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Kitabı oku: «Das Schweigen der Prärie», sayfa 15

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IV

Nein, die Tage nahmen kein Ende! — — — Und sie waren erst in der Mitte November! Dem Per Hansen schien, er habe bereits mehrere Winter lang am Tische gesessen, an der Pfeife gekaut und der Beret zugesehen.

Ja, er sah der Beret zu. In den letzten Wochen war ihm mancherlei aufgefallen, was er vorher übersehen. Kleinigkeiten zwar; aber es waren ihrer so viele. Seit er hier saß, ohne auf eine Arbeit kommen zu können, verknüpften die Gedanken, was er sah, und legten es zusammen, vorsichtig und langsam. Und die Summe gefiel ihm immer weniger. — Er versuchte es abzuschütteln, in den Wind zu schlagen. Und es glückte ihm anfangs. Herrgott, alles bloß Kleinigkeiten, wie sie unter solchen Umständen leicht vorkommen! O nein, keine Gefahr, daß die Beret, sie, den Strauß nicht bestehen werde! — Denn das war ja nur ein Naturgesetz, das zu erfüllen dem Menschlein bevorstand. — — Es lag wohl alles nur daran, daß ihr so graute, der Ärmsten? —

Aber sie wiederholten sich, diese Kleinigkeiten; und es waren ihrer so viele. Der Per Hansen vermochte sie nicht wegzudeuten.

War sie diesmal nicht auch viel magerer als sonst, — oder täuschte er sich? — Sie sah nicht gut aus — nein — — —. Warum aß sie nicht reichlicher? Großer Gott, sie sparte sich doch wohl nicht etwa das Essen vom Munde ab ? Sie hatten ja doch haufenweise Vorräte! Fisch und Fleisch und nicht wenig Mehl. Sie sollte, bitt‘ schön, zugreifen, seine Gold-Beret, sonst würde er einmal zu einem anderen Tanz aufspielen! — Eines Tages bei Tisch sagte er zu ihr, sie dürfe doch nicht so tun, als sei sie in ihrem eigenen Hause zu Gast. Er sprach derb und entschieden: sie solle sich gefälligst auftun, wie es sich für einen erwachsenen Menschen gehöre! »Greif zu, Alte!« Und damit faßte er in die Schüssel und legte ihr ein großes Stück Fisch auf den Teller. — Sie pickte daran herum und ließ es liegen.

»Jeder Bissen fällt einem schwer,« sagte sie.

»Aber du kannst doch wohl einsehen, daß du essen mußt, — sowohl für dich selbst wie für —«

»O ja,« sagte sie und stand vom Tische auf, »mit dem Essen geht‘s schon noch.« —

Jetzt fiel ihm auch auf, daß sie des Nachts viel wach lag. Er schlief gewiß immer vor ihr ein, und morgens war sie schon wach, wenn er sich rührte, obwohl er ein Frühaufsteher war. Erwachte er nachts, so konnte er eigentlich immer damit rechnen, auch sie wach zu finden. — — Eines Nachts weckte sie ihn. Sie saß aufrecht im Bett, hatte gewiß geweint, — er konnte es der Stimme anhören. Und dann war es nur, daß sie ihn bat, doch einmal nachzuschauen, was dem Großen-Hans fehle; er habe die ganze Nacht gewimmert, sagte sie. — Der Per Hansen hatte es sogleich getan; aber dem Buben fehlte nichts. — — In der Nacht wurde ihm gründlich angst; denn als er sich wieder legte, begann sie verzweifelt zu weinen. In dem wenigen, was er aus ihr herausbekam, konnte er auch nicht viel Sinn finden. — Seither scheute er sich, lieb zu ihr zu sein; er merkte, daß dann das Weinen erst recht kam. Und das war kein gutes Zeichen!

Er beobachtete die Frau den lieben langen Tag und wurde immer besorgter um sie.

Sie, die so säuberlich war und allem, was sie sich anzog, ein so hübsches Aussehen zu geben verstand, ging jetzt schlampig umher und mochte sich nicht mehr ordentlich halten — ja, jetzt sah er auch das! Selten, daß sie sich das Gesicht wusch. Und das Haar, das schöne Haar, in das er so vernarrt war und mit dem er so gern spielte, wenn sie wohlgelaunt war, das hing jetzt in struppigen Flechten herab. Waren es nicht bereits zwei Tage, daß sie es sich nicht aufgesteckt hatte ? — — Nein, er getraute sich nicht, darüber etwas zu sagen. Wie konnte er wohl mit der Beret darüber sprechen, sich sauber zu halten, mit ihr, die so peinlich mit allem war, daß sie ihn oft schalt, weil er so gleichgültig und nachlässig mit seinem Äußeren sei? — — Nun, nicht als ob sein Beretmädel nicht hübsch genug sei, nein wahrhaftig nicht!

Aber als er sie eines Tages so unsauber vor sich sah, stand er plötzlich auf, ging zum Fenster, sah hinaus und sagte dann:

»Ich glaube fast, du mußt dir dein Haar machen, Beretmütterlein. Ich habe so das Gefühl, als kämen heute Gäste.«

Da schaute sie ihn erschreckt an, wurde brennend rot und ging zur Stube hinaus. — Er hörte sie im Stall. Sie blieb dort lange, und er konnte nicht begreifen, was sie sich dort um diese Tageszeit vornahm. Er war verwundert und beunruhigt. Als sie wieder hereinkam, wagte er nicht, sie anzusehen. — Aber dann fing sie an, sich hübsch herzurichten; sie wusch sich, löste die Flechten auf, kämmte sich und steckte das Haar schön auf. Sie ließ sich auch zu allem gute Zeit. — — Er mußte ihr durchaus dabei zuschauen. Er legte seine ganze Seele in den Blick, sah sie bloß immerwährend an; jetzt hätte er ihr gar zu gern etwas recht Schönes und zu Herzen Dringendes gesagt! Aber sie sah nicht zu ihm hin und da wagte er‘s nicht. Die beiden Buben saßen übrigens auch in der Stube.

Den übrigen Teil des Tages war ihm froher zumute als seit langer Zeit. O, jetzt wurde sie bestimmt allright, seine Beret, — ja — sie war ja doch allright; da fehlte nichts! —

Aber — es kamen der Tage mehr; der Per Hansen wußte sich nichts vorzunehmen, guckte die Frau an, guckte und guckte und sah schließlich nur noch lauter Verkehrtheiten.

So wortkarg und verschlossen war sie doch keines der anderen Male gewesen ? — Er plauderte mit den Buben von der Zukunft, versuchte auf jede Weise, die Frau mit ins Geplauder zu ziehen, und es glückte ihm nicht! Und er fühlte: es lag nicht etwa daran, daß sie nicht wollte, sondern sie war es nicht imstande! Der Schmerz darüber zerrte an ihm wie ein Hungern: Großer Gott, war sie denn so entkräftet! Und dabei konnte sie noch nicht einmal tüchtig essen! Da saß die Beret keine vier Schritt ab und war gleichwohl ganz weit weg. Er redete mit ihr, richtete das Wort jetzt nur an sie und konnte sie doch nicht dazu bringen, den Zauberring zu übersteigen, der sie umgab. Als er das entdeckte, hätte er aufschreien mögen vor Weh.

Und dann war es auch das, daß die handgreiflichsten Dinge ihr völlig entglitten. Er hatte es schon mehrere Male gesehen, es aber nicht weiter beachtet; aber es wiederholte sich. Sie konnte soeben etwas beiseite gelegt haben und gleich darauf danach suchen. Und der Gegenstand lag, wo sie ihn hingelegt. — Das geschah, wie gesagt, oft. Bisweilen mußten er und die Buben miteinander über sie lächeln. — »Ich meine fast, deine Augen sind dir im Weg, Mutter!« rief der Große-Hans und lachte so herzensgut, daß er die anderen ansteckte. Aber der Per Hansen merkte bald, daß sie dieses Lachen nicht mochte.

Eines Tages suchte sie nach der Schere, obwohl sie sie in der Hand hielt. Die andern mußten ihr schließlich helfen. Plötzlich entdeckte der Ole die Schere in der Hand der Mutter, lief hinzu und riß sie an sich; der Bub schrie vor Lachen. Da brach sie in heftiges Weinen aus, legte alles zur Seite und ging sogleich zu Bett. — Die andern hatten ein unheimliches Gefühl, alle drei.

Und zuzeiten konnte sie gegen alle ungewöhnlich zärtlich sein — besonders gegen den Per Hansen. Ihre Fürsorglichkeit für ihn hatte dann etwas rührend Kindliches, und sie konnte sich weder für ihn noch die Kinder genug tun. Doch diese Stimmung schien dann so leicht zerbrechlich zu sein, daß er nicht wagte, daran zu rühren. — Und dennoch war er froh, wenn diese Laune kam.

Natürlich wurde sie, hinterher, wieder allright! — Und jetzt konnte es nicht mehr gar so weit bis dahin sein! —

V

Der Winter ließ nicht mehr locker, als er erst Fuß gefaßt. Das Schneetreiben tummelte sich gewaltig unter dem niedrigen Himmel, wühlte die Luft zu einem einzigen Wirbel zusammen, fegte mit argem Reiserbesen über die Ebene, rührte ein Gestöber auf, daß man die Augen nicht aufmachen konnte. — — —

Kaum klärte es auf, so zwängte sich der Frosthauch auch durch die winzigste Ritze und hinterließ seinen weißen Dunst. Der Atem stand, kaum daß er den Mund verlassen, gefroren in der Luft. Faßte man Eisen an, blieb ein Stück Haut daran hängen.

Aber bisweilen schob sich dazwischen ein leuchtender Sonnenscheintag. Dann lag die Riesenebene in funkelndem Glitzern von Myriaden Diamanten. — Das war so stark, daß es das Sehvermögen betäubte: wo es nichts gab als leuchtendes Weiß, sah das Auge nur schwarz.

Der Abend, der trollstille Abend, schöner als je ein Kindertraum ihn erfunden! — — — Im Westen sank ein flammendes Antlitz auf ein weißes Lager, steckte es in Brand, in Strahlenbrand, in Goldbrand, der die einzelnen Himmelszonen überflutete. Der Brand ergriff die vielen hunderttausend Millionen Diamanten und ließ sie in gelben, roten, grünen und blauen Flammen aufleuchten. — — —

Diese Abende enthielten Gefahren für jederlei Menschengemüt. In das gesunde legten sie lärmendes Lachen: wer hatte wohl je solche Mondnacht erlebt? — — — In dem Kranken aber weinte es, weinte hoffnungslos. Denn das war nicht mehr Leben, das war die Ewigkeit selber. —

Der Per Hansen hockte in seiner Gamme, aß, sog an der Pfeife, beobachtete angstvoll die Frau und wußte nicht aus noch ein. — Wo hätte er wohl hin gesollt? Es ging doch auch nicht an, die Nachbarn zu besuchen, wenn es daheim so elend stand. — Aber seine Gereiztheit nahm zu; es wurde ihm immer schwerer, die Fäuste feiern zu lassen. Es konnte ihn bisweilen solche Lust ankommen, die Beret, seine prächtige Beret, auf den Schoß zu nehmen wie ein unartiges Kind — jawohl, akkurat so! — und ihr Vernunft zuzusprechen. Denn das war nicht rechtschaffen von ihr gehandelt! Freilich hatte sie‘s jetzt nicht leicht, aber das ging doch einmal vorüber. — Und schau, die Plage lohnte sich wenigstens, war etwas, zu dem ein erwachsener Mensch sich frei bekennen konnte! Und sie hatte dazu noch ihre gesamte gewohnte Hausarbeit zu betreuen. Aber er? Ja, er durfte bloß dasitzen und zuschauen! — —

Nein, das war wohl auch verkehrt gedacht. Er wurde es nur so schauderhaft überdrüssig, hier herumzusitzen und zu warten! Sonderbar auch, daß sich das so lange hinauszog? Es mußte doch fast an der Zeit sein? — —

Er überlegte sich jetzt oft den Namen. Und das stand sogleich bei ihm fest: wurde es ein Dirnlein, sollte es Beret heißen, — das war ausgemacht! Kam sie aber mit einem Buben zu ihm, da wußte er noch nicht so recht? Er versuchte es mit zwei Namen, aber — nun ja, er mußte halt zusehen. — — Kam sie bloß erst mit dem Kinde, dann wollte er‘s mit den Namen schon schaffen!

Er kam sich so jämmerlich vor und fühlte sich geradezu unpäßlich, wenn er um die Hütte herumkroch. — — Wenn er noch geschwind einen Ausflug zu Sioux River machen könnte — es kam über ihn wie eine Versuchung — zu den Tröndern! Das bißchen Kälte war doch nichts! Der Weg war lang, gewiß! Aber er wollte ihn schon hinter sich bringen. Hatte er nicht ein Fünftehalbschottboot mitten in der schwärzesten Winternacht vom südlichen Helgeland bis nach dem westlichen Lofot sicher geführt? Dagegen war das hier ein Nichts. — Und bei den Tröndern, die alteingessen waren, konnte man so vielerlei erfahren. Es war doch merkwürdig, was sie ihm letzthin von den Indianern bei Flandreau und ihrem Pelzhandel erzählt hatten.

Aber das alles hatte ja keinen Sinn. Hier quälte sich die arme Beret mit dem, was auf ihr lag, und dem, was ihr bevorstand, und er durfte nur noch an sie denken.

Und der Per Hansen dachte an sie. — Ihm war aufgefallen, daß sie die Kälte schlecht vertrug; sie klagte nie, aber er sah es. Er sorgte jetzt selber für den Herd, hielt ihn fast den ganzen Tag über auf Rotglut. Dennoch war die Stube in der grimmigsten Kälte nicht genügend erwärmt. Der Lehmboden war immer kalt, und die Beret hatte kälteempfindliche Füße.

Da kam der Per Hansen eines Tages auf etwas, was ihm große Freude und Zerstreuung brachte. Während er und die Buben sich mit dem Holz zu schaffen machten, hatte er die größten astfreisten Stücke ausgesucht und sie viereckig zurechtgeschnitzelt, sie darauf zum Trocknen hinter den Herd gelegt; er wollte diesen Winter etwas recht Schönes daraus machen. — Jetzt suchte er sich die besten aus und fertigte ein Paar echter norwegischer Holzschuhe für die Beret, — er wußte, wie angenehm warm die halten, solange sie neu sind. Er war lange im Zweifel wegen des Oberleders gewesen. Aber dann schnitt er kurzerhand eine Ecke von der Felldecke ab, schor die Wolle kurz und machte daraus die Schuhdecken. Er setzte alles hübsch und nett zusammen und war nicht wenig stolz darüber. — Als er fertig war, trug er sie zur Beret und tat sie ihr an die Füße.

Sie war über das Geschenk gerührt, das sah er deutlich; aber dann sagte sie etwas, das sie, fand er, besser ungesagt gelassen hätte:

»Darauf hättest du früher kommen sollen. Jetzt bin ich schon den ganzen Winter mit kalten Füßen herumgegangen.« Die Worte fielen leise, es lag auch keine Anklage in ihnen, — sie sagte sie nur.

Aber da ging er stracks aus der Stube, blieb vor der Türe stehen, sah lange in den Abend hinein. — — Es spielte dort draußen. — — Dort war nicht Ruhe. — — Rief ihn nicht etwas? —

Der Per Hansen verspürte solchen Zwang zum Weinen. —

VI

Und eines schönen Tages riß dem Per Hansen die Geduld. Er geriet in einen Zorn, der ihn selber erschreckte, streckte die Hand aus, faßte etwas, und es zerbrach unter dem Griff.

Einer der Solumbuben gab den Anlaß. — Der Henry kam eines Vormittags herüber, trat in die Hütte und schwätzte lange, als läge nichts weiter vor. Der Per Hansen freute sich über den Besuch und nötigte ihn zum Bleiben. — Als der Henry sich endlich zum Gehen erhob, fragte er den Per Hansen, ob er ihre Kuh nicht bis zur Frühjahrsbestellung in Kost nehmen wolle. Die Kuh werde im Januar kalben, er also dabei nichts verlieren; Heu sei mehr als genug vorhanden. Der Henry fragte zaudernd und ohne aufzublicken; es war geradezu, als schäme er sich, sein Begehren vorzubringen.

Der Per Hansen zwinkerte mit den Augen; das war so hübsch von dem Henry! Mehr an die Beret und die Kinder zu denken als an sich selbst! Das war so hübsch, daß er es kaum begriff. — Nein, keineswegs könne er solch ein Angebot annehmen! Freilich sei es bei ihnen nicht flott bestellt mit der Milch; aber sie hätten gelernt, sich auch ohne sie gut zu behelfen. Sie äßen halt Suppe statt Mus, und da ginge es. — Nein, er wolle den Solumbuben den Tropfen Milch nicht nehmen, da sie ihn einmal hätten!

Der Henry schaute verlegen zu Boden, wußte augenscheinlich nicht, wie er sich seines Auftrags entledigen solle.

Oh, so war es eigentlich auch nicht gemeint gewesen, sagte er. Er und der Bruder hätten sich einen Schlitten gezimmert; den gedachten sie jetzt zu probieren. — Die Kuh könne nicht zurückbleiben, wenn sie fuhren.

Da lachten Per Hansens Augen; er beugte sich über den Tisch, redete eifrig und geschwind: Nein, blas‘ es der Kuckuck! Wollten sie etwa nach Sioux River? Wie? Ja, denn die Fahrt, die wollte er grausam gern mit ihnen mitmachen! Könnten sie nicht ein wenig auf ihn warten, bis er fertig sei? — Er warf einen geschwinden Blick auf die Frau.

Es sei auch nicht akkurat das, gestand der Henry und wurde noch verlegener. Die Eltern lebten allein im Osten von Minnesota — — und da hätten er und der Sam davon geredet, daß es vielleicht das beste für sie beide sei, sich nach Osten zu trollen und mit den alten Leuten Weihnachten zu feiern. — Es sei hier so einsam für sie — und jetzt ohnehin schwärzester Winter. Sie wollten zurückkommen, sobald es im Frühjahr wegsam geworden. — — Wolle er ihnen den Dienst erweisen, die Kuh zu übernehmen?

Erst war es, als erloschen in Per Hansens Gesicht alle Lichter; dann aber entzündeten sich mit einmal mehrere zugleich, und es fauchte und zischte aus ihnen.

»Dann nimm du nur dein altes Kuhgerippe mit, du Henry! Wir wollen deine Milch nicht!« Es zuckte um Pers Mund.

Well, meinte der Henry ruhig, nehme der Per es auf die Weise, müsse er sich wohl bei anderen umtun; aufnötigen wolle er niemandem die Kuh! Fand sich kein anderer Ausweg, müsse sie geschlachtet werden; denn mitnehmen könnten sie sie unmöglich. Und damit ging er.

Und jetzt war das Unwetter losgebrochen. — Die Buben saßen am Tisch, jeder mit einem Stück Kohle; sie zeichneten Ponys und Indianer auf die Tischplatte; die vom Großen-Hans sollten mit denen vom Ole Krieg führen; die Buben waren so in ihr Spiel vertieft, daß sie kaum merkten, was in der Stube vorging. — Die Beret flickte beim Herd und hatte das Gössel neben sich; das Kind versuchte sich an einem kleinen Läppchen mit Nadel und Faden. — — Der Per Hansen stand am Fenster und sah hinaus.

Da sagte die Beret in ihrer stillen Weise und ohne aufzusehen, sie finde es nicht so sonderbar, daß die Solumbuben weg wollten. Wozu sollten sie hier in der Wüstenei bleiben?

Es war, als hätte jemand plötzlich den Per Hansen gestochen, so fuhr er herum und blitzte die Frau mit harten, funkelnden Augen an.

Nein, sagte er schneidend, wenn diese Kerls Männer und nicht bloß verdammte Läuse wären, fänden sie sich freilich etwas zu tun!

Es trat Stille ein nach diesem Ausfall; er ließ sich schwer auf die Bank fallen. — Aber dann brauste er wieder auf:

Pö, zu tun, — zwei kräftige Mannsleut! — Da lag die leckerste Schlittenbahn vor ihnen, die man sich wünschen könne. Wären die beiden erwachsene Burschen und nicht die reinen Säuglinge, machten sie sich jetzt daran, Zimmerholz zum Hausbau anzufahren! Wenn er nicht hier gerad wie ein altes Weib zu sitzen genötigt wäre, hätte er jetzt genug Zimmerholz daheim zu dem prächtigsten Herrenhof und vielleicht sogar angefangen zu bauen! Sei sie wirklich der Meinung, hier sei nichts zu schaffen?

Die Worte rasselten in dem Stüblein wie eine Feile in einem Sägeblatt.

Wieder trat Stille ein. Er stand auf und steckte sich die Pfeife in den Mund, zündete aber nicht an; er wußte nicht, was er tat.

Sie war‘s, die das Schweigen wieder brach, und obwohl die Frage ganz ruhig klang, schnitt sie tiefer ein als sein Ausfall:

Warum tue er es denn nicht? fragte sie.

Brauche sie das zu fragen? schäumte er. Sei sie etwa in dem Zustand, daß er das Haus verlassen könne?

O, sie sei doch wohl in keinem schlechteren oder besseren Zustand, als in den er sie gebracht, antwortete sie. Und jetzt sprach auch aus ihren Worten Hitze. — Aber ihretwegen dürfe er nicht daheimsitzen, setzte sie noch hinzu.

Da schlug der Per Hansen mit der Faust auf den Tisch, daß es krachte. Die Buben bekamen es mit der Angst, rückten weg, — sie hatten ihn noch nie so gesehen; er sah aus, als könne er im nächsten Nu nach der Mutter schlagen. Das Gössel warf ihre Näharbeit der Mutter in den Schoß, steckte die Hand in den Mund und schrie wie am Spieß.

»Du schwätzest gerad, wie du Verstand dazu hast, — — — ja, weiß Gott!«

Er sah eine Mütze irgendwo an der Wand, griff sie, rannte zur Tür und fuhr zur Stube hinaus.

An dem Tage hielt er sich die ganze Zeit draußen auf. — Aber ehe es Abend wurde, hatte er für jeden der Buben ein Paar Skier hergestellt; die waren zwar recht klobig, aber nicht schlechter, als daß sie sich brauchen ließen. Die Buben rissen vor Freude die Augen auf, wagten aber noch nicht, dem Vater in die Nähe zu kommen. — — — Als er endlich am Abend hereinkam, stand das Essen bereits auf dem Tisch. — Die Beret hatte sich gelegt.

Sobald er gegessen, sagte er den Buben, er habe heute abend beim Olsen etwas zu besorgen; er wisse nicht, wann er heimkomme; bleibe er lange, sollten sie sich legen. — Nein, sie dürften nicht mit!

Er warf einen Blick auf das Bett und ging.

Beim Hans Olsen rief er die Sörine zu sich vor die Tür und bat, sie unter vier Augen sprechen zu dürfen; und jetzt war er verschämt und sonderbar, versuchte es hinter Scherz zu verbergen; aber es wollte nicht recht gelingen. — — — Er bat die Sörine inständig, ob sie nicht so freundlich sein wolle und nach der Beret sehen, — ja, es sei das beste, sie täte es sogleich!

Stehe denn etwas bevor? wollte die Sörine wissen.

Nein, nicht akkurat auf die Weise; — obwohl es jetzt gewiß an der Zeit sei. Aber die Sörine könne glauben, es sei fürwahr nicht so kurzweilig für die Beret, die allein sitze und nicht zur Tür hinauskönne. Weder sehe sie Leut, noch höre sie Leut!

O ja, sie ginge gern hinüber!

Könne sie nicht sogleich gehen ?

Sei es denn so erschrecklich eilig? Dann sei es das beste, daß er sogleich auch die Kjersti hole, — denn den Job wolle sie nicht allein übernehmen!

Nein nein. — Nein, darum handle es sich nicht!

Die Sörine zog sich an, kam wieder heraus und war bereit. — Er begleitete sie ein Stück des Wegs.

Wolle er denn mit? blieb sie stehen, um zu fragen.

Nein, das gerade auch nicht; er habe heute abend noch viel mit dem Hans Olsen zu bereden. — Es sei nur das, daß sie sich so gut auf alles verstehe, und deshalb müsse sie gut nach der Beret sehen. — Und sie dürfe sich diesmal nicht beeilen!

Sörines gutes, verständiges Gesicht schaute ihm gerade in die Augen: »Ich kann hören, daß du heut abend recht sehr in Angst um dein Weib bist, Per Hansen. Das ist hübsch von dir, will ich dir sagen!«

»Gott segne dich inniglich für deine Worte, Sörine!«

Der Per Hansen fühlte sich wie wiedergeboren, vermochte aber nicht aufzublicken. »Ich will dir etwas sagen, Sörrina! Ich bin nicht halb so bange um ihretwillen, als um meiner selbst willen. —Heute hätte ich beinahe Hand an sie gelegt; ja, solch ein feines Mannsbild bin ich, — jetzt weißt du‘s! — Und jetzt geh!«

»Dafür verdientest du eine Tracht Prügel, Per Hansen!« lachte sie, war aber gleich wieder ernst: »O ja, das Leben kann einen jeden von uns einmal hart ankommen. — Jetzt laufe ich gleich hinüber. Du brauchst dich heut abend nicht zu sputen. Bedürfen wir deiner, schicke ich den Ole.«

Der Per Hansen blieb im Winterabend stehen und sah der davoneilenden Gestalt nach, bis sie verschwand — — Nein, solch ein Prachtmensch! Die könnte dreist sowohl Pastor wie Seelsorger sein, die Frau!