Kitabı oku: «Das Tao der Gefühle», sayfa 2

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Wie ungewöhnlich und überraschend, dass ich jetzt meine Gefühle nur noch akzeptieren muss! Manchmal kann ich kaum glauben, wie leicht es ist, sie einfach wahrzunehmen oder ihnen einen liebevollen Ausdruck zu verleihen. Bin ich wirklich die gleiche Person, die vor zwanzig Jahren zu diesen unzähligen Männern gehörte, die keine Ahnung von Gefühlen haben?

Ich möchte nicht behaupten, dass alle oben genannten Ansätze völlig wertlos sind. Einige davon sind nützliche Werkzeuge, sofern sie nicht dazu benutzt werden, Gefühle zu verbannen, und sie werden auch in mein vielschichtiges Konzept der emotionalen Genesung mit einbezogen.

Ich hoffe, dass Ihnen dieses Buch hilft, sich nicht zu schaden, wie ich es getan habe, indem ich mich naiv Lehren und Praktiken verschrieben habe, die dauerhaftes Glück garantierten. Es ist eine Sisyphusarbeit, wenn man auf diese Weise versucht »oben« zu bleiben, und man wird unweigerlich und unnötig unzufrieden mit sich selbst, egal, wie gut gemeint diese Ansätze sind oder wie hilfreich sie für den Moment sein mögen.

Thomas Moore bezeichnet in seinem Buch Der Seele Raum geben: Wie Leben gelingen kann das Streben nach dem Glück als »Erlösungsfantasie«. Sie ist ein verführerischer, nutzloser Umweg in unserer persönlichen Entwicklung. Sheldon Kopp betitelte sein Buch Triffst du Buddha unterwegs, um uns zu ermutigen, diesen Umweg zu vermeiden und uns vor der unnötigen Selbstsabotage des emotionalen Perfektionismus zu retten.

Die motivierenden, emotionalen Auswirkungen jeder Technik oder Lehre im Hinblick auf die persönliche Entwicklung, ganz gleich, wie gesund und gut gemeint sie sind, weichen zwangsläufig normalen, ebenso gesunden Erfahrungen von weniger erhabenen Gefühlen. In solchen Momenten kann es geschehen, dass sich diejenigen, die glauben, sie sollten unerschütterlich fröhlich und transzendent sein, für diese normale Fluktuation der Empfindungen von Glück und Gelassenheit schuldig fühlen, da sie vermeintlich von Natur aus fehlerhaft sind.

Der Mensch wurde nicht geschaffen, um sich im Dauerzustand einer bestimmten Empfindung zu befinden. Niemand wird uns weiter auf die Folterbank des emotionalen Perfektionismus binden. Wir können heruntersteigen und stattdessen realistischere emotionale Ziele anstreben. Ein unerschütterliches Selbstvertrauen, das nicht durch emotionale Schwankungen beeinträchtigt wird, ist etwas, das wir alle auf gesunde Weise anstreben und nach und nach erreichen können.

Es gibt viel zu viele spirituelle Führer und kognitive Verhaltenspsychologen, die uns den Weg in die falsche Richtung weisen, indem sie darauf bestehen, dass wir unangenehme Gefühle beseitigen können und sollten. Viele New-Age-Führer kredenzen fälschlicherweise das Konzept der Erleuchtung, als ob es ein dauerhaft erreichbarer schmerzfreier Zustand wäre. Während meiner fünfundzwanzigjährigen spirituellen Praxis und der zwanzig Jahre, die ich mit psychologischen Studien verbrachte habe, ist mir jedoch noch kein Guru, Therapeut, Lehrer oder Anhänger begegnet, der sich in einem dauerhaft glückseligen Zustand befand und der nicht gelegentlich emotionalen Schmerzen ausgesetzt war. Wie traurig, dass so viele immer noch dieser illusorischen Verheißung nachjagen, und sich weiterhin dafür verachten, dass sie sie nicht erreichen.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich möchte in keiner Weise die wunderbaren Möglichkeiten einer effektiven spirituellen Praktik abwerten. Vielmehr versuche ich den Trugschluss deutlich zu machen, eine spirituelle Praktik könne die Notwendigkeiten einer »emotionalen Praktik« aufheben. Wenn wir nicht die ganze Bandbreite menschlicher Gefühle akzeptieren und erleben, können wir keine gesunden Menschen sein.

Vielleicht bin ich schlecht informiert und vielleicht gibt es einige seltene Seelen, die wirklich permanente Erleuchtung oder unerschütterliches Glück verkörpern. Vielleicht hat der neueste Avatar eines Abkömmlings des EST-Trainings eine Formel entwickelt, um eine wirklich vollständige Beherrschung der emotionalen Natur zu erreichen. Vielleicht beweist das Gehen auf heißen Kohlen ohne Schmerzempfindung, wie es die Teilnehmer in den aktuell populären Wochenendseminaren tun, dass wir in der Lage sein »sollten«, andere, weniger intensive, emotionale Formen des Schmerzes zu transzendieren. Da ich jedoch diejenigen, die für sich behaupten, den Himmel hier auf Erden gefunden zu haben, bisher nur als anmaßend erlebt habe, scheint es mir, dass die Chancen, unerschütterliche Glückseligkeit zu erlangen, extrem gering sind.

Daher bin ich so dankbar, dass ich R.D. Laings weise Äußerung schließlich verstanden habe: »Der einzige Schmerz, der vermieden werden kann, ist der Schmerz, der entsteht, wenn unvermeidlicher Schmerz vermieden wird.« Ich weiß jetzt, dass der Löwenanteil meiner bisherigen emotionalen Schmerzen, über neunzig Prozent, daher rührte, dass ich gelernt hatte, meine Gefühle zu hassen, zu betäuben und vor ihnen wegzulaufen.

Der größte Wendepunkt in meinem Leben geschah, als ich mein Streben nach dauerhaftem Glück und Transzendenz mit der unbeugsamen Bereitschaft ersetzte, für mich selbst in jedem Gefühlszustand da zu sein. Die Belohnung dafür war wundersam. Manchmal sind meine Tränen wie Juwelen, die durch Brechung strahlende Farbigkeit in mein Leben lenken. Meine Wut erlebe ich jetzt als eine sanfte Flamme, die mich mit einer immer größer werdenden Leidenschaft für das Leben wärmt. Meine Angst ist manchmal ein Leuchtfeuer, das mir neue Wege aufzeigt, um eine größere Wertschätzung des Lebens zu erlangen. Mein Neid zeigt mir, was ich in mir noch entwickeln möchte.

Ich habe sogar in Phasen der Depression Wunderbares erlebt. Depressionen führen mich manchmal in die Stille, die mich vom Joch der Zeit befreit; sie laden mich ein zu einem zunehmend intensiver erlebten Ort des Friedens in mir selbst und sie erlauben mir, mich in meinem Körper wohlzufühlen, als wäre er der luxuriöseste Sessel, den man sich vorstellen kann.

Außerdem versetzt mich das Trauern, besonders wenn es intensiv ist, in einen so tiefen Schlaf, dass ich mich wie ein ruhender Samen fühle, der sicher im fruchtbaren Lehm von Mutter Erde geborgen ist und nichts anderes zu tun hat, als darauf zu warten, dass die Sonnenstrahlen ihn wecken.

Die Bereitschaft, ganzheitlich zu fühlen, verleiht uns eine befreiende emotionale Flexibilität. Ich staune immer wieder darüber, wie das Zulassen unangenehmer Gefühle diese Wirkung auslöst und mir viel schneller wieder ein gutes Gefühl verleiht, als es eine Abwehr jemals getan hat.

Unsere Gefühle beleben und bereichern uns in dem Maße, wie wir sie in ihrer Vielfalt zulassen. Jetzt ist es an der Zeit, uns von der lähmenden Treue zu den TV-Helden zu befreien, die uns einzelne monotone Melodien von Härte, Coolness, Nettigkeit oder gekünstelter Leichtsinnigkeit summen lassen. Unsere Emotionen sind unsere eigene Musik, und kein monotones oder Drei-Noten-Liedchen kann in uns die Leidenschaft für das Leben erzeugen. Wir werden zu Sinfonien, wenn wir uns alle Töne der emotionalen Skala zurückerobern.

Ich selbst war auf einer langen Reise zurück zu meinen Gefühlen, ohne die Orientierung einer Karte, und ich hoffe, dass die Karte, die ich Ihnen hier anbiete, Ihnen eine Abkürzung zu Ihrer emotionalen Genesung ermöglicht. Ich hoffe, dass Sie einige der hier beschriebenen Schätze entdecken werden und dass Sie durch eine umfangreichere emotionale Erfahrung des Lebens beseelt werden. Ich bete, dass Sie das Gefühl der Zugehörigkeit und Erfüllung erleben, das durch die emotionale Freiheit Ihrer selbst und mit Ihren Vertrauten entsteht.

Kapitel 1
Die Bedeutung der Wiedererlangung des ganzen Spektrums der Gefühle

Das Gefühl sagt uns, wie und wie sehr eine Sache für uns wichtig ist.

— Carl Gustav Jung

Amerika ist eine Nation emotionaler Waisenkinder … erwachsene Kinder sind ohne wirkliche Eltern aufgewachsen. Unzählige unserer Freunde, Nachbarn, Ehepartner und Liebhaber hatten eine Kindheit, in der ihre Eltern emotional nicht für sie da waren.

— Dennis Wholey

Gefühle und Emotionen sind energetische Zustände, die sich nicht auf magische Weise auflösen, wenn sie ignoriert werden. Ein großer Teil unseres unnützen emotionalen Schmerzes ist der verzweifelte Druck, der dadurch entsteht, dass die emotionale Energie nicht freigesetzt wird. Wenn wir uns nicht um unsere Gefühle kümmern, sammeln sie sich in uns an und erzeugen wachsende Angst, die wir häufig als Stress abtun.

Stress ist nicht nur eine schädliche physiologische Reaktion auf belastende äußere Anreize wie Lärm, Umweltverschmutzung, Pendeln zum Arbeitsplatz, lange Arbeitszeiten oder viel Trubel. Stress ist auch der schmerzhafte innere Druck der angesammelten emotionalen Energie.

Das Trauern, das hier ausführlich untersucht wird, ist der effektivste Mechanismus zur Stressbewältigung, über den die Menschen verfügen. Trauern ist ein sicheres, gesundes Ventil für unsere inneren Druckkochtöpfe der Emotionen. Oft habe ich Gefühle erlebt, bei denen ich glaubte, gleich zu explodieren, und die sich durch ein ausgiebiges Weinen sofort lösten. Fast täglich erlebe ich in meiner Privatpraxis, wie andere dieselbe wunderbare Erleichterung erfahren.

Wenn wir uns nicht auf unsere Gefühle einlassen, hat das viele furchtbare Konsequenzen. Der Preis der Unterdrückung der Gefühle ist eine konstante, verheerende Energieverschwendung, die viele von uns deprimiert und schweigsam macht. Wenn wir auf diese Weise ständig geschwächt werden, versinken wir zunehmend in Apathie und im Gefühl des Überdrusses, »alles schon mal gesehen zu haben, überall schon mal gewesen zu sein und alles schon mal gemacht zu haben«. Wenn dies eintritt, geben wir unsere Bestimmung auf, ausdrucksstarke, das Leben feiernde Wesen zu sein, zu denen wir geboren wurden.

Der Kampf gegen unsere Gefühle zwingt diese, sich gegen uns zu wenden. Ein Großteil unseres überflüssigen Leidens wird durch die Geister unserer getöteten Emotionen verursacht, die durch unser Bewusstsein wehen und uns in Form von verletzenden Gedanken verfolgen. Verleugnete Emotionen trüben unsere Gedanken durch ängstliche Sorge, mürrische Selbstzweifel und wütende Selbstkritik.

Wir riskieren auch, unsere Emotionen unbewusst »auszuleben«, wenn wir nicht bereit sind, sie zu spüren. Sarkasmus, der Hang zum Kritisieren, gewohnheitsmäßiges Zuspätkommen und »vergessene« Verpflichtungen sind häufige unbewusste Äußerungen von Wut. Paradoxerweise lassen uns diese passiv-aggressiven Verhaltensweisen in noch größerem emotionalen Schmerz zurück, weil sie andere dazu bringen, uns zu misstrauen und uns nicht zu mögen.

Die gravierenden Probleme des maßlosen Essens, der Übermedikation und des übermäßigen Arbeitens, die Amerika plagen, wurzeln ebenfalls in der massenhaften Entfremdung von unseren Gefühlen. Wenn wir Angst vor unseren Gefühlen haben, sind wir gezwungen, uns durch stimmungsverändernde Substanzen, Arbeitssucht oder ständige Geschäftigkeit von unseren Emotionen abzulenken. Wie Anne Wilson Schaef in ihrem Buch Im Zeitalter der Sucht: Wege aus der Abhängigkeit zeigt, sind viele von mindestens einer selbstzerstörerischen Substanz oder einem entsprechenden Verhalten abhängig.

Ironischerweise tragen unsere Ablenkungen in der Regel zu dem zugrunde liegenden Schmerz bei, den wir versuchen zu vermeiden. Wenn es zur Gewohnheit wird, fügen sie unserem Körper schließlich schwere Schäden zu. Unser rasendes Lebenstempo und die Verwendung von chemischen Substanzen (verschriebene, illegale oder rezeptfreie) betäuben uns so gründlich, dass wir ihre lähmenden Auswirkungen oft erst dann spüren, wenn wir schwer erkranken.

Wir sind so abwehrend gegenüber unseren Schmerzen geworden, dass wir immer wieder auf der Suche nach neuen Wegen sind, um nicht zu fühlen. Die weit verbreitete Narkotisierung der Hausfrauen mit Valium in den Fünfziger- und Sechzigerjahren war ein Präzedenzfall für die gegenwärtige explosionsartige Betäubung beider Geschlechter mit modernen Antidepressiva. Medikamente wie Prozac, Zoloft und Paxil werden derzeit als »Designerdrogen« verwendet, und viele Allgemeinmediziner mit geringer psychiatrischer Ausbildung verschreiben sie großzügig jedem, der sich schlecht fühlt.

1995 wurde in einer TV-Sondersendung von Frontline über entsprechende Zustände berichtet. Dieses Programm dokumentierte den damals weitverbreiteten Trend zum übermäßigen Gebrauch von Prozac und richtete den Fokus auf einen Psychologen aus dem Bundesstaat Washington, der Prozac allen seinen Klienten verschrieb und neue Klienten nur behandelte, wenn sie bereit waren, Prozac zu nehmen. Vor laufender Kamera sagte er einem potenziellen Klienten: »Sie haben keinen Zugang zu Ihrem wahren Selbst ohne dieses Medikament.« Leider begegne ich immer mehr Therapeuten, die ihren Klienten sofort Prozac verschreiben, ohne zuerst das Trauern als Mittel gegen Depressionen und Stress auszuloten.

In dem Krieg, den unsere Kultur gegen das Fühlen führt, werden Emotionen zu einer gefährdeten Art. Überall werden wir von familiären und gesellschaftlichen Erwartungen bedrängt, »cool« zu sein. Die Haltung, so zu tun, als könne uns nichts verletzen oder beeinträchtigen, ist schleichend zu unserem Vorbild für Gesundheit und Entfaltung geworden. Viele von uns sind so cool, dass sie emotional kalt und abschreckend distanziert geworden sind. Mit den Worten von Robert Bly:

… die Vertuschung schmerzhafter Emotionen in uns … ist in unserem Land zu einer Frage des nationalen und privaten Stils geworden. Wir haben mit überwältigendem Elan das Tier der Verleugnung zum Leittier des Lebens in unserem Land gemacht.

Nirgendwo, weder in unseren privatesten Momenten, noch in der Gesellschaft unserer engsten Freunde, fühlen wir uns sicher, unsere Gefühle zu erkunden. Wut, Depression, Neid, Traurigkeit, Angst, Misstrauen usw. sind alle genauso wichtig für das Leben wie Brot, Blumen und Straßen. Doch diese Gefühle rufen bei uns – sobald sie aufkommen – gewöhnlich Scham und Furcht hervor, selbst bei denjenigen, die allen anderen unvorhergesehenen Lebensereignissen tapfer begegnen.

Wer es wagt, Gefühle auszudrücken, die nicht positiv sind, wird als bemitleidenswert und unreif betrachtet, weil er sich nicht für eine würdevollere Haltung entschieden hat. Welch schrecklicher Verlust der natürlichen menschlichen Neigung, einem verzweifelten Freund Mitgefühl zu erweisen – eine Reaktion, die es in nichtindustrialisierten Ländern immer noch gibt.

Eine Schulter zum Ausweinen und die Erlaubnis, zu jammern und zu klagen, sind in den Industriegesellschaften verschwindende Sakramente. In unserer Kultur bedeutet Empathie, unseren bedrückten Freunden – in bester Absicht – zu raten, »das Positive zu sehen« und daran zu denken, dass »es schlimmer sein könnte«.

Dies steht im Gegensatz zur Stammeskultur von Neuguinea, wo Männer und Frauen gleichermaßen von ganzem Herzen an den jährlichen Trauerfeierlichkeiten beteiligt sind. Den ganzen Tag lang halten sie sich in den Armen und trösten sich gegenseitig über den Verlust ihrer in der Tat glücklichen Kindheitstage.

Uns fehlt die normale menschliche Güte, aus der heraus wir unsere engen Freunde ermutigen, ihre Gefühle zu zeigen, damit sich ihr Schmerz nicht einkapselt und in Angst, Sorge und Selbstverachtung verwandelt.

Von Jahr zu Jahr offenbart sich immer mehr die 1969 vom Psychoanalytiker Rollo May geäußerte Vorhersage:

Ich glaube, dass es in unserer Gesellschaft einen eindeutigen Trend zu einem Zustand der Gefühllosigkeit als Lebenseinstellung, als Charakterzustand gibt.

Hat Gott einen schrecklichen Fehler begangen, als er uns mit der Eigenschaft zu fühlen ausgestattet hat, um uns von Robotern und Androiden zu unterscheiden, denen wir scheinbar nacheifern?

Vielleicht ist Gott dabei, ein neues Gebot zu erlassen: »Du sollst keinen emotionalen Schmerz fühlen oder ausdrücken!« Wenn dem so ist, könnten wir alle in einer Welt enden, die frostig und ohne Gefühl ist. Lesley Hazelton beschreibt in ihrem Buch Dein Recht, dich schlecht zu fühlen. Mit Alltags-Depressionen leben solch eine Welt:

Schizophrene kennen diese Welt. Sie haben sich in sie zurückgezogen, abseits des gesamten Bereichs menschlicher Interaktionen und Beziehungen – in extremen Fällen sogar von der Fähigkeit, physischen sowie psychischen Schmerz zu empfinden. Dies ist ein Zustand schwerer emotionaler Störung. Dennoch kommt er dem derzeitigen Idealzustand, keine »negativen« Gefühle zu haben, sehr nahe.

Schluss mit der Flucht vor den Gefühlen

Menschen greifen nicht millionenfach zu Drogen und Alkohol, um einen Schmerz zu betäuben, den sie erkannt haben und benennen können.

— Dennis Wholey

Wenn ein Kind Gefühle der Traurigkeit, der Wut, des Verlustes und der Frustration nicht ausleben darf, werden seine wahren Gefühle neurotisch und verzerrt. Im Erwachsenenalter wird dieses Kind unbewusst sein Leben so gestalten, dass es dieselben Gefühle wieder verdrängt. Der Kinderpsychologe Bruno Bettelheim beklagt, dass Kindern berechtigtes Leiden nicht zugestanden wird. Er stellt fest, dass sogar die Bücher, die Kinder in der Schule lesen, das Leben als eine Abfolge von Freuden zeigen. Niemand ist wirklich wütend, niemand leidet wirklich, es gibt keine echten Emotionen.

— Susanne Short

Die Krankheit der emotionalen Auszehrung ist eine Epidemie. Millionen von Menschen in den Industrieländern sind emotional verarmt und abgestumpft. Unser breites Angebot von vermeintlich kultivierten Ablenkungen macht uns emotional verletzter und verlorener, als es Menschen jemals zuvor waren. Da wir immer getriebener sind und unter Zwängen leiden, vermögen wir keinen wirklichen Frieden zu finden. Ständige Geschäftigkeit in der Tretmühle des Leitsatzes »es ist nie genug« stresst und erschöpft uns. Wir haben unbewusst Angst davor innezuhalten oder unverplante Zeit zu haben, damit die Gefühle, vor denen wir fliehen, uns nicht erreichen und in unser Bewusstsein dringen.

Einige der schönsten Dinge des Lebens – Sex, Essen, Sport, Gespräche, Lernen und Arbeiten – verlieren ihre Qualität, weil unser rasendes Tempo es unmöglich macht, sie zu genießen. Selten nehmen wir uns genügend Zeit, um diese Aktivitäten in ihrer ganzen Fülle zu genießen.

Wie traurig ist es, dass wir unseren Frieden opfern, weil wir noch nicht zur Ruhe gekommen sind, um die unverdauten Emotionen, die uns antreiben, zu fühlen, zu erleben und zu verarbeiten, die als Angst in unseren Bäuchen rumoren, die unsere Gedanken als ständige Sorge »vergiften«, die uns rennen lassen, als ob wir die ganze Zeit beim Ausbruch aus unserem eigenen Gefängnis feststecken würden!

Wir können das geistlose Rennen stoppen. Erfahrungen von Frieden und Zufriedenheit liegen unter unseren unverdauten Gefühlen. Wir können lernen, alle unsere Emotionen gefahrlos zu fühlen und auszudrücken und den tiefen Trost erleben, wenn wir unseren Körper ungestört und ganzheitlich bewohnen. Wir können uns wieder von »menschlich Handelnden«, einem von Johannes Bradshaw geprägten Begriff, zurück zu »menschlich Seienden« verwandeln.

Die Anthropologen Eli und Beth Halpern erinnern uns daran, dass Friedlichkeit eine natürliche Eigenschaft des Menschen ist. Sie berichten: Auf Mikronesisch gibt es das Wort kukaro, das kein entsprechendes Wort im Englischen hat. Wenn Leute sagen, sie werden kukaro, meinen sie, dass sie sich entspannen, herumsitzen, abhängen wollen. Sie wollen sein, sie wollen nichts tun.

Viele von uns können sich nicht an das letzte Mal erinnern, als sie unproduktiv waren bzw. nicht getrieben waren, produktiv zu sein. Viele haben vergessen, wie sehr wir uns früher durch solche alltäglichen Wunder wie das Bestaunen eines Spinnennetzes, das Entdecken einer Tierform in den Wolken oder das Erforschen der zarten Komplexität der Stempel und Staubgefäße einer Blume bezaubern lassen konnten.

Es ist an der Zeit, die emotionale Vitalität des Kindes in uns wiederzuentdecken. Unser inneres Kind vermag in einfachen Vergnügungen dauerhafte Befriedigung finden, weil es diese nicht dazu nutzt, einem inneren Gefühlschaos zu entfliehen. Vielleicht motiviert Sie die Vision des emotional vitalen Dichters Walt Whitman, sich wieder mit der Begeisterungsfähigkeit Ihres verlassenen inneren Kindes zu verbinden:

Ich glaube, ein Grashalm ist nicht geringer als die Flugbahn der Sterne,

Und Brombeerranken könnten die Vorhallen des Himmels schmücken,

Und eine Maus ist Wunder genug, um Trilliarden von Ungläubigen

Ins Wanken zu bringen …

Und ich oder du, ohne einen einzigen Cent in der Tasche, können das Kostbarste der Erde erwerben

Und einen Blick aus den Augen zu tun oder eine Bohne in ihrer Hülse zu zeigen bringt die Gelehrsamkeit aller Zeiten durcheinander …

Viele von uns schrecken vor der Idee zurück, ihre Gefühle willkommen zu heißen, weil sie selten gesunde Gefühlsäußerungen erlebt haben. Der kleine Prozentsatz an Menschen, der in unserer Kultur Gefühle zeigt, tut dies oft auf abstoßende Weise, und viele, die »unter Drogeneinfluss« stehen, sind in ihrer ungezügelten Emotionalität mitleiderregend oder verletzend.

Es gibt auch eine kleine, unübersehbare Gruppe in unserer Bevölkerung, die an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leidet. Betroffene drücken ihre Emotionen in der Regel strafend und aufbrausend aus. Sie wüten und schluchzen krampfhaft ohne Vorbereitung, oft in einer Weise, die uns das Gefühl gibt, kontrolliert und manipuliert zu werden. Ihre extremen emotionalen Verhaltensweisen überzeugen uns ebenfalls davon, dass wir gut daran tun, unsere Gefühle zu verbergen.

Es gibt einen dritten Typus von Menschen, der Gefühle ins schlechte Licht rückt, indem er hartnäckig an ihnen festhält, bis sie zu verbitterten Haltungen werden. Menschen, die sich ständig hinter Reizbarkeit oder Selbstmitleid verschanzen, lassen uns davon Abstand nehmen, Ärger, Traurigkeit oder was auch immer zu fühlen oder zu zeigen.

Wir müssen uns nicht durch den unverantwortlichen Gefühlsausdruck anderer Menschen von unseren Gefühlen entfremden lassen. Ich glaube zwar, dass wir keine große Wahl haben, was wir fühlen, aber ich weiß, dass wir viele Möglichkeiten haben, wie wir auf unsere Gefühle reagieren können. Das Tao der Gefühle beschreibt den Mittelweg zwischen emotionaler Explosivität und emotionaler Kälte – zwischen schädlicher Launenhaftigkeit und ausgetrockneter »Gefühllosigkeit«. Dieses Buch bietet pragmatische Ansätze für einen nicht-destruktiven Umgang mit schmerzhaften und potenziell störenden Gefühlen.

Wir können lernen, auf gute Weise emotional zu sein. Wir können unsere Emotionen zulassen, ohne an ihnen festzuhalten. Wir können unsere Gefühle mildern und uns in unseren Gefühlen entspannen, ohne sie zu verbannen oder zu zementieren. Wir können unsere Gefühle gehen lassen, wenn sie ihre Funktion voll erfüllt haben.

Es gibt auch Zeiten, in denen es erforderlich ist, Gefühle zu sublimieren oder zu unterdrücken. Sublimierung ist die bewusste Entscheidung, emotionale Energie in andere Formen des produktiven Selbstausdrucks zu transformieren und umzulenken, wie z.B. in Sport oder Tanz. Unterdrückung ist die bewusste Entscheidung, unter nicht passenden Umständen auf emotionalen Ausdruck zu verzichten. Selten nützt es etwas, den Chef anzuschreien oder vor unsensiblen Menschen zu weinen. In solchen Situationen können wir das »Ausleben« unserer Emotionen verschieben, bis wir uns in einem sichereren Umfeld befinden.

Automatische Unterdrückung ist nicht die einzige schlechte Wahl, die wir in Bezug auf unsere Gefühle treffen. Eine schädliche Option, die die meisten von uns ständig wählen, ist auch das Festhalten an einem positiven Gefühl, das wir nicht mehr wirklich empfinden. Wenn wir das tun, ersetzen wir die Authentizität eines Gefühls durch eine leere, leblose Vorstellung davon.

Wenn wir uns dazu zwingen, Gefühle des Glücks oder der Liebe zu zeigen, die wir nicht wirklich empfinden, wirken wir künstlich und betrügerisch wie Plastikblumen oder billiges Parfüm. Gezwungenes Lachen und ein angestrengtes Lächeln erwecken ebenso viel Vertrauen wie unehrliche Politiker und »aalglatte« Gebrauchtwagenverkäufer.

Ohne das ganze Spektrum an Emotionen sind wir keine ganzen Menschen. Wir sind vielmehr wie der Künstler, dessen Palette nur Platz für helle und fröhliche Farben hat. Unser Selbstausdruck ist langweilig und oberflächlich wie die Bilder vom Discounter, die mit ihren faden, zarten Pastelltönen in ästhetischer Hinsicht wenig überzeugend sind.

Die »negativen« Emotionen bringen dunkle Farben auf die Palette des Künstlers. Sie eröffnen eine unendliche Auswahl an Farben, Schattierungen und Nuancen. Ohne Schwarz auf der Palette gibt es keine satten Farben, keine Tiefen, keine Kontraste, keine Feinheiten. Ohne dunkle Farben ist es unmöglich, die unendlich vielfältigen Themen und Landschaften des Lebens einzufangen.

Ohne unsere dunkleren Emotionen gibt es wenig Tiefe und Dimensionalität in unserer Beziehung zu anderen. Wir haben keinen Zugang zu den vielen Wegen und Feinheiten der Kommunikation, die Freundschaften reich und dauerhaft interessant machen. Wenn wir nur Freunde sein können, solange wir glücklich und »gut drauf« sind, dann sind unsere Freundschaften schmerzlich oberflächlich.

Tiefe Einsamkeit ist der schreckliche Preis, den wir zahlen, wenn wir unsere Beziehungen zu anderen Menschen nur unter dem Deckmantel des Wohlbefindens führen. Diejenigen, die nur in guten Zeiten für andere da sind, sind Schönwetterfreunde, denen Loyalität und Vertrauen fremd sind.

Die meisten Menschen mögen sich selbst, wenn sie Liebe, Glück oder Gelassenheit empfinden, doch die Person, die sich in Zeiten emotionalen Schmerzes mit sich selbst anfreundet, besitzt ein stabileres und authentischeres Selbstwertgefühl.

Wenn wir lernen, unsere Gefühle unmittelbar wahrzunehmen, entdecken wir schließlich, dass die Hingabe an die Gefühle die bei Weitem effizienteste – und auf lange Sicht am wenigsten schmerzhafte – Art und Weise ist, auf sie zu reagieren. Wir wissen selbst, dass das Leben nicht schmerzfrei sein muss, um es voll genießen zu können. Wir entdecken, dass neue Erfahrungen von Verlust und Schmerz unser Bewusstsein nicht dominieren oder unsere Begeisterung für das Leben vernichten.

Wenn wir lernen, uns mit unseren Gefühlen anzufreunden, leiden wir immer weniger unter selbstschädigenden Gefühlsfluchten. Wir akzeptieren anstandslos die Realität, dass sich unsere emotionale Natur, wie das Wetter, oft unvorhersehbar ändert, mit einer Vielzahl von angenehmen und unangenehmen Eigenschaften. Wir sind uns bewusst, dass wir genauso wenig ein positives Gefühl dazu bringen können, ewig anzudauern, wie die Sonne gezwungen werden kann, ständig zu scheinen.

Wenn wir uns unseren Gefühlen hingeben und ihnen nachgeben, verbinden wir uns wieder mit den unschätzbaren Instinkten und der Intuition, die wir von Natur aus tragen. Manchmal entdecken wir das Wunder aller sogenannten negativen Emotionen. Ich erlebe, wie andere, die ihre Emotionalität wiedererlangt haben, viele wunderbare Erfahrungen machen, bei denen Traurigkeit zu Trost wird, Wut sich zu Lachen entfaltet, Angst in Aufregung umschlägt, Eifersucht zu Wertschätzung wird und Schuld Vergebung ermöglicht.

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