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Viertes Kapitel
Dukač blieb stets allen seinen Nachbaren fremd, er besuchte Niemanden und Niemand hatte den Wunsch mit ihm bekannt zu werden oder nähere Freundschaft zu schließen.
Dieses Verhältnis ließ Dukač kalt und völlig gleichgültig, es berührte ihn viel zu wenig, um sich darüber zu grämen.
Man muß sogar annehmen, daß ihm diese Absonderung sehr angenehm war, wenigstens hatte er, bei passender Gelegenheit, sich dahin geäußert, daß er, so lange er lebe, vor Niemandem sich gebeugt oder um etwas gebeten hätte und er hoffe, daß dies auch weiters der Fall sein werde.
Und weshalb sollte er Jemandes Wohlwollen suchen und wünschen?
Ochsen und anderen Gutes besaß er im Überflusse, und wenn ihn Gott dadurch strafen sollte, daß alle seine Ochsen verseuchen oder sein Haus abbrennen würde – so besaß er noch Land, Feld, Wiesen und Steppe – mehr als ihm nötig, die stets, wie es sich für einen tüchtigen Landwirt gebührt, in Ordnung gehalten und bearbeitet wurden, so daß sie, wenn nicht dieses, so doch die nächsten Jahre einen guten Ertrag geben würden, er war deshalb gegen alle Verluste gesichert.
Aber nicht genug daran, denn selbst dann, wenn sein Haus abbrennen, sein Vieh fallen, seine Felder nichts tragen sollten, so gab es im Walde eine Eiche, die dem Dukač nur allein bekannt war, unter deren Wurzeln, in der Erde vergraben ein nicht zu kleines Töpfchen sich befand, daß bis oben voll mit schönen gelben, großen runden Goldfüchsen gefüllt war, hinreichend genug, lange ein völlig sorgenloses Leben führen zu können.
Was waren ihm deshalb alle anderen Leute?
Um daß er deren Kinder aus der Taufe hebe?
Er selbst war kinderlos – oder sollte er seiner Frau zu Liebe Bekanntschaften und Freundschaften schließen, deshalb, weil sie ihm, nach Frauen Art, täglich die Frage stellte:
„Warum meiden uns die Leute? – warum ziehen sie sich von uns zurück und weichen uns aus? Warum tuen sie uns alles mißgönnen? – Glaubst Du nicht, daß es notwendig wäre, etwas zu tun, damit uns die Leute ein klein wenig entgegen und näher kommen?“
Doch ein richtiger Kasak nimmt auf derartige Äußerungen und Wünsche einer Frau gar keine Rücksicht und schenkt ihnen keine Beachtung.
Und so verlief ein Jahr nach dem anderen; Dukač lebte sorgenlos, ohne jede Unannehmlichkeit, ohne jedes Unglück oder einen jener unangenehmen Vorfälle, welche selbst die reichsten, unabhängigsten und stolzesten Menschen nicht selten zwingen, unwillkürlich die Hilfe oder Gefälligkeiten anderer Menschen in Anspruch nehmen zu müssen, sie sogar zu bitten, sich vor ihnen zu beugen, ja sogar zu demütigen.
Jetzt trat ein derartiger Zeitpunkt ein, denn Leute waren dem Dukač nötig, welche sein Kind aus der Taufe heben sollten.
Jedem anderen Menschen hätte ein derartiger Fall keine Schwierigkeiten bereitet. Dukač war aber stolz und es war ihm unbequem und unangenehm, selbst zu gehen und jemanden um die Gefälligkeit zu bitten, Pate bei seinem Sohne sein zu wollen.
Die Personen, welche Dukač nötig waren, zählten nicht zu den ersten besten im Dorfe, im Gegenteil es war dies die junge, putzsüchtige Frau des Dorfgeistlichen, welche sich Hüte stets aus Poltava verschrieb, und ein junger Gerichtsbeamte aus der Stadt, welcher gerade beim Diakon zu Gaste war.
Das waren unbestritten die ersten Personen, die Intelligenz im Dorfe, aber was zu befürchten war: daß diese Personen ablehnen, was dann?
Erst jetzt leuchtete dem Dukač ein, daß er übel daran getan habe, sich nicht nur mit dem Volke, sondern auch mit der Intelligenz zu verfeinden, und daß es noch nicht lange her ist, wo er mit Vater Jakob und dem Diakon auf dem Damm nicht gerade ein freundschaftliches Gespräch in gewählten Worten führte, als ihm diese, und er ihnen, nicht ausweichen wollten.
Und weder der Pop noch der Diakon vergaßen die Rücksichtslosigkeit und Grobheit des Dukač, namentlich jetzt, zu einer Zeit, wo sie dem stolzen Kasaken sehr nötig waren.
Dukač blieb nichts andres übrig, als in den saueren Apfel zu beißen.
Aber er stellte dies schlau an; um einer persönlichen Absage zu entgehen, ließ er die Frau des Popen und den Gerichtsbeamten durch seinen Verwandten einladen.
Und damit diese Einladung einen Erfolg hätte, versorgte er den Agap mit Geschenken, wie es im Dorfe bei solchen Gelegenheiten üblich zu sein pflegt.
Aus der alten Erbkiste holte er für die junge Frau des Popen einen breiten Kamm aus Elfenbein; für den Beamten ein Trinkglas mit eingeschliffenem Hahn und einer deutschen Inschrift.
Aber dieses alles hatte keinen Erfolg gehabt.
Sowohl die Frau des Popen als der Beamte lehnten die Ehre Paten zu stehen bei Dukačs Kind ab, und nahmen die Geschenke nicht an, ja sie lachten sogar Agap aus, indem sie meinten, warum sich Dukač gar so viel Mühe nehme sie gerade zu Paten haben zu wollen, jedenfalls deshalb, weil sich wohl niemand anderer gefunden habe das Kind eines Betrügers und Wucherers aus der Taufe heben zu wollen.
Und als Agap sich erkühnte die Frage zu stellen, ob es wohl angeht, daß ein Kind eine Woche lang ungetauft bleiben könnte, da prophezeite Vater Jakob, daß das Kind nicht bloß eine Woche, sondern sein Leben lang ungetauft bleiben wird.
Als der alte Dukač diesen Bericht zur Kenntnis nahm, da ballte er seine Rechte zu einer Faust, hielt sie dem Agap unter die Nase und beauftragte ihn dem Popen ein gleiches für seine Prophezeihung zu zeigen; und um den Agap rasch aus der Stube zu entfernen, packte er ihn beim Kragen und warf ihn einfach zur Tür hinaus.
Fünftes Kapitel
Dieses Hinauswerfen betrachtete Agap als einen ziemlich guten Ausgang seiner schwierigen Mission, und um seinem Onkel nicht unter die Augen oder einfacher gesagt, unter die Hände zu geraten, ging er ins Wirtshaus, wo er alles ausführlich erzählte, was vorgefallen ist, so daß im Verlaufe einer halben Stunde alle Bewohner des Dorfes wußten und sich auch darüber freuten, Vater Jakob hätte aus den Büchern herausgelesen, der Sohn des Dukač bleibe sein Leben lang – ungetauft.
Und wenn nun Dukač seinen Stolz überwunden hätte, und wenn er demütigst bittend von einem Nachbaren zum anderen gegangen wäre, alle würden ihm abgesagt haben.
Davon war Dukač vollständig überzeugt, es war ihm klar, daß er sich im Zustande des Wolfes befinde, welcher es mit allen verdarb, so daß er sich vor niemanden sehen lassen dürfte, und er auf keine Hilfe rechnen konnte, wo sie ihm am nötigsten gewesen wäre.
Doch er beschloß auch ohne Vater Jakob und ohne seine Nachbaren fertig zu werden.
Zum Ärger des ganzen Dorfes und möglicherweise zum allergrößten der Dorfgeistlichkeit beschloß Dukač das Kind in der Nachbargemeinde Peregudi, welche acht Werst von Paripsami entfernt lag, taufen zu lassen, und um die Sache bald zu beenden, sollte die Taufe sofort vor sich gehen, denn morgen schon sollte allen bekannt sein, der alte Dukač lasse als echter Kasak nicht über sich lachen, verstehe keinen Spaß und werde auch ohne Hilfe der Dorfbewohner fertig.
Taufpaten hatte er bereits gefunden und zwar den Agap und die Hebamme Kerasivna, Personen, auf die niemand auch in Gedanken verfiel.
Über diese Wahl konnten sich manche wundern oder auch nicht, wie man es eben nahm, denn Dukač lud „arme Leute als Paten“, begegnende, zufällige, wie sie Gott schickt – und der Aberglaube behauptet.
Agap war tatsächlich der erste, den der alte Kasak nach der Geburt seines Sohnes sprach, und Kerasivna die erste, die das Kind ansah, als es zur Welt kam, denn sie versah die Dienste einer Hebamme.
Es schien zwar etwas gewagt, die Kerasivna als Patin zu besitzen, sie besaß nicht den besten Ruf, denn sie galt für eine bekannte, ausgesprochene – Hexe – und daß sie ja eine echte wahre Hexe sei, davon waren nicht nur die Bewohner des Dorfes, sondern auch deren eigener Mann fest überzeugt, denn er widersprach dem Gerüchte nicht, noch verteidigte er seine Frau gegenüber solchen Anklagen.
Der Mann der Kerasivna, der Kasak Kerasenko, war ein energischer, sogar kühner Mann, der keine Furcht kannte, aber im höchsten Grade eifersüchtig war, und doch verschwand Energie, Kühnheit, Eifersucht unter dem Einflusse, welchen Kerasivna auf ihren Mann ausübte – er selbst wurde der ruhigste, stillste – Dummkopf, seiner Frau völlig untertan und nach ihrem Willen und Wunsche lebend, – wogegen sie sich der größten Freiheiten erfreute.
Kerasivna handelte mit Branntwein, Leinwand, mit verschiedenen Nahrungsmitteln, ja verkaufte sogar Heilmittel und Kräuter, aber das größte Einkommen zog sie aus ihrer Eigenschaft als Hebamme.
Sechstes Kapitel
Wie ich schon sagte, im ganzen Dorfe und den Nachbargemeinden war Groß und Klein davon überzeugt, daß die Kerasivna eine Hexe sei, denn das wurde deutlich sichtbar aus einem eigentümlichen, ein wenig skandalösen Falle.
Solange Kerasivna noch nicht verheiratet war, da kannte sie jedermann als ein eigenwilliges, starrköpfiges Mädchen; sie wohnte in der Stadt und in ihrem Besitze befand sich ein Glas, in welchem ein kleines Teufelchen mit roten Hörnern und Zunge eingeschmolzen war.
Dieses Teufelchen erhielt die Kerasivna von einem adeligen Herrn aus Pokota, Rohačover Bezirkes, welcher solche in einer benachbarten Glashütte herstellte, zum Geschenke.
Kerasivna benützte das Glas zum Trinken und befand sich dabei sehr wohl.
Aber nicht genug daran, sie besaß den außergewöhnlich großen Mut den Kerasenko zu heiraten.
Das zu tun, vermochte nur ein Frauenzimmer, das selbst den Teufel nicht fürchtet, da es ja allgemein bekannt war, daß Kerasenko nicht nur durch seine Eifersucht, sondern auch durch seine Rohheit bereits zwei Frauen ins Grab brachte.
Als Kerasenko zum drittenmale heiraten wollte, da konnte er keine Frau finden, bis sich ihm diese verteufelte Kerasivna sogar selbst antrug, und ihn schließlich heiratete, jedoch nur unter der ausdrücklichen Bedingung, daß er ihr stets alles glauben müsse, was sie ihm sage.
Darauf ging Kerasenko ein, aber in Gedanken meinte er, die Christa wäre ein viel zu dummes Frauenzimmer, wenn sie meint, daß er ihr alles glauben solle!
„Warte nur, bis du nur meine Frau werdest, ich werde dir auch den Mann zeigen, nach dessen Pfeife du tanzen solltest!
Keinen Schritt lasse ich dich allein machen.“
Jede andere als Christa hätte schon im voraus gewußt, was nach der Hochzeit folgen werde, doch dieses flinke und auch sonst ganz gescheite Frauenzimmer verdummte gerade zu: sie äußerte gar keine Furcht vor diesem rohesten und eifersüchtigsten der Männer, sie heiratete ihn, aber sie wandelte in kurzer Zeit ihren Mann so, daß er aufhörte roh und eifersüchtig zu sein und die Christa nach ihrem Willen und Wollen leben ließ.
Daß eine solche Charakterumwandlung nur mittels Hexerei vor sich gehen konnte, daß dabei sogar der leibhaftige Teufel selbst mithelfen mußte, davon war jedermann überzeugt, namentlich sah die Pidnebesnaja, eine Nachbarin der Kerasivna, den Teufel in menschlicher Gestalt selbst, wahr und wahrhaftig.
Und dies war nicht lange nach der Hochzeit des Kerasenko mit der tapferen Christy.
Seit dieser Zeit sind zehn Jahre verflossen, aber Kerasenko sind noch alle Einzelheiten des Vorfalles bis ins Kleinste bekannt und unvergessen, so genau, als wenn diese Teufelei sich erst gestern zugetragen hätte.
Es war im Winter, vor Weihnachten, an einem Feiertage, an welchem selbst der eifersüchtigste aller Kasaken zu Hause nicht sitzen geblieben wäre.
Kerasenko pflegte sonst nicht auszugehen, erlaubte auch nicht, daß seine junge Frau weibliche oder männliche Besuche empfange oder sonstige Bekanntschaften schließe, aus welchem Anlasse bereits ein heftiger Streit unter den Jungvermählten entstand, im Verlaufe dessen Christy ihrem Manne zurief:
„Nachdem Du Dein gegebenes Wort im Frieden und Guten nicht halten willst, werde ich es Dir schon im Bösen heimzahlen.“
„Und was wohl könntest Du mir übles antun?“ meinte lachend Kerasenko.
„Dich tot machen und in Stücke hauen.“
„Und wenn ich Dich stets bewachen werde?“
„Dann werde ich Dich krank machen.“
„Ei! ei! Du willst mich krank machen? – Du kannst wohl hexen?“
„Das wirst Du schon erfahren, ob ich hexen kann oder nicht: – ich sage Dir einfach – ja, ich bin eine Hexe.“
„Schön!“
„Ich werde es Dir schon beweisen; den ganzen Tag kannst Du um mich sein, mich bewachen, nicht einen Augenblick allein lassen, ich werde Dich doch klein bekommen.“
Ja, sie bestimmte sogar die Zeit, zu welcher dieses alles geschehen solle.
„Keine drei Tage werden vorübergehen und alles, was ich Dir gesagt, wird sich ereignen.“
Der Kasak sitzt einen Tag zu Hause ohne sich zu rühren, auch den zweiten, der dritte Tag geht zu Ende; es wird Abends, und der Kasak ist der festen Ansicht und Meinung, daß die Frist nun abgelaufen ist; – es ist – denkt er – doch gar zu langweilig zu Hause zu sitzen … die Schenke der Pidnebesnaja steht gerade vor meiner Nase und meine Augen können von dort aus ganz genau sehen, ob jemand in meine Hütte geht … Ich setze mich dort zum Fenster und kann in aller Ruhe zwei, auch drei Viertel Wodky trinken … und hören, was die anderen erzählen und was es neues in der Stadt gibt … ja sogar tanzen kann ich … lustig sein …
Und er ging … ging, setzte sich am Fenster so zurecht, daß er ganz genau sehen konnte, was vor, ja sogar in seinem Hause geschieht; er sah das Feuer am Kamin hell brennen, sah, wie seine Frau hin und her gehe und sich in der Wirtschaft beschäftige.
Wunderbar! – Kerasenko sitzt im Wirtshaus, trinkt und schaut unverwandt auf seine Hütte; Witwe Pidnebesnaja bemerkt seine Aufregung, ja sie fängt an ihn zu hänseln:
„Eh! Du … so und so … dummer Kasak … was Du sehen willst, werdest Du in Deinem ganzen Leben nicht sehen!“
„Schon gut … ich aber will weiter schauen!“
„Hier gibts nichts zu schauen … denn je mehr man nach uns, Frauen, schaut, je mehr man uns hüten will, um so ärger wird es, und um so früher hilft uns der Teufel.“
„Red’ Du nur für Dich selbst …“ gab der Kasak zur Antwort, „meine Frau will ich selbst so behüten, daß ihr auch kein Teufel wird helfen können.“
Da fingen nun die anderen Kasaken an mit den Köpfen zu schütteln.
„Kerasenko, Kerasenko! das ist nicht schön von Dir, daß Du so sprichst, nicht schön! … entweder bist Du nicht getauft oder selbst ein Teufel, weil Du nicht mehr an den Teufel glaubst.“
Und die Anwesenden regten sich über Kerasenko und seine Reden so sehr auf, daß eine Stimme aus der Menge sich vernehmen ließ.
„Was sollen wir mit ihm tun? … am besten wäre es ihm eine solche Lehre zu geben, daß er wieder rechtgläubig wird.“
Und es war nahe daran, daß sie ihm die Rechtgläubigkeit handgreiflich beigebracht hätten, woran sich sehr gerne ein ganz fremder Mann beteiligt hätte, in welchem Kerasenko jenen Adeligen aus Rogačev zu erkennen meinte, welcher seiner Frau das Teufelsglas schenkte, und wegen dessen, noch vor der Hochzeit, ein zweiter Vertrag geschlossen worden war, dahin lautend, daß von dem Fremden nie irgend eine Erwähnung gemacht werde.
Diesen Vertrag beschwor Kerasenko mit einem schrecklichen Eide dahin lautend, daß, wenn Kerasenko sich auch nur des Adeligen aus Rogačev erinnern sollte, er sofort dem Teufel verfallen wird, der ihn dann nicht mehr aus seinen Klauen frei läßt.
Kerasenko fiel dieser Schwur beim Anblick des Fremden ein.
Kerasenko ist aber bereits betrunken und er kann seinen Unmut darüber nicht unterdrücken, warum und weshalb gerade jetzt der Adelige aus Rogačev hier erscheine und was er überhaupt im Dorfe zu tun habe.
Kerasenko beeilte sich nach Hause zu gehen; aber dort angekommen, fand er sein Weib nicht in der Stube, was ihm höchst unerklärlich und unfaßbar erschien.
„Ich soll ihn vergessen, mich seiner nicht erinnern,“ dachte er, „das kommt mir gerade so vor, als wenn wir einen Vertrag geschlossen hätten zu vergessen, daß wir uns geheiratet haben … warum und weswegen ist der Mann gerade jetzt hier … was hat er hier im Dorfe zu tun … warum und weswegen ist meine Frau nicht zu Hause?“
Und während dem Kerasenko solche und ähnliche Gedanken durch den Kopf flogen, schien es ihm, als wenn sich hinter der Tür zwei küssen würden.
Es wurde geradezu vom Schüttelfrost gepackt; er fing an aufmerksamer und schärfer zu horchen … richtig … er hört es ganz deutlich … ein Kuß … noch einer … leises Wispern … wieder ein Kuß … und das alles gerade hinter der Tür, vor der er steht.
„Eh! tausend Teufel,“ sagt sich Kerasenko selbst, „entweder habe ich bei der Pidnebesinaja zu viel Branntwein getrunken und träume nun alles mögliche … oder hat es mein Weib richtig herausbekommen, daß der Rogačever Adelige hier ist, und daß es ihm gelang mich zu verhexen … Die Leute haben mich darauf aufmerksam gemacht, daß meine Frau eine Hexe sei … doch ich glaubte dies nicht … jetzt aber … jetzt küssen sie sich wieder … oh! … oh! … und wieder … wieder … Wartet doch nur, ich will euch schon …“
Der Kasak glitt leise von der Bank, kroch zur Tür und sein Ohr dicht an die Türspalte legend, strengte er sich an zu hören, was hinter der Tür vorgeht: … sie küssen sich … daran läßt sich nicht zweifeln … sie küssen sich … wie sie mit den Lippen schnalzen … ja sie reden … so, jetzt spricht mein Weib … und er hörte, wie sie laut sagte:
„Was? mein Mann, dieser Heide: den werde ich einfach aus dem Hause jagen und Dich zu mir nehmen.“
„Oho!“ dachte Kerasenko, „was bildet sich das Frauenzimmer ein, mich wegjagen und einen zweiten, fremden, ins Haus nehmen, an meine Stelle setzen … Nu! das wollen wir ’mal abwarten, so leicht wird es doch nicht gehen können …“
Er richtete sich plötzlich auf, stemmte sich mit aller Gewalt gegen die Tür, um solche aufzubrechen, obwohl es sich erwies, daß dieselbe gar nicht versperrt war; an der Türschwelle stand Kerasivna, sein Weib, so schön … so ruhig wie stets vordem, nur mit ein klein wenig mehr geröteten Wangen – aber mit einemmale fing sie an zu schimpfen, wie es nur eine Kleinrussin zu Wege bringen kann.
Sie nannte ihren Mann einen Heiden, Säufer, Schwein, Hund und fügte noch andere derartige schöne Titulaturen bei; schließlich erinnerte sie ihn auf die von ihm geschworenen Eide und Verträge, nach denen er es sich gar nicht einfallen lassen darf, eifersüchtig zu sein, und um ihr den Beweis zu liefern, daß er seine Eide einzuhalten Willens sei, soll er ihr erlauben heute Abends die Spinnstube besuchen zu können, sollte er dies nicht tun, so wird sie etwas ausführen, woran er sein Leben lang denken wird.
Doch Kerasenko war ein gewiegter Junge.
Seine Frau in die Spinnstube zu schicken, jetzt, wo der Adelige aus Rogačev im Dorfe sich befindet – er hatte ihn doch mit eigenen Augen bei der Pidnebesinaja gesehen und vor wenigen Augenblicken mit eigenen Ohren gehört, wie seine Frau jemanden küßte und ihm versprach ihn in die Hütte zu nehmen … – das schien ihm gar zu dumm.
„Nein, nein!“ sagte er, „da suche Dir nur einen anderen Dummkopf aus, nur nicht mich; es wird jedenfalls besser sein, ich sperre Dich ein und Du legst Dich schlafen … das wird Dir zuträglicher sein und ich werde unterdessen über Deine Hexerei ruhig nachdenken können.“
Als Kerasivna diese Antwort vernahm, da wurde sie vor Zorn blaß, denn zum erstenmale nach ihrer Verheiratung sprach ihr Mann mit ihr in einem eigenartigen Tone und sofort wurde es ihr klar, daß in ihrem ehelichen Leben ein Wendepunkt eingetreten ist, welcher zu ihren Gunsten entscheiden müsse, wenn sie nicht alles, was sie bis jetzt mit viel Scharfsinn, Geschicklichkeit, Stetigkeit, Festigkeit und Erfindungsgabe gewonnen, für immer verlieren solle.
Sie richtete sich in ihrer vollen Größe auf, gab dem Kasaken einen Schlag ins Gesicht und wollte auf die Gasse herausspringen, aber der Kasak erriet ihre Absicht, machte einen Sprung, schlug ihr die Tür vor der Nase zu, legte die Kette und das Vorhängeschloß an und sperrte dieses zu, den Schlüssel ließ er in seine unendlich tiefe Tasche verschwinden.
Er meinte nun ruhig:
„So, jetzt ist Dein Weg angewiesen, vom Ofen zur Tür und zurück …“
Durch diesen unerwarteten und unerwünschten Vorfall überrascht, wurde die Kerasivna so wütend, daß selbst Kerasenko darüber erschrak.
Christa stand ziemlich lange an einer und derselben Stelle, mitten in der Stube, sie zitterte wie im Fieber, wandte sich hin und her wie eine Schlange, ihre Hände schlossen sich krampfhaft, sie drohte mit ihnen dem Kasaken, in ihrem Gesichte zuckte es heftig, weiße und rote Flecken wurden abwechselnd sichtbar, ihre Augen erweiterten sich, glühten auf, wurden blutrot!
Da fing der Kasak sich doch zu fürchten an und rief:
„Daß Dich, Du verfluchte Hexe! …“
Unerwartet blies sie die Kerze aus, stampfte heftig mit dem Fuß und zischte:
„So! … jetzt sollst Du aber die Hexe kennen lernen!“
Mit einem Sprung, wie eine Katze, war sie oben auf dem Ofen, öffnete die Kamintür und schrie in den Schornstein hinein mit einer ganz eigenartigen Stimme:
„Uhu! – huhuhu! – Komm! erdrossele das Schwein!“