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Zwölftes Kapitel
Jedenfalls mußte den Dukač etwas sehr bedrücken, ihn sehr unruhig machen, wenn er es in einem solchen Sturm, einem so wilden Schneetreiben zwei Stunden lang außer dem Hause aushalten konnte.
Der schon früher heftige Sturm wuchs zu einem Orkan an, der Schnee fiel in großen Flocken so dicht, daß man kaum atmen noch weniger sehen konnte.
Wenn das Wetter schon so böse war zwischen Gebäuden, wie mußte es erst in der Steppe wüten, wo dasselbe kein Hindernis fand!
War in der Steppe ein erwachsener, kaltblütiger, erfahrener Mann in einem solchen Wetter völlig dem Verderben und Untergange geweiht, was sollte dann aus dem Kinde, der Patin und Agap werden?
Dukač begriff das alles klar und deutlich; seine Gedanken flogen im Kopfe herum und verwirrten sich, denn ihm waren aus eigener Erfahrung alle Schrecknisse eines Schneewehens in der Steppe bekannt; er mühte sich deshalb nicht aus Vergnügen den Schnee, welchen der Sturm an die Zäune der Gärten in hohen Halden anwehte, durchzutreten, im Gegenteil, ihn jagte die Ungeduld, die Ungewißheit, Sorge und Angst dem Schlitten mit dessen Insassen entgegenzugehen, oder wenigstens zu sehen, daß sie zurückkehren.
Schließlich blieb Dukač am Damme stehen, der sich hinter dem Dorfe erhob; ihn bemerkte hier Niemand, konnte ihn deshalb auch Niemand belästigen; er sah nichts vor sich als nur fabelhafte Gestalten, die ihm seine aufgeregte Fantasie vorgaukelte.
Auch dieses Stehen, dieses Harren ist ihm schließlich langweilig geworden, er schrie vor Zorn, Angst, Wut, Ungeduld hell auf, befreite seine Füße aus dem Schnee, in den er versunken, und kehrte nach Hause zurück.
Dämmerung ist während dieser Zeit eingetreten, und man konnte fast gar nichts in ganz kleiner Entfernung vor sich sehen und erkennen; er konnte deshalb gar nicht rasch ausschreiten, mußte oft stehen bleiben, verlor nicht selten den Weg, verirrte sich, und mußte erst den richtigen Weg suchen; schließlich stieß er auf etwas hartes, das sich bei näherer Untersuchung als ein Kreuz erwies – ein sehr hohes Kreuz aus Holz, wie man solche in Süd-Rußland, namentlich an Kreuzwegen, sehr oft findet.
„Eh!“ dachte er, „ich glaube, ich bin viel zu weit vom Dorfe weggekommen und muß wohl umkehren“ – er richtete deshalb seine Schritte nach einer anderen Richtung, aber nach drei bis vier Schritten, die er gemacht, stieß er wieder auf etwas hartes, wieder auf ein Kreuz.
Der Kasak blieb einen Augenblick stehen, atmete tief auf, und nachdem er sich wiederum etwas erholt, schlug er eine entgegengesetzte Richtung ein, aber auch hier stieß er auf Kreuze, und nur auf Kreuze.
„Geht hier etwas vor oder bewege ich mich um das Kreuz herum?“ – und er fing an mit den Händen herumzutasten, welche immer und immer wieder nichts als Kreuze und wieder Kreuze betasteten.
„Aha! jetzt ist mir klar, wo ich mich befinde … das ist der Kirchhof, wohin ich mich verirrte … richtig … dort sehe ich das Licht aus des Popen Hause … Der Teufelskerl, wollte nicht zugeben, daß sein Weib die Patin meines Kindes werde … auch gut … nicht nötig … doch das Haus des Totengräbers müßte ja auch nicht weit sein.“
Und der Dukač unternahm es das Haus zu suchen, wobei er unverhofft in ein Loch fiel, in dem sich etwas hartes befand, auf das er mit dem Kopfe anstieß so heftig, daß er ziemlich lange ohne Besinnung liegen blieb.
Als er wieder zu sich kam, da sah er über sich einen wolkenlosen, mit hellflimmernden Sternen besäten Himmel und es herrschte völlige Windstille.
Dukač wußte nicht im ersten Augenblicke, wohin er gefallen; er mühte sich fast eine Stunde lang mit Händen und Füßen arbeitend ab, um aus der Grube herauszukommen, welche sich später als ein Grab erwies.
Endlich gelang es dem Dukač das Dorf und seine Hütte zu erreichen; was ihn aber am meisten wunderte, war, daß weder bei seinen Nachbaren noch in seinem Hause Licht brannte, daß alles finster war; es mußte deshalb schon spät sein, wenn schon alle schlafen gegangen sind.
Wenn aber Agap und die Kerasivna mit dem Kinde noch nicht zurückgekehrt wären?
Es gab ihm einen ordentlichen Stich unterm Herzen, als dieser Gedanke sein Gehirn durchzuckte, ein eigenes Gefühl, Angst, überfiel ihn, so daß er mit unsicherer Hand, nur zagend, die Stubentüre öffnete.
In der Stube selbst war es ziemlich dunkel, nur aus der einen Ecke derselben ließ sich ein leises Weinen und Schluchzen vernehmen.
Die Dukačin weinte.
Der Kasak begriff es, warum sein Weib weint; doch er konnte es nur schwer übers Herz bringen zu fragen:
„Ist es denn möglich, daß sie noch nicht …“
„Ja, die Hexe ißt jetzt mein Kind auf …“ unterbrach die Dukačin ihren Mann.
„Für so dumm hätte ich Dich doch nie gehalten“ – schnitt mit diesen Worten Dukač die weitere Rede seiner Frau ab.
„Ihr hab’t mich so dumm gemacht … und wenn ich auch dumm wäre, ich hätte mein Kind doch nie einer Hexe anvertraut.“
„So versinke Du selbst mit Deiner Hexe … ich hätte das Genick brechen können, als ich in das Grab fiel.“
„Ah! … in ein Grab seid ihr gefallen … daran ist sie auch schuld … Ihr könnet gehen und lieber gleich jemanden totschlagen …“
„Wen soll ich totschlagen … was plapperst Du? …“
„Wenigstens einen Hammel … denn nicht umsonst seid ihr in ein Grab gefallen … ihr werdet bald sterben und selbst im Grabe liegen … Ja, Gott gebe es … was sollen wir noch weiter unter Menschen leben, die über uns nichts anderes reden können, als daß wir unser einziges Kind einer Hexe geschenkt haben.“
In diesem Tone redete die Dukačin weiter; er selbst dachte an nichts anderes als daran, wo sich Agap zur Zeit befinden möge? wohin derselbe geraten?
Gelang es ihm früher nach Peregudi zu kommen, ehe das Schneewehen und der Sturm losging, dann warteten sie wohl das Ende desselben dort ab, in diesem Falle konnten sie von dort erst abfahren, sobald sich der Sturm gelegt und der Himmel aufgeheitert hatte; aber deswegen konnten sie doch zu dieser Zeit zu Hause sein; vorausgesetzt, Agap hätte nicht zuviel des Guten dort genossen.
Dieser Gedanke schien dem Dukač annehmbar zu sein, er beeilte sich denselben seinem Weibe mitzuteilen, welche jedoch noch stärker zu seufzen und zu weinen anfing.
„Was ist da anzunehmen: wir werden unser Kind nie mehr sehen; gefressen hat sie es, diese Hexe, die Kerasivna; sie selber hat das Unwetter heraufgehext, um mit ihm besser über Berg und Tal fliegen und dort sein Blut aussaugen zu können.“
Durch solche Reden brachte sie ihren Mann so auf, daß er sie vorerst auszankte, später sogar beschimpfte, dann mit der einen Hand die Mütze vom Nagel reißend, mit der zweiten das Gewehr nehmend, eilte er aus dem Hause mit dem Vorsatze einen Hasen zu schießen, ihn dann in das Grab zu werfen, aus welchem er vor wenigen Stunden mit schwerer Mühe herauskroch.
Die Dukačin saß zu Hause auf der Ofenbank und weinte bitterlich!
Vierzehntes Kapitel
Der verbitterte, gekränkte und durch den ungewöhnlichen Vorfall im höchsten Grade aufgereizte Mann wußte tatsächlich nicht, was er tun, wohin er sich wenden solle; er schritt maschinenmäßig durchs Dorf, auf die Scheunen zu, wohin die Hasen zu kommen pflegten, um sich das Futter zu suchen; er erreichte die Heuschober, setzte sich auf einen derselben und verfiel in Gedanken.
Böse Ahnungen quälten ihn, Kummer und Schmerz erfüllten sein Herz und unangenehme Erinnerungen wurden in seinen Gedanken wach.
Unangenehm waren die Worte seines Weibes; aber er mußte zugestehen, daß sie zum größten Teile im Rechte sei und wahr gesprochen habe.
Es ist wahr, so lange er sich zu erinnern weiß, hat er nie Jemandem etwas gutes erwiesen, wohl aber vielen Leides zugefügt; und dieser seiner vielen Sünden wegen leidet nun sein einziges, lang ersehntes und erwartetes Kind; er selbst fällt in ein Grab, was nach dem Aberglauben des Volkes ein großes Unglück bedeutet.
Morgen werden alle davon wissen und das ganze Dorf, in welchem er auch nicht einen einzigen Freund besitzt, wird davon reden.
Es kann möglich sein, das Kind wird gefunden und gesund heimgebracht; aber die Nacht ist lang, und damit er sich nicht langweile und ängstige, will er einem Hasen auflauern, ihn schießen, dann in das Grab werfen, wodurch die bösen Vorhersagungen abgewendet werden.
Dukač seufzte tief auf; er schaute, ob sich nicht von einer Seite ein Hase blicken lasse.
Das war auch der Fall; der Hase wartete geradezu auf ihn, wie Abraham auf den Bock; beim letzten Schober, dort an dem mit Schnee verwehten Zaun saß der Langohr.
Er äugte augenscheinlich in die Gegend hinaus und stand in einer für den Schuß äußerst günstigen Position.
Dukač war ein erfahrener alter Jäger; in seiner Jägerlaufbahn stießen ihm verschiedene Jagdabenteuer und verschiedenes außergewöhnliche zu, aber eine solche außerordentlich günstige Schußstellung ist ihm doch noch nie vorgekommen, und um die Gelegenheit nicht fahren zu lassen, zögerte er nicht lange, legte das Gewehr an die Backe, zielte, feuerte …
Der Schuß fiel, aber gleich darauf wurde ein eigentümlicher Klagelaut hörbar.
Dukač nahm darauf keine Rücksicht, auch blieb ihm nicht die Zeit darüber nachzudenken, da er sich beeilen mußte den brennenden Papierpfropfen mit Füßen niederzutreten.
Während er dieses tat, bemerkte er zu seinem größten Erstaunen, daß der Hase, dem er schon einige Schritte näher gekommen, seine Stellung gar nicht ändere.
Dem Dukač wurde unheimlich und ängstlich zu Mute; er mußte annehmen, der Teufel treibe sein Spiel mit ihm; oder wäre es vielleicht der Teufel selbst in Hasengestalt?
Dukač machte einen Schneeballen und warf ihn auf den Hasen.
Der Ballen traf das Ziel, zerstob, aber der Hase rührt sich nicht … in der Luft hört man nur leises Ächzen.
„Was ist das für eine Teufelei? was geht hier vor?“ dachte Dukač, bekreuzte sich und näherte sich vorsichtig jenem Gegenstande, den er für einen Hasen gehalten hatte; aber wie wurde er enttäuscht, als er an Stelle des Hasens nur eine alte Pelzmütze auf dem Schnee liegend fand.
Dukač beugte sich nieder, um die Mütze aufzuheben, blickte jedoch in das vom Sternenlicht schwach beleuchtete blasse Gesicht seines Verwandten Agap, das mit einer dunklen klebrigen, eigentümlich riechenden Flüssigkeit bedeckt war.
Es war Blut! —
Dukač erschrak, warf das Gewehr weit von sich fort, lief ins Dorf, weckte Leute auf – und erzählte allen, was er gesehen und getan, er beichtete vor der ganzen Gemeinde und schloß seine Rede mit den Worten: „Gott ist gerecht, er straft mich – geht – schaufelt sie aus dem Schnee heraus, mich aber bindet und überliefert dem Gerichte.“
Die Bitte des Dukač wurde erfüllt; ihn banden sie und bewachten in einer fremden Stube; draußen aber, hinter den Scheunen, da schaufelten sie den Agap, die Kerasivna und das Kind aus dem Schnee heraus.
Fünfzehntes Kapitel
Unter einer Schneewehe, welche den Schlitten vollständig zudeckte, fand man den schwer verwundeten Agap, die fast erfrorene Kerasivna, an deren Brust, unter dem Pelze völlig unbeschädigt, das Kind ruhig schlief.
Die Pferde standen bis über den Bauch im Schnee, die Köpfe über den Zaun hängend.
Sowie man sie vom Schnee befreite, zogen sie freiwillig an und fuhren den Schlitten mit der erstarrten Patin, dem schwerverwundeten Agap und dem schlafenden Kinde auf ihren Bauernhof.
Die Dukačin wußte nicht, was sie machen solle, weinen vor Freude über die Rettung ihres Kindes, oder vor Schmerz über das Unglück ihres Mannes.
Das Kind in die Hand nehmend, bemerkte sie um dessen Hals ein Kreuzchen an einer Kette, worüber sie aus Freude wiederum zu weinen begann, da sie davon überzeugt war, daß dasselbe tatsächlich getauft sei; sie hob dasselbe vor dem heiligen Bilde hoch auf und rief mit freudiger Stimme und heißem, innigen Entzücken:
„Herr! dafür, daß Du mein Kind von dem Tode errettet, ihn in Deine Gemeinde und unter Dein Kreuz aufgenommen, werde ich Deine Güte und Gnade solange ich lebe nie vergessen, ihn aber werde ich erziehen zu Deinem Diener, damit er verkündige Dein Wort und mehre Dein Reich, Deinen Glauben!“
So wurde ein Gelöbnis geleistet, welches den Grundstein meiner wahren Geschichte bildet, denn in dem, was ich Euch bis jetzt erzählte, fandet ihr nichts, was auf den „ungetauften Popen“ Bezug hätte, und dennoch ist derselbe bereits in der Geschichte vorhanden, jedoch so versteckt, wie Agaps Mütze in der Rechnung, sie war hier, aber darinnen stand sie nicht.
Doch ich fahre fort Euch mit der Geschichte bekannt zu machen.
Das Kind blieb gesund, mit den nicht gerade sehr gescheiten Mitteln, welche die Weiber an der Kerasivna probierten, wurde dieselbe zum Bewußtsein gebracht; sie war jedoch so leidend, daß sie das, was um sie vorging, nicht zu bemerken schien, sondern nur stets ein und dasselbe wiederholte:
„Das Kind ist auf den Namen Sava getauft.“
Das genügte vollkommen und alle waren damit zufrieden und einverstanden, selbst der alte Dukač, den man davon unterrichtete, nickte zustimmend und sagte:
„Den Popen in Peregudi saget von mir besten Dank, daß er den Knaben nicht unglücklich machte und ihn nicht Nikolai taufte.“
Als sich die Kerasivna erholte, erzählte sie: „Der Pope von Peregudi hätte das Kind auf den Namen Nikolaus taufen wollen, was, wie er sagte, in der heiligen Schrift vorgeschrieben stehe, sie hätte jedoch dagegen protestiert und mit ihm lange gestritten, wobei sie ihm schließlich sagte: Gott mit Dir und Deiner Bibel, Väterchen! später hätte er klein wenig beigegeben, und schließlich auf den Namen Sava das Kind getauft, nachdem sie ihm deutlich und klar bewies, das Kind eines Kasaken könne nie auf den Namen Nikolaus getauft werden.“
„Du bist in der Tat eine echte rechte Kasakin,“ sagte der Dukač und befahl ihr eine Kuh zum Geschenk zu geben, er versprach ihr noch, sobald er wiederum nach Hause zurückkehre, sich ihr noch anderweitig dankbar zu bezeugen; vergessen werde er die Dienste, die sie ihm erwiesen, nie.
Mit diesem Unglücksfalle endete die Taufe des Kindes; darauf folgte das Begräbnis des Agap und eine lange, lange Trauerzeit.
Denn Agap ist nicht mehr zum Bewußtsein gekommen, trotz aller Eis- und Schneeumschläge konnte die durch eine starke Ladung mit grobem Schrott erzeugte Wunde am Kopfe nicht geheilt werden, und gegen Abend des anderen Tages hauchte der Unglückliche seine Seele aus. Denselben Abend brachten drei mit großen dicken Stöcken bewaffnete Dorfinsassen den Dukač in die Stadt und übergaben ihn dem Gerichtsprokuror, welcher ihn gleich einem Verbrecher in das Gefängnis überführen ließ.
Den Agap beerdigte man; der Dukač befand sich in der Untersuchungshaft, das Kind wuchs zur Freude seiner Mutter, doch die Kerasivna, obzwar sie nicht zu Bette lag, kränkelte und was noch auffallender war, sie änderte vollständig ihren Charakter – es war nicht mehr jene Christy, jene energische, eigenwillige Kerasivna; im Gegenteil, sie wurde still, nachgiebig, schwermütig, fast einsilbig; sie zankte nie mehr mit ihrem Manne, noch mit den Nachbaren, so daß Kerasenko es sich gar nicht zu enträtseln vermochte, was denn eigentlich mit seiner Frau vorgefallen sei.
Sein Leben, sonst so stark beeinflußt von dem Starrsinn und Eigenwillen und der Herrschsucht seines Weibes, verlief jetzt auffallend still und ruhig: er hörte kein böses Wort mehr von seiner Frau, keinen Widerspruch, keine Vorwürfe, es gab keine Szenen mehr weder bei Tag noch bei Nacht, auch der Rogačever Adelige verschwand unbekannt wohin, so daß Kerasenko gar nicht wußte, wie er sich über sein häusliches Glück freuen und gegen wen und wodurch er diese Freude äußern könnte.
Diese merkwürdige Charakteränderung der Kerasivna bildete lange Zeit das Tagesgespräch im Orte und wurde von allen Frauen nach allen Seiten besprochen, ja selbst ihre größten Feindinnen, die Marktweiber, denen sie früher empfindliche und starke Konkurrenz bereitete, sind darüber einig geworden, daß die Kerasivna eine brave Frau sei.
Und wenn sie ihr jetzt nicht einen, sondern sogar zwei Käufer von ihrem Stand, auf welchem sie Kuchen und Brot verkaufte, weglockten, so ließ sie es ruhig geschehen, ohne jede Äußerung, während sie früher alle Teufel auf ihren Hals gehetzt hätte.
Was den Rogačever Adeligen anbelangt, so erzählte man sich, er wäre zweimal in Paripsami gewesen, doch die Kerasivna weigerte sich mit ihm zu sprechen.
Selbst ihre größte Feindin und Konkurrentin, die Pidnebesnaja, erzählte und wollte es sogar beeiden, sie hätte mit eigenen Ohren gehört, daß als einmal der Rogačever Adelige an den Stand der Kerasivna trat, um Kuchen zu kaufen, die Christy zu ihm sagte:
„Geh’ weg von mir, damit Dich meine Augen nie mehr sehen, für Dich ist bei mir nichts zu haben, weder zum Kaufen noch zum Schenken.“
Und als er sie frug, was vorgefallen sei? da gab sie ihm zur Antwort:
„Ein großes Geheimnis liegt schwer auf meiner Seele und drückt mich und macht mich unglücklich.“
Nicht allein an der Kerasivna, auch am alten Dukač machte sich eine Änderung des Charakters auffallend bemerkbar.
Nach der Gewohnheit der so sehr von allen Seiten gelobten „alten Zeit“ zog sich die Untersuchungshaft des Dukač drei Jahre lang, während welcher Zeit man ihn unter dem Verdachte des vorbedachten Mordes an seinem Verwandten Agap in Haft behielt; aber nicht genug daran, er konnte sogar von seiner Gemeinde nach Sibirien geschickt werden.
Die unglückselige Angelegenheit endete im allgemeinen noch ganz günstig für Dukač; die Gemeinde erklärte, sie sei einverstanden, daß er wieder im Orte lebe, sobald er die ihm von Gerichtswegen zugesprochene Kirchenstrafe in einem Kloster abgebüßt habe.
Die fürchterlichste und erniedrigendste Strafe für Dukač war die Erlaubnis der Dorfinsassen, daß er wieder im Orte leben könne, denn diese Erlaubnis war geradezu eine Gefälligkeit, eine Gnade, erteilt von Leuten, welche Dukač in früherer Zeit völlig übersah und – verachtete.
Fünf Jahre waren verflossen seit der Zeit, als das Kind getauft und Agap begraben wurde; Dukač büßte die Kirchenstrafe ab und kam aus dem Kloster heim, völlig verändert, äußerlich und innerlich, gealtert über die Jahre hinaus.
Er blieb jedoch nicht lange im eigenen Heim, sondern kehrte in jenes Kloster zurück, in welchem er Buße getan, nahm jedoch den nicht zu kleinen Topf mit Goldfüchsen gefüllt, die lange, lange Jahre vergraben waren, mit zu dem Zwecke, daß für dessen Inhalt Gebete abgehalten werden für drei lebende und tote Seelen.
Wer diese drei lebenden und toten Seelen sein sollten, war selbst dem alten Dukač nicht ganz klar, aber Kerasivna meinte, er – Dukač – habe durch seinen fürchterlichen Charakter, seinen Hochmut und Eigensinn nicht allein den Agap getötet, sondern noch zwei andere Seelen zu Grunde gerichtet, und zwar Seelen, die nur Gott und ihr – Kerasivna – bekannt seien, die sie aber, so lange sie lebe, Niemandem verraten werde.
So blieb auch dieses ein Rätsel, das selbst die Goldfüchse des Topfes nicht zu lösen vermochten.
Das Kind, mit dessen Erscheinen auf die Welt so großartige Umwälzungen und Vorfälle verknüpft waren, wuchs indessen gesund heran.
Von der Mutter, einer einfachen, frommen, herzensguten, zartfühlenden Frau erzogen, freute es sich dieser Güte und Liebe, welche sie ihm täglich, ja stündlich entgegenbrachte.
Ich erinnere daran, daß als die Dukačin das Kind wieder in ihren Händen haben und an ihre Brust drücken konnte, sie ein Gelübde tat, den Knaben dem Dienste Gottes zu widmen, ihn also zum Geistlichen erziehen zu lassen.
Derartige Gelübde und Opferungen waren und sind auch heutigen Tages nichts seltenes unter den Kleinrussen und werden strengstens eingehalten, besonders wenn die Kinder selbst keinen Widerstand leisten, was in den seltensten Fällen vorzukommen pflegt, denn schon von ihrer Jugend an erhalten sie nach der Richtung hin entsprechende Erziehung.
Hat das Kind ein gewisses Alter erreicht und wurde es in dem Geiste und dem Charakter des gemachten Gelübdes erzogen, so bildet das Gelöbnis für das Kind kein Opfer, sondern es hat sich selbst in die Überzeugung eingelebt, daß dieses Gelöbnis der Eltern ausgeführt werden müsse, wozu auch das anerzogene Gefühl des Gehorsams gegen seine Eltern viel beiträgt, und das nur dort zu finden ist, wo wahrer Glaube und Liebe zu Gott noch vorhanden ist und herrscht.
Sava Dukač wurde von seiner Mutter in dem wahren Glauben und Liebe zu Gott erzogen, und schon als Kind stand in ihm fest, und war er sich darüber klar und bewußt, daß das Gelöbnis seiner Mutter erfüllt werden müsse.
Zart und schwach an Körper, besaß Sava große Geistesgaben und namentlich was Gottesfurcht und Religiosität anbelangt, da unterschied er sich vorteilhaft von allen seinen Altersgenossen.
Er nahm nie Vogelnester aus, erdrosselte nie junge Katzen oder warf junge Hunde ins Wasser, damit sie ersaufen, er warf nie nach Kröten Steine oder suchte sie mit Stöcken totzuschlagen, im Gegenteil, er war und blieb stets der Beschützer und Behüter lebender Wesen, ob sie der Tier- oder Vogelwelt angehörten.
Jedes Wort seiner Mutter war ein Befehl für ihn – schon deshalb, weil diese stets auch seinem zartfühlenden, liebevollen Herzen entsprachen.
Gott zu lieben war für ihn nicht nur Vergnügen, sondern ein Bedürfnis; er liebte Gott in allem, was ihn umgab; er liebte Ihn aus sich selbst, denn alles, was er um sich sah, machte ihm deutlich und begreiflich, daß Gott bei Jedermann einkehrt, der Ihn liebt und sich in dessen Herzen seine Hütte baut.
Die Erziehung des Kindes war eine religiöse: seine Mutter war eine fromme, gottesfürchtige und Gott liebende Frau; sein Vater lebte sogar im Kloster; warum und weswegen, darüber war er sich nicht im Klaren.
Aus hie und da fallenden Andeutungen bildete er sich eine Art Schlußfolgerung, daß bei seiner Geburt etwas außergewöhnliches vorgefallen sein mußte, wodurch das ganze Leben im Hause eine Änderung erfuhr – doch dieses alles war für ihn etwas unerklärliches, sagenhaftes, mystisches.
So wuchs denn Sava unter dem Schutze Gottes und seiner frommen Mutter und war davon überzeugt, daß ihn niemand abwendig machen könne von der Erfüllung des von seiner Mutter gemachten Gelöbnisses.
Acht Jahre alt geworden, wurde er dem Bruder der Pidnebesnaja zur weiteren Erziehung anvertraut.
Ochrim Pidnebesnij lebte in Paripsami in einem Hinterstübchen im Hause seiner Schwester, welche eine Schenke hielt; doch er hatte nichts gemeinschaftliches mit diesem Unternehmen.
Er selbst führte ein eigenartiges Leben.