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Kitabı oku: «Das Schweigen der Prärie», sayfa 28

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VIII

Es regnete am Montag, es regnete am Dienstag; aber doch nicht schlimmer, als daß der Hans Olsen am Bau arbeiten konnte; er hatte jetzt zwei Tischler zur Hilfe, und das Werk schritt rüstig vorwärts. Der Tag sei schon vorbei, ehe er noch recht begonnen, meinte der Hans.

Und das war nicht so verwunderlich, denn er brummte vor sich hin vom Frühmahl bis zum Nachtessen; dieses Gebrumm war als Gesang beabsichtigt, nur daß es recht gemächlich vonstatten ging, geradeso wie der Hans sich selber bewegte; aber von der Stelle kamen beide.

Ja, jetzt baute der Hans Olsen, baute ein Haus. Und er sang zur Arbeit. Und es wurde ein hübsches Haus, und größer — weit größer — als er es sich anfangs gedacht; das Haus bekam eine große Küche, Eßstube wie auch Wohnstube und fünf Schlafzimmer, drei oben und zwei unten!

Wegen der unteren Schlafzimmer war es zwischen ihm und der Sörine zu einigem Akkordieren gekommen, nicht etwa gerade zu Unstimmigkeiten, aber — sie hatten also unter vier Augen darüber gesprochen. Es war nicht des Hans Olsens Art zu schimpfen, und die Sörine sah ohnehin immer freundlich aus, selbst bei der schlimmsten Verärgerung; von einer ausgesprochenen Uneinigkeit konnte hier also nicht die Rede sein. Aber — sie hatte auf dem Ihren bestanden, nämlich, daß unten ebenfalls ein Schlafzimmer vorhanden sein müsse, ohne Rücksicht darauf, wieviel sie oben bekämen. Und alldieweil er aus diesem Grunde dadurch genötigt war, unten einen Anbau zu machen und sie bereits drei solche Zimmer im Obergeschoß hatten, war ihm das als pure Verschwendung erschienen. Und sie war doch sonst keineswegs verschwenderisch — nein, gar nicht! — und darum hatte er versuchen müssen, sie davon abzubringen.

Aber es war ihm halt nicht gelungen. Und da hatte er denn nachgegeben. Und wenn er nun schon doch den Anbau machen müsse, so, meinte er, könne er gerade so gut gleich quer über das ganze Haus bauen! So also ging es zu, daß unten als Draufgabe gleich zwei Zimmer mehr entstanden. Das war überaus unklug, gewiß, — aber getan ist getan, und jetzt stand das ganze Haus unter Dach.

Der Hans Olsen war immer der Meinung gewesen, er habe eine gute Frau bekommen, und gerade jetzt gab es nichts, was er nicht gern für sie getan hätte. Seit diesem Frühling trug sie ein Kind, und er fühlte es in sich: diesmal wurde es ein Bub. Seit dem Augenblick, daß sie es ihm anvertraut, war er in einer Freude herumgelaufen, die ihm schier den Atem beklemmte. — Wäre nicht das mit ihr eingetroffen, wäre wohl auch dies Jahr nichts aus dem Bauen geworden. Auf die Fahrt aber sollte sie nicht in der alten Gamme! Das war sein erster Entschluß gewesen, als er wieder recht zur Besinnung kam. Und wenn ihr nun soviel darum zu tun war, unten das Zimmer zu bekommen, dann sollte sie es auch haben, — so sinnlos es freilich war!

Der Hans Olsen sah jetzt jeden Tag, wie sich alles so gut für ihn fügte, und darum war er so fröhlich. Die Herde vermehrte sich mit jedem Jahr; er legte dauernd neuen Acker unter den Pflug; auch mit der Heuschreckenpest nehme es gewiß einmal ein Ende, — das sagten wenigstens alle vernünftigen Menschen. Hier rundum, wo im ersten Jahr nicht ein Mensch zu erblicken gewesen, wuchsen jetzt große Dorfschaften auf; guter Boden war das, und Sonne und Feuchtigkeit reichten aus. Und jetzt baute er einen Gutshof für den, der unterwegs war! Der Hans Olsen war ein kluger und besonnener Mann, aber er hätte am liebsten noch zwei weitere Zimmer angebaut, bloß um seine Dankbarkeit zu beweisen. —

Er hatte den Pastor letzten Sonntag predigen hören und war mit jedem Satze froher geworden; er war nur ein einfacher Mann und hatte sich um das, von dem der Pastor gesprochen, nicht sonderlich gekümmert. Aber das wußte er: so schön wie in des Per Hansens Gamme am letzten Sonntag während des Gottesdienstes war es in seinem Leben noch nicht gewesen. Mocht‘ nicht viel dran fehlen, daß das schon das große Wunder gewesen war, von dem der Pastor erzählt hatte; er trug das Gefühl noch immer in sich.

Als aber der Per Hansen und die Beret vor der Lade knieten, da hatte der Hans Olsen beide anschauen müssen und dabei seine Gedanken gehabt. Man konnte ihr ja ansehen, wie es um sie stand; und gering war wohl die Hoffnung, daß sich hier etwas ändern werde! O nein, verläßt der Verstand erst den Menschen, dann kommt er gewiß nicht zurück! — Und der Per Hansen war in kurzer Zeit ein ältlicher Mann geworden. Jetzt erst begriff der Hans Olsen das Fürchterliche, gegen das der Per Hansen anzukämpfen hatte. Und hätte er in jener Stunde, als er das Paar vor der Lade knien sah, seinem alten Nachbar etwas von seinem eigenen Glück abzugeben vermocht, er hätte es ihm willig dargeboten.

Nach der Heimkehr vom Gottesdienst hatte er lange überlegt, — aber doch noch nicht sogleich mit der Frau davon sprechen wollen; — er wollte sich erst eine Weile bedenken. — Aber am Montag abend sprach er mit der Sörine.

Sollten sie sich nicht erbieten, das Kind der Nachbarn zu sich zu nehmen, — oder was meinte sie? — Vielleicht werde es ihr zuviel, — nein, er wisse nicht recht? — Aber es sei gar so traurig um die Nachbarin bestellt. Und er erzählte ihr, was er am Sonntag gefühlt. — Was meine sie also: sollten sie das Kind zu sich nehmen?

Die Sörine hatte ihn lachend geneckt, ob er nicht nächstens genug eigene Kinder haben werde. Hatte aber sogleich ernst hinzugesetzt, daß sie schon lange das gleiche gedacht, aber es nicht habe sagen wollen; der Per Hansen wisse, wie gern sie es täten, — hätte er es also gewünscht, wäre er wohl selber gekommen.

Oh, das sei nicht so sicher, — der Per Hansen wisse auch, was jetzt hier im Hause bevorstehe, und der sei nicht einer, der sich den Leuten aufdränge! — Auch sehe er vielleicht nicht selber, wie schlimm es um die Frau stehe? — Und komme auch in diesem Sommer die Pest und breche es wieder bei ihr aus, dann sei der Ausgang ungewiß! — Die es aber mit ansähen, trügen doch wohl auch eine Verantwortung?

Da kam die Sörine mit einem unerwarteten Einwand: »Ich glaube, die Beret nährt Eifersucht gegen mich, weil ich das Knäblein so lieb hab‘.«

Der Hans Olsen dachte eine Weile nach. Das war gewiß nicht ganz ausgeschlossen, und jetzt kam er mit eigenen Bedenken: Wenn sie den Buben wirklich zum Sommer hernähmen, sei es dann auch ausgemacht, daß er hier besser gedeihe als daheim? — Und sei es auch recht gegen die Eltern? — Übrigens, wenn es so schlimm werde, daß der Per Hansen die Beret fortschicken müsse — und es bleibe wohl kein anderer Ausweg —, dann müsse einer das Kind wohl für immer annehmen? — Könnten sie das jetzt noch — werde es nicht zuviel für sie —, nein, er wisse nicht recht?

Für diese letzten Bedenken hatte die Sörine nur ein fröhliches Lachen. Sie wolle es schon übernehmen, auch noch diesem Knäblein Mutter zu sein, käme es darauf an! Doch damit sei der Per Hansen schwerlich einverstanden; der halte von dem Jungen mehr als von einem der andern — wenn sie sich nicht sehr täusche.

Sie sprachen an dem Abend noch lange darüber.

IX

Mittwoch nachmittag trieb leichter Nebel unter der Sonne; Tropfen fielen leise aus den Wolkenfetzen dort oben; ab und zu guckte die Sonne zwischen ihnen durch, um nachzusehen, wie es auf Erden stehe; sie setzte hier und dort einen Regenbogen hin zum Zeichen, daß sie es wohl zufrieden sei. Der Himmel wölbte sich dahinter erhaben und blau; die Luft war still, — es war ein herrliches Wetter!

In der alten Stallgamme, die seit langem vom Per Hansen zu einer Art Werkstätte und Stabbur eingerichtet worden war, nähte die Beret an einem Hemd für den Kleinsten. Die Tür stand offen; sie konnte hinaussehen; sie hatte soeben das Gössel mit Frühstück zu den Buben geschickt, die auf dem Acker die Kartoffeln behäufelten. Der Per Hansen besserte das Dach des neuen Stalles aus; es war im Frühjahrsfrost leck geworden, weil die Weidengerten als Dachsparren nicht stark genug waren. Sie hörte ihn arbeiten.

— Ach ja, er macht seine Sache gut, seufzte sie und sah von der Näharbeit auf, könnte ich doch auch die meine recht besorgen! —

Ihr Gesicht hatte den kindlichen Ausdruck, der auf den Pastor solchen Eindruck gemacht; die Augen träumten sich verloren in etwas hinein, das nicht war, wie es sein sollte, und doch nicht abzuändern stand; ein unnatürliches Glimmen schwelte in ihrer Tiefe.

Sie war ganz ruhig. Auch heute fühlte sie sich recht müde und schlaftrunken wie jeden Tag, seit der merkwürdige Mann die Hand auf sie gelegt und mit seiner sonderbaren Stimme gesagt hatte, jetzt löse er sie aus den Banden des Satans! Es war so eigen, daß einem Menschen solche Macht verliehen werden konnte! Aber er hatte ihr nichts vorgetäuscht, das fühlte sie; denn er hatte ihr Bürde auf Bürde abgenommen, und sie hatte den Druck so sehr schwinden gespürt, daß sie geglaubt hatte, sie steige geradeswegs zum Himmel auf. Seither war die Schlaftrunkenheit über sie gekommen. — Sie konnte es nicht fassen. Sie schlief des Nachts gut, war aber tagsüber noch so schlafbeschwert, daß sie sich nur mit Mühe wach hielt.

Ein herrlicher Mann war er, das war gewißlich wahr! Und wie schön er sie alle zum Singen gebracht hatte! — Sie lächelte bei der Erinnerung: Sollt‘ einer es für möglich halten, daß er sie dazu vermocht, hier in der Gamme genau die Choräle anzustimmen, wie die Leute sie in Norwegen in den Kirchen singen! — Und es schien auch allright gewesen zu sein; denn kein Unheil war um deswillen hinterher eingetroffen. Und noch immer schwebten die Melodien in der Stube — gestern noch hatte sie sie überall hören können; sie hatte eine aufgefangen und hatte sie gesungen, bis der Per Hansen hereingestürzt gekommen war und gefragt hatte, was denn geschehen sei. — Er hatte so seltsame Augen gemacht; er brauchte doch nicht ängstlich zu sein, weil sie sang? —

Und wie sie jetzt daran dachte, tauchten die Strophen eines Chorals in ihr auf; sie lauschte und summte leise mit.

Nein, sie durfte wohl nicht singen! Sie konnte wieder jemanden damit erschrecken, wo doch die Leute hier so schnell in Furcht gerieten. — Diese Handarbeit war übrigens nicht leicht — wie nett er in dem Hemde aussehen werde! Sie hörte ihn doch wohl, wenn er in der Stube aufwachte? Eine kräftige Stimme hatte der Bursch!

Wenn die Mutter erst erfuhr, daß er Pastor werden sollte, würde sie ihn sich wohl nicht mehr ausbitten.

Ein großes Lächeln legte sich über das erwachsene Kindergesicht: Ein Pastor in der Familie, — ich die Mutter eines Pastors, das ist ja ganz wie in der Bibel!

Die Hand legte Stich neben Stich, aber sie zitterte. Die Gedanken kamen ungestümer; die Hand vergaß das Nähen.

Wenn jetzt die Mutter kommt, dachte sie, und jetzt könnte sie gleich da sein, dann will ich ihr das alles erzählen — und dann will ich ihr das sagen: wäre ich in Norwegen geblieben, wärest du niemals die Großmutter eines Pastors geworden — das werde ich ihr sagen, — denn dort geschehen nicht so merkwürdige Dinge. — Aber dann glaubt sie mir vielleicht nicht, was ich ihr erzähle?

Das Gesicht wurde nachdenklich, die Hand ruhte im Schoße.

— Aber dann erzähle ich ihr, daß wir jetzt in unserer Hütte Kirche halten. Und dann wird sie lachend den Kopf schütteln: Ich glaube, da behauptest du mehr, als du verantworten kannst, du Beret! Gerad das wird sie sagen. Und dann antworte ich: Nein, Mutter, das tue ich keineswegs; denn jetzt höre nur, — und dann erzähle ich ihr alles: Wir haben eine Kirche, und darin ist ein Altar mit Lichtern und allem sonst — und der Altar, das ist die große Lade vom Vater! Da wird sie noch mehr erstaunen. Beret, wird sie sagen, du redest soviel dummes Zeug; du mußt deine Zunge besser hüten, mein liebes Kind, — schau, es geht nicht an, über all und jedes daherzuschwätzen! Dann aber zeige ich ihr, wie der Syvert mit der Kjersti und der Hans Olsen mit der Sörrina und alle die andern vor der Lade knieten und einen Brocken von des Herrn Herrlichkeit zugeteilt erhielten. Und den Hans Olsen und die Sörrina, die kennt sie, und denen wird sie glauben. — Ich werde ihr zeigen, wo die Lade gestanden hat. — Laß sehen, ob ich mich noch der Worte erinnere, die er brauchte: Die gnädige Vergebung aller deiner Sünden! Gewiß, er sagte ›aller,‹ das weiß ich noch ganz deutlich!

Sie saß lange Zeit in Gedanken versunken; die Näharbeit ruhte im Schoß, die Hand darauf.

— Die Mutter sitzt auf dem Stuhl beim Herd, wie immer, wenn sie hier ist. Ja, fragt sie, bist du jetzt sicher, daß er Pastor werden wird, Beret? Übereile dich nicht, — du bist stets gar so schnell zu locken gewesen! Darauf werde ich antworten: Ja, Mutter, daran darfst du niemals zweifeln! Denn ich hörte es ja selber, wie jener merkwürdige Mann hier mit dem Herrgott deswegen akkordierte und bekam, was er wollte, — auch der Per Hansen und ebenso die Sörrina haben es gehört — frage sie nur, wenn du mir nicht glaubst!

— Dann sieht die Mutter mich lange an, und dann sagt sie: Ja, verhält es sich so, daß der Herrgott ihn braucht, dann wäre es häßlich von mir, ihn zu beanspruchen, obwohl ich gar gern einen der Deinen bei mir haben möchte, — aber dann hüte ihn mir auch gut, du mein liebes Kind! Das werde ich tun, glaube mir, antworte ich ihr dann; denn er soll ja in die Welt hinaus und den Menschen von des Herrn Herrlichkeit mitteilen!

— Jetzt steht die Mutter auf und will wieder ihres Weges gehen, und dann sage ich: Vergiß auch nicht, den Vater zu grüßen! Und das von seiner Lade mußt du ihm auch erzählen. —

Berets Antlitz wurde lang und nachdenklich.

Plötzlich wurden ihre Gedanken abgelenkt: schwere Schritte gingen über die Hofreite und hielten beim Stall. Jemand sprach und ging hinein; — jetzt hörte sie Per Hansens Stimme.

Die Beret nahm ihre Näharbeit wieder vor.

— Ob sie da wieder etwas von ihm wollen? Es heißt jetzt Per Hansen vorn und Per Hansen hinten, und niemals ist hier Ruhe. Verstehen denn die Leute nicht, daß ich ihn daheim nicht entbehren kann? — Und niemandem kann er nein sagen. — — Das ist gewiß wieder einer, der eine Fuhre von ihm will, und dann bleiben sie solange weg!

Sie nähte eine Weile.

Der hatte aber viel auszurichten, — wer mochte es wohl sein? Die Beret legte die Arbeit hin, ging leise aus der Tür über die Hofreite und zur Stallwand; hier blieb sie stehen: Ach, das war ja der Hans Olsen ! Dann war es nicht gefährlich, der hatte gewiß keine Fuhre mehr nötig.

Sie wollte schon wieder zurückgehen, da aber kam etwas, was sie innehalten ließ, — Worte, langsam von einer tiefen Stimme gesagt:

»Bekommt die Beret einen neuen Anfall, so weißt du, wie der ablaufen kann — es kann ein Unglück geschehen, das niemand von uns je vergessen wird, — wir haben genug von Ähnlichem erlebt. Das Knäblein wollen wir zu uns nehmen und werden es behüten, wie unser eigen Fleisch und Blut; — wir haben viel über das hier gesprochen, ich und die Sörrina.«

Der kindliche Gesichtsausdruck der Beret bedeckte sich plötzlich mit einem eigentümlich lauernden Zug.

Das fing jetzt also wieder an?! — Aber halt: jetzt antwortet der Per Hansen! — Der spricht doch mit so seltsamer Stimme — ist doch wohl nicht wieder erschreckt worden?

»Es ist schön von dir und der Sörrina, — das ist keine Frage; aber es muß so bleiben wie es ist. Es ist nun einmal so, daß sie die Mutter ist, und ich sehe, wie sie an ihm hängt. — Im letzten Frühling wußte ich noch nicht, wie ich mich diesen Sommer verhalten solle; aber jetzt habe ich mich entschlossen, es so bleiben zu lassen, wie es ist. Wird sie schon nicht wieder gesund, wenn wir ihn im Hause haben, so ist das schlechthin ausgeschlossen, wenn ich ihn erst fortbringe, — das glaube ich deutlich zu sehen. — Sie hat ihr Leben für ihn gewagt, und so soll sie ihn auch bei sich behalten, wie es auch gehen mag — ich sehe keinen anderen Ausweg. Das Schicksal, das lenkt uns alle, und es holt uns ein, ob wir auch hierhin oder dorthin entweichen.«

»Ich befürchte nur, du übernimmst dir eine allzu große Verantwortung,« wandte langsam der andere ein. »Du weißt, wie es letztes Jahr beinahe abgelaufen wäre.«

Es kam eine Pause. Das Antlitz der horchenden Frau spannte sich; ein Stock lehnte an der Stallwand, sie bückte sich schnell und packte ihn wild.

»Nein, siehst du,« sagte der Per Hansen, »gerade dessen soll niemand von uns so gewiß sein, obgleich es wohl so ausgesehen haben mag. — Denn es könnte ja doch auch so sein, daß sie es nicht auf die Weise bekommen hätte, wenn sie das Kind bei sich hätte behalten dürfen; — ich habe es wohl gemerkt, wie sie hier mit der Sehnsucht rang, als es fort war. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß vielleicht gerade das die Ursache gewesen ist. Vielleicht ist dadurch die Bürde für sie zu schwer geworden. — Und selbst wenn der Anfall trotzdem gekommen wäre, ist es noch nicht ausgemacht, daß sie dem Kinde etwas zugefügt hätte.«

Die Beret schlürfte die Worte wie ein Labsal; die Spannung legte sich, verging; die Hand ließ den Stock fallen; der Körper richtete sich auf, wurde so rank; und sie schaute um sich, — verwundert —: — Läuteten hoch oben nicht Glocken? —

Jetzt ließen sich die Stimmen im Stall weiter vernehmen.

»Glaubst du das wirklich?« fragte der Hans Olsen ernst.

»Ich will dir eins sagen, Hans Olsen: es gibt bald nichts, was ich von dem hier nicht schon geglaubt, — ich denke über nichts anderes mehr nach. Aber eines weiß ich: einen besseren Menschen als die Beret hat der Herrgott kaum je erschaffen — wenn ich ein so großes Wort aussprechen darf —, denn in ihr findet sich nichts Böses. Jetzt bin ich so weit, zu glauben, daß sie selbst in ihrer Verwirrung mit dem Kinde nichts Schlimmes beabsichtigt hat, wenn es auch für uns so ausgesehen haben mag. — Und schließlich ist das alles samt und sonders doch wohl meine Schuld!«

Herre Gott, wie läuteten heute die Glocken so schön! —

»Denn ich sehe jetzt ein: ich hätte sie nicht hierher locken sollen,« fuhr der Per Hansen traurig fort. »Ja, vielleicht war es sogar von Anfang an verkehrt, daß wir beide zusammenkamen? — Du weißt, wie es in Nordland war: Da hatten wir Boote, die wir auf Lofotfahrt gebrauchten, und die konnten vielerlei aushalten; und dann hatten wir Nachen, mit denen fischten wir daheim; die waren ebenso hübsch und für ihre Bestimmung ebensogut zu gebrauchen wie die andern für die ihre; aber wir konnten sie nicht gegeneinander austauschen. Es geht nicht an, in einem Nachen auf den Lofot zu segeln, — und ebensowenig kannst du mit einem Sechsruderer auf die Heimfischerei. Für dich und mich ist das hier draußen gar keine Sache; andere mögen für das Leben hier nicht taugen und können darum doch bessere Männer sein als wir. Es gibt mancherlei und vielerlei, was wir nicht verstehen.«

»Oh, ich sollte doch wohl die Beret kennen!«

»Das — glaube ich nun, tust du durchaus nicht, — so redlich und tüchtig du auch bist. Ich lebe jetzt seit all den Jahren mit ihr zusammen und muß einräumen, daß ich sie gar noch nicht kenne. — Jetzt erst fange ich an zu begreifen, wie viel und wie sehr sie gelitten hat, seit wir herkamen. — Es ist schon so, wie der Pastor sagt, das Mutterherz ergründet niemand. — Ich wollte nur stets darauflos und vorwärts; denn ich dachte mir eben, daß, was mir Freude macht, wohl auch andern gefallen müsse. Und was ist daraus geworden? Ich wollte ihr einen prächtigen Königshof bauen, und wir sitzen noch immer in der Erdhütte, und alles ist der reine Jammer. — Den Entschluß aber habe ich gefaßt: das Kind soll sie behalten. — Hab im übrigen Dank für dein Anerbieten.«

Tiefer Kummer sprach aus Per Hansens Worten; er war drückender als der graue Herbstabend, der sich bisweilen über die Prärie schleppt.

»Du sollst es uns nicht verübeln,« sagte Hans Olsens schwere, ernste Stimme; »denn wir haben allein Gutes beabsichtigt.«

Da rührte sich die Frau vor der Stallwand und schritt davon, unbewußt. Zwischen leichten Wolken hingen am Südhimmel noch die Streifen eines Regenbogens. Bei seinem Anblick verklärte sich ihr Antlitz.

Allmächtiger! Geschahen Zeichen am Himmel? — Dort droben stand die Herrlichkeit des Herrn! Siehe, der ganze Himmel war von ihr erfüllt ... dort, und auch dort war sie und war allerorten! —

Sie schritt weiter zur Wohngamme; sie wollte schon vorübergehen; da schrie da drin ein Kind aus Leibeskräften.

Sie blieb stehen, strich sich über Gesicht und Haar, trat darauf schnell in die Gamme. Im Bett gegenüber der Tür saß das Kind und schrie, als gehe es ans Leben.

Sie stürzte hin, warf sich darüber, riß den Buben an sich und umfaßte ihn, als hätte sie ein Kind wiedergefunden, das schon unerbittlich verloren gewesen. Sie sang und weinte zugleich leise vor sich hin; Dankbarkeit spülte Welle auf Welle in ihr Bewußtsein.

Der kleine Kerl war so überrascht, daß er plötzlich mucksmäuschenstill schwieg und sich eine Weile ruhig verhielt; dann zappelte er sich los und warf sich aufs Kopfkissen. Den einen Zeigefinger steckte er in den Mund, mit dem andern zeigte er steil in die Höhe, wie Kinder oft tun, wenn sie noch nicht so recht wissen, ob sie maulen sollen oder lieber vergnügt sein. Und dabei war er so unwiderstehlich lustig anzuschauen, daß sie sich danebenlegen mußte. Da strahlte er; der Finger kam aus der Luft herab, um ihr ins Gesicht zu pieken; und dann lachten sie alle beide auf, die Beret aber so laut und ausgelassen, daß er den Finger wieder zurückzog und ein höchst nachdenkliches Gesicht aufsetzte. — Als sie das sah, mäßigte sie sich und fing an, ihn leise zu liebkosen; und jetzt hatte sie ihn bald ganz für sich gewonnen.