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Kitabı oku: «Das Schweigen der Prärie», sayfa 14

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VIII

Der Vater saß am Tisch mit dem Gössel auf dem Schoß und langte zu. Die Buben standen ihm gegenüber und hörten ihn begeistert von all den absonderlichen Widerwärtigkeiten der Reise berichten; die Mutter ging zwischen Herd und Tisch hin und her.

Unwiderstehlicher Frohsinn strömte von dem Per Hansen aus und von allem, was er erzählte. Und immer war es, als hebe er das Merkwürdigste noch auf, — für eine bessere Gelegenheit. Die Buben wurden geradezu toll vor Übermut, sie konnten sich mit Fragen nicht genug tun und wollten immer noch mehr wissen.

Auch die Beret lächelte jetzt; aber die Hände zitterten ihr. — Jetzt aber mußten die Buben heran und Rechenschaft ablegen, wie sie inzwischen daheim gewirtschaftet hatten. Als er ihren Bericht, der sehr geräuschvoll und nicht gerade wohlgeordnet erstattet wurde, entgegengenommen hatte, — er kam nämlich ruckweise und in einzelnen Ausbrüchen: von Tönset‘n und dem Bären und der Dachsbrühe gestern abend, — da lachte er, daß ihm die Tränen liefen und er die Mahlzeit unterbrechen mußte. Ein wahrhaft herzerquickendes Gelächter! Die Buben sahen jetzt selber, wie komisch alles gewesen, und lachten schallend mit. Sogar die Beret beim Herde wurde mitgerissen, mußte sich aber doch zugleich die Augen wischen. — Wie froh war sie jetzt, daß sie daran gedacht, alles wieder aus der Lade zu nehmen, was sie vor einer Weile hineingepackt hatte.

»Komm einmal her, du Großer-Hans,« sagte der Vater lachend, »kannst du mir sagen, was du da hinten im Nacken hast?«

Der Junge überlegte nicht, kam und stellte sich vor den Vater.

»Hier läuft ja ein roter Streifen? — Hast du versucht, dich aufzuhängen, Bub?«

Da wurde der Große-Hans feuerrot, ihm fielen plötzlich die bösen Hiebe von gestern abend ein.

Der Ole warf der Mutter einen geschwinden Blick zu. »Ach Dreck,« sagte er mannhaft, »das ist nur von dem Hühnchen, das ich gestern mit dem Hans gerupft!«

»So,« meinte der Vater lachend, »das also habt ihr betrieben, während ich fort war? — Und die Mutter hat mit euch viel Plage gehabt, wie? Well, jetzt kommt ein anderer Tanz an die Reihe, denn wir haben so viel zu verrichten, ihr Burschen, daß hier weder bei Tag noch bei Nacht gefeiert wird. — Und ich danke auch schön für das gute Mahl, Beretmutter!«

Damit stand er auf und machte sich mit den Buben daran, den Wagen abzuladen. Das meiste wurde in die Stube gesetzt; einiges mußte jedoch vorderhand im Stalle untergebracht werden.

Das wurde ein arbeitsreicher Tag in der Hütte. Da war zunächst die Fuhre Kartoffeln, die er den, Hallingen im blauen Osten versprochen, die nicht einmal eine Kartoffelschale in den Kessel zu legen hatten; denen mußte er Nahrung bringen. Und als die Beret erfuhr, wie elend es in jener Hütte bestellt war und wie die Frau so lange und schmale Backen hatte und graublau unter den Augen war, da war sie es, die ihn am eifrigsten anfeuerte: Er müsse fahren, solange er noch Wagen und Rösser zur Hand habe. Könne er nicht heute noch aufbrechen?

»Gemach, gemach, mein Schatz!« lachte der Per Hansen in strahlender Laune, »heut nacht schlaf ich nicht bei einer Hallingbäuerin!«

Nein, jetzt war er wieder einmal unwiderstehlich; — so kraftvoll und so gut! Und sie hätte ihn am liebsten beim Haarschopf genommen und tüchtig gezaust.

Der Ole wurde sogleich ans Netzestricken gesetzt. Der Vater hatte bereits vier Faden fertig; das war letzte Nacht beim Schein des Lagerfeuers gewesen, da hatte er gestrickt, als die anderen schon lange in der Koje lagen. — — Die Buben waren ganz toll, als sie das Netz sahen. Wolle er im Sioux River mit Garn fischen? Beide bettelten sofort darum mitzudürfen. »Rühr‘ deine Finger emsig, Olamann, emsig, sag‘ ich dir!« Der Vater tat so geheimnisvoll und wollte nicht mit der Sprache heraus.

Er selber machte sich mit dem Großen-Hans hinter den Kalk; der wurde hineingetragen und in den Winkel gestellt, damit keine Feuchtigkeit herankomme. Aber es war noch viel mit ihm vorzunehmen, ehe er verwandt werden konnte. Zunächst war eine Holzkiste nötig, die so dicht war, daß sie Wasser hielt, nun, das Material dafür hatte er mit! Er fügte einige Bretter zu der Kiste zusammen, trug sie zum Bach und stellte sie ins Wasser Da quoll sie aus, bis er sie einmal brauchte! —

Schließlich kam der Abend eines höchst arbeitsamen und kurzweiligen Tages. Die Buben hatten sich schon gelegt und waren im Nu eingeschlafen.

Aber der Per Hansen hatte noch nicht rechte Muße, sich zu legen. Da war nämlich das Netz, und das mußte heut nacht fertig werden. — Er hatte endlich die Beret dazu überredet, sich ins Bett zu legen; sie war jedoch heute abend gar nicht müde; sie plauderte mit ihm weiter und fädelte die Netznadeln ein. Er setzte ihr auseinander, wie er das Netz anzuwenden gedenke. Zunächst wolle er es in den Sioux River setzen, wenn er ihn morgen überquerte — er glaube nämlich eine leckre Stelle zu wissen — und es stehenlassen, bis er von den Hallingen zurückkam. Gehe alles mit rechten Dingen zu, dann bringe er schon morgen frische Fische mit heim. Das aber sei nur ganz nebenher, müsse sie wissen. Das andre aber — ja sie dürfe keine Silbe davon vor den Buben verlauten lassen — das gebe die große Überraschung für sie, — seien doch auch gar zu prächtige Burschen! — Ja, er habe sich also ausgedacht, die Enten mit dem Netze zu fangen, — akkurat dazu habe er das Garn gekauft. Wenn sich das Wetter nur noch ein paar Tage halte, dann gebe es andere Kost als Dachsbrühe!

Der Beret fiel jetzt ein, daß sie heute ja ganz vergessen hatte, das Fenster zu verhängen. Sie mußte lächeln; was hätte das wohl heute nacht für einen Sinn gehabt? — Du lieber Gott! — —

Der Per Hansen strickte weiter am Netz und plauderte gemütlich, und es lag solche zuversichtliche Fröhlichkeit in allem, was er sagte. Er hatte die Litze an den Bettpfosten gebunden, und es war gerad wie beim Vater daheim! — Sie hörte ihn — hörte ihn nur noch wie aus weiter Ferne; und es wurde daraus das Plätschern und Murmeln der kleinen Wellen eines Meeres, das sich lässig in der Sommernacht dehnt. Das lullte sie ein und sie schlief die ganze Nacht, ohne sich zu rühren.

Als sie am Morgen erwachte, lag der Per Hansen dicht an der Wand, vollständig angezogen; es sah aus, als hätte er sich soeben hingelegt. — Die Dämmerung fiel in die Stube, vor dem Bett lag ein weißer Haufen. Nein, o nein, diese Buben! Hatten die nun wieder einmal ihre Kleider auf die Erde geworfen! Sie wollte die Kleider auf die Bank legen und faßte hinein — und da war es ein neues Netz, aufgereiht und fix und fertig, ganz wie ein gutes Netz sein soll.

Der Arme! Da hatte er die ganze Nacht gestrickt! Sie deckte ihn behutsam mit der Felldecke zu. —

An dem Morgen griff die Beret ihren Weizenmehlvorrat an, um ihm einen Pfannenkuchen zu backen. Einen ausnehmend guten Bissen sollte er zu schmecken bekommen, ehe er sich wieder auf den Weg machte! — — —

Die Beret arbeitete an diesem Tage angestrengt und bewegte vielerlei in ihrem Sinn. — — — Es war wohl so für sie bestimmt! Es gab einen, der alles lenkte, — und der wußte auch, was er tat, und es nützte so wenig, mit ihm zu hadern! —

Sie mußte oft ans Fenster, um nach Osten zu schauen. Mit jedem Male wurde es dunkler und dunkler.

An dem Abend verhängte sie das Fenster wieder dicht. —

Das Gemüt, das die Sonne nicht einzulassen wagte

I

In den ersten Oktobertagen schwebten ein paar weiße Daunen in der Luft, — flatterten umher, — flogen ziellos —, sanken zuletzt im Bogen zur Erde und vergingen.

Die Luft wurde wieder klar. Es folgten etliche schläfrige Sonnenscheintage mit sattgelbem Dunst und lebloser Stille.

Die Sonne hatte keine rechte Gewalt mehr. Jeden Morgen stieg sie auf, glitt über den Himmel, jeden Tag weniger hoch; und erst am Abend, wenn sie sich dem Saum der Widde im Westen näherte, belebte sie sich. Dann wachte sie auf, wurde groß und feurig und bekam einen Glanz, der die Menschen zwang stehenzubleiben und aufzusehen. Dann schäumte und flutete der Westhimmel der kommenden Nacht mit verschwenderischem Reichtum üppiger Farben entgegen. — — Die Menschen sprachen dann nur leise miteinander. Wann hätte man je solche Abendsonne gesehen?

— Tagaus, tagein dasselbe. — Abend auf Abend das gleiche. — — Merkwürdig still war der Tag, der Abend noch geheimnisvoller stumm. — Da verging auch den Menschen jede laute Rede.

Aber dann eines Morgens — Oktober war schon halb vergangen — bekam die Sonne ihr Auge nicht mehr auf. Der Himmel lagerte über der Widde, dicht bepackt mit Grau und Stille. Es war zugig in dem Grau und doch kein Wind zu spüren. — Die Menschen suchten sich wärmere Kleidung heraus und froren doch weiter, als hätten sie nichts an. Blaßgrau und gottverlassen öde lag rings die Unendlichkeit.

Am Nachmittag begann es zu stiemen. Die Flocken segelten aus dem Norden herbei, die Luft füllte sich allmählich ganz mit einem endlosen Gewimmel von grauweißen Punkten, die alle in der gleichen Richtung steuerten. Der Abend dieses Tages war kurz und verlor sich in einer pechschwarzen Nacht, die wunderlich beschwerte.

— — Wieder wurde ein Tag, nur erhellt von dem Licht, das die weißgrauen Punkte gaben. Es schneite. Auch in der Nacht. — Endlich wurde es wieder hell. Der Tag kam heraus, — ohne Sonne. Kalt blies und fegte der Wind um die Ecken, faßte die weiße Decke und schüttelte blasse Wirbel daraus vor. Die Wirbel jagten davon und kamen zurück — — legten sich, rauchten auf, kreiselten weiter. — — Und immer neue kamen. — — Es waren ihrer so viele. —

II

Der Per Hansen und die Buben tummelten sich in den Tagen vor Winters Anbruch. Sie stürmten von Märchen zu Märchen. Rast gab es keine, weder tags noch bei Nacht. Die Beret schaute ihnen nach, wenn sie davonfuhren; und waren sie zurückzuerwarten, so ging sie mit dem Gössel auf dem Arm vor die Tür nach ihnen ausspähen und hatte auf dem Herd etwas Warmes bereit. Die froren jetzt gewiß, arme Mannsleut! — —

Wenn sie dann um den Tisch saßen und das Gespräch von Begebenheit zu Begebenheit hüpfte, dann vermochte die Mutter nicht zu folgen. Die frohe Lebendigkeit und der lachende Lärm der drei scheuchte ihre eigenen schweren Gedanken nur noch tiefer ins Dunkle hinein.

Und doch mußte sie einräumen, daß der Per Hansen sich auf ganz besondere Künste verstand. Niemals werde sie begreifen, wo er das alles gelernt. Da waren zum Beispiel die Wände, auf die er so strahlend stolz war und die der Große-Hans niemals müde wurde zu bewundern.

An die Wände hatte er sich gleich gemacht, nachdem er die Kartoffeln zu den Hallingen gefahren hatte. Den Kalk hatte er nach der Vorschrift gemischt und auf die Wände geschmiert und das in doppelter und dreifacher Lage. Jetzt leuchtete es im Innern der Gamme, daß einem fast die Augen weh taten. Solange noch nicht Schnee lag, hatte die Beret gefunden, es sei artig, in solcher Stube zu wohnen; als es aber draußen, soweit das Auge sah und der Gedanke reichte, weiß und nichts als weiß wurde, da meinte sie, es sei doch verkehrt gewesen, daß er‘s getan. Jetzt schmerzten die Augen draußen und drinnen. Der dunkle Lehmboden wurde zu dem einzigen, auf dem der Blick verweilen und ausruhen konnte. Die Beret sah jetzt stets zur Erde, wenn sie sich drinnen aufhielt.

— Darüber etwas zu sagen, ihm die Freude zu nehmen, nein, das brachte sie nicht fertig. — — Und es konnte ihr ja auch gleich sein. Sie hielt es wohl noch aus die kurze Frist, die ihr gegeben! —

Die vielen Fische aber, die der Per Hansen mit beiden Buben von einem großen Ausflug zum Sioux River mit heimbrachte, bereiteten ihr uneingeschränkte Freude. Und der Per Hansen hatte bei der Gelegenheit gleich bei den Tröndern vielerlei Merkwürdiges erörtert und manche wichtige Aufklärung erhalten. — Jetzt lagen längs der ganzen Hüttenwand gefrorene Fische, und der Per Hansen bewies der Beret, welch eine segensvolle Fügung Gottes es sei, daß der Schnee endlich da war. Du lieber Himmelt wäre der jetzt nicht gekommen, hätte er ihn geradezu holen müssen! Jetzt hätten sie den ganzen Winter über frische Fische.«

»Hei, Alte,« lachte er, wenn sie darüber klagte, daß es, seit der Schnee gekommen, so öde geworden sei. »Du kannst doch wohl begreifen, daß wir ohne den Schnee nicht aus noch ein gewußt hätten! — Hei, weiß und schmuck draußen wie drinnen! Möcht‘ wissen, ob man nicht auch mit dem Fußboden etwas anstellen könnt‘?«

Und jetzt kam es auch an den Tag, was der Per Hansen sich gedacht hatte, als er die Unmenge Salz gekauft: er salzte Fische ein in alle irgend entbehrlichen Gefäße.

Für die Buben jedoch war die Entenjagd mit dem Netz das herrlichste von allen Abenteuern. Während der Große-Hans und der Bruder bloß immer davon geschwätzt, hatte der Vater sich alle Mittel ausgedacht. Narrten die Enten ihn auf die eine Weise, dann übertölpelte er sie auf eine andere — ins Garn mußten sie. — Drei Nächte hatten die drei an den westlichen Sümpfen zugebracht und sich mit all dem Unrat, den Vögel hinterlassen, und den Unbilden der Wildnis und des Wetters herumgeschlagen. Bei Tageshelle kamen sie wieder heim, naß wie Krähen, verklammt am ganzen Körper und blaugefroren im Gesicht. Aber einen Fang hatten sie gemacht! — Kaum brach der Abend herein, so ging es wieder los.

Die Beret bat so bekümmert mit Worten und Gebärden, sie möchten doch nicht wieder hinaus; sie täten sich Schaden auf die Weise. Was sollten sie wohl mit all dem Geflügel? Sie könnten das gar nicht alles aufessen! — — Da mußten die Buben lachen. Das klang akkurat, als hörten sie die Sofie reden; die Weiberleut waren wohl alle gleich unverständig. Hatte man so etwas gehört — keine Enten mehr fangen!

Und der Vater lachte auch und scherzte mit der Mutter. O doch, sie müßten die Nahrung hereinholen, die ihnen gerad vor der Hüttentür lag. Vielleicht friere es schon heute nacht? — »Wart bloß ab, bis die Enten gerupft sind, dann gibt‘s ein feines Federbett sowohl für dich wie für Klein-Per!« — Der Per Hansen sagte das mit ganz weicher Stimme. — »Und im übrigen gibt es auch auf des Königs Tafel keinen größeren Leckerbissen als solche Enten!«

Aber er überzeugte sie nicht. »Wir haben‘s nicht vonnöten!« sagte sie kleinlaut und schwieg.

Die Dämmerung kam, die Mannsleut fuhren davon, und sie blieb mit dem Kind allein. —

Und dann war der Winter gekommen; die Sümpfe froren zu und mit dem Entenfang war‘s für dies Jahr vorbei.

Und jetzt hatte der Per Hansen Zeit, sich ein wenig zu strecken und zu verschnaufen.

»Ja, jetzt meine ich fast, wir tragen den Nachbarn ein wenig Suppenfleisch hin,« sagte er. »Diesmal soll‘s etwas anderes geben als Dachsbrühe!« — —

In der kleinen Siedlung waren alle in den Tagen vor Winters Kommen emsig bei der Arbeit. Sie ahnten sein Nahen und daß es am besten sei, sich zu seinem Empfang zu rüsten. Sowohl der Hans Olsen, wie Tönset‘n und die Solumbuben waren zum Sioux River nach Holz gefahren, zweimal sogar, und waren in der letzten Zeit wenig daheim gewesen. — Man besuchte sich gegenseitig nur selten; jeder war zu sehr beschäftigt. Übrigens suchten sie den Per Hansen überhaupt nicht allzuoft auf. Es war so sonderbar mit der Frau dort im Haus: wenig sagte sie; bisweilen empfanden sie es, als kämen sie ungelegen; sie ließ Worte fallen, über die sie sich wundern mußten.

An dem Tage aber, als die Buben die Enten in alle Hütten brachten und stolz auf die mitgebrachten Herrlichkeiten daneben standen und Dinge verlauten ließen, die sich wie Märchen anhörten, da gingen die Leute zum Per Hansen hinüber, um zu hören, wie er sich beim Vogelfang verhalten habe. Denn damit wollten die Buben nicht heraus, soviel man auch nachforschte. Die Solumbuben waren die ersten, Tönset‘n und die Kjersti ließen nicht lange auf sich warten; zuletzt kam auch der Hans Olsen und sein Weib.

Als sie aber erst in der Hütte standen, vergaßen sie die Entenjagd und starrten bloß die Wände auf und ab.

Nein, o nein, was war denn das! Hatten sie etwa Schnee an die Wände gekleistert? — Der Sam schien das wirklich zu glauben und tupfte daran. — »Was ist es denn aber sonst? Doch nicht Farbe? — Du große Welt, wie schmuck das ist!«

Der Per Hansen saß dabei, sog an der Pfeife und genoß seinen Triumph; er hatte, schien es ihm, die Nachbarn noch nie so lieb gehabt, wie zu dieser Stunde. — — Die Beret ging still umher und hörte zu, hatte heiße Backen und war ein wenig verlegen, — um keinen Preis der Welt hätte sie das mit den Wänden jetzt ungetan gewünscht!

Die Sörine lächelte hübsch und lieb und ging zur Beret und sagte warm: »Jetzt ist‘s doch richtig schmuck in deiner Stube. Sollst sehen, du wirst hier noch gedeihen,« und half ihr bei der Hausarbeit.

Die Kjersti aber klopfte sich die Schenkel: da könnt‘ einer sehen, was sie und die Sörfina für mäßige Männer bekommen hätten! Warum falle denn denen nicht etwas so Artiges ein? Warum saß denn nur dem Per Hansen der Kopf an der rechten Stelle? — Ihr Mann schnappte auch richtig ein; er müsse sie denn doch daran erinnern, daß er es gleichsam gewesen, der die Landsleute aus den Westfjorden eingefangen habe! »Auch weiß ich nicht, was diese Schrulle vom Per Hansen für einen Zweck haben kann; hier ist es, Gott strafe mich, bald so fein, daß man nicht mehr ausspucken darf!« Und Tönset‘n bedachte die Beret mit vorwurfsvollen Blicken; denn des Per Hansen Größenwahnsinn, der schrieb sich selbstverständlich von ihr her, die sich niemals dazu bequemen konnte, wie andre Leut zu sein.

Die Solumbuben hatten ihre helle Freude an den Wänden. Heirateten sie einmal, wollten sie‘s akkurat ebenso machen.

Der Hans Olsen sog an der Pfeife und spendierte nicht viel Worte. Er fand das alles bloß so sonderbar. Er fügte bedächtig die Einzelheiten zusammen, ohne sich einen Reim daraus machen zu können: Sah das dem Per Hansen ähnlich? Ihm, der sich bei jeder erdenklichen Gelegenheit Rat bei ihm zu holen pflegte? Der tat jetzt alles allein? Wenn der wußte, wie eine schwarze Erdwand mit so geringen Kosten weiß und schön zu machen sei, warum hatte er es dann für sich behalten? Hier draußen gab es wahrhaftig nicht allzuviel Behaglichkeit, so daß alle vorhandene und erreichbare allen zugänglich gemacht werden mußte. — Das große derbe Gesicht blickte ernst. Er mußte den Per Hansen immer wieder ansehen: Nein, das war noch das gleiche gute Gesicht, das man gern neben sich wußte! Das war wohl auch nur wieder so ein Schabernack, wie er ihn ständig im Kopf trug. — — Als die beiden eine Weile später vor der Tür dem fallenden Schnee zusahen, da meinte der Hans Olsen ruhig:

»Du hast‘s jetzt bei dir drinnen gar schmuck, Per Hansen; aber der, der deine Außenwände herrichtet, der macht das nun gleichwohl mindestens ebensogut. — Dünke dich nicht groß um deiner eigenen Findigkeit willen!«

»Ach Dreck, Hans Olsen,« lachte der Per Hansen, »was faselst du da! Komm jetzt und such ein paar Enten für die Sörrina aus!«

III

Es sei nur gut, daß der Winter gekommen war, fand der Per Hansen, denn wahrhaftig, jetzt müsse er eine Weile Winterschlaf halten.

Mittags verzehrte er seine tüchtige Portion Enten oder Fische, zündete sich die Pfeife an, streckte sich und sagte:

»Ja, jetzt haben wir‘s so gut, wie Menschen es überhaupt nur haben können, du Beretmutter!« Eine Antwort erwartete er nicht weiter, bekam sie auch selten genug. Nach dem Essen gönnte er sich einen tüchtigen Mittagsschlummer, schlief wohl auch gleich die ganze Nacht durch. — — Das Leben war sehr schön; freilich war es das!

So ging es ein paar Tage; das schlechte Wetter dauerte an. Der Per Hansen futterte tüchtig, beteuerte, wenn er satt war, von neuem, jetzt hätten sie‘s wahrlich gut, und schlief den Schlaf des Gerechten; — er konnte übrigens nicht begreifen, daß er trotzdem niemals ausgeschlafen hatte. — — Bisweilen machte er eine Runde ums Haus, beguckte sich das Wetter und die Nachbarhütten. Nein, draußen könnt‘ sich einer nichts vornehmen. Und da ging er wieder hinein, streckte sich und gähnte.

Die Tage verstrichen.

Ja, die Tage verstrichen. Der eine genau wie der andre. Und der Per Hansen konnte eines nicht begreifen: seines Wissens wurden die Tage jetzt kürzer, mit jedem Abend; aber — wurden sie nicht eigentlich länger?

Gewiß, sie wurden länger! — Zu guter Letzt waren sie so lang, daß er nicht mehr wußte, was er anstellen solle, um sie totzuschlagen. Er sagte sich zwar selbst, es sei alles schön und gut, und er müsse jetzt verschnaufen nach all der wirklich schweren Arbeit im Herbst, und es sei gar so prächtig, eine Weile den Herrenmann spielen zu dürfen, — und es werde sich schon geben, wenn mit dem Frühjahr das gute Wetter kam und sein großer Besitz zugesät werden mußte — nein, er müsse sich durchaus noch ein wenig ausruhen!

Aber die Tage wurden doch länger!

Es war nicht abzuleugnen, daß er anfing, sich zu langweilen. Draußen war es ständig dasselbe, schien niemals anders werden zu wollen. Graue Luft. Rauh und naßkalt. Schneefall und Schneegestöber. Er konnte gerade noch ahnen, wo des Hans Olsen Hütten lagen.

— — Draußen war nicht das geringste zu tun. Der Vorrat an zerhacktem Holz war reichlich groß; das Füttern des Viehs war bald gemacht. — — Ja, dann war also da draußen nichts zu besorgen.

Der Per Hansen setzte sich an den Tisch; er legte sich aufs Bett, wenn er vom Sitzen müde war; er versuchte, so lange zu schlafen, als es irgend ging, wachte auf, drehte sich auf die andre Seite und schlief weiter; stand auf und setzte sich an den Tisch, wenn ihm das Liegen zuviel wurde.

Die Zeit war einfach stehengeblieben! Etwas so Tolles hatte er noch nicht erlebt, — das war schlimmer als das schlimmste Wetterfestliegen auf dem Lofot!

Den Buben ging es nicht viel besser. Auch sie lungerten herum, — saßen, bis sie sich in die Haare gerieten und rauften, so daß der Vater aufstehen und Hand an sie legen mußte. Aber er verfuhr nicht allzu streng. Arme Buben, was hätten sie wohl mit sich anstellen sollen ? — — Die Mutter gemahnte immer an die Bücher. Der Vater sagte, ja freilich müßten sie lernen! In diesem Hause sollten keine Heiden aufwachsen! Und wenn es um ›das Buch‹ Auch in deutschen Bauerngegenden wird noch heute die Bibel als ›das Buch‹ schlechthin bezeichnet. ging, konnte er sogar hart werden. Aber — Buben blieben halt Buben, — er hatte es noch nicht vergessen.

Nein! So ging das unmöglich weiter. Er pfiff aufs Wetter, zog die Jacke an, hieß die Buben das gleiche tun und dann gingen sie an den Holzstapel. — Sie sägten und sie zerkleinerten; sie verstauten zunächst all das Kleinholz, das drinnen Platz hatte; darauf bauten sie ein lustiges Häuslein aus Klobenholz — — so hübsch und geschickt war das Häuslein! — und packten es voll. Das ging geradezu flott, obwohl das Wetter scheußlich kalt und unwirsch war. Sie arbeiteten vom frühen Morgen bis zum späten Abend, gaben sich nur wenig Zeit für die Mittagspause; die Buben fingen schon an, sich zu beschweren, bald könnten sie nicht mehr. — — — Der Holzstoß beschäftigte sie genau vier Tage, dann war der und damit die Außenarbeit zu Ende.

Und dann saßen sie wieder da.

Das Wetter hielt an: Ein kalter durchdringender Wind aus Nordwest blies von morgens bis abends und heulte des Nachts um die Hausecken. Schnee stiemte und Schnee fiel. — —

Keine Sonne. — — Kein Himmel. — — Der aschgraue Nebel, der so häßlich feuchtkalt war, umgab sie und bedeckte sie wie erstarrt.

Des Abends ging jetzt der Vollmond auf. Dann begann der Nebel zu leuchten und lebendig zu werden und war gar wunderlich anzusehen. Der Mond kam Abend für Abend.

Der Per Hansen dachte bei seinem Anblick: jetzt sind draußen gewiß die Trolle unterwegs? —

Eines Abends kamen Tönset‘n und die Kjersti herüber. Sie blieben lange plaudernd sitzen. Dem Syvert war es anzumerken, daß er mißgestimmt war; er rauchte zwar seine Pfeife, war aber mürrisch und betrachtete des Per Hansen Wände, und das wenige, was er vorbrachte, wurde unnötig laut geäußert.

Die Kjersti hielt sich an die Beret; beide saßen auf dem Bett und schienen ungemein viel miteinander bereden zu müssen.

Sie sei heute abend, sagte die Kjersti, eigens gekommen, um zu fragen, ob — ob — ja, ob sie der Beret nicht ein wenig aushelfen dürfe? Sie habe etwas Wollgarn daheim in der Lade, gar so weiches und feines Garn; nehme die Beret es übel, wenn sie für den Neuankömmling, den sie hier erwarteten, ein Paar Strümpfe strickte? Es sei schönes Garn, wirklich! Die Beret möge ihr glauben, die Zeit werde ihr und ihrem Piepmeier lang, die sie so allein in ihrer Hütte säßen und nichts Kleines erwarteten! Sie habe viel Garn und könne die Socken so lang stricken, daß zugleich Hosen draus würden. — Die Arbeit werde kurzweilig sein für sie; ja, auch für den armen Syvert, der kein Kleines bekam!

Ach ja, Gott helfe, der Syvert sei ja an sich recht brav, — da fehle nichts! — Und der Kjersti fiel dabei eine Geschichte ein, die sie einmal gehört, von einem Paar, das sich so sehr ein Kind gewünscht. Die Frau habe nicht besseren Verstand gehabt, als daß sie bei einem Zauberweib Hilfe gesucht und von ihr sowohl Teufelsdreck wie auch Bibergalle bekommen habe; sie habe es sich sowohl außen auf geschmiert, wie auch in sich hineingeschluckt; aber es wurde doch nicht anders mit ihr, nein! — Nicht eher, als bis eines Sommers der Hering in die Bucht geschwärmt kam und mit ihm zugleich viele fremde Schleppnetzfischer. O ja, die Sehnsucht brennt, wenn sie erst da ist! »Aber willst du glauben, daß der Mann das Kind ebenso lieb gewann, als sei er der rechte Vater? Ja, ist das nicht merkwürdig? — Aber als der Bub gut ein Jahr alt war und sie ihn am Sonntag zur Taufe in die Kirche bringen wollten, ja, da war solch ein Unwetter, daß sie, als sie in den Fjord hineinsegelten, umschlugen; und da nahm der Herrgott Mutter und Kind zu sich — nahm sich wieder, was er verweigert hatte zu schenken und nahm obendrein mehr!« Sie habe die Leut sogar recht gut gekannt.

Die Beret hörte aufmerksam zu und kam mit der Nachbarin in ein lebhaftes Plaudern. —

Die Männer am Tisch waren zuletzt auch der Erzählung gefolgt.

Der Per Hansen warf dem Syvert lachend einen Blick zu, der Syvert schaute wieder die Wände auf und ab und sagte hitzig:

»Du solltest lieber über Amerika plaudern, Kjersti; mit dem Trollwesen drüben in Norwegen haben wir jetzt abgeschlossen!« Er erhob sich zum Gehen.

Aber davon wollte der Per Hansen nichts wissen. Wenn sie nun doch schon dem Unwetter getrotzt hätten, sollten sie auch noch eine Weile bleiben: »Und heimwärts hast du Mitwind, Syvert!« —

Eines Nachmittags kam der Hans Olsen mit seinem ganzen Hausstand zu Besuch. Sie blieben bis zur Dunkelheit, ließen etwas davon fallen, daß sie nun wohl bald an den Heimweg denken müßten, machten aber keine Anstalten zum Aufbruch. — — Die Sörine hatte ein Geschenklein für die Beret mitgebracht. Sie habe einige Stoffreste liegen gehabt, mit denen sie nichts anzufangen gewußt. In dieser Zeit des Jahres sei es so langweilig, daß sie sich etwas zu tun suchen müsse; und da habe sie halt etwas für den Ankömmling, auf den sie alle miteinander warteten, genäht. Und die Sörine zog aus dem Busen ein Kinderhäublein; es war aus weißen und roten und blauen Streifen zusammengesetzt, hatte lange Seidenbänder und war mit großer Sorgfalt genäht. Es war ein hübsches Stück. Alle mußten sie das Mützlein bewundern; die Freude war groß und das Lob floß reichlich. — Die Beret sagte am wenigsten; sie nahm mit feuchten Augen die Mütze entgegen und legte sie vorsichtig in die große Lade.

Heute abend war es die Beret, die durchaus, nichts davon hören wollte, daß die Gäste schon gingen. Sie war hartnäckig und entschieden. Hier lägen doch so viele Eßwaren herum, — mehr als sie selbst verzehren könnten! Die Gäste müßten ihnen unbedingt helfen, etwas davon zu vertilgen! — — Das freute den Per Hansen ungemein. Es verhalte sich gerad, wie die Beret sage, sie hätten übergenug, und mehr noch schwimme im Sioux River herum; der heutige Abend müsse durchaus mit frischen Fischen gefeiert werden! — Er lief hinaus nach Gefrierfisch und zerlegte ihn selbst. Und das war akkurat wie auf dem Lofot, und er war wieder bei bester Laune.

Alle fanden es an diesem Abend gemütlich.