan. Eva war Cassies Schwester. Ihre Familie hätte hier sein sollen, um ihr und dem Rest der Familie beizustehen. Da Roan wusste, dass Eva und Cassie sich nie nahegestanden hatte, konnte er es irgendwie verstehen. Es gefiel ihm nicht besonders, aber er verstand es.
Cam drehte sich um, stützte die Hände auf der Anrichte ab und folgte Roans Blick. »Alles cool?«
Roan nickte. So cool es eben sein konnte. Im Moment kämpfte er gegen den Drang an, sich Liam zu schnappen und an die Brust zu drücken, um sicherzugehen, dass niemand versuchte, ihn ihm wegzunehmen. Das hier waren Liams Großeltern, um Himmels willen. Es war ja nicht so, als würden sie mit Absicht irgendetwas tun, was Liam schaden würde. Und ihnen allen war klar, dass niemand davon profitierte, wenn man den kleinen Jungen gerade jetzt von Roan trennte.
»Du solltest da reingehen.«
Ja. Roan hatte gehofft, es vermeiden zu können. Er wusste, dass Lydia über Liam reden wollte, und er würde so ziemlich alles tun, um diesem Gespräch aus dem Weg zu gehen.
»Augen zu und durch«, sagte Cam in neckendem Tonfall, bevor er schnell wieder ernst wurde. »Wir sind hier. Du musst diesen Kampf nicht allein führen.«
In dem Wissen, dass Cam ihm den Rücken frei hielt, zwang Roan seine Schritte in Richtung Wohnzimmer.
»Roan«, rief Lydia sofort, als er vor ihr zum Stehen kam. Sie sah auf Liam hinunter. »Wir haben uns gefragt, was du mit Liam zu tun gedenkst.«
»Tun?« Roan kam nicht dahinter, was sie meinte.
»Wo werdet ihr wohnen? Mit wem werdet ihr zusammenwohnen?« Ihr Blick huschte kurz zu ihm hoch. »Solche Dinge.«
»Ähm…« Roans Hände ballten sich an seinen Seiten zu Fäusten. »Ich bin gerade auf der Suche nach einem Haus.«
Lydia hob den Kopf und richtete sich ein Stück weit auf. »Hältst du es wirklich für klug, Liam in einem schwulen Haushalt großzuziehen?«
Nun. Sie kam direkt zum Punkt, oder etwa nicht?
Roans Blick wanderte zwischen seinem Vater und seiner Stiefmutter hin und her. Es war offensichtlich, dass Daniel versuchte, sich ganz aus diesem Gespräch herauszuhalten.
»Mir war nicht klar, dass das ein Problem ist.«
»Es ist nur…« Lydia sah zu Daniel hinüber. »Wir halten es für wichtig, dass Kinder mit einer Mutter und einem Vater aufwachsen.«
Hmm. Merkwürdig, dass Lydia damit fortfuhr, wir zu sagen, obwohl Roan einen Teil seines Lebens von einem alleinerziehenden Vater großgezogen worden war.
»Also habt ihr Bedenken, weil ich schwul bin? Ich bin verwirrt.«
Lydia wand sich. »Ich sage nicht unbedingt, dass es… falsch ist. Aber es ist nicht natürlich, Roan.« Noch immer wich sie seinem Blick aus. »Ein Kind sollte eine Mutter und einen Vater haben.«
Okay, offensichtlich hatte sie nicht die Eier, um zu sagen, was sie wirklich meinte. Dass sie von wir sprach, bedeutete, dass sie sich hinter seinem Vater versteckte. Und die Tatsache, dass sie ihn nicht ansah, bedeutete, dass sie sich in ihrem Standpunkt nicht ganz sicher war.
Jedenfalls zog Roan diese Schlüsse aus ihrem Verhalten.
Roan glaubte, dass jedes Kind mit liebevollen Eltern aufwachsen sollte – Mom und Dad, Dad und Dad, Mom und Mom, alleinerziehende Mom, alleinerziehender Dad, Großeltern, es spielte verdammt noch mal keine Rolle. Solange ihnen das Kind am wichtigsten war, solange sie das Kind bedingungslos liebten, wen kümmerte es dann schon, welches Geschlecht die Eltern hatten oder ob es zwei Elternteile in der Familie gab? Doch das konnte er Lydia gegenüber nicht sagen. Sich mit ihr zu streiten, würde die Situation nur verschlimmern.
»Da ich Single bin, verstehe ich nicht, warum das ein Problem darstellen sollte.«
Und es war auch kein Problem.
Nicht, dass er sich darum scherte. Er hatte nur eine Priorität: Liam. Nichts und niemand sonst war von Bedeutung.
Da er weiterem Schwachsinn entgehen wollte, kehrte Roan in die Küche zurück und fing auf dem Weg dorthin Cams Blick auf.
Er ging direkt zum Kühlschrank, riss die Tür auf und starrte auf den Inhalt. Nichts davon sah er wirklich, doch die kühle Luft wirkte Wunder für seine überhitzte Haut.
»Geht's dir gut?«, fragte Cam, als er an ihm vorbeilief.
»Ja.« Roan schloss die Kühlschranktür und drehte sich um, um seinen Vater und seine Stiefmutter im Auge zu behalten. Er rechnete fast damit, dass sie Liam wie einen Football unter den Arm klemmten und sich aus dem Staub machten.
»Gannon und ich gehen einkaufen. Brauchst du irgendwas?«
Roan schüttelte den Kopf. Er wandte sich an Cam. »Wir machen euch bald keine Umstände mehr, versprochen.«
Cam wirkte schockiert und vielleicht ein bisschen verärgert. »Ihr macht uns keine Umstände. Gannon und ich haben euch gerne hier. Ich kann verstehen, wenn du ein eigenes Haus haben willst, aber glaub ja nicht, ihr würdet uns nerven.«
»Ich habe darüber nachgedacht, eine Wohnung zu mieten, aber ich glaube, es wäre das Beste, wenn ich uns ein Haus kaufe. Damit Liam auf Dauer ein Zuhause hat. Um Wurzeln zu schlagen, weißt du? Mir gefällt die Vorstellung nicht, allzu oft mit ihm umziehen zu müssen.«
»Roan, du wirst ein großartiger Vater sein. Liam hat verdammt viel Glück, dich zu haben.«
Roan schluckte schwer. Er war sich nicht sicher, warum er diese Worte brauchte, doch das tat er. Im einen Moment war Liam sein Neffe gewesen, im nächsten war er sein Sohn. Allerdings hatte er schon von dem Moment an, als er ihn zum ersten Mal gesehen hatte, gewusst, dass Liam der Mittelpunkt seines Lebens werden würde. Er hatte nie damit gerechnet, eigene Kinder zu haben. Klar, er hatte gehofft, dass sich ihm eines Tages vielleicht die Möglichkeit bieten würde, irgendwann…
Da sein vierunddreißigster Geburtstag schon fast an die Tür klopfte, befürchtete Roan, dass es eher ein Falls und kein Wenn mehr war.
Trotzdem hatte er sich nie große Hoffnungen gemacht.
»Danke«, sagte er leise.
Liam begann im Wohnzimmer zu weinen und Roan beschloss, den Großeltern auszuhelfen. Und mit helfen meinte er, sie zur Tür zu geleiten.
Nach diesem stressigen Tag gelang es Roan schließlich, Liam so gegen sieben ins Bett zu bringen. Er wusste, dass es um neun schon wieder Zeit für ein Fläschchen sein würde, aber wenigstens konnte er etwas zu Abend essen, während es im Haus ruhig war.
Als er die Küche betrat, zog Gannon gerade etwas aus dem Ofen.
»Perfektes Timing.« Gannon lächelte ihm über die Schulter hinweg zu. »Ich habe Lasagne gemacht. Ich hatte gehofft, sie pünktlich fertig zu haben. Hast du Hunger?«
»Ich verhungere«, gab Roan zu.
»Verdammt, das riecht aber gut hier«, sagte Cam, der ebenfalls in die Küche kam. »Willst du ein Bier?«
»Nee. Tee reicht mir.« Roan holte Teller und Besteck, während Gannon das Essen auf den Tisch stellte und Cam sich um die Getränke kümmerte.
Es schien, als würde es ein ruhiges Abendessen werden, bei dem sich Roan wie das fünfte Rad am Wagen fühlte, doch er hätte wissen müssen, dass sich Cam nicht lange beherrschen konnte.
»Also, erzähl mir mehr von Colton Seguine.«
Roan wusste, dass er seine Reaktion auf die Bitte nicht rechtzeitig verbergen konnte, bevor Cam sie bemerkte. Doch die Aufforderung erwischte ihn unerwartet und er hielt inne, während seine Gabel auf halbem Wege zu seinem Mund schwebte.
»Okay, lass mich das ein bisschen konkretisieren«, merkte Cam an. »Mir ist schon klar, dass ihr beide mehr seid als nur Freunde, die sich in einer Bar kennengelernt haben.« Dabei malte er Anführungszeichen in die Luft. »Wie gut seid ihr wirklich befreundet?«
Gott, Roan wünschte, sie würden sich über irgendetwas anderes unterhalten. Er hatte sich so lange versteckt und von seinen Freunden ferngehalten, dass es ihm vorkam, als hätte er Wahrheitsserum geschluckt und könnte nicht lügen. Er wollte es. Definitiv. Aber er hasste es, nicht ehrlich zu sein.
»Ich habe ihn vor einer Weile kennengelernt.« Das schien Cam nicht zufriedenzustellen, denn er starrte ihn weiterhin erwartungsvoll an. »Was?«
»Du hast ihn kennengelernt und ihn mir nie vorgestellt?«
Roan wusste, dass Cam ein großer Fan war. Wusste, dass er ganz aus dem Häuschen gewesen wäre, wenn er einen der Arrows-Spieler persönlich hätte treffen können.
»Ich konnte nicht«, gestand er, bevor er sich Essen in den Mund schob.
»Ahh.«
Roan versuchte, Ahh, was? zu sagen, doch sein Mund war zu voll und es kam nur undeutlich heraus.
Cam lachte leise. »Also war es eine von diesen Beziehungen.«
Es dauerte einen Moment, aber Roan schaffte es zu schlucken, dann spülte er mit Eistee nach, bevor er antwortete: »Da war keine Beziehung.«
»Nein?«
Roan schüttelte den Kopf. »Es war eine Nacht. Nicht mehr.«
»Oh.« Cam klang enttäuscht.
Gannon griff nach seinem Glas und Roan wartete ab, bis er das Wort ergriff. Er konnte die Frage in seinem Blick sehen. »Also bist du mit ihm ausgegangen?«
»Nein. Es gab keine Dates. Es war eine Nacht. Seitdem habe ich nicht mehr mit ihm geredet.«
Nun war Cam wieder an der Reihe. »Eine Nacht? Du hattest einen höllisch heißen« Er warf Gannon einen verlegenen Blick zu, bevor er Roan wieder ansah. »... Hockeyspieler eine Nacht lang in deinem Bett und hast es einfach dabei bewenden lassen?«
»Nicht in meinem Bett. In seinem«, stellte Roan klar. »Ich habe ihn in einer Bar getroffen, bin mit zu ihm nach Hause gegangen, Ende der Geschichte.«
»Und wie war es so?«
Roan hob eine Augenbraue. Er plauderte niemals aus dem Nähkästchen. Noch nicht mal vor seinem besten Freund. Und ehrlich gesagt war Cam auch nicht dafür bekannt, nach Einzelheiten zu fragen. Roan würde jetzt ganz sicher nicht damit anfangen, sein Privatleben haargenau auszubreiten, vor allem nicht vor Cam und seinem Mann. Aber irgendetwas huschte über Cams Gesicht und Roan erkannte, dass er um die Frage, die er eigentlich stellen wollte, herumtanzte.
Also wartete Roan ab.
Sie aßen eine oder zwei weitere Minuten lang schweigend weiter und tatsächlich enttäuschte Cam ihn nicht.
»Hätte es die Möglichkeit gegeben, dass da mehr gewesen wäre? Oder hast du dich vor ihm… äh… auch versteckt?«
Roan ließ seine Gabel fallen und nagelte Cam mit einem finsteren Blick fest. »Es tut mir leid, okay? Ja, na schön, ich habe dich weggestoßen. Ich wollte nicht, dass du dich mit ihr befassen musst. Sie war nicht mehr… Cassie. Die Drogen haben sie zu jemand völlig anderem gemacht.«
Cam legte seine Gabel ebenfalls weg. »Ich rede hier nicht über mich«, stellte er klar und seine Stimme war trotz Roans Ausbruchs unheimlich ruhig. »Ich habe genauso viel Schuld daran wie du, Roan. Ich hätte für dich da sein müssen. Ich hätte mich in dein Leben drängen und mich nicht von dir aussperren lassen sollen. Aber wenn zwischen dir und diesem Mann etwas war…«
»Da war nichts, okay? Jedenfalls nichts, was es wert wäre, darüber zu sprechen.« Und das stimmte. Die Nacht, die sie zusammen verbracht hatten… Na ja, sie hatte jede Skala gesprengt, das war mal sicher. Aber Sex war Sex. Es spielte keine Rolle, dass Roan sich in seinem ganzen Leben noch nie jemandem so verbunden gefühlt hatte wie Seg in jener Nacht. Sie hatten sich auf eine Nacht geeinigt. Roan tat nur, was er versprochen hatte.
»Er war heute am Jachthafen und hat nach dir gefragt«, merkte Cam an.
Roans Augen wurden groß.
Cam nickte, als würde er auf Roans unausgesprochene Frage antworten. »Dare war da. Hat ihm gesagt, dass du dir aus privaten Gründen freigenommen hast.«
»Woher hat er…?« Roan starrte Cam an und war nicht in der Lage, seinen Satz zu beenden.
»Gewusst, wo du arbeitest?« Gannon schmunzelte. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auf der Visitenkarte stand, die du ihm gegeben hast.«
»Scheiße.«
»Nein«, widersprach Cam. »Nicht Scheiße. Der Kerl steht auf dich, Mann. Er hat nach dir gesucht. Das ist nicht der richtige Moment, um Scheiße zu sagen.«
Roan schüttelte ungläubig den Kopf. »Wahrscheinlich nur, damit ich ihm garantiere, niemals jemandem zu verraten, dass er auf Männer steht.«
»Nicht geoutet, hm?«, fragte Gannon.
»Er steckt so tief im Schrank, dass er nicht mal die Tür sehen kann«, bemerkte Roan und hoffte, dass sie die Enttäuschung in seiner Stimme nicht hören konnten.
»Aber wenn er geoutet wäre, wärst du an ihm interessiert?«
Darauf antwortete Roan nicht. »Dare hat ihm aber nichts von…?« Er spähte den Flur hinunter.
»Nein. Natürlich hat er nichts gesagt.« Cam sah kurz zu Gannon, dann wieder zu Roan. »Seg meinte, dass er gerne mit dir reden würde. Hat Dare gebeten, dir seine Nummer zu geben.«
»Ich kann nicht mit ihm reden«, gestand Roan.
»Klar kannst du.«
Roan schüttelte den Kopf. »Kann ich nicht.« Er stand auf, denn plötzlich war ihm der Appetit vergangen. »Ich muss mich jetzt ganz auf Liam konzentrieren. Ich kann nicht… Ich habe keine Zeit, mich damit zu beschäftigen.«
Scheiße. Er wusste, dass er Cam und Gannon gerade einen Blick auf seine wahren Gefühle gewährte, doch die Tatsache, dass Seg gekommen war, um ihn zu sehen, erschütterte ihn ein wenig. Es war schon schwer genug gewesen, die Nachricht zu ignorieren, die Seg ihm letzte Nacht geschickt hatte, doch er hatte es geschafft. Für Liam.
Obwohl ein Funken Hoffnung irgendwo tief in seinem Inneren aufflackerte, wusste Roan, dass er ihn unterdrücken musste. Er hatte keine Zeit für so was. Weder um sich mit Seg auseinanderzusetzen, noch für die unerwarteten und ungelegen aufkommenden Gefühle, die er bisher immer schön unter den Teppich hatte kehren können.
Zum Teufel, er hatte gerade schon genug damit zu tun, seinen Alltag zu meistern.
***
Manchmal wünschte sich Seg, sie hätten mehr Auswärtsspiele. Besonders an Abenden wie diesem, wenn er nicht viel mehr tun konnte, als im Penalty Box Bier zu trinken und sich inständig zu wünschen, Roan würde aus heiterem Himmel auftauchen. Er wusste, das würde nicht passieren, und trotzdem saß er mit einem halben Dutzend seiner Teamkollegen am Tisch und tat so, als würde er den Sieg des vergangenen Abends feiern.
In Wahrheit hätte Seg es vorgezogen, zu Hause zu bleiben. Seit seinem Ausflug zum Jachthafen heute Nachmittag – wo er gehofft hatte, Roan zu finden – hatte ihn die Enttäuschung fest im Griff. Laut der Aussage des Mannes, mit dem er sich in dem kleinen Büro unterhalten hatte, nahm sich Roan aus persönlichen Gründen eine Weile frei.
Da er sich nicht allzu interessiert geben durfte, hatte Seg es heruntergespielt und so getan, als wäre er gerade in der Gegend gewesen und hatte nur kurz Hallo sagen wollen. Da es derselbe Mann gewesen war, der sie letzten Sommer auf dem Boot rausgefahren hatte, als das Management der Arrows sich an einer Art Teambuilding-Maßnahme versucht hatte, unterhielten sie sich über die Möglichkeit, das noch einmal zu wiederholen. Das Gespräch hatte sich viel zu sehr in die Länge gezogen, aber Seg hatte gehofft, jeglichen Verdacht des Mannes zu zerstreuen, damit er nicht auf den Gedanken kam, Seg könnte Roan aus romantischen Gründen aufsuchen. Allerdings war er sich ziemlich sicher, der Kerl im Büro hielt ihn für einen absoluten Idioten, doch was konnte er schon dagegen tun?
»Was geht, Seg?«, fragte Spencer Kaufman und stieß im Vorbeigehen mit seiner Schulter gegen Segs.
Seg machte sich nicht die Mühe, etwas darauf zu erwidern. Das war einfach nur Spencers Art, nach seinen Leuten zu sehen.
»Meine Hübsche, ich glaube, du solltest vielleicht mal mit meinem Kumpel da drüben reden«, sagte Mattias Valeri – ihr rechter Außenstürmer – zu einem der Puckhäschen, die sich um den Tisch geschart hatten.
Seg war ganz sicher nicht interessiert. Vor eineinhalb Jahren hätte er eine große Show abgezogen, ob die süße Schnecke sich nicht auf seinen Schoß setzen und den Ritt genießen wollte. Das war, bevor Roan ihn umgehauen und dazu gebracht hatte, ernsthaft infrage zu stellen, was er wirklich wollte.
»Chelsea«, stellte die kleine Blondine sich vor und kam um den Tisch herum, damit sie sich an seine Seite gesellen konnte.
Seg warf Mattias einen finsteren Blick zu, bevor er sich vom Tisch wegschob und der Frau erlaubte, auf seinem Bein Platz zu nehmen.
»Wie alt bist du, Kleine?«, fragte er, sowohl um Small Talk zu machen, als auch um sicherzugehen, dass er nicht den größten Fehler überhaupt beging.
»Zweiundzwanzig«, sagte sie zuckersüß.
Zweiundzwanzig, na klar. Sie war höchstens neunzehn.
»Weißt du was, Süße, ich muss mal für kleine Jungs. Hältst du meinen Stuhl für mich warm?«
Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, bevor etwas, das auf der anderen Seite des Tisches gesagt wurde, ihre Aufmerksamkeit erregte, als wäre sie in den letzten dreißig Sekunden in das Allerheiligste des Hockeymilieus eingetreten.
Ach du heiliger…
Ohne auch nur den Hauch von Schuldgefühlen zu verspüren, ging Seg direkt zur Vordertür und in die Nacht hinaus.
Erst als er zu Hause ankam, zog er sein Handy hervor. Statt Roan eine Nachricht zu schicken, beschloss er, den Mann einfach anzurufen. Er überlegte, was er auf Roans Mailbox sprechen wollte, als ihn ein grollendes »Hallo?« überraschte.
»Hey«, begrüßte Seg ihn und fühlte sich plötzlich, als hätte er einen Knoten in der Zunge.
»Hey.«
»Hast du kurz Zeit?«
»Eigentlich nicht, nein.«
Seg lächelte. »Warum bist du dann rangegangen?«
»Keine Ahnung, verdammt«, sagte Roan mit einem spöttischen Schnauben. »Absolut gar keine.«
Seg gefiel Roans Ehrlichkeit, auch wenn sie ihn ein wenig reizte.
»Hab gehört, du warst heute am Jachthafen.«
»Ja. Ich wollte reden«, erklärte Seg.
»Ich werde für eine Weile nicht mehr dort sein. Wolltest du was Bestimmtes?«
Seg schluckte und wägte ab, wie er das hier angehen wollte. Er konnte sich für die Wahrheit entscheiden oder die gleichen lahmen Ausreden benutzen, auf die er jetzt schon viel zu lange zurückgriff, und sich irgendeinen Mist ausdenken, der ihn wahrscheinlich nicht näher an ein Wiedersehen mit Roan heranbringen würde.
»Hör zu«, setzte Roan an, bevor Seg auch nur ein Wort herausbekam. »Ich weiß, dass du dir Sorgen machst, dass ich irgendwas ausplaudern könnte. Ich schwöre dir, was zwischen uns passiert ist, bleibt auch zwischen uns beiden. Ich plane keine verrückte Hetzkampagne. Ich bin nicht darauf aus, deiner Karriere zu schaden, also brauchst du dir deswegen nicht den Kopf zerbrechen. Es ist jetzt wie lange her? Ein Jahr?«
»Vierzehn Monate«, platzte Seg heraus.
Was zum Teufel? Das hörte sich ja überhaupt nicht verzweifelt an.
»Okay.« Roan klang überrascht. »Es ist vierzehn Monate her. Ich habe bis jetzt nichts gesagt. Ich werde auch weiterhin nichts sagen.«
»Das weiß ich. Das ist nicht, warum…« Fuck. Wieso fiel ihm das so verdammt schwer?
Man sagte, Schweigen sei Gold. Während eines Telefonats war Schweigen allerdings ätzend. Segs Schultern verspannten sich, je länger es andauerte.
»Okay. Ich werde es jetzt einfach sagen«, wandte er sich schließlich an Roan. »Ich will dich sehen. Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Ich habe viel zu oft an… diese Nacht gedacht. Ich will einfach… Gottverdammt. Warum ist das so verflucht schwer?«
Roan seufzte am anderen Ende der Leitung und Seg ging auf, dass er das alles laut ausgesprochen hatte.
»Darf ich dich wiedersehen?«, fragte Seg. »Ich kann zu dir kommen.«
»Nein.«
Okay, das war eine rasche Antwort gewesen. So, wie Roan es gesagt hatte, klang es eher, als wollte er Seg nicht bei sich zu Hause haben, und weniger, als wäre er der Vorstellung, Seg wiederzusehen, vollkommen abgeneigt.
»Ich meine, ich habe gerade keine eigene Wohnung«, fuhr Roan fort. »Ich komme bei Freunden unter.«
»Dann könntest du zu mir kommen. Weißt du den Weg noch?«
»Nein, kann ich nicht.«
Enttäuschung machte sich in seiner Magengrube breit.
»Hör zu, Seg, ich habe gerade echt viel um die Ohren. Ich habe wirklich keine Zeit für… irgendwas.«
»Du könntest zum Abendessen kommen«, bot er an.
Wieder seufzte Roan und Seg wurde klar, dass er verzweifelt klang.
»Sag mir eins«, hakte er nach. »Erinnerst du dich überhaupt an diese Nacht?«
Mehrere Sekunden lang herrschte Stille. Seg begann zu glauben, dass Roan die Frage nicht beantworten würde, als er sich schließlich räusperte.
Seg hielt den Atem an.
»Ja«, bestätigte Roan. »Ich erinnere mich. Vielleicht ein bisschen zu gut.«
Seg ließ sich auf die Couch sinken, als seine Beine sein Gewicht nicht mehr tragen konnten. Sie schwiegen beide eine Weile, die sich wie eine Ewigkeit anfühlte.
Leider ergriff Roan als Erster wieder das Wort. »Hör mal, mein Leben ist gerade echt chaotisch. Ich habe keine Zeit für…«
»Ein Abendessen?«, unterbrach ihn Seg.
»Zum Teufel, ich habe oft genug keine Zeit, überhaupt irgendwas zu essen, nein.«
Seg dämmerte, dass Roan es ernst meinte. »Stimmt etwas nicht?«
»Meine… ah… verdammt.« Wieder räusperte sich Roan. »Meine Schwester ist vor ein paar Tagen gestorben.«
»Oh, fuck, Mann. Tut mir leid.«
»Danke.«
»War sie krank?« Seg sehnte sich danach, auch nur die kleinste Einzelheit aus Roans Leben zu erfahren. Aus irgendeinem Grund wollte er mehr über ihn wissen, außer dass er ihm den verdammt noch mal besten Sex seines ganzen Lebens beschert hatte.
»Ja. So könnte man das ausdrücken.«
Zu seiner Bestürzung führte Roan das nicht weiter aus, also beließ es Seg dabei. »Ich würde dich wirklich gerne wiedersehen. Ich will keine Belastung für dich sein. Aber vielleicht könntest du mich anrufen, wenn du, du weißt schon, ein paar Minuten Zeit hast.« Verflucht, er klang verzweifelt, aber er konnte nicht anders. Dieser Mann stellte einfach alles auf den Kopf.
»Ja.«
An seinem Tonfall erkannte Seg, dass Roan nichts versprach. Aber er hatte bereits zu viel gesagt und dafür gesorgt, dass er verletzlich erschien. Das hatte er noch nie zuvor getan und er wusste nicht, was an Roan ihn so fertigmachte. Er schien sein Kryptonit zu sein oder so.
»Wir hören wieder voneinander«, sagte Seg.
»Ja. Okay.«
Und mit diesen Worten endete das Gespräch und Seg fühlte sich kein bisschen besser als vor dem Telefonat.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.